Protocol of the Session on September 22, 2015

Ich will noch eines hinzufügen: Ich beantrage bei dieser Gelegenheit die Überweisung an den Ausschuss, damit dort die dritte Lesung vorbereitet werden kann. Wir brauchen eine dritte Lesung; denn das, was Sie uns hier geliefert haben, ist wieder einmal ein Stück aus dem Tollhaus.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind mittlerweile daran gewöhnt, wie Sie vorgehen – aus welchen Gründen auch immer. Ich nehme an, das hat koalitionsinterne Gründe. Aber das ist eigentlich auch völ

lig egal. Tatsache ist, Sie legen solche Gesetzentwürfe auf den allerletzten Drücker vor, um uns dann zu erklären, dass ruck, zuck etwas passieren muss.

(Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt haben wir einen solchen Zeitdruck beim Melderecht. Sie stricken an der Legende, es sei nicht anders gegangen. Es hätte in mehrfacher Hinsicht anders gehen können: Erstens hat Sie kein Mensch gezwungen, solch weitgehende polizeiliche Regelungen mit dem Melderecht zu verknüpfen. Es hat Sie auch keiner gezwungen, die Regelungen zum Glücksspielgesetz mit dem Melderecht zu verknüpfen. Sie hätten einen Vorschlag zur Änderung des Melderechts hier auch isoliert einbringen können. Dann hätten wir bei den anderen, ernsthaften Fragen nicht einen solchen Zeitdruck gehabt.

Der zweite Punkt betrifft das Melderecht selbst: Es ist zutreffend, dass es erst vor wenigen Monaten – in diesem Jahr – eine Änderung des Bundesmeldegesetzes gab. Aber das spielt keine Rolle. Dass wir in Hessen diese Entscheidung bis zum 1. November treffen müssen – dass wir unsere landesgesetzlichen Regelungen anpassen müssen –, wussten Sie seit mehr als einem Jahr. Das wussten Sie seit der Entscheidung des Bundestages und des Bundesrates. Das war am 28. Februar und am 1. März 2013, also nicht vor mehr als einem Jahr, sondern vor zweieinhalb Jahren. Von diesen zweieinhalb Jahren haben Sie fast zwei Jahre einfach ins Land ziehen lassen – ich will den Ausdruck „verpennt“ vermeiden –, ohne irgendetwas zu tun.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So lange regieren wir noch gar nicht! Ein Jahr davon haben Sie regiert!)

Herr Frömmrich, Sie haben mindestens seit Januar letzten Jahres nicht an dieser Geschichte gearbeitet.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Die schlampigen Gesetzesberatungen, die wir jetzt hier durchführen müssen, haben Sie zu verantworten. Wir müssen heute wenigstens im Innenausschuss noch einmal versuchen, die Geschichte ein Stück weit zu reparieren. Vielleicht gelangen Sie noch zu besseren Einsichten; ich gebe die Hoffnung nie auf. Wenn nicht, kann ich nur sagen: Sie machen wieder ein Gesetz, von dem Sie letztlich nichts haben werden.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Greilich. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Eckert das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Aussprache zur zweiten Lesung will ich so wie zur ersten Lesung damit anfangen, dass es sich um einen Bauchladen an Gesetzestexten des Ministeriums handelt – das hat der Kollege Greilich schon angesprochen –, der auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun hat. Auf den einen oder anderen Hintergrund dafür, warum man ein solches Verfahren wählt, will ich gleich noch zu sprechen kommen.

Zum Melderecht – Kollege Greilich hat das auch schon ausgeführt –: Die Privilegierung der Kirchen und die Datenübermittlung waren in der Art und Weise, wie es in dem bisherigen Gesetzentwurf stand – die Änderungsanträge besprechen wir gleich; auch am Donnerstag werden wir in dritter Lesung noch einmal darüber reden –, nämlich dass man über das Bundesgesetz hinausgehen will, nicht hinreichend begründbar. Deswegen ist es richtig, dass das aus dem Gesetzentwurf herausgenommen wird, so, wie Sie es jetzt vorschlagen. Was diesen Fehler betrifft, haben Sie auf die Anhörung geachtet und wollen das auch ändern.

Zu den Daten: Die Übertragung der Daten von Meldebehörden an die Archive und die datenschutzrechtlichen Probleme sind in der Anhörung noch einmal deutlich geworden. Meine Damen und Herren, da fehlen mir in dem Änderungsantrag doch der eine oder andere Hinweis und eine Konkretisierung, wie damit umgegangen wird.

Richtig war es, auf der Bundesebene Mitwirkungsmöglichkeiten für Vermieter bei der Bekämpfung von Scheinanmeldungen und anderen Dingen zu schaffen. Aber dass Sie in dem Gesetzentwurf die Vermieter mit der einen oder anderen Vorschrift zu dem Thema „Wie gehen wir mit Vermietern um, wenn sie selbst merken, dass bei den Meldungen offensichtlich etwas falsch gelaufen ist?“ noch einmal behindern, indem Sie sie mit Gebühren und Ähnlichem belegen, hat in der Anhörung Kritik gefunden. Ich glaube, das ist, wenn wir so etwas brauchen, nicht hilfreich.

Bevor hier, wie auch im Ausschuss, erzählt wird – der Kollege Frömmrich redet nachher noch einmal; da kann er das sicherlich ausführen –, das Gesetz zur Fortentwicklung des Melderechtes und die Hektik, die wir jetzt an den Tag legen, seien notwendig, weil der Bund so beschlossen hat, wie er beschlossen hat, sage ich: Wir beziehen uns, vor dem Hintergrund der Änderungen im Melderecht, auf das Gesetz vom 3. Mai 2013 in der geänderten Fassung vom 20. November 2014. Wer also jetzt, im September 2015, von Hektik und von der Notwendigkeit, das alles schnell zu machen, spricht,

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

hat offensichtlich einiges auf der Strecke liegen gelassen und daher das eine oder andere verpennt.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, das nachher anders darzustellen wird keinen Sinn ergeben. Wenn es um die Sinnfrage geht, komme ich zu dem Entwurf für ein Glücksspielgesetz, zu der Umweltlotterie. Sie wollen eine neue Lotterie schaffen und diese mit dem Umweltschutz verbinden. Dass man etwas für den Umweltschutz tut, ist gut und richtig.

Aber es hieße doch, an Ammenmärchen zu glauben, wenn man meinte, dass das Aufkommen am Glücksspielmarkt beliebig steigerbar wäre und man die Einnahmen sozusagen so weit hochfahren könnte, dass man nachher alle wichtigen und relevanten Themen in dieser Gesellschaft über die Einnahmen aus Toto und Lotto finanzieren kann. Ich glaube, da ist sicherlich das eine oder andere zurechtzurücken. In der Anhörung sind die Bedenken von Destinatären, z. B. vom Ring für politische Jugend, noch einmal deutlich geworden. Sie haben auf diese Themen mit hingewiesen. Dass manche in dieser Hinsicht sehr stumm geblieben sind, tut uns leid.

(Beifall bei der SPD)

Aber im Grunde genommen geht es Ihnen bei der Umweltlotterie um etwas ganz anderes. In Wahrheit geht es bei dem gesamten Gesetzesverfahren darum: Die CDU will das Thema Bodycam verändern, das auch nach außen tragen und sozusagen mit ihrem Thema „innere Sicherheit“ nach außen treten. Das wollen sie regeln, und dafür brauchen sie natürlich in dieser Konstellation der Koalition ein Gutzi für die GRÜNEN, damit auch die mitmachen und dieses Gesetzgebungsverfahren dann schiedlich-friedlich den Weg gehen kann – wobei ich dazusagen muss, das wäre für die Fraktion, die das am Ende des Tages beschließen muss, gar nicht nötig gewesen.

Dass die heute etwas anderes beschließen als das, was sie vorher immer behauptet haben, haben wir gemerkt. Aber es geht natürlich – wir haben eben schon über die Landesmitgliederversammlung der GRÜNEN gesprochen – auch in dem Zusammenhang darum, dass dazu nicht jemand sagt: „Warum macht ihr das jetzt alles mit, was ihr vorher mit anderen Positionen belegt habt?“ Auch da wird deutlich, warum es jetzt ein Gesetzessammelsurium gibt, wie wir es hier besprechen sollen.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Dann bin ich bei dem Thema, um das es eigentlich geht. Das ist das Thema der Bodycams. Die SPD-Landtagsfraktion hat den Einsatz von Bodycams in Hessen in dem Pilotprojekt unterstützt und bei vielen Fragen kritisch begleitet – auch bei der Frage, ob das immer mit einer Pressekonferenz des Ministers angekündigt worden ist und wir als Parlament hinterher darüber sprechen durften.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Wenn überhaupt!)

All diese Fragen kann man sehr kritisch diskutieren, und die haben wir auch immer mit Ihnen diskutiert. Deswegen ist es für uns notwendig und richtig, da im Zweifelsfalle Anpassungen des Gesetzentwurfs an die Realität vorzunehmen und das auch jenseits der Pilotprojekte zu verankern. Aber wir haben in der Anhörung auch noch einmal gehört, dass unser Anliegen, das uns wichtig war und ist – der Schutz von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten –, zwingenderweise um die Frage, wie diese Bodycams auch zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger und zum Schutz von Rechten Dritter zum Einsatz kommen, ergänzt und erweitert werden muss

Zu all den Punkten, wo wir auch mit Fragen der Schutzbedürftigkeit umgehen – z. B. mit den Fragen, wie mit diesem Recht umzugehen ist, wenn wir es, wie Sie es auch in Ihrem Änderungsantrag formulieren, aufnehmen, wie der Bürger diese Rechte dann geltend machen könnte, und mit anderen Fragen mehr –, bleibt auch der Änderungsantrag unzulänglich und unzureichend. Deswegen meine These von eben mit dem Punkt, dass es Ihnen um das Symbol geht.

In der Anhörung hat Herr Dr. Kipker auch deutlich gesagt – Herr Präsident, ich darf zitieren –:

Da sollte man sich vielleicht für die Zukunft überlegen …, ob man vielleicht auch im Bereich der Bürgerrechte hier auch eine Vorreiterrolle einnimmt und den Bürgern dementsprechend die Auskunftsansprüche im Hinblick auf die über sie gespeicherten Daten in der Geltendmachung erleichtert.

Recht hat er. Aber das fehlt bisher im Gesetzentwurf.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Viele andere Themen wären zu dem Punkt des vorgelegten Gesetzesänderungsvorschlags anzusprechen: der Schutz von Berufsgeheimnisträgern – auch das ist uns in der Anhörung aufgefallen – ist eine Frage, der man sicherlich noch einmal nachgehen müsste und bei der man das thematisieren müsste, die Frage nach dem Eingriff in Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern und die Frage, wie wir auch das begründen. Ich finde bemerkenswert, dass der Datenschutzbeauftragte des Landes Hessen dem Ministerium da eine schallende Ohrfeige erteilt und sagt – da geht es um Art. 10 Grundgesetz und die Begründung des Eingriffs –:

Vielleicht habe ich es übersehen, aber ich habe es nicht gefunden, dass man das zitiert hätte, und es wäre doch peinlich, wenn man dann in Anfängerübungen den Hessischen Landtag als Beispiel für eine Panne im Gesetzgebungsverfahren anbringt. Ich bitte also, diese Panne noch zu beheben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und der FDP)

Dass das aus dem Innenministerium kommt, macht es umso dramatischer. Sie versuchen es jetzt – Sie machen es in Ihren Änderungsanträgen deutlich – zu heilen. Das ist gut, das ist richtig und notwendig. Aber so weit hätte es nicht kommen müssen.

(Beifall des Abg. Stephan Grüger (SPD))

Dann bin ich abschließend auch bei der Frage angelangt, die Kollege Greilich hier mit angesprochen hat. Die Hektik im Verfahren – das habe ich eben deutlich gemacht – ist absolut unnötig für die Bereiche HSOG und Glücksspielgesetz. Das haben Sie, wie ich eben versucht habe deutlich zu machen, einzig und allein aus koalitionspolitischen Gründen zu verantworten, und die Hektik hat keine inhaltliche Begründung. Lediglich das Melderecht ist notwendigerweise zum 01.11. in Kraft zu setzen. Die Verfahrensweise im Ausschuss, dann auch noch die ganze Hektik auf den Gipfel zu bringen, ist schon sehr absonderlich und besonders bemerkenswert.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Herr Kollege Bauer, dort dann mündlich einen Änderungsantrag vorzutragen und zu sagen: „Da kommt noch irgendetwas, wir stimmen aber schon einmal darüber ab; wir haben selbst verschuldete Hektik“, das alles ist lächerlich und kommt nichts anderem als einer Selbstdemütigung des Parlaments gleich, wenn man so etwas toleriert und mitmacht. Das ist kein Stil, das ist kein Umgang auch im Innenausschuss. Ich hoffe, dass wir das einmal erlebt haben und in den nächsten Jahren nie wieder erleben. Sie wissen, wie das mit der Hoffnung ist: Die Hoffnung stirbt – aber sie stirbt zuletzt. Deswegen: Noch haben wir sie, aber ich glaube nicht wirklich daran.

Wir haben noch die dritte Lesung. Da kann ich dann weitere Redezeit mit ein paar Details ausfüllen. Alles in allem bleibe ich aber dabei: Dies ist ein parteipolitisch motiviertes Gesetzessammelsurium, und das jetzt alles durchzuziehen, dass man keine Zeit hat, wirklich noch einmal über die wichtige Frage, die wir bei den Bodycams für notwendig und richtig halten, in einigen Details zu reden, wäre – –

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Genau. Danke schön für den Zwischenruf, Herr Kollege Bauer. – Gerade auch die Gewerkschaft der Polizei hat noch einmal deutlich gemacht, dass wir in Hessen nicht die Realität einer Dreierstreife haben, sondern eine Doppelstreife. Genau die Frage, wie wir auch das mit der Qualität des Filmmaterials organisieren, damit das nachher im Zweifelsfalle gerichtsverwertbar wäre, kam aus der Praxis und von der Gewerkschaft.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

In dem Falle gehen Sie in Ihren Änderungsanträgen nicht darauf ein. Kommen Sie mir nicht mit dem Argument, die Gewerkschaft wollte es doch so. Die Gewerkschaft hat Ihnen deutlich gesagt, was notwendig ist, damit dieses richtige und notwendige Instrument redlich und ordentlich in Hessen eingesetzt werden kann. Bisher sehe ich das nicht – bei dem, was Sie hier im Gesetzesvorschlag auch von Ihrer Seite voranbringen. Insoweit diskutieren wir gleich noch einmal. Wir haben heute Abend sonst nichts anderes vor. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Danke, Herr Eckert. – Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Schaus das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon bei der ersten Lesung im Mai habe ich den vorliegenden Gesetzentwurf als ein großes Ärgernis bezeichnet. Hier sollten im Schweinsgalopp gleich drei wichtige Gesetze mit weitreichenden Folgen und unterschiedlichsten Themen durchs Parlament gepeitscht werden. Weil das alles so offensichtlich war, hat Pitt von Bebenburg seinerzeit in einem Artikel der „Frankfurter Rundschau“ von einem „sehr gemischten politischen Obstsalat“ gesprochen, und davon, dass in einem „Sammelsurium der unverdächtigen Themen eine saure Gurke in den Obstsalat“ gelegt wurde.