Überhaupt muss man sagen, dass die Erinnerung der Kanzlerin erstaunlich schlecht war. Auf viele Fragen hatte Frau Merkel leider keine Antwort, sondern massive Erinnerungslücken.
Ich finde es schon bedenklich, dass es von einem solchen Treffen, bei dem so weitreichende Entscheidungen mit vielleicht sehr hohen Folgekosten getroffen werden, kein Protokoll und keine Vereinbarung gibt. Es gibt gar nichts. Es gibt nur irgendwelche Erinnerungen, die auch noch in unterschiedliche Richtungen gehen.
Recht klar geäußert trotz aller Gedächtnisschwäche hat sie sich aber zu der Frage, ob der Hessische Ministerpräsident mit seiner Darstellung recht hat, dass Merkel den Ländern zugesichert habe, man würde die Länder nicht im Regen stehen lassen, und dass sie auch Haftungsfreistellung zugesagt habe.
Da hat Merkel ihren Parteifreund Volker Bouffier aber doch, um im Bild zu bleiben, eher im Regen stehen lassen und sehr deutlich gesagt, dass mögliche Schadenersatzforderungen kein Gegenstand der Gespräche gewesen seien und dass es gar keine Zusagen vom Bund in dieser Hinsicht gegeben habe.
Nun haben wir die Situation: Der Ministerpräsident sagt das eine, die Kanzlerin das andere. Nur einer kann die Wahrheit sagen. Ich finde: Bei so eklatanten Widersprüchen zwischen Kanzlerin und Ministerpräsident ist es schon notwendig, dass sich der Landtag mit dieser Frage beschäftigt.
Da ist sehr interessant, wie Herr Bellino versucht hat, das vor der Presse zu retten. Er sagte, die Kanzlerin habe Bouffier nicht widersprochen, sondern sich nur nicht an die Zusage erinnern können.
So haben Sie es in die „Tagesschau“ geschafft, die übrigens Ihren O-Ton wertete und einleitete als sehr eigenwillige Interpretation der hessischen CDU.
Das Ärgerliche daran ist, dass es dem Steuerzahler relativ egal sein kann, wer am Ende schuld ist. Ihm kann egal sein, ob es Land oder Bund ist; denn am Ende werden immer die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für den Schaden aufkommen.
Dass bei einem Treffen, an dem mit Ausnahme von Herrn Brüderle eigentlich nur CDU-Politiker teilnahmen, weil nur CDU-Ministerpräsidenten damals in den AKW-Ländern waren, teilnahmen, laut Aussage der Kanzlerin die Themen „bevorstehende Landtagswahl“, „Wahlkampf“, „Stimmung“ überhaupt keine Rolle gespielt haben sollen, ist nur semi-glaubwürdig, würde ich sagen – ebenso die Aussage, dass dies das Regierungshandeln überhaupt nicht beeinflusst haben sollte.
Ich finde, das ganze Bild, das alle Beteiligten in diesen eineinhalb Jahren abgeben, in denen der Untersuchungsausschuss arbeitet, ist wirklich verheerend. Man hat das Gefühl, das ist die organisierte Verantwortungslosigkeit, die sich hier vor einem ausbreitet.
Da wurden die warnenden Stimmen von Mitarbeitern aus Ministerien einfach ignoriert. Da wurden Beamten von ihren Aufgaben und von ihrer Verantwortung entbunden, wenn sie sich kritisch geäußert haben. Die Atomaufsicht wurde faktisch ausgeschaltet. Das sind Zustände, bei denen man sagt: Das ist der Gipfel eines jahrzehntelangen – –
Ich komme zum Schluss. – Deshalb haben wir das in den Landtag eingebracht. Ich finde es schade, dass es SchwarzGrün nicht gefällt; das haben Sie in Ihrem Antrag geschrieben. Das Thema AKW war ja mal ein Herzensthema der GRÜNEN.
Ich finde es bedauerlich, dass der Ministerpräsident nicht hier ist, weil wir das natürlich auch gemacht haben, um dem Ministerpräsidenten noch einmal die Möglichkeit zu geben, Stellung zu diesen eklatanten Widersprüchen zu beziehen.
Ich befürchte, Frau Hinz ist am Ende diejenige, die den ganzen Atommüll ihrer Vorgängerregierungen wegräumen muss.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Timon Gremmels (SPD): Selbst gewähltes Schicksal! Kein Mitleid!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Kollegin Wissler, als Erstes sage ich ganz klar vorweg: Wir haben ein intensives Interesse an der Aufklärung, und zwar alle im Ausschuss.
Wir haben bisher massiv gemeinsam Aufklärung betrieben. Ein Beweis dafür ist, dass wir alle Verfahrensbeschlüsse in den letzten fast eineinhalb Jahren einvernehmlich gefasst haben.
Wir haben auch den Besuch in Berlin zur Vernehmung der Bundeskanzlerin am Ende aufgrund eines Antrags der SPD gemeinsam vereinbart, an dem wir noch zusammen gearbeitet haben. Insoweit ist das Ziel der gemeinsamen Aufklärung eindeutig.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Das Zweite, was eingangs festzuhalten ist, verehrte Kollegin Wissler, ist Folgendes: Ich verstehe, dass Sie einen schönen Bericht von einer Reise nach Berlin hier abgegeben haben. Man hört gerne zu. Alle, die dabei waren, erinnern sich an die eine oder andere Detailfrage.
Aber das ist aus unserer Sicht noch keine sinnvolle Bewertung der Sachzusammenhänge. Denn wir stecken nach wie vor mitten in der Beweisaufnahme.
Wir haben die Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen. Demzufolge finde ich es ein bisschen früh, jetzt schon Ergebnisse daraus zu ziehen. Das kann man natürlich machen. Aber dann könnte es sein, dass andere Gründe im Vordergrund stehen, warum man das tut. Das könnte dazu führen, dass die Sachaufklärung nicht an erster Stelle steht.
Es ist nicht das erste Mal, dass wir im Plenum während der Beweisaufnahme schon darüber reden. Im Februar sprachen wir über einen Antrag der SPD, in dem auch bereits Ihrerseits bestimmte Schlussfolgerungen gezogen werden sollten.
Die will ich im Augenblick, weil die Beweisaufnahme und insbesondere die Würdigung der einzelnen Zeugenaussagen noch gar nicht abgeschlossen sein können, überhaupt nicht bewerten. Aber wir sollten sie am Ende gemeinsam
in einem Abschlussbericht treffen. Gegebenenfalls wird es dann bei der Bewertung dessen, was wir gemeinsam erlebt haben, Unterschiede geben.
Sie haben in Ihren Antrag auch – das wurde von Ihnen eben wiederholt – durchaus eine Spekulation hineingeschrieben, nämlich: Eine rechtssichere Regelung wäre mit einem Bundesgesetz möglich gewesen.
Das haben Sie gerade gesagt. Das ist eine schöne Prognose dessen, was das Bundesverfassungsgericht in absehbarer Zeit möglicherweise entscheiden wird. Denn genau die Frage, ob der rechtssichere Ausstieg gegeben ist – Stichwort: 13. Novelle zum Atomgesetz –, ist leider – „leider“ aus unserer inhaltlich-politischen Sicht – auch strittig. Daher sollte man mit Schlussfolgerungen und apodiktischen Sätzen in einem solchen Zusammenhang aus unserer Sicht eher ein bisschen vorsichtig sein.
Vor allem will ich kurz auf die Ereignisse zurückschauen, in die berühmte Woche im März des Jahres 2011, beginnend an dem Freitag, als die Katastrophe in Japan geschah. Dies und die Folgetage haben wir als Hauptgegenstand unserer Untersuchungen.
Am Freitag der Folgewoche, am 18. März, hat eine Sitzung des Umweltausschusses stattgefunden. Frau Kollegin Wissler, Sie sollten sich daran erinnern, dass Sie eine derjenigen waren, die quasi inquisitorisch die Ministerin befragt haben, warum das alles so lange dauere und warum die Verfügung noch nicht längst draußen war. Es war eine öffentliche Sitzung, daher darf ich aus dem Protokoll zitieren. Frau Wissler fragt:
Warum hat sich das Ministerium erst heute in der Lage gesehen, eine solche Verfügung zu erlassen? Das ist in anderen Bundesländern zum Teil schon am Dienstag passiert. Da sind erste AKWs in BadenWürttemberg bereits vom Netz gegangen. Warum hat die Regierung bis heute gewartet?