dass das der völlig falsche Weg gewesen sei, den Sie aber am 18. März 2011 sozusagen noch beschleunigen wollten. – Ich stelle das nur in den Raum, weil ich damit deutlich machen will, dass man vielleicht etwas sorgfältiger bei der Bewertung sein sollte. Wenn Sie jetzt Widersprüche in Aussagen feststellen,
Widersprüche z. B. zwischen der Bundeskanzlerin und dem Ministerpräsidenten, dann frage ich Sie: Sehen Sie nicht auch bei Ihren Aussagen zwischen damals und heute erhebliche Widersprüche? Insoweit würde ich dazu raten – immer im Sinne des Aufklärens, und zwar des vollständigen Aufklärens –, dass wir erst dann, wenn wir die Arbeit sorgfältig beendet haben, unsere abschließenden Bewertungen treffen.
Meine Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit, dass das heute wieder auf der Tagesordnung steht, durchaus dazu benutzen, die Dinge, die uns GRÜNEN wichtig sind, noch einmal deutlich zu unterstreichen. Das Erste ist: Es ist gut und richtig, dass wir in Hessen jetzt bereits und in Deutschland absehbar bis zum Jahr 2022 unseren Strom nicht mehr mit Atomkraft erzeugen,
dass also die unverantwortliche, die unbeherrschbare und die heute lebende und viele nachfolgende Generationen noch weiterhin belastende Technologie endlich ein Ende hat.
Ich erinnere daran: Das war schon immer eines der wichtigsten politischen Ziele der GRÜNEN. Deswegen sind wir froh, dass wir es jetzt erreicht haben, auch wenn ich deutlich unterstreiche – das habe ich auch gegenüber der Bundeskanzlerin in Berlin gesagt –: Wir hätten Fukushima nicht gebraucht. Wir wussten es vorher schon und haben es auch immer und immer wieder gesagt, dass es unverantwortlich ist.
Uns wurde dort gesagt, und das ist, was die gesamtpolitische Szene in Deutschland angeht, nicht zu bestreiten, dass natürlich die Ereignisse aus Fukushima zu einer anderen Beurteilung oder einem anderen Blickwinkel bei vielen beigetragen haben. Ich sage aus unserer Sicht: Gott sei Dank; denn endlich konnte der Atomausstieg jetzt im Konsens oder zumindest in einer sehr breiten Übereinstimmung durchgesetzt werden und wird hoffentlich – nein, ich bin ziemlich sicher – nicht noch einmal zurückgenommen.
Der zweite Punkt ist in der Tat, und das sprachen Sie schon an, dass das Gesetz vom 22. April 2002, das berühmte Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, also der Atomausstieg der rot-grünen Bundesregierung und damaligen Bundestagsmehrheit, eindeutig und unstreitigerweise ein rechtssicherer Atomausstieg war,
weil er mit der Atomindustrie vorher – dazu gab es viel Kritik – so verabredet und vereinbart war. Dieser Atomausstieg ist nun leider wieder zurückgenommen worden.
Deswegen habe ich Ihnen, um Ihnen drei Sätze vorzulesen, den Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und FDP für ein Elftes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 28. September 2010 mitgebracht. Das ist die berühmte Rücknahme des Ausstiegs. Da wurde argumentiert:
um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert. Bei den Kernkraftwerken mit Beginn des Leistungsbetriebs bis einschließlich 1980
wird die Laufzeit um acht Jahre verlängert, bei den jüngeren beträgt der Zeitraum der Verlängerung 14 Jahre.
Denn wenn das nicht von der schwarz-gelben Mehrheit auf der Ebene des Bundes angekündigt gewesen wäre, wäre auch Biblis zu dem Zeitpunkt, der Fukushima betroffen und uns alle ereilt hat, längst nicht mehr am Netz gewesen, und eine Verlängerungsperspektive hätte es nicht gegeben. Das muss man bei der Gesamtwürdigung feststellen.
Dann kam der 11. März, das Moratorium. Ganz spannend ist es mit Geschichten aus Berlin, wo wir neu dazugelernt haben. Der Begriff Moratorium wurde von Herrn Westerwelle erfunden und hatte erst den Inhalt: Es geht nur darum, diejenigen, die von der Laufzeitverlängerung schon profitieren, stillzulegen. Das war nur eines. Dann hat man den Begriff bei Beibehaltung des Namens Moratorium auf die ältesten Atomkraftwerke ausgedehnt, sodass Biblis mit eingeschlossen war.
Man hat dann – das ist sozusagen das Ende der Geschichte, wo Sie sagen, das war der rechtssichere Weg – die 13. Novelle des Atomgesetzes in Gang gesetzt, nachdem während der Zeit des Moratoriums sowohl die Reaktorsicherheitskommission als auch eine neu für diesen Zweck errichtete Ethikkommission ihre Ergebnisse produziert haben. Es ist eigentlich eine Debatte für sich wert, das zu betrachten. Auf jeden Fall wurde dann wiederum von derselben Mehrheit im Bundestag ein Gesetzentwurf zur Änderung des Atomgesetzes eingebracht, dass die Nutzung der Kernenergie zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden sei. So steht es im Vorblatt.
Das heißt, der Irrweg aus 2010 wurde 2011 wieder zurückgenommen, und das ist der Stand, von dem wir ausgehen, dass es politisch das Ziel ist, die Atomenergienutzung zu sogenannten friedlichen Zwecken für die Energiegewinnung ein für alle Mal in Deutschland loszuwerden – in Hessen haben wir es schon –, und die Folgeschäden müssen noch bewältigt werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach der Vernehmung von Frau Merkel im hessischen Untersuchungsausschuss kann man eigentlich nur ein Zwischenfazit ziehen, und das Zwischenfazit lautet: Leichtfertigkeit, gebündelt mit Dilettantismus und parteipolitischer Taktik haben rechtsstaatliches Handeln ausgesetzt.
Ein solches Verhalten hat damit staatliche Haftungsrisiken in dreistelliger Millionenhöhe ausgelöst, und die Verantwortung dafür beginnt bei der Kanzlerin, setzt sich fort über den Hessischen Ministerpräsidenten bis zur damals zuständigen Ministerin Puttrich. Das ist das nüchterne Zwischenfazit, das man ziehen kann.
Meine Damen und Herren, die Vernehmung der Kanzlerin in Berlin hat ganz erhebliche Widersprüche zwischen Hessen und dem Bund offenbart.
Bis zum heutigen Tag hat die Landesregierung aber dazu nicht Stellung genommen. Wir hätten erwartet, dass der sonst nicht gerade pressescheue Ministerpräsident – er ist auch nicht scheu, Regierungserklärungen abzugeben – die hessischen Interessen wahrnimmt und die Kanzlerin auffordert, zu dem zurückzukehren, was Herr Bouffier nach seiner Aussage im Untersuchungsausschuss behauptet hat, nämlich dass es eine Verantwortung des Bundes gibt und dass es eine Haftungszusage gegeben hat.
Meine Damen und Herren, wir nehmen nicht hin, dass Aussage gegen Aussage gestellt wird und am Ende das Land die Kosten tragen soll. Das nehmen wir nicht hin.
Deswegen erwarten wir von einem Hessischen Ministerpräsidenten – deswegen ist das der angemessene Ort für eine Debatte, auch zum jetzigen Zeitpunkt –, dass er der Kanzlerin genau dies klar mitteilt und eine Mithaftung einfordert. Ja, er soll sie endlich anschreiben und ihr sagen: So war das damals, Sie haben doch eine Mithaftung oder sogar die Haftung erklärt, und die möchten wir jetzt einfordern.
Meine Damen und Herren, bis heute von der Landesregierung unwidersprochen hat die Kanzlerin den Ministerpräsidenten der falschen Wahrnehmung von Gesprächen auf höchster Ebene bezichtigt.
Damit wurde die zuständige Ministerin bezichtigt, gemeinsame Verabredungen fehlerhaft ausgeführt zu haben. Da kann man doch eigentlich von einer Landesregierung Gegenwehr erwarten.
Muss man erwarten, genau. Denn sonst muss man den Eindruck gewinnen, dass der Ministerpräsident in entscheidenden Situationen die Dinge nicht richtig versteht und anschließend auch noch seine Minister – Dr. Schäfer war betroffen und die Ministerin Puttrich – mit falschen Hinweisen in die Irre führt.
Zu dieser Frage – ob der Ministerpräsident richtig wahrnimmt oder die Bundeskanzlerin – bedarf es in der Tat der Aufklärung. Da hätten wir vom Herrn Ministerpräsidenten etwas erwartet.
Es ist schon erschütternd, wie leichtfertig die Bundeskanzlerin und ihre damaligen Minister – auch Herr Röttgen –, aber auch die CDU-Ministerpräsidenten mit dem Schadenersatzrisiko bei der vorläufigen Stilllegung der ältesten deutschen Kernkraftwerke umgegangen sind. Auch die SPD wollte den Ausstieg. Zu allem, was Herr Kaufmann an dieser Stelle gesagt hat: volle Unterstützung. Wir hätten dazu Fukushima nicht gebraucht. Wir, Rot und Grün, haben uns immer gemeinsam angestrengt, Regelungen zu finden, die rechtsstaatlich sind, die aber vor allem nicht dazu führen, dass wir am Ende die Energieversorger, die Atomfirmen, reich machen.