Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Schulgesetzes – Drucks. 19/2081 –
Der Gesetzentwurf wird von Herrn Abg. Greilich von der FDP-Fraktion eingebracht. Herr Greilich, bitte schön, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht wird es jetzt noch einmal ein bisschen interessanter, als es bei dem Einbringen der zurückliegenden Gesetzentwürfe der Fall war. Denn hier wird ein Thema angesprochen, das in der Tat eine erhebliche Relevanz in weiten Teilen unseres Landes hat.
Sie wissen alle: In Hessen besteht grundsätzlich kein Anspruch auf den Besuch einer bestimmten Schule. Was wir haben – und was wir auf jeden Fall erhalten wollen –, ist die Möglichkeit bzw. das Recht, einen bestimmten Bildungsgang zu wählen, und zwar in freier Entscheidung und unabhängig von der Empfehlung aus der Grundschule. Das müssen letztlich die Eltern in ihrer Verantwortung entscheiden. Diese Wahlfreiheit, die wir in der Schule haben, wollen wir erhalten.
Wir stellen aber fest, dass wir vor Ort massive Probleme haben. Wir haben diese massiven Probleme aufgrund des Versagens einzelner Schulträger, die vor Ort nicht der Aufgabe gerecht werden, die Schulplätze zur Verfügung zu stellen, die von den Eltern nachgefragt werden.
Das ist für uns Anlass zu diesem Gesetzentwurf. Dabei sage ich sehr deutlich: Dieser Gesetzentwurf kann natürlich nicht den örtlichen Mangel an Kapazitäten an Plätzen in den von den Eltern gewünschten Schulformen und Schul
angeboten beseitigen. Das ist in erster Linie Aufgabe der Schulträger, auch nach dem geltenden Schulgesetz. Das Problem ist: Wir können es die Eltern nicht ausbaden lassen, wenn die Schulträger ihrer Aufgabe nicht gerecht werden und die Angebote nicht zur Verfügung stellen.
Mit dem heute von uns vorgelegten Gesetzentwurf wollen wir die Schulwahlfreiheit sichern. Das bestehende Gesetz soll insofern ergänzt werden, als der Anspruch auf die Wahl des gymnasialen Bildungsgangs weiterhin unabhängig von der Empfehlung der Grundschule bestehen soll. Ausschließlich für den Fall, dass ein Gymnasium mehr Anmeldungen hat, als Plätze zu vergeben sind, wenn also konkret über die Aufnahme einzelner Schüler entschieden werden muss, sollen die Schulen neben den bereits im Hessischen Schulgesetz festgelegten Kriterien, die unverändert bleiben sollen, auch berücksichtigen können, ob eine Empfehlung für das Gymnasium vorliegt oder nicht.
Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass bei einem reinen Gymnasium Schüler vorgezogen werden müssen, die nach der Einschätzung ihrer Grundschullehrer weniger als solche mit einer klaren Empfehlung fürs Gymnasium geeignet sind. Das ist schlicht und einfach ungerecht.
Unberührt von unserem Gesetzgebungsvorschlag wird der Anspruch aller Schüler und Eltern bleiben, den gymnasialen Bildungsgang notfalls an einer anderen Schule zu wählen. Wer anderes behauptet – das haben wir in den letzten Tagen schon erlebt –, hat den Gesetzentwurf entweder nicht verstanden oder ihn erst gar nicht vollständig gelesen. Letzteres vermute ich mehr.
Worum geht es? Wir beschäftigen uns jetzt einmal mit dem geltenden Gesetz. In § 70 Abs. 3 Hessisches Schulgesetz heißt es:
Bei der Entscheidung über die Aufnahme sind vorrangig die Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen, …
Es folgt mit den Nrn. 1 bis 4 der Kriterienkatalog. Da geht es um den Wohnort, die Nähe zum Schulort, die Verkehrsverhältnisse, besondere soziale Umstände und eine bestimmte Sprachenfolge. Das sind die vier Kriterien, nach denen die Schulen heute zu entscheiden haben.
Wir schlagen vor, dort ausschließlich für die von mir genannten Fälle ein fünftes Kriterium hinzuzufügen. Nachdem wir alle wohl die Stellungnahme des Landeselternbeirats gelesen haben, sage ich sehr deutlich: Wenn diese neue Nr. 5 den Elternwillen konterkarieren würde, dann träfe der gleiche Vorwurf natürlich auch auf die Nrn. 1 bis 4 des geltenden Gesetzes zu, also auf die bisherige Regelung. Dann müsste man konsequenterweise die Streichung des gesamten § 70 Abs. 3 Hessisches Schulgesetz fordern. Ich glaube, auf die Idee ist noch keiner gekommen.
Von allen Kriterien, einschließlich der sehr oft noch vorgesehenen Bevorzugung der sogenannten Geschwisterkinder, ist das von uns neu vorgeschlagene Kriterium sicherlich das, mit dem am gerechtesten bewertet werden könnte. Es wäre insbesondere auch für die Eltern am verständlichsten.
Es verwundert doch sehr, dass Einzelne ein Problem damit haben, dass Eignung neben anderen Faktoren ein Kriterium sein soll.
Worum es hier geht, ist schlichtweg die Ursache der Debatte, die wir zu führen haben werden. Das ist die völlig verfehlte Schulpolitik der Dezernentin in Frankfurt am Main. Laut einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ haben von rund 3.000 Bewerbern etwa 500 Kinder, die im nächsten Schuljahr auf ein Gymnasium wechseln wollten oder sollten, auf alle angegebenen Schulwünsche Absagen bekommen, also nicht auf eine einzige, die erste Wahl, sondern auf alles, was sie angegeben hatten. Umgekehrt wurden dem Vernehmen nach 300 Kinder in Gymnasien aufgenommen, die keine Empfehlung für den gymnasialen Bildungsgang erhalten hatten. Ich kann da nur wiederholen: Das ist schlichtweg ungerecht.
Deshalb wollen wir ein weiteres Kriterium einfügen. Ich habe es schon ausgeführt. Die Kritik daran geht an der Sache vorbei. Hier wurde behauptet, damit solle die Schulwahlfreiheit eingeschränkt werden. Ich darf darauf verweisen: Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. § 77 Abs. 3 Hessisches Schulgesetz regelt die Schulwahlfreiheit. Daran soll überhaupt nichts geändert werden. Dort heißt es zu der Frage der Bedeutung der Grundschulempfehlung sehr klar:
Wird dabei dem Wunsch der Eltern widersprochen, so ist ihnen eine erneute Beratung anzubieten. Halten die Eltern ihre Entscheidung aufrecht, so erfolgt die Aufnahme in den gewählten Bildungsgang.
Daran würde sich überhaupt nichts ändern. Die Schulwahlfreiheit würde nicht eingeschränkt. Sie würde gestärkt werden.
Warum müssen wir das machen? – Wir müssen das wegen des völligen schulpolitischen Versagens von SchwarzGrün machen. Herr Kollege Frömmrich, ganz egal, wo Sie antreten, sind Sie ein Meister darin, zu erklären, warum all das, was Sie in der Vergangenheit lautstark erklärt haben, heute nicht mehr gilt.
In Frankfurt wird von unserer ehemaligen Kollegin Sarah Sorge die Schulwahlfreiheit ausgehebelt, weil die grüne Dezernentin das umsetzen will, was ihr hier wegen der guten Arbeit der früheren Landesregierung, an der die CDU heftig beteiligt war, nicht gelungen ist, nämlich das Zurückdrängen der Gymnasien. Im Landtag verkauft jetzt die Union um des Machterhalts willen auch die Gymnasien an die GRÜNEN. Herr Kollege Schwarz, Sie werden sicherlich erwidern, oder vielleicht tut es auch ein anderer. Ein klares Zeichen dafür sind die Stellenkürzungen bei den gymnasialen Oberstufen um ca. 8 %, um grüne Projekte und Anliegen zu finanzieren.
Meine Damen und Herren, dieses schleichende Aushöhlen des gymnasialen Bildungsganges hat begonnen. Wenn Sie
gedacht haben, wir merken das nicht, dann haben Sie sich getäuscht. In Frankfurt hebelt Schwarz-Grün kommunal die Schulwahlfreiheit aus, und hier machen Sie die Gymnasien zum Steinbruch für die Realisierung grüner Projekte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Union, ich sage das sehr deutlich: Wachen Sie endlich auf. Kehren Sie zurück zu einer sachgerechten und vernünftigen Politik, in der auch die Gymnasien ihren Platz haben.
Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Schwarz von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf der FDP zur Änderung des Hessischen Schulgesetzes soll in Art. 1 § 70 Abs. 3 ergänzt werden. In Hessen ist es eine gute, eine bewährte Tradition und Praxis, dass Eltern entscheiden, in welchen Bildungsgang ihr Nachwuchs nach der Grundschule wechselt. Herr Kollege Greilich, diesen Grundsatz hat die FDP immer mitgetragen.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schränken Sie gleichwohl dieses bewährte Elternwahlrecht erkennbar ein.
Reden wir doch einmal über Frankfurt. Konkret verweisen Sie in Ihrer Begründung auf die zugegebenermaßen schwierige Situation in Frankfurt. Dort gibt es derzeit einen Engpass an Plätzen in Gymnasien – gleichwohl aber nicht in den gymnasialen Bildungsgängen. Man darf feststellen: Erkennbar ist eine leichte Steigerung der Schülerzahlen im dortigen Schulamtsbezirk. Herr Kollege Greilich, eine vergleichbare Situation aber gibt es in ganz Hessen nicht mehr.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, man darf an dieser Stelle auch einmal auf die Mitverantwortung der dortigen Rathausspitze verweisen.
Denn wenn der Frankfurter Oberbürgermeister Feldmann feststellt, man solle „die Abiturientenquote steigern, bis es kracht“, ist das bezeichnend und erinnert aus meiner Sicht sehr deutlich an den Zwischenruf der Kollegin Ypsilanti, die feststellte: Führt der Weg nicht zum Gymnasium, führt der Weg in den Abgrund oder bergab.
Der Gesetzentwurf ist gut gemeint für diejenigen, die momentan unzufrieden sind und nicht diejenige weiterführende Schule besuchen können, die sie präferieren.