Protocol of the Session on June 24, 2015

Frau Feldmayer, allerdings ist es so, wie Sie gesagt haben: Die Konkurrenz schläft nicht. Es gibt aktuell weltweit mehr als 200 Biennalen und Triennalen. In verschiedensten Rhythmen gibt es wiederkehrende Ausstellungen, die sich zeitgenössischer Kunst widmen. Aber selbst – das kann man schon einmal voller Stolz hinzufügen; Frau Beer hat das auch getan – die Biennale in Venedig, ich nenne sie einmal „die Mutter“ aller Biennalen, hat die documenta bislang nicht vom Spitzenplatz in der Rangfolge der wichtigsten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst verdrängen können.

Aber Vorsicht: Es besteht immer die Gefahr, dass es irgendwann einmal zu einem schleichenden und dann eben nachhaltigen Bedeutungsverlust kommt, wenn man die Idee der documenta und die damit verbundene Arbeit an den Fragen der documenta nicht auch am Ort der documenta verstetigt. Genau deswegen wollen wir über die documenta-Ausstellungen hinaus einen documenta-bezogenen Forschungs-, Sammlungs- und Vermittlungsverbund, der ein Einstieg in das documenta-Institut darstellt, schaffen. Ein Institut – Frau Abg. Wolff hat darauf hingewie

sen –, das wir zu einer der weltweit bedeutendsten Institutionen zur Erforschung von Fragen rund um Großausstellungen von Kunst der Gegenwart am Beispiel der documenta ausbauen wollen. Was wir damit wollen, ist, die Geschichte und den Erfolg der documenta künftig noch stärker als bisher im Rahmen unserer Möglichkeiten eben auch außerhalb der alle fünf Jahre stattfindenden Ausstellungen erlebbar zu machen.

Ein solches Institut, das die Geschichte der documentaAusstellungen und die damit verbundenen Auswirkungen auf die internationale zeitgenössische Kunstgeschichte erforscht und das Erbe nicht nur bewahrt, sondern auch als Bildungsgut vermittelt, wird aber – das will ich hier sehr deutlich hinterlegen – nur im Verbund mit der von Stadt und Land getragenen documenta GmbH und unter Einbeziehung des documenta Archivs die Schlagkraft erhalten, die es am Ende braucht. Zu diesem Zweck wird das derzeit allein bei der Stadt angesiedelte Archiv in die documenta GmbH übergeleitet und mit Landesmitteln in Höhe von einer halben Million Euro pro Jahr ausgestattet, zusätzlich zu den Leistungen, die die Stadt bislang schon erbringt.

Die Gründung des Archivs war für Arnold Bode ein ganz wichtiger Punkt, den er mit Nachdruck vorangetrieben und verfolgt hat, weil er damit eines erreichen wollte, nämlich das Gedächtnis, die Idee der documenta, nachhaltig zu sichern. Infolgedessen muss dieses Archiv aus unserer Sicht bei allen Überlegungen im Zentrum stehen. Seine Weiterentwicklung zu einem wissenschaftlichen Institut, was ich eben dargestellt habe und was unser Ziel ist, ist ein echter Quantensprung, wenn man die Dinge miteinander vergleicht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei aller Bescheidenheit kann es mit einer verbesserten Aufstellung, wie sie jetzt Stadt und Land möglich machen, eine ähnlich hohe Reputation erreichen, wie sie das Deutsche Literaturarchiv in Marbach genießt. Es hat das Zeug dazu, das Thema documenta und Gegenwartskunst auch außerhalb der documenta-Jahre in Kassel durch Publikationen, Fachtagungen, Seminare und kunstpädagogische Angebote, aber natürlich auch durch Ausstellungen verstärkt präsent zu machen. Dieses Archiv, vor 54 Jahren gegründet, enthält zu den jeweiligen Ausstellungen alle nur denkbaren Dokumente. Das will ich nicht ausführen; dazu ist schon einiges gesagt worden. Es ist ein wirklich unermesslicher Schatz, der, wenn er gehoben und wissenschaftlich aufgearbeitet wird, insbesondere die documenta mit ihrer jetzt 60-jährigen Geschichte auch institutionell zu einem Stück Kunstgeschichte macht.

Der erste Schritt ist, wie gesagt, dass Stadt und Land genau am Eröffnungstag, nämlich am 15. Juli, im Rahmen der Feierlichkeiten eine gemeinsame Überleitungsvereinbarung unterzeichnen. Dann werden wir mit zusätzlichen Landesmitteln in Höhe von 500.000 € die bisher sehr schwierigen Arbeitsbedingungen im Archiv verbessern und die Strukturen für die Entwicklung hin zu einem Institut legen können. Es ist zwar immer schön, über Kunst zu reden, aber am Ende – auch das ist in dem Antrag von CDU und GRÜNEN deutlich unterstrichen worden – kostet es doch Geld; und am Ende muss das Geld zur Verfügung gestellt werden. Die Rahmenbedingungen herbeizuführen, ist am Ende die große Leistung.

(Günter Rudolph (SPD): Die große Kunst!)

Ja, es ist manchmal schon eine „große Kunst“, in diesen Summen Gelder zur Verfügung zu stellen, insbesondere in Zeiten wie diesen. Deshalb will ich das schon noch einmal hervorheben, Herr Abg. Rudolph, mein kunstsinniger Kollege aus – –

(Demonstrativer Beifall des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Wie hieß noch einmal der wunderbare Ort, in dem dieses wunderbare Spielcasino steht?

(Günter Rudolph (SPD): Edermünde! Wir haben keine Kunst, wir haben ein Spielcasino!)

Edermünde, das schöne Edermünde. Nein, das ist die Spielhauptstadt. Auch das muss sein; Kunst, Kultur und Spiele gehören zusammen.

(Lachen bei der SPD – Günter Rudolph (SPD): Das war jetzt daneben!)

Das bedeutet, dass wir in den Jahren 2014 bis 2018 mit insgesamt 10,3 Millionen € – diese Summe ist heute schon genannt worden – sehr verlässliche Rahmenbedingungen für die documenta 2014 schaffen. Aber es kommt noch eines hinzu, was mir sehr wichtig ist: Wer die gedankliche Beschäftigung mit der Idee der documenta über den wechselnden Kreis der jeweils Verantwortlichen – es ist eben auch ein Sinn der documenta, dass die Verantwortlichen wechseln – am Leben erhalten will, muss das tun, was Arnold Bode getan hat. Er muss diese enge Verbindung von documenta, aber natürlich auch von staatlichen Museen, Politik, Wirtschaft und vor allem von Kunsthochschulen entwickeln, pflegen und ausbauen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Staatsminister, die Redezeit der Fraktionen ist abgelaufen.

Frau Präsidentin, ich komme sofort zum Ende. – Der große Vorzug ist doch, dass eine Kunsthochschule am Ort ist und dass eine solche documenta stattfindet. Das geschieht aus meiner Sicht am besten aus der Hochschule selbst heraus. Insofern bedarf es einer Verstetigung der zum Wintersemester 2013 als Gastprofessur geschaffenen documentaProfessur an der Kunsthochschule Kassel, die das Land kürzlich mit über 1 Million € über weitere fünf Jahre verlängert und gesichert hat.

Die wesentliche Aufgabe dieser Professur wird sein, die documenta-Lehr- und Forschungstätigkeit als festen Bestandteil in Kunsthochschule und Universität zu etablieren, die Kooperationen zwischen dem Archiv und der GmbH und zwischen der Kunsthochschule und der Universität zu intensivieren und alles zusammen in einem documenta-Institut zu verstetigen.

Eigentlich wollte ich kein parteipolitisches Hickhack machen. Eines muss man aber zum Abschluss einer solchen Debatte schon noch einmal sagen: Meiner Vorgängerin, die gemeinsam mit dem grünen Partner dafür gesorgt hat, dass wir heute über eine solche finanzielle Ausstattung des documenta Archivs sprechen können, in die Schuhe zu

schieben oder sie dafür verantwortlich zu machen, dass der Szeemann-Nachlass nicht hiergeblieben, sondern weggegangen ist, das ist nicht nur profan, sondern das ist kein fairer Umgang miteinander. Das will ich einmal sehr deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diejenigen, die das gesagt haben, saßen zu diesem Zeitpunkt mit am Kabinettstisch. Sie wissen, warum es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Es ist nicht die Verantwortung meiner Vorgängerin gewesen. Das will ich hier in aller Deutlichkeit unterstreichen. All denen, die das behaupten, empfehle ich, das Interview mit dem damaligen Verhandlungsführer, Prof. Raue, der für Frau Lüscher die Gespräche geführt hat, zu lesen. In diesem Interview antwortet er auf die Frage, ob er an der Ernsthaftigkeit der Ankaufabsichten durch Stadt und Land zweifle: „Keine Sekunde.“ Das macht deutlich, dass meine Vorgängerin sehr intensiv und am Ziel orientiert die damaligen Verhandlungen geführt hat. Das wollte ich der Fairness halber zum Abschluss einer solchen Debatte auch noch einmal unterstrichen haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die documenta wird am 15. Juli 60 Jahre alt. Sie hat an Aktualität und Attraktivität nichts eingebüßt. Ich würde mich freuen, wenn wir sie durch ein gemeinsames Signal und durch eine fraktionsübergreifende Zustimmung in ihrer Weiterentwicklung deutlich unterstützen würden. Das wäre das beste Geburtstagsgeschenk, das der Hessische Landtag ihr machen könnte. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Drucks. 19/2076. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist das gesamte Haus. Damit ist der Antrag angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 47:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend kommunale Finanzausstattung endlich verbessern anstatt durch neuen KFA verschlechtern – Drucks. 19/2073 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 78 auf:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Kommunalfinanzen bleiben im Aufwärtstrend – Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs auf der Zielgeraden – Drucks. 19/2106 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Als Erster spricht für die SPD-Fraktion Kollege Schmitt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Anhörung zum Gesetzentwurf zur Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs in der vergangen Woche hat die vernichtende Kritik der Kommunalen Spitzenverbände und aller geladenen kommunalen Vertreter, Bürgermeister, Landräte und Finanzdezernenten, zum Ausdruck gebracht.

(Beifall bei der SPD – Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In welcher Anhörung waren Sie denn?)

Sie brachte die existenzielle Not der hessischen Kommunen zum Ausdruck. Außer den Regierungsgutachtern hat es nur Kritik an dieser Neuordnung des KFA gegeben.

(Beifall bei der SPD – Günter Schork (CDU): In welcher Anhörung warst du?)

Deshalb gibt es nur ein Fazit: Gehen Sie von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN endlich fair und verantwortungsbewusst mit den hessischen Kommunen um. – Das ist das einzig zulässige Fazit aus dieser Anhörung.

(Beifall bei der SPD)

Hören Sie auf, die hessischen Kommunen weiter zu knebeln. Kehren Sie wieder zu einem partnerschaftlichen Umgang mit den Kommunen zurück, wie es jahrelang gang und gäbe in Hessen war. Schaffen Sie endlich wieder dieses gute Verhältnis.

(Beifall bei der SPD)

Hören Sie von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN endlich auf, im Zusammenspiel mit dem Innenminister und dem Finanzminister die Kommunen zu Abgaben- und Steuererhöhungen zu zwingen und gleichzeitig Leistungen einzuschränken. Geben Sie endlich den hessischen Kommunen die angemessenen Mittel, damit diese ihre Aufgaben erfüllen können.

(Beifall bei der SPD)

Wenn der Präsident des Hessischen Städte- und Gemeindebundes bei der Anhörung vor einer „Pulverisierung der lokalen Demokratie“ warnt, und Ihr Parteifreund, Herr Dr. Schäfer, der Landrat des Landkreises Bergstraße, Herr Wilkes, von einem „Todesstoß für die Kommunen“ spricht,

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

dann müsste das doch eigentlich zu einem Nachdenken bei Schwarz-Grün führen. Davon ist momentan noch nichts erkennbar.

(Beifall bei der SPD)

Von einer „Grätsche gegen die Kommunen“ war die Rede, von „wirklichkeitsfremden Annahmen“ und von „Unfairness“. Fairness wurde als zentrale Kategorie staatlichen Handelns eingefordert. Das ist der zentrale Begriff: fairer Umgang mit den Kommunen. Das ist das Gebot der Stunde. Das hätte es schon seit vielen, vielen Jahren, seit Sie an der Regierung sind, geben müssen, statt die Kommunen permanent mit Aufgaben zu überziehen, aber nicht die angemessenen Finanzmittel bereitzustellen. Es wäre jetzt an der Zeit gewesen, das bei der Neuordnung des KFA umzukehren. Meine Damen und Herren, Sie machen aber genau das Gegenteil.

(Beifall bei der SPD)

Die Berechnung des Hessischen Städtetags hat ergeben, dass nach der Neuordnung des KFA den hessischen Kommunen ab 2018 im Vergleich zum alten Recht 1 Milliarde € fehlen werden. Die Konsequenz aus den Alsfeld-Urteil war nicht, dass die Kommunen mehr Geld bekommen, sondern die Konsequenz, die die Landesregierung aus diesem Urteil gezogen hat und mit dem Gesetzentwurf zur Neuordnung des KFA vorgelegt hat, ist im Ergebnis, dass ab dem Jahr 2018 die hessischen Kommunen rund 1 Milliarde € weniger haben als nach dem alten Gesetz. Meine Damen und Herren, diese Berechnung ist bis zum heutigen Tage unwidersprochen. Ich möchte von Ihnen endlich einmal hören, ob diese Berechnung richtig ist. Ist die Berechnung des Hessischen Städtetags richtig oder falsch?