In der Anhörung am 12. Oktober dieses Jahres wurde von einigen Experten angemerkt, dass die Fehlbelegungsabgabe auch Mieterinnen und Mieter trifft, die knapp über der Einkommensgrenze liegen und so keine Berechtigung mehr zum Bezug einer Sozialwohnung haben. Diesen Einwand darf man meiner Ansicht nach nicht einfach vom Tisch wischen. Es ist wichtig, dass man die Einkommensgrenze so hoch ansetzt, dass niemand von einer Abgabe getroffen wird, der gerade eben die Einkommensgrenze überschreitet.
Wir haben aus genau diesem Grund in unserem Gesetzentwurf die Pflicht zur Zahlung einer Fehlbelegungsabgabe erst ab einer Überschreitung der Einkommensgrenze um 50 % festgelegt. Im Regierungsentwurf hingegen liegt die Grenze bei einer 20-prozentigen Überschreitung. Dies halten wir für deutlich zu niedrig angesetzt.
Mit dieser niedrig angesetzten Grenze treffen Sie viele Geringverdiener und bestätigen damit genau die Befürchtungen der Anzuhörenden und vieler derzeitiger Mieterinnen und Mieter. Die Höhe der Einkommensgrenze ist für uns eine zentrale Frage. Sie muss nachvollziehbar, begründbar und sozial ausgewogen ausgestaltet werden. Der Regierungsentwurf erfüllt diese Kriterien leider nur unzureichend.
Frau Ministerin Hinz, Sie legen diesen Gesetzentwurf leider erst eineinhalb Jahre nach der ersten Ankündigung vor. Lassen Sie mich deshalb noch eine Anmerkung zu den Zeitläufen der vorliegenden Gesetzentwürfe machen. Wir haben unseren Gesetzentwurf zur Plenarsitzung am 16. Juli 2014 eingereicht. Der Gesetzentwurf der Landesregierung stammt vom 7. Juli dieses Jahres. Nun vermute ich, dass Sie uns Schnellschüsse vorwerfen und Ihre langsame Arbeit als sorgfältiges Vorgehen beschreiben werden.
In der Expertenanhörung wurde Ihr Gesetzentwurf allerdings von kaum jemandem richtig gelobt – im Gegenteil: Es gab reihenweise berechtigte detaillierte Kritik an Ihrem Gesetzentwurf, nicht bloß an der Fehlbelegungsabgabe als solcher. So bedacht und sorgfältig erarbeitet kann Ihre Vorlage also nicht gewesen sein.
Die Fehlbelegungsabgabe könnte längst wieder eingeführt sein. Stattdessen verlegen Sie mit Ihrem kürzlich eingereichten Änderungsantrag den Beginn der Abgabepflicht sogar noch weiter nach hinten, nämlich auf den 31.12.2016. Natürlich war die Verlegung der Einführung ein ausdrücklicher Wunsch der Kommunen; der in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehene Start am 01.07.2016 ist schließlich für die Kommunen zeitlich nicht mehr realisierbar. Aber so ist das eben: Nur wenn man früher anfängt, kann man auch früher fertig werden.
Wer einen weiteren Beleg dafür benötigt, mit welcher Randständigkeit das Thema Wohnungspolitik im zuständigen Ministerium behandelt wird, der bekommt ihn mit diesem Gesetzentwurf der Landesregierung.
Die Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem seit Jahrzehnten massiven Rückgang der Zahl von Sozialwohnungen endlich durch eine langfris
tige erhebliche Aufstockung der Fördermittel des Bundes und durch ein eigenes Landesprogramm für den Bau von jährlich mindestens 10.000 neuen Wohneinheiten begegnet werden muss.
Angesichts von 45.000 wartenden Familien und angesichts der noch größeren Zahl von Flüchtlingsfamilien müssen wir die öffentlichen kommunalen Wohnungsbaugesellschaften endlich stärken und ebenso wie die bestehenden Genossenschaften stärker unterstützen.
Das zum Schluss: Wir haben es gerade bei der landeseigenen Nassauischen Heimstätte in der Hand, dass sie sich ihrem Gründungsauftrag von vor über 90 Jahren entsprechend besinnt, sich ausschließlich um die Bereitstellung von preiswerten Mietwohnungen zu kümmern. Das wäre auch ein Auftrag an die Landesregierung.
Vielen Dank, Herr Abg. Schaus. – Das Wort hat für die Fraktion der SPD Herr Kollege Siebel. – Bitte sehr.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat wird heute ein Fehler beseitigt, wird heute ein Problem gelöst, das wir ohne das Einknicken der CDU in der letzten Koalition nicht gehabt hätten.
Das war damals nach dem vielfachen Hin und Her bei Schwarz-Gelb zum Thema Fehlbelegungsabgabe wirklich wie aus dem Tollhaus: Zuerst einmal war von Minister Posch angekündigt worden, man könne darüber nachdenken, die Fehlbelegungsabgabe abzuschaffen. Dann ist sie doch nicht abgeschafft worden, dann ist sie doch wieder abgeschafft worden, und jetzt haben wir die Situation, dass die Kommunen das ganze Verfahren wieder neu aufbauen müssen.
Das ist in der Tat ein Treppenwitz der Geschichte. Das hätten wir einfacher haben können, wenn wir die Fehlbelegungsabgabe beibehalten hätten und sie einfach noch einmal überdacht hätten. Aber nun sei es so.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute beschließen wir die Einführung der Fehlbelegungsabgabe. Damit kommt wieder ein Stück Verteilungsgerechtigkeit zurück. Sie wird in 16 Städten eingeführt. Das ist ein gutes Ergebnis. Wenn man einmal schaut, wie das in anderen Bundesländern ist, dann stellt man fest, 16 Städte sind relativ viel.
Das entkräftet auch ein Argument, das ich immer wieder höre: Hessen sei das einzige Land. Dass die Fehlbelegungsabgabe eingeführt ist, trifft in Mecklenburg-Vorpommern, in Sachsen oder in Sachsen-Anhalt auf relativ wenige Kommunen zu. Das macht aber deutlich, wie eklatant das Problem hier in Hessen ist, da es immerhin 16 Städte betrifft.
Von Kollegin Feldmayer ist schon gesagt worden, dass die Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe in erster Linie ein Abbau von Fehlsubventionen ist. Ich verstehe auch nicht, warum die FDP an dem Punkt so spröde ist. Es ist doch in der Tat so: Wir subventionieren Menschen, die es nötig haben, den Einzug in preisgünstige Wohnungen. Wenn dieser Sachtatbestand – nämlich die niedrigen Einkommen – entfallen ist, wird dieser Gruppe eine Fehlsubvention zuteil. Diese abzubauen ist, glaube ich, aus systematischen Erwägungen völlig richtig und nachvollziehbar.
Ich verstehe nicht, warum Sie da so spröde sind. Das Zweite: Es wird in der Tat eine relevante Position an Mitteln für die Kommunen generiert. In Frankfurt waren das, bevor Schwarz-Gelb das abgeschafft hat, etwa 5,4 Millionen €. In solch einer Gemeinde wie Hofheim waren es 200.000 €. Das ist schon etwas. Damit werden die Kommunen Sozialwohnungen bauen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch darauf ist schon eingegangen worden: Ein Argument, das auch immer wieder genannt, aber nicht bewiesen wird, ist die behauptete Entmischung der Quartiere. Das eine ist gesagt worden: Frau Akdeniz, die Sozialdezernentin in Darmstadt, hat eine Erhebung durchgeführt. Es gibt eine Erhebung aus der Stadt Wiesbaden, die schon etwas älter ist. Für das Gebiet Schelmengraben ist das auch einmal untersucht worden. Ich will es vorsichtig sagen: Kaum ein Mensch verlässt ein Quartier, weil die Fehlbelegungsabgabe erhoben wird. Das hat in der Regel andere Gründe: Man sucht eine größere Wohnung, man will einmal woanders hin, die biografischen Verhältnisse verändern sich. Das sind die Gründe, warum Menschen die Wohnung wechseln – nicht die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe.
Ich möchte aber noch zwei Wermutstropfen anführen. Punkt eins: Die SPD hätte es gerne gesehen, wenn die Fehlbelegungsabgabe von der letztendlichen Entscheidung der Kommunen abhängig gemacht worden wäre. Dazu ist uns erklärt worden, das sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich. Ich glaube, dass es in der Anhörung durchaus Ansätze gab, das möglich zu machen.
Der zweite Punkt ist das Problem der Einkommensgrenze. Darüber streiten wir uns nun schon seit der Novelle des Hessischen Wohnraumfördergesetzes. Kollege Schaus, es ist natürlich mitnichten richtig, dass man es, wenn man das Schlechte heilen will, so wie Sie machen und es bei den jetzigen Einkommensgrenzen belassen sollte. Das ist falsch. Diese Einkommensgrenzen sind zu niedrig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind in Hessen bei über 15.000 € für einen Ein-Personen-Haushalt, in Hamburg bei 17.000 €. Das sind die Dimensionen. Deshalb wäre es richtig gewesen, die Einkommensgrenzen im Sinne eines Artikelgesetzes im Wohnraumfördergesetz auf den Stand solcher Regionen anzuheben, die mit Frankfurt etc. vergleichbar sind. Man hätte das auch gerne regional staffeln können. Dazu gab es hinlänglich Vorschläge von der SPD. Das ist nicht vollzogen worden. Es ist schade, dass die Einkommensgrenzen nicht angehoben wurden.
Die Fehlbelegungsabgabe ist – das muss man auch sagen – ein Mosaikstein der Bekämpfung von Wohnungsnot und der Schaffung von Wohnungen für niedrige und mittlere Einkommen. Dazu gehören auch die Kappungsgrenze und die Mietpreisbremse. Zum Thema Mietpreisbremse sollte man noch einmal hinterlegen, dass die Mieten in Berlin drei Monate nach Einführung der Mietpreisbremse um 3,5 % gesunken sind –
entgegen der Aussage all derjenigen, die immer wieder erzählt haben, die Mietpreisbremse führe zu ganz schwierigen Situationen. Sie wird dazu führen, dass die Mieten sinken. Es ist richtig, dass die Mietpreisbremse eingeführt wird, und es ist gut und richtig, dass die SPD in der Bundesregierung das gemeinsam mit der CDU gemacht oder – wenn Sie so wollen – das gegenüber der CDU durchgesetzt hat.
Um das Ganze – es ist immerhin ein Setzpunkt – in einen noch größeren Zusammenhang zu stellen: Vielen Dank an Frau Staatsministerin Hinz: Sie ist die erste Wohnungsbauministerin, die verlässlich zugesagt hat, dass die Kompensationsmittel tatsächlich für Wohnungsbau verausgabt werden. Das wird auch passieren – wir sind die Opposition und schauen immer genau nach. Das war bei der Vorgängerregierung nicht der Fall.
Es ist richtig, dass seitens der Bundesregierung mit diesem Haushalt weitere 500 Millionen € für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden. Damit kann die Landesregierung in Form und Inhalt machen, was sie will. Ich komme dazu, wie man es am besten macht
Wenn man diese 500 Millionen € vom Bund nimmt – das macht für Hessen etwa 29 Millionen € aus – und diese um ein Programm von 50 Millionen € aus den eigenen Möglichkeiten sowie um Kreditmarktmittel der Nassauischen Heimstätte – sie sind Aufsichtsratsvorsitzende – oder anderer Wohnungsbaugesellschaften aufstockt, könnten wir ein Wohnungsbauprogramm generieren, das nicht auf Darlehensmitteln, sondern auf direkten Zuschüssen beruht, round about 40.000 € für eine Sozialwohnung oder 20.000 € für eine Wohnung aus dem mittleren Förderweg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man das so macht, können wir mit einem solchen Programm 6.000 Wohnungen in Hessen bauen. Das wäre mal ein Wort, das wäre mal ein Schlag, und das wäre eine Initiative, die tatsächlich die Probleme, die wir haben, ernsthaft und relevant beseitigt. Deshalb unser Vorschlag: Folgen Sie dem, was wir in unseren Haushaltsanträgen geschrieben haben, dann werden wir das Problem gemeinsam lösen.
Zwei letzte Bemerkungen in den mir verbleibenden 1:27 Minuten. Wir müssen mit Hochdruck an der Hessischen Bauordnung arbeiten, unseren Vorstellungen nach unter
Ich halte es darüber hinaus für richtig, dass auf Bundesebene darüber diskutiert wird, eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Integration und Demografie“ zu entwickeln. Dann könnten wir den Fehler, der bei der Übertragung der Wohnungspolitik auf die Länder gemacht worden ist, ein Stück auflösen. Das ist eine große Chance, die wir dabei haben.
Das Dritte ist keine Grußadresse an die FDP, sondern eine Grußadresse an die Realität. Wir werden das Problem insgesamt nicht lösen, wenn wir es ausschließlich mit öffentlichen Mitteln wuppen wollen. Wir müssen auch privates Kapital aktivieren, um das Problem zu lösen. Deshalb ist es richtig, an einem Modell degressiver Abschreibung in solchen Gebieten zu arbeiten, die mit Wohnungsnot belastet sind. Das wäre in der Tat eine Initiative. Ich bin guter Dinge, dass ein solcher Vorschlag seitens der Bundesregierung zumindest Anfang nächsten Jahres unterbreitet wird. Dann werden wir über die Programme, die wir vorschlagen, auch mit privatem Kapital, der Wohnungsnot in unserem Land tatsächlich begegnen können. – Herzlichen Dank.