Protocol of the Session on December 17, 2015

Aufgrund der massiven Kritik an Ihrem schwarz-grünen Gesetzentwurf seitens der Sachverständigen und der Frauenbeauftragten und Frauenverbände haben wir versucht, mit einem Änderungsantrag im Ausschuss die schlimmsten Mängel an Ihrem Gesetzentwurf zu beseitigen. Aber Sie waren nicht bereit, auch nur in einem einzigen Punkt Ihren Gesetzentwurf noch zu ändern. Sie haben sich völlig beratungsresistent gezeigt. Sie haben die Ergebnisse der Anhörung komplett ignoriert.

(Beifall bei der SPD)

Insbesondere die Praktikerinnen hatten die Hoffnung, dass es noch Veränderungen am schwarz-grünen Gesetzentwurf geben könnte. Diese Hoffnung haben Sie bitter enttäuscht. Mit unserem Änderungsantrag haben wir im Ausschuss versucht, die berechtigten Anliegen der Anzuhörenden einzubringen, z. B. die Erweiterung des Geltungsbereichs auch auf die Selbstverwaltungskörperschaften, die öffentlich dominierten Unternehmen, die privatisierten oder teilprivatisierten Unternehmen und die Empfänger institutioneller Leistungen.

Wir haben versucht zu ändern, dass es eine generelle öffentliche Ausschreibung in den Bereichen gibt, in denen Frauen unterrepräsentiert sind. Das ist aus unserer Sicht

unverzichtbar, um dort, wo Frauen unterrepräsentiert sind, von außen qualifizierte Frauen für diese Bereiche gewinnen zu können.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Punkte sind: die Vorrangentscheidungen für Frauen zu verankern, sofern ein Mann nicht offensichtlich besser qualifiziert ist – so wie es der frühere Bundesverfassungsrichter Papier vorgeschlagen hat –, außerdem eine bessere Ausstattung für die Frauenbeauftragten, analog zum früheren rot-grünen Gesetz.

Wir hatten gedacht, wir kommen Ihnen entgegen, und geglaubt, dass wir uns mit Ihnen gemeinsam auf dieses Minimum einigen könnten und dadurch die Frauenbeauftragten – analog zum rot-grünen Gesetzentwurf – zumindest besserstellen und ausstatten können. Aber auch das haben Sie abgelehnt.

(Günter Rudolph (SPD): So sind sie!)

Wir haben eine klare Regelung für die Eingruppierung vorgeschlagen, damit Frauenbeauftragte auf Augenhöhe mit der Dienststellenleitung arbeiten können. Wir haben präzise Formulierungen für das Klagerecht eingebracht, damit Frauenbeauftragte wirkungsvolle Instrumente haben, um im Konfliktfall handlungsfähig zu sein. In Ihrem Gesetzentwurf gibt es noch nicht einmal für das Organklagerecht eine aufschiebende Wirkung. Meine Damen und Herren, aber ohne aufschiebende Wirkung werden Fakten geschaffen. Selbst diese Regelung bleibt bei Ihnen wirkungslos. Das materielle Klagerecht fehlt komplett.

(Beifall bei der SPD)

Mit diesen wenigen Änderungen, die wir erneut eingebracht haben, wollten wir Ihnen eine Brücke bauen. Wir haben bewusst nicht unseren Gesetzentwurf 1 : 1 als Änderungsantrag erneut in den Hessischen Landtag eingebracht, sondern uns auf diese wenigen Änderungen konzentriert, um die schlimmsten Mängel an Ihrem Gesetz zu beseitigen. Wir haben geglaubt, dass Sie sich wenigstens in einigen Punkten noch bewegen. Aber Sie waren nicht bereit, auch nur minimale Änderungen vorzunehmen. Sie hatten sich bereits im Vorfeld auf einen Minimalkonsens geeinigt, der uns in Sachen Gleichberechtigung in Hessen keinen Schritt weiterbringt.

(Beifall bei der SPD)

Ihr Minimalkonsens war so fest zementiert, dass Sie nicht bereit waren, etwas zu ändern. Grüne Frauenpolitik in Hessen sah einmal anders aus. Ich bleibe dabei: Ihnen fehlt einfach der Mut für einen ambitionierten Aufbruch zur wirklichen Gleichberechtigung in Hessen. Wir werden in Hessen weiter auf der Stelle treten. Wir bedauern sehr, dass es uns nicht gelungen ist, Hessen in Sachen Frauenpolitik wieder nach vorne zu bringen, wie es einmal zu rotgrünen Zeiten gewesen ist. Das bedeutet, dass die Frauenbeauftragten weiterhin mit einem Gesetz leben müssen, das ihnen die Arbeit schwer macht. Echte Gleichberechtigung wird es erst wieder nach einer neuen Landtagswahl in Hessen geben können.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Sozialminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute in dritter Lesung den Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Hessisches Gleichberechtigungsgesetz. Dieser Gesetzentwurf bringt uns aus Sicht der Landesregierung ganz entscheidende Schritte nach vorn, um den verfassungsrechtlichen Auftrag der Gleichberechtigung innerhalb der hessischen Landesverwaltung nicht nur konsequent weiterzuführen, sondern auch in vielen Bereichen wirksam weiter zu verbessern. Insofern ist das ein guter Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Gesetzesentwurf bietet ein breit gefächertes Instrumentarium, das ausdrücklich auf Kooperation und Effizienz und nicht auf Bürokratisierung und Entmündigung der Beschäftigten angelegt ist – so wie es beispielsweise im SPD-Entwurf der Fall ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gesetzentwurf, der hier zur Abstimmung steht, setzt auf Klarheit und effiziente Handhabung in der Praxis. Damit setzt er sich sehr bewusst von dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion ab, der zum wiederholten Male unverändert vorgelegt worden ist. Unser Gesetzentwurf setzt genau an den richtigen Stellen ein entgegengesetztes Signal: lieber weniger Regelungen, die aber angewendet werden können und in der Praxis ihre Wirkung entfalten, als ein verwirrendes Sammelsurium von ausufernden und überflüssigen Vorgaben und Restriktionen, die Selbstverständlichkeiten dokumentieren und anderweitige Zuständigkeiten schlicht und einfach ignorieren.

Wir wollen hier kein Gleichberechtigungsgesetz, das der Bürokratie und der Bevormundung von Individuen Vorschub leistet und die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung gravierend behindert – ganz zu schweigen von den dann erforderlichen finanziellen Mehrbelastungen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen ein einfaches, klares Gesetz, das die Gleichberechtigung in unserem Land voranbringt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage es an dieser Stelle noch einmal, weil man sich damit auseinandersetzen muss: Es geht hier nicht um eine allumfassende Regulierungswut, die sich selbst ad absurdum führt, wie z. B. die von der SPD bei Bewerbungen vorgeschlagene präferierte Abfrage und Erfassung von außerdienstlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Bewertung von dienstlichen Qualifikationen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Sie sollen außerdienstliche Qualifikationen, Fähigkeiten und Fertigkeiten abfragen, die für die dienstliche Qualifikation dann in eine Bewertungsrelation zu setzen sind. Das ist ein ganz massiver Eingriff eines Dienstherrn in einen zutiefst persönlichen und privaten Bereich der Lebensgestaltung jedes Einzelnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das unter einer modernen Gleichstellungs- und Gleichberechtigungspolitik verstehen.

Symptomatisch ist auch Ihr Beharren darauf, dass bei Selbstverwaltungskörperschaften respektive bei Unternehmen mit Landesbeteiligungen einfach die Regeln des Privat- und des Handelsrechts außer Kraft gesetzt werden.

Der vorgelegte Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen ist an dieser Stelle schon ein klares gegensätzliches Signal. Im Vergleich zur bisherigen Gesetzeslage bedeutet dies zunächst die Einführung nachhaltiger Verbesserungen in denjenigen Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen von Frau Erfurth und Frau Ravensburg.

Als Zweites wird die Position der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten gestärkt, beispielsweise mit einer Präzisierung der Freistellungsregelungen.

Drittens. Moderne Gleichstellungspolitik beinhaltet Frauenförderung, aber sie ist nicht ausschließlich Frauenförderung, sondern sie nimmt Frauen und Männer gleichermaßen als Menschen mit Sorgeverantwortung für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige in den Blick. Demgemäß eröffnen wir weiblichen und männlichen Beschäftigten die Möglichkeit, Verantwortung für Kinder oder für pflegebedürftige Angehörige zu übernehmen, indem sie ihr Arbeitspensum und ihre Arbeitszeit an den Bedürfnissen ihrer jeweiligen Lebensphasen ausrichten können.

Es gibt – um auf den Vorschlag und Änderungsantrag der LINKEN einzugehen – an dieser Stelle eine klare Aussage. Ich sage ganz deutlich: Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte, die zurzeit gleichzeitig beide Ämter ausüben, können diese Doppelfunktion bis zur nächsten Personalvertretungswahl bzw. der Bestellung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten ausüben. Dann muss man sich in der Tat entscheiden. Würde man die vorgeschlagene Regelung der LINKEN in Gesetzesform gießen, hätte sie sowieso nur für 2016 Gültigkeit, und anschließend wäre sie eine leere Gesetzeshülse.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist die Absicht!)

Insofern kann man an dieser Stelle einem solchen Vorschlag nicht folgen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insgesamt ist der vorgelegte Gesetzentwurf aus Sicht der Landesregierung eine zeitgemäße und zukunftsgerechte Umsetzung des grundgesetzlichen Auftrags der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und daher von der Landesregierung uneingeschränkt zu begrüßen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. – Dann kommen wir zur Abstimmung in dritter Lesung über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Hessisches Gesetz über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und zum Abbau von Diskriminierungen von Frauen in der öffentlichen Verwaltung, Drucks. 19/2888 zu Drucks. 19/2637 zu Drucks. 19/2161.

(Wortmeldung des Abg. Hermann Schaus (DIE LIN- KE))

Bitte vorher. – Danke, Herr Schaus.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind DIE LINKE und die SPD. Wer ist dagegen? – Das sind CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Damit ist er abgelehnt.

Jetzt frage ich: Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Die übrigen Fraktionen des Hauses. Damit ist der Gesetzentwurf mit Mehrheit angenommen und damit zum Gesetz erhoben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 65 auf:

Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz für mehr demokratische Beteiligungsrechte in den Kommunen – Drucks. 19/2986 zu Drucks. 19/2822 zu Drucks. 19/1520 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 66:

Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Erleichterung der Bürgerbeteiligung auf Gemeindeebene und zur Änderung kommunalrechtlicher Rechtsvorschriften – Drucks. 19/2987 zu Drucks. 19/2823 zu Drucks. 19/2200 –

Berichterstatter ist Herr Kollege Frömmrich. Ich erteile ihm das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Berichterstattung zu Tagesordnungspunkt 65:

Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimme der Fraktion DIE LINKE, den Gesetzentwurf in dritter Lesung abzulehnen.

Dann der Bericht zu dem Tagesordnungspunkt 66:

Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, DIE LINKE und FDP, den Gesetzentwurf in dritter Lesung anzunehmen.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Ich eröffne die Aussprache. Zunächst hat Herr Abg. Schaus für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden heute mit Ihrer Mehrheit Ihren Gesetzentwurf zur hessischen Kommunalverfassung beschließen. Das ist schade. Denn mit dieser Entscheidung verpassen Sie es erneut – und vor allem verpasst es die Hessische Landesregierung –, weitere Fortschritte in der Kommunalverfassung in Hessen zu verankern.