Sie müssen einfach eines zur Kenntnis nehmen, das hat die alte Koalition zur Grundlage ihrer Politik gemacht: Wenn wir zusätzliche Aufgaben übernehmen wollen, dann geht das nur, wenn wir zusätzliche Mittel in die Hand nehmen.
Wenn wir das nicht wollen, wenn wir die Kraft, den Mut oder den Willen dazu nicht haben, müssen wir es lassen. Aber wir können nicht einfach herangehen und einen Verschiebebahnhof aufmachen, um die verschiedenen Bildungsbereiche gegeneinander auszuspielen. Was Sie dort machen, ist ein eklatantes Versagen und eine Rosstäuscherei gegenüber den Betroffenen.
Ich will – wie angekündigt – als dritten Punkt etwas vertiefter auf das eingehen, was meines Erachtens zurzeit die größte Herausforderung ist. Wir sind uns wohl auch einig, was die Herausforderungen angeht, aber sicher noch nicht im Hinblick auf die Konsequenzen. Das ist nämlich die Frage der Beschulung sowohl minderjähriger als auch erwachsener und insbesondere heranwachsender Flüchtlinge.
Was sich hier im letzten Jahr und vor diesem Schuljahr abgespielt hat, ist ein Drama der übelsten Art und Weise, das uns diese Landesregierung und die Koalition vorgeführt haben. Ein Jahr lang wurde ich auf meine Nachfragen hin sowohl im Unterausschuss für Heimatvertriebene, Aussiedler, Flüchtlinge und Wiedergutmachung als auch im Kulturpolitischen Ausschuss immer wieder vertröstet, weil man noch daran arbeite. Es gebe noch die Gespräche zwischen Sozial- und Kultusbereich, wie das alles gestemmt werden solle. Was kam zum Schluss heraus? Es kam nichts heraus. Der Sozialbereich hat sich geweigert, zusätzliches Potenzial bereitzustellen. Man hat den Kultusbereich, der keine zusätzlichen Stellen bekam und deshalb auch nichts dazu beitragen konnte, alleine gelassen. Der Finanzminister – er wird wahrscheinlich nachher kommen, wenn er seinen Haushalt einbringen will – hat sich entspannt zurückgelehnt und sinngemäß gesagt: „Lassen wir die einmal untereinander streiten, ich habe mit dem Thema nichts zu tun. Zusätzliches Geld gibt es jedenfalls nicht. Ich wirke auch nicht daran mit, in anderen Ressorts etwas zu finden.“
Was ist dabei herausgekommen? Sie loben sich in Ihrem Antrag dafür, dass Sie ein paar Intensivklassen mehr eingerichtet haben. Das ist auch gut so. Das wird aber nicht ausreichen. Das wissen wir alle. Aber es ist gut, dass es diese zusätzlichen Klassen gibt. Wie haben Sie es denn gemacht? Sie haben die Stundenzahl reduziert. Auch dort gibt es einen Verschiebebahnhof, nicht mehr und nicht weniger.
Das ist keine verantwortungsbewusste Politik. Speziell bei dem Thema InteA stelle ich fest, dass Sie jetzt ein Programm für 16- bis 18-jährige Flüchtlinge aufgelegt haben, die in diesem Programm beschult werden sollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist weniger als das, was wir vorher hatten, als es noch kein InteA-Programm gab. Damals hat das Kultusministerium mit Duldung aller Ministerien mehr oder weniger freihändig „gestrickt“ und es damit ermöglicht, dass an verschiedenen Schulen in Hessen ein entsprechender Unterricht stattfand. Es war gar keine Frage, dass natürlich auch die über 18Jährigen in den Unterricht einbezogen werden müssen. Sie haben einfach gecancelt, dass man auch diesen jungen Menschen helfen muss. Das ist nur einer geringen Zahl zusätzlicher, über 18-Jähriger möglich, die dann noch im System bleiben dürfen, wenn sie schon darin sind.
Sie schließen die Gruppe der 18- bis 21-Jährigen aus. Wenn Sie sich mit der Praxis befassen und sich die Menschen anschauen, werden Sie feststellen, dass es die gleiche Klientel ist. Diese Menschen haben die gleichen Probleme, unabhängig davon, ob sie 17 oder 18 Jahre alt sind oder im Alter von 20 oder 21 Jahren schon eine entbehrungsreiche Flucht hinter sich gebracht haben. Es handelt sich um die gleichen Traumatisierungen, die Sie bei all diesen Kindern und Jugendlichen vorfinden. Deswegen ist es eine üble Botschaft, dass Sie InteA auf 16- bis 18-Jährige begrenzen.
Ich will das hier in aller Deutlichkeit sagen, um noch einmal den Bogen zur gestrigen Debatte zu schlagen. Deutsch, Deutschkenntnisse und Bildung, insbesondere Bildung zur Berufsqualifizierung und Vorbereitung auf Berufsbildung, sind die Grundlage für alles, für die Integration in unserem Land. Es ist interessant, dass Sie ignorieren, was Sie unisono aus der Wirtschaft vernehmen, ob aus den Unternehmerverbänden, der Industrie oder dem Handwerk. Diese Bereiche brauchen Arbeitskräfte. Sie benötigen die jungen Flüchtlinge, und zwar gut qualifiziert, schnell und dauerhaft.
Wichtiger noch als der wirtschaftliche Aspekt ist aber der Gesichtspunkt der Voraussetzung der Integration. Ohne Deutsch geht hier nichts. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Wenn dieses Land in den nächsten Jahren bei der Integrationspolitik, insbesondere bei der Komponente Bildung, versagen wird, dann wird sich das zu einem massiven Staatsversagen ausweiten, dessen Folgen wir heute noch gar nicht absehen können.
Ich wiederhole deswegen zum Abschluss das vorhin Gesagte, was offensichtlich zu etwas Aufregung geführt hat: Wir bleiben bei unserer Forderung und halten es für unausweichlich, dass mindestens 10 % aller Mittel, die zusätzlich vom Bund nach Hessen kommen, in die Bildung fließen müssen.
Herr Kollege Schwarz, ich komme noch einmal auf das Thema der 300 Millionen € zurück, die für 2016 angekündigt sind.
Ich rechne Ihnen das gerne vor. Diese 300 Millionen € zusätzlich vom Bund bedeuten, wenn wir sie mit dem Faktor 10 % berechnen, dass wir 30 Millionen € zusätzlich für Bildung haben. Das sind umgerechnet ca. 600 Stellen. Wenn mehr Geld kommt, bekommen wir auch mehr Stellen. Dies werden wir brauchen. Das wissen Sie alle. Herr Kollege Schwarz, das hat überhaupt nichts mit dem Kooperationsverbot zu tun, um das zu beantworten.
Damit hat es überhaupt nichts zu tun, denn es geht hier um eine Frage der Flüchtlingspolitik. Sie können die Frage der Bildung und Ausbildung von Flüchtlingen – das wiederhole ich – nicht allein dem Kultusressort anlasten. Das ist eine Frage der Flüchtlingspolitik, und dafür ist der Bund zuständig.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit Verlaub, die Einschaltquoten schienen beim „Schlechte Zeiten“-Teil besser zu sein als beim „Gute Zeiten“-Teil.
Apropos: Herr Wagner, ich weiß nicht, ob Sie am Anfang der Debatte des ersten Teils eingeschaltet hatten. Da ging es auch um G 8 und G 9. Es sind Zahlen erwähnt worden, wie z. B. 200 Schülerinnen und Schüler, die auf G 8 gezwungen werden.
Ich bin durchaus der Meinung, dass das Umziehen innerhalb Hessens inzwischen schwieriger ist als innerhalb der Republik, weil keinesfalls eine echte Wahlfreiheit zwischen allen Angeboten des Landes gegeben ist.
Aber darin will ich mich nicht zu sehr vertiefen. Wissen Sie, es gibt ja durchaus unterschiedliche Auffassungen zwischen Regierung und Opposition. Ich habe auch darüber nachgedacht, woran das liegen mag. Ich habe das Gefühl, die schwarz-grüne Landesregierung und ihre Fraktionen argumentieren zunehmend einfach nur noch mit Zahlen. Es geht um Statistiken und Prozentzahlen, aber Sie sehen nicht mehr die Menschen, die in der Schule lernen und arbeiten.
Sie argumentieren mit einer Grundunterrichtsversorgung, die Sie aber gleichzeitig nach Belieben verändern. 100 % sind nicht mehr das, was 100 % einmal waren. Die Oberstufe ist das beste Beispiel dafür, dass Sie einfach einmal am Rädchen drehen und sich dann die Zahlen schönrechnen.
Außerdem schauen Sie nur auf den Input. Sie schauen nach dem, was Sie hineinstecken, aber es ist auch die Frage, was am Ende herauskommt. Wenn so viele Ressourcen in die Schule hineingesteckt werden – woher kommen denn dann all diese Überlastungsanzeigen? Hat die die Opposition angefordert? Schreiben wir die? Oder wie kommt das? – Das ist doch Quatsch.
Deshalb wirklich die Bitte: Achten Sie einmal darauf, was dort eigentlich passiert. Evaluieren Sie ordentlich. Dann können wir auch wirklich darüber reden, ob die Mittelausstattung angemessen ist.
Aber Sie lassen sich auf Zahlen ein. Gerade der Antrag, der dieser Debatte zugrunde liegt, dreht sich vor allem um den Vergleich mit anderen Bundesländern.
Ich weiß nicht, ob sich das einfach nur festgesetzt hat. Ich habe einmal nachgeforscht. Ich nenne das Beispiel Thüringen: Bis zum Jahr 2009 gab es dort eine CDU-Regierung, und die hat 9.000 Stellen abgebaut. Seit dem Jahr 2009 regieren dort Sozialdemokraten mit, und seitdem wurde jeglicher Stellenabbau gestoppt. Gerade jetzt sind 300 neue Stellen für Flüchtlinge in der Diskussion.
Zu Baden-Württemberg haben wir schon etwas gesagt. In der Tat wurde dort von der CDU FDP-Regierung bis zum Jahr 2011 ein massiver Plan zum Stellenabbau festgelegt. Aber allein im Jahr 2015 wurde keine einzige Stelle abgebaut, und 600 neue Stellen sind dort in der Diskussion.
Nordrhein-Westfalen. In der Tat kann man NordrheinWestfalen vorwerfen, dass dort die sogenannten Vorgriffsstunden gestrichen wurden. Meine Damen und Herren, das liegt aber daran, dass in Nordrhein-Westfalen Lehrer in den Neunzigerjahren mehr arbeiten mussten, und um diese Mehrarbeit auszugleichen, wurden diese Vorgriffsstunden geschaffen, die jetzt wieder abgebaut wurden. In Nordrhein-Westfalen ist die Lehrerarbeitszeit glücklicherweise nicht so hoch wie in Hessen,
und man hat das kompensiert. Neben den 2.600 Stellen, die jetzt in den Nachtragsberatungen sind, wurden allein insgesamt 3.599 Stellen für den Unterricht der Flüchtlinge geschaffen. Selbst wenn man diese Vorgriffsstunden einrechnet, hat Nordrhein-Westfalen im Saldo unterm Strich im Haushaltsplan 2016 243 Stellen mehr als im Jahr 2015. Es gibt also auf jeden Fall dort mehr Stellen.
Nehmen wir Mecklenburg-Vorpommern. Das ist ein kleineres Bundesland, und es hat weniger Lehrer und Schüler als wir. Dort wurde keine Stelle abgebaut. Im Jahr 2011 waren dort 10.273 Stellen im System, im Jahr 2015 sind es 11.376 Stellen, und im nächsten Jahr werden es mehr.