Das waren aber auch schon die Lichtblicke im Einzelplan 04. Vor dem Hintergrund der Stellenkürzungen an den Grundschulen, beruflichen Gymnasien, gymnasialen Oberstufen und den Schulämtern erscheint es absolut unverständlich, dass das Ministerium als einziger Buchungskreis in diesem Einzelplan einen Mehrbedarf von 1,33 Millionen € gegenüber dem Vorjahr anmeldet. 1,33 Millionen € – das ist eine Steigerung von 2,1 %. Gleichzeitig kommt es bei allen operativen Buchungskreisen zu einer Reduzierung von 1,1 % auf 4,86 Milliarden €. Meine Damen und Herren, alle müssen sparen, nur das Ministerium nicht. – Das ist inakzeptabel.
Besonders fatal sind doch die Kürzungen, mit denen Sie die einen gegen die anderen ausspielen. Bei Inklusion und Förderschulen ist das noch nachvollziehbar, denn der Schüler kann nur hier oder dort zur Schule gehen. Im Allgemeinen aber wiederspricht sich das, was Sie als „Umverteilung“ bezeichnen. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Das sind Kürzungen.
Gerade wenn Sie an Grundschulen Inklusion forcieren wollen, wenn Sie Flüchtlingskinder möglichst schnell in Regelklassen integrieren wollen, dann kürzen Sie die Differenzierungszulage an Grundschulen? Das sind 145 Stellen. Und das, obwohl Ihnen doch tagtäglich Überlastungsanzeigen aus Grundschulen ins Haus flattern – und dann kürzen Sie noch? Dazu kommen die 120 Stellen an Gymnasien, noch 40 Stellen an beruflichen Gymnasien und 25 Fachberaterstellen in Schulämtern, unter anderem für Unterrichtsentwicklungsberatung, Sonderpädagogik und Medien. Das tun Sie in Zeiten, in denen vor dem Hintergrund der Flüchtlingsbeschulung sämtliche Unterrichtskonzepte viel stärker individualisiert und an die sprachlichen Herausforderungen angepasst werden müssen; in Zeiten, in denen die Sonderpädagogik Teil des Regelunterrichts werden soll; in Zeiten, in denen Cybermobbing und Medienmissbrauch zunehmen und deswegen dafür ein deutlich sachgerechterer Umgang implementiert werden muss.
Meine Damen und Herren, das alles passt nicht zusammen. Es erschließt sich mir nicht, was Schwarz-Grün damit bezweckt.
Ihr Problem ist es doch auch, dass Sie hier offenbar Getriebene sind – sei es von der UN-Behindertenrechtskonvention oder von den Studien, die es immer wieder gibt, oder vielleicht auch einfach nur von der Koalitionsdisziplin. Das aber ist kein Entwurf für ein sozial gerechtes, modernes Schulsystem.
Sie sagen Eltern, Schülern und Lehrkräften: „Kommen Sie, steigen Sie in unseren Zug ein. Der trägt eine nette Aufschrift: Inklusion und Pakt. Unterwegs gibt es auch ein paar Häppchen, gar keine Frage.“ Wohin aber der Zug eigentlich fährt, das sagen Sie niemandem, und offenbar wird die Endstation in dieser Wahlperiode auch nicht erreicht.
Im Übrigen war das auch beim Bildungsgipfel so. Während in anderen Bundesländern der sogenannte Schulfrieden erfolgreich war, es dort eine klare Führung gab, klare Vorstellungen der Regierung, wohin man will, hat man das in Hessen vermisst.
Meine Damen und Herren, mir erschließt sich auch immer noch nicht ganz, was das eigentliche Projekt dieser schwarz-grünen Regierung im Bildungsbereich ist: Wenn Sie im Jahr 2019 dieses Haus hier verlassen müssen, was soll dann eigentlich hängen bleiben, nach dem Motto: „Das war das Motto dieses Ministers“?
Über die Vorgängerinnen kann man denken, was man will. Sicherlich war ich da nicht mit allem einig. Aber eine klare Linie war in der Regel immer da.
Sie stehen nicht einmal zu Ihrer Abkehr von der 105-prozentigen Lehrerversorgung. Statt einfach dazu zu stehen und zu sagen: „Jawohl, wir kürzen, wir kürzen an den gymnasialen Oberstufen, an den beruflichen Gymnasien
und an den Grundschulen“, stellen Sie sich hin, wollen sich durchmogeln und wollen etwas von der Art erzählen: Die Berechnungsgrundlage ist anders; es bleibt bei den 105 %. – Meine Damen und Herren, das ist einfach nur feige.
(Beifall bei der SPD und der Abg. Barbara Cárdenas (DIE LINKE) – Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es sind 105 %!)
Die Sozialdemokraten haben mit ihren Anträgen einen ganz klaren roten Faden zum Haushalt dargelegt. Unser Ziel ist ganz klar, und das stellt sich in allen Bereichen dar: Chancengleichheit im Bildungssystem.
Wir wollen investieren. Wir wollen in die frühe Bildung investieren, in Schuleingangsstufen, damit die endlich einmal vorankommen. Denn die Voraussetzungen der Kids, wenn sie in die 1. Klasse kommen, sind so unterschiedlich wie nie zuvor. Wir wollen 50 neue Stellen für Sozialpädagogen in diesem Bereich.
Wir wollen die Ganztagsbeschulung endlich zu einer echten Ganztagsbeschulung ausbauen. Wir wollen zunächst einmal, dass die Stellen in den Pakt gehen, in echte Ganztagsschulen; und wir wollen etwas draufsatteln, auch hier weiter bestellen. Meine Damen und Herren, der Nachholbedarf ist einfach so immens.
Herr Schäfer-Gümbel hat es gestern gesagt: Von fast 1.200 Grundschulen in Hessen sind gerade einmal sechs echte Ganztagsgrundschulen. Meine Damen und Herren, der Handlungsbedarf hier ist enorm.
Wir wollen, dass Schulsozialarbeit endlich stattfindet. Auch hier mogeln Sie sich raus, mit der sogenannten USF. Wir wollen endlich zu einer echten Drittelfinanzierung kommen, die sich Land, Schulträger und Standortkommune aufteilen. Meine Damen und Herren, auch hier müssen wir investieren.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Barbara Cárdenas (DIE LINKE) und Mürvet Öztürk (frakti- onslos))
Zur Inklusion habe ich schon einiges gesagt. Auch hier müssen wir mehr Tempo vorlegen. Wir können uns vorstellen, dass man irgendwann einmal auf Förderschulen verzichten kann. Das sagen wir ganz klar. Wir wissen, das geht noch nicht morgen, dafür müssen wir erst noch einige Voraussetzungen schaffen.
Aber eine echte Wahlfreiheit gibt es doch wirklich nur, wenn die Inklusion entsprechend ausgestattet ist. Danach kann man sehen, wie groß die wirkliche Nachfrage nach Förderschulen noch ist.
Nicht zuletzt will ich noch auf die Leitfrage antworten, die der Herr Kultusminister bei seinem Besuch mit der Parteifreundin Kurth in der letzten Woche gestellt hat. Die Leitfrage in ihrer Pressemitteilung war: Wie gehen wir mit der zunehmenden Heterogenität der Schülerschaft um?
Herr Prof. Dr. Lorz, das will ich Ihnen sagen, ganz einfach: Wir fordern ein Programm zur individuellen Förderung in
heterogenen Lerngruppen mit 5 Millionen €, das zum Schuljahresbeginn starten soll – um an Schulen endlich einmal die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass man individuell fördern kann.
Ich komme zum Schluss. Unterm Strich ist Ihr gesamter Haushaltsplan Makulatur. Erfreut haben wir zur Kenntnis genommen, dass die Koalition hier endlich von ihrem Dogma „Es ist schon toll, dass man keine Stellen streicht“ abkommt und neue Stellen geschaffen werden sollen. Meine Damen und Herren, wir werden ganz bald darüber reden müssen, wie Sie das machen wollen, welche Stellen das sein werden: Sind das Lehrkräfte? Sind das Hilfslehrer? Sind das Sozialpädagogen, oder sind das Schulpsychologen? Wo werden die eingesetzt? Und vor allem: Welche Schulformen sollen eigentlich an der Flüchtlingsbeschulung beteiligt sein? Dass das am Ende nur die Hauptund Gesamtschulen machen, das kann nicht sein. Das muss schon auf alle gleich verteilt werden.
Darüber werden wir in den nächsten Wochen noch reden. Bis dahin freue ich mich auf die weiteren Beratungen und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Bildungspolitik in Hessen hat höchste Priorität. Bildungspolitik in Hessen hat höchste Qualität. Herr Kollege Degen, Bildungspolitik in Hessen hat einen klaren Kurs.
(Beifall bei der CDU und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Lachen des Abg. Timon Gremmels (SPD))
Herr Kollege Degen, klarer Kurs, klare Kante – das ist auch eine Führungsfrage. Das sei ganz direkt einmal vorneweggestellt.
Klar ist: Als der Haushaltsplan für das Jahr 2016 aufgestellt wurde, konnten wir die besonderen Herausforderungen, die wir natürlich wie einen roten Faden – diesen Begriff greife ich gerne auf – in der kompletten Haushaltsdebatte zu beraten haben, nämlich die großen Herausforderungen der Flüchtlingsthematik, noch nicht in vollem Umfang einpreisen.
Deswegen reden wir heute im Grunde genommen von zwei Haushaltsblöcken: einerseits von dem regulären Haushalt, in dem wir voll auf Kurs sind. Hier werden die bildungspolitischen Prioritäten, sämtliche bildungspolitische Akzente, die wir, Schwarz-Grün, im Koalitionsvertrag verabredet haben, dargestellt, mit vollen Stellen ausgestattet; und durch gezielte Schwerpunktsetzungen auch im Schulbereich hat die Regierungskoalition eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass wir einer guten Bildung und optimalen Zukunftschancen tatsächlich allerhöchsten Stellenwert einräumen. Das muss man einfach einmal deutlich sagen, damit hier kein falsches Bild gestellt wird.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, davon profitieren die Schülerinnen und Schüler in Hessen, die Eltern, die Lehrerinnen und Lehrer und die Schulen. Davon profitieren wir alle.
Deswegen bleibt es dabei: Erstens. 105 % haben wir versprochen, 105 % halten wir. Die Lehrerversorgung in Hessen ist so gut wie nie zuvor.
Zweitens. Kein anderes Land in Deutschland lässt die demografische Rendite im System. Das ist eine Herkulesaufgabe, zu der wir stehen. Genau daran zeigt sich, welche Akzente wir setzen, meine Damen und Herren.