Da sind wir in der Tat vollständig anderer Meinung. Wir sind der Meinung, dass die Eignung ein Kriterium – neben anderen – sein muss, wenn es darum geht, wer eine bestimmte Schule besuchen darf.
Was die Kollegen in Frankfurt beantragt haben – ich muss jetzt etwas heftig und schnell sein, weil die Zeit so knapp ist –, passt genau in diese Linie. Wir wollen größtmögliche Wahlfreiheit. Das Entscheidende ist aber das Versagen des Schulträgers vor Ort, der von Schwarz und Grün regiert wird. Dann ist es schon ein bisschen billig, wenn Sie versuchen, Herrn Feldmann den Schwarzen Peter in die Tasche zu schieben, der in Wirklichkeit in der Tasche von Schwarz-Grün steckt. Das sage ich, obwohl ich mit Herrn Feldmann nur wenig im Sinn habe.
Sie tragen in Frankfurt die Verantwortung – genau so, wie Sie hier die Verantwortung tragen. Sie haben in Frankfurt versagt. Jetzt wollen Sie von Ihrem Versagen in Frankfurt und hier im Parlament ablenken. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen, meine Damen und Herren von der CDU und den GRÜNEN. Was wir hier leisten, ist schlichtweg Nothilfe für die Eltern von Schülern, die in Frankfurt in eine Situation gebracht werden, wo sie den gewünschten Bildungsgang für ihre Kinder nicht an der gewünschten Schule umsetzen können, weil Sie an den Schulen nicht genügend Plätze zur Verfügung gestellt haben. Diese Nothilfe erzwingen Sie; wir wollen sie leisten.
Kollege Greilich, ich bin Ihnen für Ihren Beitrag sehr dankbar. Ich glaube, wir müssen noch ein paar Dinge geraderücken.
Sie wissen sehr genau, dass die aktuelle Situation in Frankfurt auch mit Ihrem Gesetzentwurf nicht korrigierbar ist. Das sage ich sehr deutlich, damit hier nicht der Eindruck erweckt wird, die FDP bringe im Juni-Plenum einen Gesetzentwurf ein, und ab dem 1. August – da beginnt formal das neue Schuljahr – sei die Welt auf einmal eine andere. Das wissen Sie sehr genau. Tarnen und täuschen nützt an der Stelle also nichts. Wir dürfen den Leuten nichts versprechen, was zum Schluss nicht stimmt und auch nicht wahr werden kann – alleine schon aus gesetzestechnischen und formalen Gründen.
Zweitens. Wenn Sie mir unterstellen, ich hätte den Gesetzentwurf nicht gelesen und würde auch das Hessische Schulgesetz nicht kennen, dann müsste das auch für den Landeselternbeirat gelten. Herr Kollege Greilich, der Landeselternbeirat hat in einer Presseerklärung vom letzten Dienstag, dem 23. Juni, sehr deutlich festgestellt, dass es sich sehr wohl um einen Fall der Einschränkung der Wahlfreiheit der Eltern handelt. Herr Kollege Greilich, wenn das alles nicht so wäre, dann hätten Sie nicht unverzüglich darauf reagiert. Ich sage es immer wieder: Wer sich verteidigt, klagt sich an. Das ist so, und das bleibt so.
Die Situation in Frankfurt werden wir gemeinschaftlich lösen. Allerdings ist klar: Die Frankfurter Kommunalpolitik trägt natürlich eine Mitverantwortung. Das wollen wir gar nicht in Abrede stellen. Wir müssen aber schon zwischen der Gesetzesebene, der Landesebene, und der kommunalpolitischen Ebene trennen. Hier sind wir nach meinem Kenntnisstand im Hessischen Landtag.
Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Bocklet von der Fraktion BÜND
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den Vorgängen in Frankfurt werde ich gleich etwas sagen.
Herr Kollege Greilich, vorab etwas zu Ihrem Satz, Herr Schwarz habe nicht in das Gesetz geschaut. In Art. 1 Ihres Gesetzentwurfs heißt es:
„5. bei denen die Grundschule die Eignung für den gewählten Bildungsgang nach § 77 Abs. 3 festgestellt und die Aufnahme empfohlen hat.“
Wenn dieser Satz in das Gesetz eingefügt würde, dann wäre das im Kern die Abschaffung der Elternwahlfreiheit. Da können Sie hier so lange um den heißen Brei herumtanzen, wie Sie wollen.
Ich frage Sie allen Ernstes, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion: Wollen wir in der Bildungspolitik wirklich um 40 Jahre zurückgehen, 40 Jahre zurück in die Grabenkämpfe alter Schulpolitik, als es darum ging, ob die Eltern eine Wahlfreiheit bekommen oder ob der Grundschullehrer entscheidet? Man mag hinsichtlich der Ergebnisse des Bildungsgipfels unterschiedlicher Auffassung sein, aber so weit wird kein Teilnehmer des Bildungsgipfels zurückfallen, dass er diese Frage wirklich noch einmal neu aufmachen würde.
Wenn Sie sich durchsetzen würden, würde es eine klare Reglementierung geben. Da können Sie doch nicht um den heißen Brei herumreden. Da können Sie sich auch nicht wegducken. Wenn das wirklich Ihr pädagogischer Ansatz ist: Wozu würde das führen? Was glauben Sie? In der Enquetekommission haben wir uns angehört, wie es den Kindern geht, die schon in der 4. Klasse eine Entscheidung treffen müssen, obwohl alle Fachleute tendenziell zu einem längeren gemeinsamen Lernen raten. Darüber kann man diskutieren; aber wir sollten doch einen Konsens in der Frage haben, dass man zumindest ein nicht noch kürzeres gemeinsames Lernen präjudizieren sollte. Was würde sonst passieren? Die Eltern würden doch schon in der 3. und 4. Klasse dazu auffordern, ihre Kinder noch mehr zu triezen, noch mehr auf die Noten zu achten, noch mehr Leistungsdruck aufzubauen. Um wie viel früher soll der Bildungs- und Leistungsdruck denn noch einsetzen, meine Damen und Herren?
Jetzt sage ich Ihnen gern noch etwas zu den Vorgängen in Frankfurt. Es kann doch nicht wirklich wahr sein, dass ein Gesetzentwurf aufgrund eines Problems in einer Großstadt eingebracht wird. Ich bin Frankfurter Abgeordneter. Sie können mir glauben, dass ich von den Nachrichten und Wendungen wahrlich nicht amüsiert bin.
Es gab aus unterschiedlichen Gründen die Prognose, dass es einen starken Anstieg der Zahl der Schüler geben werde.
Man muss sich einmal vergegenwärtigen: Frankfurt wächst pro Jahr um 15.000 Einwohner, also um die Größe von Mörfelden-Walldorf. Für diese Menschen müssen die Infrastruktur, Wohnungen, Kindergärten und Schulen geschaffen werden. Damit ist klar, dass wir nicht über Kindergeburtstage reden. Diese Aufgabe muss die Stadt jedes Jahr stemmen. Die Prognose besagte, dass alle Gymnasien Schüler an Gesamtschulen abgeben würden. Warum? Weil die Schüler wegen G 8 von den Gymnasien zu G 9 an den Gesamtschulen geflohen sind. Diese Tendenz gab es. Es war nicht absehbar, wie stark sich diese Tendenz umkehren würde – von den Gesamtschulen an die Gymnasien zurück.
Ich halte fest: Jedes Frankfurter Kind, das nach der 4. Klasse auf ein Gymnasium wechseln soll, kann dies tun. Die Frage wird nur sein: An welchem Gymnasium und in welchem Stadtteil? Es ist ärgerlich, dass 500 Eltern den Schulwunsch für ihre Kinder nicht erfüllt bekommen, aber es ist der gewünschte Bildungsgang, und den Kindern werden bei ihrer Schulkarriere keine Steine in den Weg gelegt. Der Vorgang ist zwar ärgerlich, aber es ist nicht der Untergang des Abendlandes, anders, als Sie das suggerieren.
Es gibt in Frankfurt eine Menge nachzuholen. Ich sage Ihnen gerne: Wenn wir über die Wohnungspolitik reden, regieren CDU und GRÜNE mit. Wir unternehmen intensive Anstrengungen, geeignete Flächen zu finden, um Wohnraum zu schaffen. So schwierig es ist, in einer Großstadt neuen Wohnraum zu schaffen, genauso schwierig ist es aber bei Kindergärten und Kitas. Wenn wir im Nordend, in Bornheim, in Bockenheim oder sonst wo, z. B. in Preungesheim, eine Kita bauen wollen, was glauben Sie, wie groß da die Begeisterung der Anwohner in Erwartung von Kinderlärm ist? Was, glauben Sie, ist los, wenn man neue Schulen bauen will? Was macht die Stadt Frankfurt? Sie baut ein Gymnasium in Nied, weil es da größere Freiflächen gibt. Was tun im Gegenzug die Eltern? Sie beschweren sich, weil ihre Kinder 30 Minuten mit der S- oder mit der U-Bahn fahren müssen. Sie sehen, das ist ein diffiziles Geschäft. Das sollte niemand unterschätzen. Wenn der Elternwille jetzt in bestimmten Stadtteilen nicht umgesetzt werden kann, sollten wir aber nicht den Bogen schlagen, zu sagen, wir schaffen die Wahlfreiheit der Eltern ab. Wie absurd ist das denn? Das kann ja wohl nicht wahr sein.
Lassen Sie mich zusammenfassen. Wir GRÜNE werden dafür kämpfen – ich bin froh, dass die CDU da mit uns streitet –, dass die Wahlfreiheit der Eltern, welche Schule ihr Kind nach der Grundschule besucht, bestehen bleibt. Wir werden uns auch dafür einsetzen, dass in der Stadt Frankfurt weitere Anstrengungen unternommen werden, die Schulwahl so zu gestalten, dass die Schule erster Wahl besucht werden kann.
Die Schülerzahl nimmt in Frankfurt aber exorbitant zu. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Keiner macht das aus Daffke. Das ist ein großer Kampf, eine große – auch finanzielle – Anstrengung. Ich glaube, wenn wir die Schulfreiheit erhalten und die ein oder zwei Krisenjahre, die es in Frankfurt jetzt zu bewältigen gilt, ernst nehmen, ist das der richtige Weg für die Bildungspolitik, nicht ein Salto mortale in die Siebzigerjahre. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Greilich zu Wort gemeldet. Herr Kollege, Sie haben zwei Minuten Redezeit.
Das ist schon mühsam, aber wir können es gern auch abkürzen. Sie müssen nur damit aufhören, hier so viele Nebelkerzen zu werfen. Ich habe durchaus zur Kenntnis genommen, dass Sie schon im Vorfeld dieser Plenarsitzung versucht haben, da und dort falsche Bilder zu stellen. Wenn Sie sich jetzt hierhin stellen und erzählen, mit diesem Gesetzentwurf werde die Schulwahlfreiheit abgeschafft,
kann ich nur sagen: Lieber Herr Kollege Frömmrich, auch für Sie ist sinnerfassendes Lesen manchmal eine sehr nützliche Angelegenheit; denn es führt dazu, dass man etwas konkreter an der Sache diskutieren kann.
Bei der Entscheidung über die Aufnahme sind vorrangig die Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen, … die an ihrem Wohnort oder in dessen Umgebung keine angemessene schulische Ausbildungsmöglichkeit haben …
Sie sind vorrangig zu berücksichtigen. Für alle anderen gilt die Schulfreiheit nicht, oder was wollen Sie damit sagen? Es sind besonders die zu berücksichtigen, die aufgrund der Verkehrsverhältnisse Schwierigkeiten haben, die Schule zu erreichen. Wollen Sie sagen, damit wird für die anderen die Schulwahlfreiheit ausgehebelt?
Lieber Herr Kollege Frömmrich, lieber Herr Kollege Bocklet, wir können das auch noch anhand der anderen Kriterien durchdeklinieren. Es gelingt nicht, was Sie hier versuchen. Die Schulwahlfreiheit wird gewährleistet.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sind doch so aufgeregt, weil wir Sie erwischt haben!)
Herr Kollege Bocklet, das, was wir hier machen, ist eine Nothilfe, um mit dem umzugehen, was Sie in Frankfurt zu verantworten haben – nicht Sie als Stadtverordneter, aber Ihre Parteifreunde.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber er ist gar kein Stadtverordneter! – Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin kein Stadtverordneter!)
Sie nicht als Stadtverordneter, aber Ihre Parteifreunde, die dort Stadtverordnete sind. Sie haben das zu verantworten, weil sie nicht dafür gesorgt haben, dass es genügend Schulen gibt.
Wer jetzt behauptet, die Festlegung eines Eignungskriteriums für die Entscheidung, welcher von zwei Schülern aufgenommen wird, sei eine Abschaffung der Schulwahlfreiheit, hat das nicht erkannt. Eine Abschaffung der Schulwahlfreiheit wäre es, wenn wir sagen würden, die Empfehlung ist generell verbindlich. Genau das machen wir aber nicht, sondern wir fügen nur ein weiteres fakultatives Kriterium hinzu.
Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Herr Kollege Bocklet, Sie haben jetzt die Gelegenheit zu einer zweiminütigen Antwort.