Protocol of the Session on September 24, 2015

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich finde es sehr schade, dass wir bei diesem Thema, bei dem es um einen zahlenmäßig sehr begrenzten Personenkreis geht, nicht zu einer pragmatischen Lösung kommen. Herr Bauer, das werfe ich Ihnen ganz konkret vor. Sie haben gesagt, es gebe keinen Handlungsbedarf. Das bestreite ich dezidiert. Sie haben auch nicht den Willen, etwas zu regeln. Im Jahr 2003 gab es eine Initiative der GRÜNEN. Ich bin einmal sehr gespannt, mit welcher Begründung die GRÜNEN das, was damals richtig war, heute als falsch empfinden. Wir wollen Menschen, die beinträchtig sind, ehrenamtliches Engagement ermöglichen.

(Holger Bellino (CDU): So eine Polemik!)

Das ist finanziell zu verkraften. Meine Damen und Herren, deswegen erwarten wir, dass Sie konkrete Handlungsoptionen machen. Bisher hat der Vertreter der CDU gesagt, sie wollten es nicht.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Das ist das falsche Signal. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Holger Bel- lino (CDU): So eine Polemik! – Weitere Zurufe von der CDU)

Danke, Herr Rudolph. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN erteile ich Frau Goldbach das Wort.

(Holger Bellino (CDU): So eine Polemik auf dem Rücken der Behinderten!)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, ein bisschen Ruhe in die Debatte zu bringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Punkt 1. Wir haben im Koalitionsvertrag stehen, dass wir in den Kommunen gemeinsam mit den Kommunen dafür sorgen wollen und werden, dass Menschen mit Behinderungen ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben realisieren können. Das schließt auch die Ausübung eines Mandats ein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Brigitte Hofmeyer (SPD))

Dazu stehen wir. Herr Rudolph, Herr Bauer hat gerade gesagt, im Ausschuss beraten wir ohnehin Änderungen der HGO. Er hat auch gesagt, wir werden diesen Gesetzentwurf, den die GRÜNEN 2003 schon einmal eingebracht haben, noch einmal beraten und prüfen.

(Günter Rudolph (SPD): Das hat er so nicht gesagt! Die LINKEN sollen diesen Gesetzentwurf den Spitzenverbänden zusenden!)

Jetzt schauen wir uns einmal an, wie das generell geregelt ist. Ich habe recherchiert, wie das in anderen Bundesländern läuft. Erstaunlicherweise gibt es in keinem anderen Bundesland eine vergleichbare Regelung.

(Zuruf der Abg. Sabine Waschke (SPD))

Es ist immer nur der allgemeine Passus enthalten, dass einer Mandatsträgerin oder einem Mandatsträger alle entstehenden Aufwendungen und Kosten zu erstatten sind.

Man kann § 35a Hessische Gemeindeordnung so auslegen, dass die besonders hohen Aufwendungen von Mandatsträgern mit Behinderungen erstattet werden müssen. Ein bisschen schwierig finde ich es, dass sich das auf sachliche und finanzielle Hilfen bezieht.

Was heißt das konkret? – Sie haben zu Recht gesagt, es habe einen Kollegen gegeben, der auf den Rollstuhl angewiesen sei, und es habe bauliche Maßnahmen gegeben, um ihm die Teilnahme zu ermöglichen. Das ist völlig in Ordnung. Ich möchte den Blick aber einmal auf eine Kommune lenken. In meinem Kreistag, dem ich angehöre, haben wir auch einen Kollegen, der im Rollstuhl sitzt. Es ist nicht so, dass wir einen Raum in einem Gebäude haben, den wir umbauen können. Wir touren durch den gesamten Kreis, durch sämtliche Bürgerhäuser. Das ist ein Problem. Das würde bedeuten, wir müssten allen Gemeinden vorschreiben, wie die Orte, an denen Sitzungen stattfinden, auszusehen haben.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Ja, natürlich!)

Tatsächlich ist es so, dass dieser Kollege niemals ein Problem damit hatte, sein Mandat auszuüben. Was ich damit sagen will, ist, natürlich müssen wir es den Menschen ermöglichen. Die Frage ist nur, wie das die Kommunen machen und ob wir nicht erst einmal mit den Kommunen, mit den Kommunalen Spitzenverbänden, den Vertretern sprechen müssen, wie wir zu einer vernünftigen Regelung kommen können.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

In meiner Zeit in einer Kreisverwaltung, in der ich mit Schulen zu tun hatte, habe ich gesehen, was es heißt, Menschen mit Behinderungen die Teilhabe zu ermöglichen. Das heißt eben nicht nur, Rampen und Fahrstühle zu bauen, sondern im Zweifel heißt das auch, jemand mit Gehör

schäden muss in die Lage versetzt werden, in einem Raum, der dafür eigentlich nicht geeignet ist, zu hören und zu verstehen. Das geht weiter mit Menschen mit starken Sehbehinderungen bis hin zu Blindheit, die in die Lage versetzt werden müssen, vielleicht durch Brailleschrift und spezielle Computer. Das alles muss gemacht werden.

Wir stehen dazu, das ist keine Frage, und da dürfen auch die Kosten keine Rolle spielen. Aber letztlich muss die Kommune es umsetzen, weswegen wir sehr stark dafür plädieren, genau das – wie finden wir eine einvernehmliche Lösung, um das in Zukunft mit den Kommunen und den Kommunalen Spitzenverbänden zu regeln? – umzusetzen.

(Zuruf der Abg. Sabine Waschke (SPD))

Ich finde auch Ihre Idee gar nicht schlecht, einmal zu prüfen, ob das vielleicht durch einen Erlass geht, Herr Rudolph. Das alles werden wir dort gemeinsam besprechen, und ich denke, dass wir da zu einer guten Regelung kommen. Es gilt ganz klar, dass die GRÜNEN und auch unser Koalitionspartner dazu stehen, dass niemand aufgrund seiner Behinderung daran gehindert werden darf, ein Mandat oder ein kommunales Mandat auszuüben – dazu stehen wir.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Michael Boddenberg und Holger Belli- no (CDU))

Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Rudolph zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Goldbach, Herr Bauer hat klar gesagt, für jedermann und jede Frau zu hören, es gebe nichts zu regeln. Das ist etwas anderes, als Sie hier vorgetragen haben.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

In Ihrem Ansatz haben Sie eher aufgezeigt, wie schwierig das alles ist. Ja, das Thema Inklusion – wir erleben es auch in anderen Bereichen – wird Geld kosten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das kann uns aber doch nicht hindern, uns diesem Thema zuzuwenden. Wer die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und anerkennt, der muss auch mit den Konsequenzen leben.

Die Frage der Ausgestaltung ist eine Sache der Gebietskörperschaft vor Ort. Hier geht es jetzt darum, der Gesellschaft ein Signal zu senden, dass Menschen mit Beeinträchtigungen bzw. mit gesundheitlichen Behinderungen ehrenamtlich tätig sein können. Wie vereinbart sich das? Sie wollen Ehrenamt als Verfassungsziel in die Hessische Verfassung aufnehmen. Das hat Konsequenzen, nicht nur in Form von Sonntagsreden.

Deswegen werden Sie sich in der Koalition doch bitte einig: Sie sagen, man müsse darüber reden, Herr Bauer sieht keinen Handlungsbedarf. – Was gilt denn nun, meine sehr verehrten Damen und Herren? Wir wollen Menschen helfen, die Beeinträchtigungen haben. Deswegen ist es gut und richtig, dass es den Gesetzentwurf gibt. Ich könnte mir eine pragmatische Erlassregelung vorstellen. Das wird auch nicht Unsummen kosten; denn es sind nicht Tausen

de. Es gibt unterschiedliche Beeinträchtigungen. Wichtig aber ist, dass Menschen nicht ausgegrenzt werden. Das muss unser gemeinsames Ziel sein, bisher sind Sie dazu nicht bereit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Alexander Bauer (CDU): Wo wird denn ausgegrenzt? Nennen Sie nur einen einzigen Fall!)

Danke, Herr Rudolph. – Frau Goldbach, Sie haben zwei Minuten Zeit für eine Antwort.

Herr Kollege Rudolph, wir sind da doch ganz nah beieinander, auch wenn Sie sich dabei jetzt unwohl fühlen.

(Lachen bei der SPD)

Sie haben ins Gespräch gebracht, eine Regelung vielleicht durch eine Verordnung oder einen Erlass zu treffen. Wenn ich mich nicht verhört habe, haben Sie auch ausdrücklich gesagt, Sie wüssten nicht, ob die HGO-Änderung der richtige Schritt oder die richtige Maßnahme ist. – Wir sagen nichts anderes.

Und, bitte: Wir sind uns völlig einig darin, dass Menschen mit Behinderungen auch am politischen Leben – durch Ausübung eines Mandats – teilhaben müssen. Da sind wir uns einig.

(Günter Rudolph (SPD): Herr Bauer nicht! – Marjana Schott (DIE LINKE): Da muss man etwas tun! Das fällt nicht vom Himmel!)

Herr Bauer hat auch gesagt, wir werden im Ausschuss – wenn wir über die ohnehin anstehenden HGO-Änderungen beraten – auch darüber sprechen. Wir werden mit den Kommunalen Spitzenverbänden sprechen, und das tun wir auch so. Ich denke, es wäre wirklich unwürdig, wenn wir bei diesem wichtigen Thema zu polarisieren versuchten, weil die Zielrichtung wohl völlig klar ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Danke, Frau Goldbach. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Hahn das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gerade auf die Uhr geschaut. Wir haben doch Zeit, oder?

(Zuruf: Ja!)

Ich muss gestehen, dass ich die Emotionen, die sich hier in der letzten halben Stunde aufgeschaukelt haben, beim besten Willen nicht nachvollziehen kann. Sie wissen, ich bin Vater eines geistig und körperlich behinderten Sohnes. Ich muss gestehen: Ich erlebe diese Gesellschaft immer nur so, dass sie zu helfen versucht. Sie versucht es, natürlich geht es nicht immer. Aber wenn es geht, wird es gemacht, und das schon – mein Sohn ist 25 Jahre alt – seit 25 Jahren.

Ich verstehe nicht, dass man eine solche Diskussion so führt und gleich Gesetze einbringen möchte. Ich würde gerne einmal wissen – und zwar mit Namen und Anschrift –, wo in einer hessischen Kommune derart Negatives passiert ist.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Ich möchte das deshalb wissen, weil ich unverzüglich zum Telefonhörer greifen würde und den Bürgermeister/die Bürgermeisterin anrufen und fragen würde – ich sage es jetzt in höflicher Form, weil mich der Präsident sonst rügen müsste.