Protocol of the Session on September 23, 2015

Meine Damen und Herren, Sie sehen, dass wir in Hessen auf einem guten Weg sind. Wir stellen uns der großen Herausforderung der Integration der Flüchtlinge, aber wir verlieren die anderen bildungspolitischen Aufgaben deswegen nicht aus dem Blick. Wir garantieren weiterhin eine verlässliche Lehrerversorgung. Wir stehen für die Wahlfreiheit der Eltern ein. Auf diesem Wege werden wir die Zukunft meistern.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Debatte beendet.

Es wird vorgeschlagen, den Antrag der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Kulturpolitischen Ausschuss zu überweisen. – Dem wird zugestimmt. Damit ist Tagesordnungspunkt 49 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 und Tagesordnungspunkt 46 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Hessen für das Haushaltsjahr 2016 (Haus- haltsgesetz 2016) – Drucks. 19/2307 –

Antrag der Landesregierung betreffend Finanzplan des Landes Hessen für die Jahre 2015 bis 2019 – Drucks. 19/2408 –

Redezeit: 45 Minuten je Fraktion. Wir haben folgende Reihenfolge vereinbart: Landesregierung, SPD, GRÜNE, LINKE, FDP, CDU und Frau Öztürk, wenn sie reden möchte.

Es beginnt der Finanzminister. Herr Dr. Schäfer hat zur Einbringung das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Ihnen vorliegenden Entwurf des Landeshaushalts für das Jahr 2016 wird eines deutlich: Hessen hält Kurs auf dem Weg zur Erreichung einer schwarzen Null, also eines Haushalts ohne Aufnahme neuer Kredite, ab dem Jahre 2019. Wir gehen mit dem Haushalt für 2016 den nächsten Schritt. Der Entwurf der schwarz-grünen Landesregierung sieht eine planmäßige Senkung der Nettokreditaufnahme auf unter 600 Millionen € vor. Es ist ein Markenzeichen dieser Landesregierung, dass sie verlässlich und lösungsorientiert neue Herausforderungen mit sich täglich änderndem Charakter – ich komme darauf zurück – anpackt, ohne das gemeinsame langfristige Ziel aus den Augen zu verlieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Manche Herausforderung mag übergroß erscheinen, bekannte oder erwartbare Dimensionen sprengen. Wir dürfen deshalb aber nicht vorschnell vom eingeschlagenen Kurs abweichen; denn das Ziel, eine generationengerechte Finanzpolitik zu betreiben, die auch unseren Kindern und Enkeln noch Raum für eigene politische Entscheidungen lässt, ist nach wie vor richtig. Dafür werden wir eintreten, und dafür werden wir auch weiterhin kämpfen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, politische Verantwortung zu tragen, das unterscheidet die Regierungsarbeit von der Oppositionsarbeit. Politische Verantwortung heißt auch, Lösungen zu suchen, Entscheidungen zu treffen und diese zu verantworten.

Nüchterner Ausdruck unserer Entscheidungen ist nun einmal das Zahlenwerk des Landeshaushalts. Wir haben uns am gestrigen Tag sehr ausführlich über die derzeit größte humanitäre Herausforderung und die damit verbundenen Entscheidungen und Verantwortlichkeiten ausgetauscht. Die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung derjenigen, die auf der Flucht vor Krieg und Vertreibung, vor Not und

Elend in unserem Land Schutz und Hilfe suchen, sind äußerst vielschichtig und facettenreich. Die Darstellung aller Aspekte würde den Rahmen dieser Rede sicher sprengen. Deshalb konzentriere ich mich auf die vergleichsweise nüchternen und emotionslosen Zahlen und haushaltsrelevanten Fragestellungen. Das bedeutet aber nicht, dass wir bei aller Betrachtung von Fakten und Daten die Emotionalität vergessen, die dahinter steckt. Das ist ganz und gar nicht der Fall. Die humanitäre Verpflichtung gegenüber denen, die alles verloren haben, die in Verzweiflung und bitterster Not zu uns kommen, ist keine Frage der Zahlen, sondern in erster Linie eine Sache der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine tiefe Überzeugung ist aber, dass wir schlichtweg nicht jedem uneingeschränkte Hilfe auf Dauer angedeihen lassen können. Es muss einen Unterschied ausmachen, ob Menschen tatsächlich vor Verfolgung, Krieg, Terror und Zerstörung fliehen und zu uns kommen oder ob das nicht Fall ist. Ich glaube, es gehört zu unserem abendländischen christlichen Menschenbild, den Menschen offen und ehrlich die Wahrheit zu sagen, die mit falschen Versprechungen dazu gebracht wurden, ihre Heimat zu verlassen und zu uns zu kommen.

An dieser Stelle gilt es eben, die Menschen, die keine Aussicht auf ein Bleiberecht haben, schnellstmöglich in ihre Heimat zurückzuführen, damit wir unsere Anstrengungen an anderer Stelle, nämlich auf die Menschen, die auf Dauer bei uns bleiben werden, konzentrieren können.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will den Versuch unternehmen, in der mittelfristigen Finanzplanung ein Stück weit die Dimension aufzuzeigen, mit der wir es möglicherweise zu tun haben. Momentan sieht unser Basisszenario, an dem wir die mittelfristige Finanzplanung ausgerichtet haben, eine jährliche Zahl von 450.000 Flüchtlingen vor. Das waren die Zahlen, die bei der Haushaltsaufstellung im Frühsommer noch Stand der Dinge waren. Damals war das sogar etwas großzügig kalkuliert.

Demnach ergeben sich, technisch gesprochen, in den Jahren 2017 und 2018 globale Handlungsbedarfe von 180 bzw. 210 Millionen €. In den normalen Sprachgebrauch übersetzt, heißt das: Einnahmen und Ausgaben müssten in diesen beiden Jahren Verbesserungen gegenüber dem Plan aufweisen, damit sie wieder ausgeglichen werden können.

Die aktuelle Entwicklung bedeutet aber, dass die bisher angenommenen Flüchtlingszahlen erheblich übertroffen werden. Momentan rechnen wir damit, dass wir allein in diesem Jahr 100 Millionen € zusätzlich zu den 393 Millionen €, die veranschlagt worden sind, ausgeben müssen. Einen Nachtragshaushalt werden wir allerdings, im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern, nicht vorlegen müssen, da wir aufgrund der günstigen Zinsentwicklung und zusätzlicher Bundesmittel, aber eben auch aufgrund der sparsamen Haushaltsdurchführung diese Mehrbedarfe auffangen können. Auch hieran zeigt sich die solide und umsichtige Haushalts- und Finanzpolitik in unserem Land.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Schwierigkeit, in dieser Zeit eine Haushalts- und Finanzplanung zu machen, liegt in der kaum fassbaren Dyna

mik der Flüchtlingsströme. Wenn nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, ob morgen 500 oder 1.000 Flüchtlinge am Frankfurter Hauptbahnhof ankommen, kann man bei einem Haushaltsplan, bei dem vom Regierungsentwurf bis zur Verabschiedung fünf Monate vergehen, nur sehr schwer mit der aktuellen Entwicklung mithalten, ganz zu schweigen von einer mittelfristigen Finanzplanung mit einem Zeithorizont von vier Jahren.

Aus diesem Grund haben wir uns dafür entschieden, lediglich die finanziellen Folgen bestimmter Szenarien der Entwicklung der Flüchtlingszahlen darzustellen. Wie gesagt, im Basisszenario kalkulieren wir mit 450.000 in Deutschland ankommenden Flüchtlingen. Bei einer Zahl von 800.000 Flüchtlingen, die den letzten Stand der offiziellen Verlautbarungen des Bundesinnenministeriums wiedergibt, muss im kommenden Jahr mit einem weiteren Handlungsbedarf von rund 150 Millionen € gerechnet werden. Dieser Betrag würde sich bis 2018 auf knapp 800 Millionen € erhöhen.

Wird auch dieses Szenario übertroffen und beispielsweise eine Zahl von 1 Million Flüchtlingen pro Jahr erreicht, steigt der Handlungsbedarf auf 250 Millionen € im Jahr 2016 und sogar auf 1 Milliarde € im Jahr 2018, wobei die gegenwärtigen Pauschalsätze, die an die Kommunen weitergereicht werden, unterstellt worden sind. Auch das hat der Ministerpräsident in seiner gestrigen Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht: Dass wir bestrebt sind, mit den Kommunen ein einvernehmliches Ergebnis bei der Anpassung der Pauschalen zu erreichen, wird diese Belastung ebenso nach oben treiben wie weitere Anstrengungen in den anderen Ausgabenbereichen des Landeshaushalts.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Anbetracht dieser Zahlen wird sich der eine oder andere unruhig die Frage stellen, ob und vor allem wie man das alles schaffen kann und woher das ganze Geld kommen soll. Viele weitere Fragen lassen sich stellen. Ich habe mir als Finanzminister in stürmischen Zeiten und bei hohem Wellengang eines angewöhnt: Kurs halten. Wer schon zum Beginn einer Reise die Nerven verliert, kommt nie am Ziel an.

Ich will auch gern mit Argumenten untermauern, warum ich trotz aller Beunruhigungen in diesen Tagen in aller Ruhe in die Zukunft blicke. Momentan – gerade in dieser Stunde – laufen die Verhandlungen darüber, wie sich der Bund an der Bewältigung der Flüchtlingszahlen beteiligen wird. Im Raum stehen Summen in Höhe von 3 Milliarden €, aber auch die Aussage des Bundes, dass es am Ende am Geld nicht scheitern wird. Weiterhin sind wir in Gesprächen darüber, wie bestimmte Verfahren verändert werden können, um die Anstrengungen zu konzentrieren. Ich nenne hier nur die Diskussion über die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten, aber auch die Beschleunigung der Asylverfahren.

Darüber hinaus verhandeln wir derzeit über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Auch hier bestehen die Erwartung und die Hoffnung, dass es für die Geberländer im Länderfinanzausgleich am Ende eine spürbare Entlastung geben wird, auch wenn das erst ab dem Jahr 2020 haushaltswirksam werden würde.

Wenn darüber hinaus keine wesentliche Wende bei der Wirtschaftslage und der Zinsentwicklung eintritt, sehe ich gute Chancen, dass sich die immensen Handlungsbedarfe – die Szenarien, die ich eben vorgetragen habe – in der mittelfristigen Finanzplanung in Richtung relativ beherrschba

rer Größenordnungen entwickeln werden. Diese entlastenden Momente können wir aber derzeit schlicht und ergreifend nicht planen. Wir haben sie – das ist der Grundsatz des vorsichtigen Kaufmanns – an dieser Stelle in den Planungen nicht veranschlagt. Das heißt, jede Verbesserung, die sich daraus ergibt, mindert die Handlungsbedarfe, die wir in den Haushalten in der Zukunft zu bewältigen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage an dieser Stelle aber auch eines klipp und klar: Ohne eine starke und vor allem strukturelle Beteiligung des Bundes an der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge, die nicht einmalig, sondern dauerhaft ist, sind die Dimensionen für einen Landeshaushalt schlicht nicht handhabbar.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auf die Schultern von Bund, Ländern und Kommunen verteilt werden muss. Man kann sich mit Fug und Recht darüber streiten, was hier unter Gerechtigkeit zu verstehen ist. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass es ohne eine stärkere Beteiligung des Bundes sehr schwer sein wird, das Ziel zu erreichen, das uns die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land mit großer Mehrheit in die Verfassung geschrieben haben: ein Haushalt ohne neue Schulden ab dem Jahr 2020.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ein Auftrag der Bürgerinnen und Bürger, den wir zu erfüllen haben. Wir brauchen schnelle, pragmatische und zielgerichtete Lösungen in Rechtsetzung, Verwaltung und Umsetzung. Sind wir dazu nicht in der Lage, wird das der Resignation und sogar, wie ich glaube, der Frustration einen Weg ebnen und damit den falschen Kräften in unserem Land in die Hände spielen. Das dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem ich Ihnen den Teil der Haushaltsplanung dargestellt habe, der momentan die größte Aufmerksamkeit auf sich zieht, lassen Sie mich nun für einen Moment den Blick auf das größere Bild lenken. Unser Land ist in einer sehr robusten wirtschaftlichen Lage. Nachdem in den Jahren 2012 und 2013 das Bruttoinlandsprodukt nur sehr spärlich gewachsen ist, erfuhr die Wirtschaft im letzten Jahr einen deutlichen Schub. Auch in diesem Jahr erwarten wir einen soliden weiteren Zuwachs.

Diese positive Entwicklung spiegelt sich auch auf dem Arbeitsmarkt wider; dadurch ist ein moderater weiterer Rückgang der Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen. Nach allen Vorausberechnungen werden die gute Binnennachfrage und wohl auch, durch niedrige Wechselkurse begünstigt, der Export der deutschen und somit der hessischen Wirtschaft weiterhin ein solides Wachstum bescheren.

Man muss sich das noch einmal vergegenwärtigen: In Hessen waren 2014 im Jahresdurchschnitt lediglich 184.000 Personen arbeitslos. Mit einer Arbeitslosenquote von 5,7 % läuft der hessische Konjunkturmotor rund.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Land bietet so vielen Menschen wie nie zuvor einen Platz zum Leben und Arbeiten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, an Hessen führt eben kein Weg vorbei.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kaum ist der Applaus verhalt, beschäftige ich mich schon wieder mit der anderen Seite der Medaille. In Hessen waren kurz vor Beginn des Lehrjahres allein im Handwerk rund 27.000 Lehrstellen unbesetzt. In Branchen wie dem Anlagenbau und der Elektronik oder auch in der Zimmermannszunft werden junge Menschen gesucht. Dort suchen die Unternehmen Nachwuchs.

Diese Entwicklung dürfen wir nicht ignorieren. Wir müssen sie gestalten. Wenn wir unseren Wohlstand und unseren Lebensstandard auch für die Zukunft, also über die Generationen hinweg, erhalten wollen, müssen wir uns intensiv um die Nachwuchsgewinnung kümmern; denn das sind die zukünftigen Blüten unserer Wirtschaftsleistung.

Wir müssen aber gleichzeitig dafür sorgen, dass wir das Problem der weiteren Verschuldung in der Jetztzeit in den Griff kriegen. Jetzt befinden sich die Angehörigen der großen, geburtenstarken Jahrgänge auf dem Höhepunkt ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Angehörigen der geburtenstarken Jahrgänge in den Sechzigerjahren sind jetzt an dem Punkt angelangt, an dem sie sozusagen ökonomisch am intensivsten tätig sind. Nach der Statistik zahlt man im Durchschnitt im Alter von 48 Jahren die meisten Steuern im Leben. Mit mir geht es jetzt also an der Stelle bergab. Jedenfalls besagt das die Statistik.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gibt immer Ausnahmen!)

Aber ich kann Ihnen, wiederum aus persönlicher Betroffenheit, auf der anderen Seite sagen: Mein Geburtsjahrgang zählte in Gesamtdeutschland zwischen 1,3 und 1,4 Millionen Menschen. Der Geburtsjahrgang 2008 – der meiner Tochter – hat ziemlich genau die Hälfte. Das heißt, die Generation unserer Kinder, die nur halb so viele Menschen umfasst, soll in Zukunft die Last tragen, die wir verursachen, wenn wir so viele bleiben und – was wir gemeinsam hoffen – gesund alt werden. Daher ist es klar, dass wir das Problem der weiteren Verschuldung in unserer Generation lösen müssen, wenn wir nicht der nächsten Generation einen Ballast auf die Schultern legen wollen, den sie am Ende nicht mehr tragen kann.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)