Nehmen wir Mecklenburg-Vorpommern. Das ist ein kleineres Bundesland, und es hat weniger Lehrer und Schüler als wir. Dort wurde keine Stelle abgebaut. Im Jahr 2011 waren dort 10.273 Stellen im System, im Jahr 2015 sind es 11.376 Stellen, und im nächsten Jahr werden es mehr.
In Sachsen wurden bis zum Jahr 2012 auch Stellen abgebaut, aber seit der SPD-Mitregierung gibt es keinen alters
bedingten Abgang mehr, und bis zum Jahr 2019 gibt es jetzt jedes Jahr mehr Stellen, insgesamt 1.000.
Meine Damen und Herren, auch in Bremen gibt es keinen Abbau von Lehrerstellen. Die Zahl dieser Stellen blieb bisher stabil, und für die nächsten Jahre ist eine Steigerung von 4.900 auf 4.970 geplant, und es gibt weitere Stellen für Vorkurse.
Meine Damen und Herren, auch in Brandenburg gibt es keinen Abbau: 145 Stellen für den Unterricht der Flüchtlinge, und weitere Verhandlungen laufen. Ein weiterer Aufbau von Stellen bis zum Jahr 2018 ist geplant.
Wo also ist hier bitte das Alleinstellungsmerkmal von Hessen – dass wir das einzige Bundesland seien, das keine Lehrerstellen abbaut? – Das ist keineswegs der Fall.
Meine Damen und Herren, ich will noch etwas zu den 105 % sagen und zu den Aufgaben, die damit zu bewältigen sind. Ich habe mir das noch einmal genau angesehen. Irgendwie scheinen diese 105 % die Eier legende Wollmilchsau zu sein.
Herr Wagner hat es angesprochen. Daraus soll alles Mögliche gemacht werden – von der USF, von Stellen, die schon längst da sind: auch daraus muss man jetzt den Abbau der Schulsozialarbeit kompensieren – obwohl wir es schriftlich haben, Herr Minister Lorz, dass USF und Schulsozialarbeit nicht das Gleiche sind. Daraus sollen Profilbildungen der Schulen gemacht werden, zusätzliche Unterrichtsangebote; es sollen neue Methoden und Sozialformen umgesetzt werden, zusätzliche Betreuungsangebote, Hausaufgabenhilfe, Förderunterricht, Schülerberatung, Einrichtung kleiner Lerngruppen. Diese Liste umfasst 30 Punkte. Wir haben sie aus verschiedenen Anfragen zusammengestellt, alles aus Ihrem Haus. All das müssen Schulen leisten. Demzufolge sind Überlastungsanzeigen leicht nachzuvollziehen.
Ich will noch einen letzten Punkt nennen, der bisher zu kurz gekommen ist. Sie bauen in der Bildungsverwaltung massiv Stellen ab. Doch gerade in Zeiten wie diesen, in denen Schulen auf Unterstützung angewiesen sind, brauchen wir Schulämter, eine Bildungsverwaltung, die dafür ausgestattet ist. Wenn Sie aber jetzt noch die Schulämter anweisen, all diejenigen, die im Juni 2015 gestreikt haben, jetzt noch zu sanktionieren und Anhörungen der Lehrkräfte verlangen, so wird das eine massive Mehrarbeitsbelastung für die Schulämter sein. Meine Damen und Herren, auch das sollten Sie sich noch einmal gut überlegen.
Am schlimmsten aber ist es, dass bei dem Abbau in der Bildungsverwaltung auch die Schulpsychologen mit betroffen sind.
Gerade vor dem Hintergrund der Flüchtlingskinder, die unter massiven Traumatisierungen leiden, ist es doch absolut falsch, auch noch bei den Schulpsychologen zu sparen. Herr Wagner, es tut mir leid, aber eigentlich brauchen wir auch hier ein bisschen mehr.
Fazit: Auch im Schuljahr 2015/2016 bleibt die Bildungsgerechtigkeit in Hessen auf der Strecke. Insgesamt haben wir
weniger Lehrer in den einzelnen Klassen und Kursen. Wir haben keine Schulsozialarbeit mehr, und wir sind Schlusslicht bei der Inklusion. Der Pakt für den Nachmittag ist eine Fehlinvestition. Das G-8/G-9-Chaos geht weiter. Lehrkräfte fühlen sich alleingelassen und überfordert. Deswegen kann man nicht sagen, es kommt auf den Lehrer an. Sie müssen stärker dafür sorgen, dass Lehrkräfte motiviert sind und an den Schulen gute Arbeitsbedingungen vorfinden. Da gibt es noch viel zu tun. – Danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der ersten Runde vorhin habe ich schon angekündigt, dass ich gerne weiter über die bildungspolitischen Prioritäten dieser Landesregierung sprechen werde. Nachdem wir in der ersten Runde angesichts des Antrags der SPD vor allem über quantitative Aspekte – sprich: Geld – gesprochen haben, lassen Sie mich jetzt vor allem über qualitative Veränderungen reden.
Dabei weiß ich: So ganz kann man das nicht trennen, etwa bei der sozialpädagogischen Förderung. Frau Abg. Cárdenas, ich glaube, ich habe die Hälfte meiner Redezeit der ersten Runde auf die Erläuterung dieses Vorhabens verwendet. Bei 21 Millionen € im Jahr fand ich das durchaus angemessen, auch im Vergleich zu den 400.000 €, die noch aus alten Zeiten dort unter diesem Titel „Schulsozialarbeit“ standen. 400.000 € gegen 21 Millionen € – das ist nicht nur Quantität, das wirkt sich definitiv auch qualitativ aus. Aber das können wir an anderer Stelle weiter vertiefen.
In dieser zweiten Runde heute will ich natürlich mit dem zentralen Thema dieser Tage beginnen und über unsere konzeptionelle Aufstellung angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation und der Notwendigkeit des Spracherwerbs für diese Menschen sprechen.
Es ist schön, dass wir uns in diesem Hause wenigstens über dieses Ziel, diese Notwendigkeit absolut einig zu sein scheinen.
Meine Damen und Herren, zu diesem Schuljahr haben wir die letzte Lücke in unserem systematischen Gesamtsprachförderkonzept geschlossen. Das bedeutet, jetzt haben wir einen umfassenden und passgenauen Maßnahmenkatalog zur Beschulung der Zuwanderer im schulpflichtigen Alter. Dazu gehören die Vorlaufkurse und die Intensivmaßnahmen, und zwar sowohl die Intensivklassen als auch die -kurse. Das sind ja zwei Arten möglicher Maßnahmen: zum einen schwerpunktmäßig in einer Klasse zu beschulen und sich auf den Deutscherwerb zu konzentrieren; zum anderen aber Schülerinnen und Schülern, die bereits im Regelunterricht sind, eine zusätzliche Sprachförderung im Intensivkurs angedeihen zu lassen. Das muss nach den jeweiligen Verhältnissen vor Ort entschieden werden.
Damit will ich nur zeigen: Wir haben ein ganz breites Spektrum von Maßnahmen. Man darf sie nicht einfach auf die Anzahl der Intensivklassen reduzieren – obwohl die schon beeindruckend genug ist.
Beides haben wir zum neuen Schuljahr wesentlich verstärkt. Vor allem aber haben wir die bewährten Bausteine dieses Gesamtsprachförderkonzepts aus dem allgemeinbildenden Bereich jetzt auf die beruflichen Schulen übertragen. Das ist unser Programm InteA: Integration und Abschluss. Das Programm, das sich dahinter verbirgt, stellt erstmals auch Intensivklassen für Flüchtlinge und Zuwanderer ohne Deutschkenntnisse in der Berufsschule zur Verfügung. So etwas gab es vorher gar nicht. Deswegen kann sich an dieser Stelle auch nichts verschlechtert haben. Das ist das erste Programm, das in der Berufsschule zu diesem Zweck existiert. Herr Abg. Greilich, Sie haben es selbst gesagt: Vorher wurde das irgendwie freihändig mit den vorhandenen Ressourcen bewältigt. – Nebenbei bemerkt, spricht das dafür, dass die Personalausstattung nicht so schlecht gewesen sein kann,
wenn man das freihändig getan hat. Jetzt aber haben wir zum ersten Mal ein richtiges Programm dafür. Damit sind wir konzeptionell für die Bewältigung dieser neuen Herausforderung gut gerüstet.
Dass wir angesichts der weiteren Entwicklung, die wir alle nicht in ihrem Umfang absehen können, sicherlich in diesem Hause und auch anderswo noch sehr viel über die Zahlen werden reden müssen, das ist in den Debatten dieser Tage schon so oft gesagt worden, dass ich es jetzt nicht wiederholen will.
Meine Damen und Herren, mir ist jedoch wichtig, dass wir auch die anderen Erfordernisse der gesellschaftlichen Veränderungen in der Bildung nicht vernachlässigen. Über die sozialpädagogische Förderung haben wir bereits gesprochen. Aber der beste Beleg dafür ist die Ausweitung der Ganztagsangebote. Damit reagieren wir einerseits auf die Notwendigkeit der Vereinbarung von Schule und Berufstätigkeit – das ist quasi der familienpolitische Hintergrund –, andererseits wollen wir damit natürlich auch pädagogische Chancen nutzen; und das ist der eigentlich noch wichtigere bildungspolitische Hintergrund.
Meine Damen und Herren, mit der Unterzeichnung der Rahmenvereinbarungen mit den Pilotschulträgern zum Pakt für den Nachmittag hat die Regierungskoalition aus CDU und GRÜNEN das größte Ganztagsprogramm in der gesamten hessischen Bildungsgeschichte auf den Weg gebracht.
Wir hatten bereits einen Rekordwert für Lehrkräfte und pädagogisches Personal im Ganztagsbereich erreicht. Jetzt haben wir die Zahl der pro Jahr dafür zusätzlich verfügbaren Stellen im Vergleich zu den Vorjahren noch einmal verdoppelt. Damit sind heute fast 2.000 Stellen im Ganztagsbereich aktiv. Wir halten an dem Ziel fest, innerhalb von fünf Jahren allen Eltern, die dies für ihre Kinder wünschen, ein freiwilliges und individuell ausgestaltetes Bildungs- und Betreuungsangebot von 7:30 bis 17 Uhr zur Verfügung zu stellen. Die zahlreichen Bewerbungen, die uns schon jetzt mit Blick auf das Schuljahr 2016/2017 vor
liegen, zeigen deutlich, wie sehr dieses Programm auch von den Schulträgern angenommen wird – allen gegenteiligen Bemühungen der Opposition in diesem Hause zum Trotz, Frau Abg. Cárdenas und meine Damen und Herren.
Wir stehen auch noch auf einem anderen Gebiet mit den Schulträgern in einer sehr guten Kooperation, und zwar, wenn es darum geht, dass Menschen mit Behinderungen frei von Diskriminierung und auf der Grundlage von Chancengerechtigkeit ihr Recht auf Bildung verwirklichen können. Dafür haben wir zum neuen Schuljahr weitere Modellregionen für Inklusion eingerichtet. Frau Abg. Cárdenas, es spricht doch nichts gegen ein Modell, wenn es funktioniert. Die Tatsache, wie diese Modellregionen angenommen werden und wie dort positiv gearbeitet wird, belegt doch, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind. Wir können auf diese Weise Stück für Stück dafür sorgen, dass insbesondere im Grundschulbereich möglichst keine Elternwünsche auf inklusive Beschulung mehr abschlägig beschieden werden müssen. Die Zahl der Ablehnungen ist heute die geringste, die es in Hessen je gegeben hat. Wir wollen weiter daran arbeiten, die Zahl der abschlägigen Bescheide möglichst nahe an oder idealerweise auf null zu bringen. Das ist unser Ziel. Daran halten wir fest und geben in diesem Schuljahr zum ersten Mal mehr als 2.000 Förderschullehrerstellen für die sonderpädagogische Unterstützung an die allgemeinbildenden Schulen.
(Minister Prof. Dr. R. Alexander Lorz: Ich hoffe, dass die Redezeit reicht, Frau Cárdenas, dann ger- ne!)
Herr Kultusminister, was sagen Sie dazu, dass die Schülerzahlen an den Förderschulen trotzdem steigen? Das passt doch nicht zu dem, was Sie sich vorgenommen haben.
Frau Abg. Cárdenas, wir stellen in der Tat fest – das macht uns auch etwas Sorge –, dass die Zahl der Schüler mit der Etikettierung „sonderpädagogisch förderbedürftig“ zunimmt. Das heißt, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler in inklusiver Beschulung permanent erhöht werden konnte – auch durch die Ressourcen, die wir an dieser Stelle investiert haben –, gleichzeitig aber die Zahl der Förderschülerinnen und Förderschüler gestiegen ist – jedenfalls bis zum letzten Jahr. Das liegt daran, dass man mehr Schülerinnen und Schülern einen sonderpädagogischen Förderbedarf bescheinigt. Wir sehen aber eklatante Unterschiede zwischen einzelnen Schulamtsbezirken, die man nicht richtig erklären kann. Ich gehe nämlich davon aus, dass der sonderpädagogische Förderbedarf etwa im Schwalm-EderKreis nicht per Definition höher ist als z. B. der im MainKinzig-Kreis. Da kann irgendetwas nicht stimmen. Daran müssen wir sicherlich noch arbeiten. Das ist eine der Aufgabenstellungen.
Nageln Sie mich bitte nicht auf einzelne Kreise fest. Ich belege das gerne, aber es waren jetzt zwei willkürlich gegriffene Beispiele.
Ich will in diesem Zusammenhang allerdings zwei Dinge betonen: erstens die Wahlfreiheit der Eltern in beide Richtungen, d. h. dass auch Förderschulangebote für Eltern und Kinder erhalten bleiben müssen, die dies wünschen, und zweitens die Notwendigkeit, den Prozess der Inklusion schrittweise voranzubringen und dabei sowohl eine Übereinstimmung mit den Schulträgern als auch einen Einklang mit der Entwicklung der jeweiligen Schulen zu erreichen. „Ermöglichen statt verordnen“, diesen Grundsatz haben wir heute wieder einmal gehört. Das gilt auch für unser Handeln in diesem Bereich. Deshalb schließen wir Vereinbarungen und dekretieren keinen Masterplan von oben.
Ich will einen letzten Punkt als gesellschaftliche Herausforderung thematisieren, der mir besonders am Herzen liegt: die Ausbildungsfähigkeit unserer Jugendlichen, um ihnen den Einstieg in die Berufs- und Arbeitswelt zu erleichtern. Wir wollen vermeiden, dass es zu Schulabbrüchen kommt. Wir wollen die Jugendlichen intensiv auf den Übergang von der Schule in die Ausbildung vorbereiten. Wir wollen sie auch in dieser Lebensphase entsprechend begleiten.
Dabei haben wir in den letzten Jahren mit den Programmen SchuB und EIBE – beides Programme zusätzlich zum schulischen Regelangebot –, über die dankenswerterweise in diesem Hause immer Einigkeit bestanden zu haben scheint, sehr gute Erfahrungen gemacht und eine Vielzahl von Jugendlichen mit einer eher ungünstigen Prognose zu einem Schulabschluss geführt. Deswegen haben wir die Kerninhalte beider Förderprogramme jetzt in einem neuen Programm, dem Förderprogramm „Praxis und Schule“, zusammengeführt. Wir haben die Inhalte überdacht und weiterentwickelt. Wir setzen die Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds konzentriert und vollständig für die sozialpädagogische Unterstützung ein und stocken sie aus dem Landeshaushalt auf, um auch an dieser Stelle präventiv tätig zu sein und Jugendlichen zu einer erfolgreichen Schullaufbahn zu verhelfen.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, dass wir in Hessen auf einem guten Weg sind. Wir stellen uns der großen Herausforderung der Integration der Flüchtlinge, aber wir verlieren die anderen bildungspolitischen Aufgaben deswegen nicht aus dem Blick. Wir garantieren weiterhin eine verlässliche Lehrerversorgung. Wir stehen für die Wahlfreiheit der Eltern ein. Auf diesem Wege werden wir die Zukunft meistern.