Protocol of the Session on September 24, 2015

Ich möchte das deshalb wissen, weil ich unverzüglich zum Telefonhörer greifen würde und den Bürgermeister/die Bürgermeisterin anrufen und fragen würde – ich sage es jetzt in höflicher Form, weil mich der Präsident sonst rügen müsste.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so etwas in Hessen gibt. Ich habe nirgendwo ein Beispiel gehört. Sie haben auch kein Beispiel genannt.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Nein, bitte nicht dazwischenrufen. Das wäre jetzt ganz billig. Wenn Sie etwas sagen wollen, kommen Sie nach vorne, und sagen Sie bitte, ob in A-Dorf – okay, gerade das haben wir in Hessen, das stellen wir zur Seite –, B-Dorf oder in X-Stadt das und das so und so passiert ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, machen wir doch erst einmal Sachverhaltsaufklärung. Wenn als Ergebnis feststeht, es gibt in der einen oder anderen Kommune Schwierigkeiten – ich kann es mir nicht vorstellen –, dann müssen wir überlegen, wie wir diese lösen. Ich glaube, die einfachste Möglichkeit ist der Anruf beim Bürgermeister oder beim Landrat,

(Holger Bellino (CDU): So ist es!)

und zwar mit dem ganz stilsicheren Hinweis: Wenn du meinst, du hast rechtliche Probleme, dann ändere schlicht und ergreifend die Entschädigungssatzung. Da kann es jede Kommune hineinschreiben, wenn sie es denn will.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Aber wir müssen doch jetzt nicht gleich ein Gesetz ändern, wenn wir noch nicht einmal konkret einen Fall von diesem Pult aus gehört haben. Sie merken es: Ich bin fassungslos, weil hier natürlich ein Spiel auf dem Rücken der Behinderten geführt wird, und das will ich nicht. Das halte ich für falsch. Ich halte es für gut, wie unsere Gesellschaft organisiert ist, dass versucht wird – so mein Gefühl seit 25 Jahren –, die Probleme zu lösen.

Deshalb die Bitte: herunter dimmen. Wir machen eine Anhörung, die wir gemeinsam mit der HGO-Anhörung machen können, es braucht keine separate Veranstaltung. Wenn die Butter wirklich bei die Fische käme, garantiere ich Ihnen, dass ich noch heute den Bürgermeister/die Bürgermeisterin anrufen und fragen würde, ob es wirklich ernst gemeint ist.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren: herunter dimmen. Wenn es ein Problem ist, löst es – aber bitte mit der niedrigsten Schwelle, und die beginnt, lieber Kollege Rudolph, erst einmal in der Entschädigungssatzung. Wenn die nicht wirkt, können wir vielleicht zur Verordnung kommen. Aber ich habe das Gefühl, die hessischen Bürgermeister und Landräte sind so fit, dass das überhaupt nicht notwendig ist. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Danke, Herr Hahn. – Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Schott, Fraktion DIE LINKE, gemeldet.

Herr Hahn, selbstverständlich hat es diesen Einzelfall gegeben, und wenn Sie mir vorhin zugehört hätten, dann wüssten Sie das auch. Genau damit habe ich nämlich meine Rede eröffnet.

Es geht hier nicht darum, eine Einzelfalllösung zu schaffen. Es geht auch nicht darum, im Einzelfall, wenn es passiert, einen Bürgermeister oder einen Landrat anzurufen, sondern es geht darum, Lösungen zu schaffen, die Strukturen hervorbringen, dass genau das eben nicht passiert.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich werde auch ganz sicher nicht, wie Sie es eingefordert haben, mit Namen und Anschriften einen behinderten Menschen an den Pranger stellen, der es ohnehin in seiner Kommunalvertretung schon schwer hat. Das werde ich ganz bestimmt nicht tun.

(Holger Bellino (CDU): Das ist doch gar nicht das Ziel!)

Da werden Sie sich schon darauf verlassen müssen, dass ich Ihnen sage, dass es diesen Fall gegeben hat, der sich mit der Bitte um Hilfe an uns gewandt hat.

Nehmen Sie also bitte zur Kenntnis, dass Ihre Vorstellungskraft an dieser Stelle offensichtlich nicht ausreicht.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Danke, Frau Schott. – Herr Hahn, Sie haben zwei Minuten Gelegenheit zur Antwort.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich übernehme gerne den Hinweis des parlamentarischen Geschäftsführers der SPD, dass rein formal der oder die Vorsitzende des Parlaments anzusprechen ist. Aber ich hatte das Gefühl, dass wir alle hier schon Erfahrung haben und letztlich die Arbeit im Hauptamt einer Kommune durchgeführt wird, jedenfalls bei kleineren Kommunen – deshalb kam ich auf den Bürgermeister oder den Landrat.

Frau Schott, ich bin noch einmal ans Rednerpult gekommen, weil ich Ihnen in aller Deutlichkeit widersprechen möchte. Wir haben in Hessen diese Strukturen. Wir brauchen von Ihnen keine Nachhilfe darin, Strukturen zu ändern. Die Strukturen sind hervorragend. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Danke, Herr Hahn. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatsminister Beuth das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte vorweg eine Bemerkung machen, zu der mich Frau Schott gerade getrieben hat. Frau Schott, Sie haben sich sehr flapsig ausgedrückt. In Deutschland und in Hessen stehen behinderte Menschen nicht am Pranger, zu keinem Zeitpunkt, nirgendwo.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP)

Ich finde es schade, dass in der Debatte Begrifflichkeiten verwendet oder Sätze formuliert worden sind, mit denen infrage gestellt wird, dass sich alle Teile des Parlaments dem wichtigen Bereich der Inklusion zuwenden. Das ist nicht wahr. Das würde ich auch keinem der Sozialdemokraten oder irgendeinem anderen hier im Parlament unterstellen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rudolph, wenn man es einmal nüchtern betrachtet, nicht aufgeregt, nicht polarisierend, so wollen wir Menschen helfen. Ehrenamtlichen Kommunalpolitikern in Hessen wird bereits geholfen.

Ich denke, wir sind uns alle einig: Ein behinderter Mandatsträger muss in die Lage versetzt werden, seine kommunale ehrenamtliche Tätigkeit genauso wahrzunehmen wie ein nicht behinderter Mandatsträger. Er soll die Nachteile, die ihm durch seine Behinderung entstehen, so ausgeglichen bekommen, dass er das Mandat vernünftig wahrnehmen kann – selbstverständlich.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung ist der Ansicht, dass wir hierfür keine neue gesetzliche Regelung, wie sie von der Fraktion DIE LINKE vorgeschlagen wird, brauchen. Die entscheidende Norm ist in § 35a Abs. 1 Satz 1 der Hessischen Gemeindeordnung, der hier schon genannt worden ist, bereits vorhanden. Ihr zufolge darf niemand gehindert werden, „sich um ein Mandat als Gemeindevertreter zu bewerben, es anzunehmen oder auszuüben“. So steht es bereits heute in der Hessischen Gemeindeordnung. Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Benachteiligungsverbot in Art. 3 des Grundgesetzes ist dort der gesetzliche Anspruch des Nachteilsausgleichs geregelt. Im Übrigen findet sich in § 1 des Hessischen Behinderten-Gleichstellungsgesetzes ein allgemeines Benachteiligungsverbot. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber in Hessen, dass also Sie deutlich machen, dass Sie keine Benachteiligungen wünschen.

Der Nachteilsausgleich ist aus Sicht der Landesregierung übrigens nicht allein eine Frage der Aufwandsentschädigung. § 35a versetzt die Kommunen vor Ort in die Lage, zu entscheiden, ob sie den behinderungsbedingten Nachteil des betroffenen Mandatsträgers sachlich oder finanziell ausgleichen. Die Kommunen könnten also z. B. von sich aus bestimmte technische Einrichtungen für einen behinderten Mandatsträger vorhalten und bereitstellen. Dies wäre allerdings nach dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE nicht möglich. Der Ausgleich würde sich allein auf eine erhöhte Aufwandsentschädigung beschränken. Das ist aus meiner Sicht nicht im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Diese Rechtsauffassung vertritt das Innenministerium in langjähriger Tradition. – Deshalb verstehe ich die Aufregung, die in der Debatte entstanden ist, überhaupt nicht. – Sie wurde in einer Dienstbesprechung mit Vertretern der Regierungspräsidien im Jahr 2002 festgehalten und damit den Kommunalaufsichten als Rechtsrahmen bereits vorgegeben. Mir als Innenminister und damit oberster Kommunalaufsicht ist auch kein praktischer Fall bekannt, in dem es zu den dargestellten Problemen für behinderte Mandatsträger gekommen wäre – im Gegenteil.

So haben wir z. B. im Mai dieses Jahres eine Anfrage einer Kommune beantwortet. In diesem Fall hatte sich ein taubstummer Mensch für einen Listenplatz für die anstehende Kommunalwahl interessiert. Die Kommune stellte sich die Frage – das ist ganz im Sinne dessen, was Herr Kollege Hahn hier berichtet hat –, welche Unterstützung – z. B. Gebärdensprachdolmetscher – in diesem konkreten Fall aus städtischen Mitteln bereitzustellen wäre, wenn der Listenbewerber tatsächlich gewählt würde.

Wir haben die gerade dargestellte Rechtsauffassung kommuniziert, und es ist nicht erkennbar, dass es dabei vor Ort zu irgendeinem Problem gekommen wäre.

In dem Gesetzentwurf ist von einem Vorschlag des Regierungspräsidiums Kassel die Rede. Hierzu kann ich Sie auf Folgendes hinweisen: Die Formulierung in der Gesetzesbegründung – das haben wir hier schon erörtert – stammt 1 : 1 aus einem Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus dem Jahre 2003. Ich kann Ihnen versichern, dass das Problem, auf das sich damals die GRÜNEN bezogen haben, innerhalb der letzten zwölf Jahre selbstverständlich im vorstehenden Sinne bereits gelöst worden ist.

Auch hieran wird deutlich, dass wir eine diesbezügliche Regelung in unserer Hessischen Gemeindeordnung nicht benötigen. Wenn wir sie nicht benötigen und dies bereits geregelt ist, dann brauchen wir sie auch nicht in die Gemeindeordnung aufzunehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Staatsminister.

Wir sind damit am Ende der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung angelangt und überweisen die Drucks. 19/2412 zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Innenausschuss.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Stärkung der Investitionstätigkeit von Kommunen und Krankenhausträgern durch ein Kommunalinvestitionsprogramm und zur Änderung von Rechtsvorschriften – Drucks. 19/2417 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt 7,5 Minuten. Herr Schork von der CDU-Fraktion bringt den Gesetzentwurf ein.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! 1.027 Millionen € für In

vestitionen von Kommunen und Krankenhausträgern – das ist der Inhalt des Gesetzentwurfs, den CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute in erster Lesung in den Hessischen Landtag einbringen. Das ist ein großes Paket zur gezielten Unterstützung aller hessischen Kommunen, eine gute Nachricht für die Kommunen. Dieser Gesetzentwurf zeigt, dass die Regierungskoalition Partner der Kommunen ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die einzelnen Bestandteile dieses Kommunalinvestitionsprogramms bestehen aus folgenden Punkten: