Kunst und Kultur sind nämlich wesentlich für die menschliche Verständigung, und die Sprache der Kunst ist eine, die auch das Verständnis und den Austausch zwischen den Kulturen und den Nationen fördert. Sie wird da besonders kraftvoll, wo es neben dem Schutz und der Weitergabe des kulturellen Erbes auch um das Prinzip der Kultur als innovativer, als eigenständiger, ja insbesondere experimenteller und revolutionärer Kraft geht.
Hilmar Hoffmann, der berühmte Kulturpapst aus Frankfurt, hat das einmal dadurch ausgedrückt, dass er gesagt hat, von den Künstlerinnen und Künstlern wurden Möglichkeitsräume für die Überwindung von Denkblockaden und gesellschaftlicher Sackgassen geschaffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir quasi automatisch bei der documenta als der bedeutendsten Weltausstellung zeitgenössischer Kunst – aber auch, Frau Kollegin Wolff, bei dem documenta Archiv als dem Hort der Erinnerung an die vergangenen documenten.
Insbesondere seit der Neukonzeption durch Harald Szeemann mit der documenta 5, in der die Ausstellung selbst als Ort der Reflexion, der Diskussion, des Diskurses, ja teilweise auch des Streits konzipiert wurde, und zwar ne
ben der Präsentation und der Dokumentation von Kunstwerken, ist es ein Ort, der auch in die Zukunft weisen will.
Wir als Freie Demokraten haben deshalb die verschiedenen Landesregierungen, auch die aktuelle, stets dabei unterstützt, wenn es darum ging, die documenta, aber auch das documenta Archiv weiterzuentwickeln. Deswegen sage ich heute Vormittag hier ganz deutlich: Es ist gut, wenn sich der Minister nunmehr eine Stärkung des documenta Archivs vornimmt – dieses Archiv mit seinen wertvollen Dokumenten, Materialien und Buchbeständen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen – ich nehme an, dass Sie das als genauso schmerzlich empfinden wie ich –, traurig genug, dass es nicht gelungen ist, den Szeemann-Nachlass im Jahr 2011 für das Archiv zu erwerben, weil sich die Vorgängerin des Ministers leider nicht in der Lage sah, eine Perspektive für die wertvolle, aber bis dato ungeordnete Szeemann-Sammlung zu bieten, sowohl bezüglich der Lagerräumlichkeiten als auch der Aufbereitung des Nachlasses.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau deswegen ist es richtig, und jeder Euro dafür ist gut angelegtes Geld, jetzt zusammen mit der Stadt Kassel endlich das documenta Archiv in eine angemessene Trägerschaft zu überführen. Wir wissen, damit werden einige der aktuellen Probleme gelöst werden. Genauso richtig ist es, dieses documenta Archiv zu einem außeruniversitären Forschungsinstitut weiterzuentwickeln.
Doch vorhin habe ich von einem Dreiklang gesprochen, gerade auch mit Blick auf die documenta im Speziellen und nicht nur bei Kunst und Kultur im Allgemeinen: einem Dreiklang aus Präsentation, Dokumentation und Innovation. Herr Minister, uns als Freien Demokraten fehlt an dieser Stelle der dritte Baustein. Diesen dritten Baustein würde eine documenta Akademie ausmachen. Denn Ziel sollte es sein, zwischen den Ausstellungen nicht nur die Historie und die Wirkung der verschiedenen vergangenen documenten zu erforschen, sondern auch in Zusammenarbeit mit der Kunsthochschule Kassel und dem documenta Archiv junge Künstlerinnen und Künstler aus der gesamten Welt zu fördern, ihnen mit Stipendien die Möglichkeit zu geben, sich nach ihrer Ausbildung hier künstlerisch in der Auseinandersetzung mit der documenta-Tradition, vielleicht aber auch im Gegensatz mit ihren bisherigen Darbietungen weiterzuentwickeln und in dieser Weiterentwicklungsphase auch in der Stadt Kassel auszustellen.
Damit könnten wir Kassel auch zwischen den Ausstellungen zum Zentrum der künstlerischen Zukunft, der revolutionären Schaffenskraft und innovativer Entwicklungen machen – und zwar, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Diskurs mit der nächsten, der erst noch heranwachsenden und noch nicht so arrivierten Künstlergeneration, sich auch selbst in der Reflexion der Gegenwart und damit in der Vorausschau auf die Zukunft dieser neuen Künstlergeneration stellend und auch den Herausforderungen, die mit ihr zusammenhängen. Ich glaube, dass dabei der Schaffensprozess dieser zukünftigen, dieser nächsten Avantgarde nicht nur unterstützt werden sollte, sondern dass Kassel – und darüber hinaus auch ganz Hessen – gleichzeitig unmittelbar Anteil hätte und ein Teil dieses Schaffensprozesses werden könnte.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, so würde es uns in meinen Augen gelingen, den Bogen zu spannen von der Erforschung der Vergangenheit über das documenta Archiv, über die Präsentation und Diskussion der Gegenwart auf der documenta hin in die Zukunft, und durch die documenta Akademie Freiräume für eine solche Zukunft zu schaffen.
Friedrich Schiller hat einmal gesagt: „Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit.“ Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es gilt aber, die Freiheit nicht nur nachträglich zu erforschen, sondern dieser Freiheit müssen wir Räume bieten. Es wäre ein guter Anlass, aus dem Zweiklang mit der documenta Akademie einen Dreiklang zu machen und diese Freiheitsräume in Kassel, in Hessen anzusiedeln. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Als Arnold Bode im Jahr 1955 am Rande der damaligen Bundesgartenschau im Nachkriegsdeutschland durch eine Präsentation der Kunst des 20. Jahrhunderts wieder einen Dialog mit der Welt über zeitgenössische Kunst in Gang bringen wollte, konnte er sicher nicht ahnen, dass dieses 60-jährige Jubiläum der documenta einmal Anlass zu einem solchen Antrag, wie ihn die schwarz-grüne Koalition hier vorgelegt hat, und der zugehörigen politischen Debatte sein wird.
Meine Damen und Herren, ich glaube, ich habe auch allen Grund zu der Annahme, dass Arnold Bode einem solchen Antrag zu 60 Jahren documenta – der sich im Wesentlichen damit beschäftigt, die Landesregierung zu loben, und der sehr wenig zu dem sagt, was die documenta ausmacht, nämlich ein Schauplatz, ein Ort für Auseinandersetzungen mit zeitgenössischer Kunst zu sein – sehr wenig Sympathie entgegengebracht hätte.
Ich will das an dieser Stelle auch gleich anmerken: Als umso wohltuender habe ich die Rede der Kollegin Wolff zu diesem Thema empfunden. Meine Damen und Herren, bei diesem Antrag war das nicht unbedingt zu erwarten.
Das Wichtige aber ist: Warum war Arnold Bode eigentlich der Auffassung, dass solche Anträge hier im Plenum nichts zu suchen haben? – Arnold Bode war der festen Überzeugung, dass sich die Kunst nur dann frei entfalten und ihren Zweck erfüllen kann, wenn sie sich frei von politischen Einflüssen entfalten kann. Meine Damen und Herren, das ist die wichtige Botschaft.
Im Jahr 1955 wurde durch die Inszenierung Arnold Bodes der Grundstein dafür gelegt, dass die documenta mit ihren bisher 13 Ausstellungen zu einem weltweiten Synonym für moderne Kunst geworden ist. Die erste documenta im Jahr 1955 hatte – für die damaligen Verhältnisse ein sehr großer Erfolg – 130.000 Besucher. Angespornt durch diesen Erfolg folgte 1959 die zweite Ausstellung. Seit diesem Jahr wird sie durch eine GmbH, deren Gesellschafter die Stadt Kassel und das Land Hessen sind, organisiert. Seit dem Jahr 1972 beruft eine internationale Jury, unabhängig von politischen Einflüssen – das muss man sich immer wieder vor Augen führen –, im Auftrag des Aufsichtsrats der documenta GmbH, die künstlerischen Leiter der documenta. Diese Freiheit von der Politik ist unabdingbar, damit die documenta ihren Zweck, Ort für die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst zu sein, erfüllen kann. Darauf habe ich schon einmal hingewiesen.
Meine Damen und Herren, jede documenta hat bereits im Vorfeld zu Aufregung, Kontroversen und Diskussionen geführt.
Es ist ja nicht so, dass die Mehrheit der Kasseler schon immer wusste, welchen Schatz sie da haben, der alle fünf Jahre für 100 Tage dafür sorgt, dass der Name der Stadt in die Welt hinausgetragen wird. Ich kann mich noch erinnern, wie im Umfeld meiner Eltern in den Sechziger- und Siebzigerjahren mit der documenta gefremdelt wurde. Ich möchte hier nicht wiederholen, in welcher Art und Weise man sich damals über das, was die documenta geboten hat, ausgelassen hat. Das muss man nicht wiederholen, denn zum Glück fremdeln die Kasseler mit ihrer Ausstellung nicht mehr.
Ungeachtet dessen lockten die Ausstellungen immer mehr Besucherinnen und Besucher nach Kassel. Ich habe mir bei der Vorbereitung auf diese Debatte überlegt, wann ich mich eigentlich das erste Mal bewusst mit der documenta auseinandergesetzt habe. Es war im Jahr 1982. Die schillernde Figur war damals Joseph Beuys, der der Stadt Kassel mit dem Pflanzen von 7.000 Eichen ein nachhaltiges Denkmal geschenkt hat. Er hat die documenta mitgeprägt.
1982 war auch das Jahr, in dem eine Partei zwei Jahre alt wurde, die ganz anders sein wollte als die etablierten Parteien, die einen anderen Anspruch hatte. Ich glaube, ich liege nicht ganz falsch mit der Behauptung, dass Joseph Beuys für diese junge Partei, die GRÜNEN, sehr viel Grundsympathie gehabt hat, und ich glaube, es würde die Fantasie von Joseph Beuys überfordern, wenn er sich vorstellen sollte, dass die GRÜNEN in Hessen gemeinsam mit der CDU einen solchen Antrag einbringen würden.
Spätestens seit der documenta IX – von den Kritikern schon im Vorfeld wieder einmal als viel zu schrill usw. verrissen und niedergeschrieben – haben die Kasseler ihren Frieden mit dieser Ausstellung gemacht. Auch bei der damaligen documenta konnte man beobachten: Je mehr im Vorfeld kritisiert wurde, desto interessanter wurde sie –
Meine Damen und Herren, zur Akzeptanz und Identifikation der Kasseler mit der documenta haben sicherlich auch die im Stadtbild sichtbaren Kunstwerke beigetragen. Die 7.000 Eichen von Beuys habe ich bereits erwähnt. Beispielhaft seien hier noch die „Spitzhacke“ von Claes Osterburg am Fuldaufer, der „Himmelsstürmer“, „Man walking to the sky“ von Borofsky und von der letzten documenta der „Penone Baum“ in der Karlsaue genannt, dessen Ankauf nur durch die Spenden vieler Kasseler Bürgerinnen und Bürger möglich wurde. Das zeigt die mittlerweile hohe Identifikation der Einwohner von Kassel mit der documenta.
Meine Damen und Herren, im Laufe der Jahre wurde immer deutlicher, dass es für die Auseinandersetzung mit moderner Kunst nicht ausreicht, alle fünf Jahre eine Ausstellung zu machen. Immer mehr Stimmen traten dafür ein, auch in den fünf Jahren zwischen den Ausstellungen Orte für die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst zu schaffen. Ein Ort dafür sollte das documenta Archiv sein.
Während die vorige Landesregierung bei diesem Thema die Hände in den Schoß gelegt und beharrlich nichts getan hat, ist nun endlich Bewegung entstanden. Ich kann nur spekulieren, wer die treibende Kraft war, die dafür gesorgt hat, dass dieser Punkt in den Koalitionsvertrag von CDU und GRÜNEN aufgenommen wurde. Für mich zählt am Ende aber nur das Ergebnis. Ich habe hohen Respekt davor, dass dieser Teil des Koalitionsvertrages umgesetzt wurde und mit der Unterstützung der documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH durch das Land Hessen und die Stadt Kassel die Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des documenta Archivs geschaffen werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich am Ende auf die Diskussion im Vorfeld der documenta 14 eingehen. Als der künstlerische Leiter der documenta, Adam Szymczyk, bekannt gab, dass es für die documenta 14 einen weiteren Standort in Athen geben soll, gab es einen Aufschrei der Empörung. Vom „Ausverkauf der documenta“ war die Rede. Es herrschte Entsetzen in der Stadt darüber, wie mit der künstlerischen Freiheit, die für die documenta ein angeblich so hohes Gut ist, umgegangen wird. Meine Damen und Herren, ich zitiere:
Wir lassen uns unsere documenta nicht nach Athen wegnehmen. Gefragt ist jetzt Oberbürgermeister Bertram Hilgen, der ein Machtwort sprechen müsste.
Meine Damen und Herren, wissen Sie, wer das gesagt hat? Der Fraktionsvorsitzende der Kasseler CDU in der Stadtverordnetenversammlung.
Wer erwartet hätte, dass die örtliche CDU-Vorsitzende, Mitglied der Landesregierung, ihrerseits ein Machtwort sprechen würde, der sah sich getäuscht. Obwohl sie Mit