Protocol of the Session on February 4, 2016

Würden Sie es ausschließen, dass in früheren Landesregierungen die Entscheidung über das Abstimmungsverhalten im Bundesrat nicht auch relativ zeitnah vor Bundesratssitzungen getroffen wurde, und zwar in aller Regel erst dann, wenn beschlussfähige Papiere auf dem Tisch gelegen haben? Schließen Sie das aus, oder war das früher alles ganz anders?

Erstens. Die Hessische Landesregierung hat sich auch in früheren Koalitionen gelegentlich enthalten, also mit Nein gestimmt. Herr Kollege Boddenberg, das ist die Realität.

Zweitens. Die Zahl der Enthaltungen und damit der Neinstimmen der schwarz-grünen Landesregierung in Hessen

hat einen Rekordwert erreicht wie bei keiner Landesregierung zuvor.

(Beifall bei der FDP)

Das sollten Sie schon bedenken. Deshalb hat Matthias Alexander in seinem Kommentar sehr recht,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das macht die Schwäche der FDP aus!)

dass jetzt die Situation eintritt, in der diese Regierung einmal Farbe bekennen muss. Herr Kollege Wagner, ich habe einmal nachgeschaut, was „Herumeiern“ bedeutet, damit man weiß, wie man diese Koalition einzuschätzen hat. „Herumeiern“ bedeutet, nichts Produktives tun und keine richtige Meinung haben. Ein Beispielsatz dafür lautet: Klaus: „Was hast du heute den ganzen Tag gemacht?“ Peter antwortet: „Ich habe den ganzen Tag herumgeeiert.“ Genau das Gefühl haben wir bei Ihrer Politik. Sie schicken bei wichtigen Fragen den Ministerpräsidenten vor, damit er auf Bundesebene versucht, den Eindruck zu vermitteln, die CDU handele, und im eigenen Land hat er keine Mehrheit, die diese Position unterstützt. Meine Damen und Herren, das ist das Problem.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb will ich abschließend sagen: Das wäre alles nicht so schlimm, weil wir es erstens schon kennen und zweitens auch nicht überrascht sind, dass es so kommt. Herr Kollege Boddenberg, in diesem Fall können die hessischen Stimmen aber ausschlaggebend sein. Wer sich einmal die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat anschaut, kommt zu dem Ergebnis, dass SPD und CDU gemeinsam 24 Stimmen für das Asylpaket haben. Baden-Württemberg hätte sechs Stimmen, wenn Herr Kretschmann mitmacht – großes Fragezeichen. Meine Damen und Herren, lieber Herr Boddenberg, wir brauchen 35 Stimmen für die Mehrheit im Bundesrat, d. h. es kann sein, dass die Stimmen aus Hessen die Stimmen sind, auf die es ankommt.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist ja ein Ding!)

Bei aller Liebe: Es ist schon abenteuerlich, was die Koalition zurzeit in dieser Angelegenheit aufführt – erst Klamauk machen und behaupten, dass der Ministerpräsident gestern Abend viel Richtiges gesagt habe, nach dem Motto: „Das muss gemacht werden“, aber hier im Hause die Politik des Ministerpräsidenten, die er in Berlin verhandelt hat, nicht unterstützen.

(Beifall bei der FDP – Michael Boddenberg (CDU): Ach du liebe Zeit!)

Deshalb sollten Sie hier nicht die Debatte führen nach dem Motto: „Wir würden gerne, aber wir wollen eigentlich etwas anderes machen“.

(Michael Boddenberg (CDU): Machen wir doch gar nicht!)

Sie müssen sich zum Schluss erklären, ob Sie in der Lage sind, den Ministerpräsidenten in Berlin nicht im Regen stehen zu lassen, wonach es zur Zeit stark aussieht, da er keine Mehrheit im eigenen Land hat.

(Michael Boddenberg (CDU): Quatsch!)

Meine Damen und Herren, ich weiß, dass es ihm peinlich ist.

(Beifall bei der FDP)

Das ist es auch zu recht, denn ich gebe ehrlich zu: Es wäre eine Wählertäuschung – –

Herr Kollege, auch Konzilianz hat eine Grenze.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Es wäre eine Wählertäuschung, wenn man den Eindruck vermittelt, man will in Berlin und kann nicht in Wiesbaden. Meine Damen und Herren, dieser politische Stil nach dem Motto: „Wir täuschen die Wähler“, sollte in Hessen keine Schule machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Zurufe der Abg. Michael Boddenberg, Horst Klee (CDU) und Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Wort hat der hessische Innenminister Peter Beuth.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will vorneweg Herrn Kollegen Rentsch antworten. Ich finde, es ist nicht zu beklagen, dass sich die Hessische Landesregierung sehr wohl Zeit nimmt, eine ausgewogene Entscheidung zu treffen. Deswegen gilt – wie bei früheren CDU/FDP-Regierungen – auch heute bei einer Regierung aus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU, dass bei uns Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht.

(Horst Klee (CDU): In der Ruhe liegt die Kraft!)

Lieber Herr Kollege Rentsch, wir lassen uns in einer solchen Debatte schon gar nicht von Ihnen vorführen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Hessische Landesregierung wird sich nach pflichtgemäßem Ermessen im Bundesrat verhalten. Es ist am Ende – das will ich hier in aller Zurückhaltung vor dem Plenum sagen – doch eine Entscheidung der Hessischen Landesregierung und von niemand anderem.

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, man kann darüber debattieren, ob die fünf Minuten angemessen sind. Es gibt viele Argumente zu den verschiedenen Facetten des Asylpakets II, die man hier diskutieren kann. Grundlage unserer heutigen Debatte ist aber ein Antrag der LINKEN auf eine Aktuelle Stunde.

Meine Damen und Herren, das, was die LINKEN in ihrem Antrag geschrieben haben, ist oberflächlich, realitätsfern, und es sind meiner Ansicht nach auch Plattitüden von Verantwortungslosigkeit, die Sie gerade eben hier vorgetragen haben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist ein Satz, dem Herr Wagner zugestimmt hat!)

Die Landesregierung wird sich gründlich mit der Thematik beschäftigen. Frau Kollegin Wissler, es geht gerade nicht um die Aushöhlung des Asylrechts. Herr Kollege SchäferGümbel hatte ausdrücklich recht, als er Sie korrigiert hat,

dass die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat gerade nicht das Recht auf individuelle Prüfung ausschließt. Natürlich werden auch bei sicheren Herkunftsstaaten Asylverfahren durchgeführt, und es können Rechtsmittel eingelegt werden.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, mit weniger Rechtsschutz, und die Beweislast wird umgekehrt!)

Es gibt verkürzte und beschleunigte Verfahren. Ich finde, darüber muss man debattieren können.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist für die Betroffenen keine Absicherung!)

Es geht darum, ob wir Verfahrensverbesserungen und -beschleunigungen hinbekommen, die am Ende das Asylrecht insgesamt sichern sollen.

Meine Damen und Herren, wir wollen – das ist in der bisherigen Debatte in nahezu allen Redebeiträgen deutlich geworden – die Akzeptanz für die Aufnahme von Verfolgten in unserem Lande auch für die Zukunft erhalten. Deswegen machen wir uns Gedanken über entsprechende Veränderungen im Asylrecht.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Deutschland und Hessen haben im vergangenen Jahr große Humanität gezeigt. Wir haben über eine Million Menschen in Deutschland – in Hessen waren es über 80.000 – aufgenommen. Wir können den daran beteiligten Behörden, dem Katastrophenschutz, den Feuerwehren, den Rettungsorganisationen, den vielen Hilfsorganisationen und den zahlreichen Initiativen, die neu entstanden sind, gar nicht genug danken, weil sie mit uns gemeinsam dafür gesorgt haben, dass wir im vergangenen Jahr an keinem einzigen Tag in diesem Land Obdachlosigkeit hatten. Darauf können wir sehr stolz sein.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen aber – der Bundespräsident hat es im vergangenen Jahr schon gesagt: „Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich“ – in diesem Spannungsfeld Regelungen finden, die dafür Sorge tragen, dass wir die Akzeptanz im Lande für die Aufnahme von Verfolgten erhalten. Dazu gehört, dass wir uns mit der Frage der sicheren Herkunftsländer auseinandersetzen. Das werden wir sehr gründlich machen. Vor dem Hintergrund, dass die Anerkennungsquoten im letzten Jahr bei Algerien bei unter 1 %, bei Marokko bei 2,29 % und bei Tunesien bei 0 % lagen, sollte man sich einer solchen Frage einfach einmal stellen und sich damit auseinandersetzen, um dann klug zu entscheiden.

(Wortmeldung des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein.

Mit der Entscheidung, die Länder aus dem Westbalkan zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, haben wir ein Signal gesetzt, das am Ende dafür gesorgt hat, dass aus dem

Kosovo und aus Albanien nicht mehr so viele Menschen zu uns gekommen sind, die sich dann in ein aussichtsloses Verfahren begeben haben. Ich finde, es ist der richtige Weg, sich mit dieser Frage bei den Maghreb-Staaten auseinanderzusetzen. Die Hessische Landesregierung wird diesen Weg sehr gründlich beschreiten.

Meine Damen und Herren, wir wollen dafür Sorge tragen, dass unser Land auch in Zukunft Flüchtlinge, die hierherkommen, mit großer Akzeptanz aufnimmt. Dazu müssen wir aber dafür Sorge tragen, dass wir insgesamt in unserem Land nicht überfordert werden. Dazu kann ein Asylpaket einen Beitrag leisten. Ob wir als Hessische Landesregierung uns dem anschließen können, das werden wir gründlich und ergebnisoffen prüfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.