Protocol of the Session on May 27, 2015

Lassen Sie uns darüber reden, wie wir das konkret ausgestalten. Darüber können wir sprechen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das machen wir!)

Aber ich habe noch eine Bitte. Wenn wir den ganzen Pulverdonner weglassen und anerkennen, dass die CDU-Fraktion gute bildungspolitische Ideen hat, dass die GRÜNENFraktion gute bildungspolitische Ideen hat, dass die SPDFraktion gute bildungspolitische Ideen hat,

(Barbara Cárdenas (DIE LINKE): Und wir!)

die FDP-Fraktion auch, die schon einmal die Kultusministerin gestellt hat, wenn wir einmal den ganzen Theaterdonner weglassen und anerkennen, dass wir alle ganz interessante Ansätze haben, und diese zusammenführen, dann habe ich eine Bitte. Die Oppositionsfraktionen in diesem Hause weisen für den Bildungsgipfelprozess aus meiner Sicht zu Recht darauf hin, dass am Ende nicht die Vereinbarung des schwarz-grünen Koalitionsvertrags stehen kann. Das wäre eine Einigung mit sich selbst, das wäre ein bisschen wenig. Das ist auch nicht der Ansatz des Bildungsgipfels. Der Ansatz des Bildungsgipfels ist es, eine breite Verständigung hinzukriegen, und ja, die geht dann auch über den Koalitionsvertrag hinaus. Wir haben bewiesen, wo wir über den Koalitionsvertrag hinausgehen wollen.

Wer aber auf der einen Seite fordert, dass der Koalitionsvertrag nicht der alleinige Maßstab eines Ergebnisses beim Bildungsgipfel und in der Frage der Ganztagsschulentwicklung sein darf, der darf andererseits nicht 1 : 1 sein eigenes Wahlprogramm hier beantragen und glauben, das könnte eine Einigung beim Bildungsgipfel sein. Das funktioniert auch nicht, das klappt auch nicht.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, ein Kompromiss setzt voraus, dass sich beide Seiten bewegen. Die Regierungskoalition aus CDU und GRÜNEN hat gesagt, dass sie sich beim Thema Ganztagsschule bewegen will, dass wir verstärkt Profil-3-Ganztagsschulen genehmigen wollen, wo das von Eltern gewünscht wird. Aber wir bleiben auch bei dem Ziel – ich hoffe, auch darüber herrscht Einigkeit in diesem Hause –, dass wir an allen Grundschulen den Pakt für den Nachmittag, ein Bildungs- und Betreuungsangebot für alle Eltern, verwirklichen können. Dieses Angebot können wir immer besser machen. Das können wir ins Profil 2, ins Profil 3 weiterentwickeln. Aber die Eltern fragen uns: Wann haben wir endlich überhaupt ein qualitativ gutes Angebot? Denn dies muss erst einmal vorhanden sein, bevor wir es dann gemeinsam verbessern können. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Schwarz, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Der Kollege Degen hat eine Geschichtsstunde gehalten, bei der mir doch ein bisschen Konkretes für die Zukunft gefehlt hat. Es ist und bleibt so: Die Regierungskoalition aus CDU und GRÜNEN ist und

bleibt Garant für vielfältige freiwillige und bedarfsorientierte Ganztagsschulangebote. Deswegen ist der weitere Ausbau des Ganztagsschulprogramms eine kontinuierliche Herausforderung. Es geht darum, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer weiter zu optimieren.

Abhängig von der jeweiligen Situation der Schülerinnen und Schüler können Ganztagsangebote einen wichtigen Beitrag zur Behebung der Lerndefizite und der Leistungsunterschiede einerseits, aber natürlich auch zur Entfaltung der besonderen Begabungen andererseits leisten. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist mir gleichzeitig auch besonders wichtig, zu betonen, dass es Aufgabe der Familie ist und bleibt, zu erziehen und zu bilden. Ich glaube, darauf darf man sich in diesem Haus verständigen. Der Familie muss bei dieser Fragestellung ein wesentlicher Stellenwert eingeräumt werden.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich komme zum Stichwort „Ermöglichen“. Das Ganztagsschulprogramm des Landes Hessen verwirklicht Erziehung mit drei Profilen. Die unterschiedlichen Betreuungseinrichtungen in der Grundschule ermöglichen den Eltern die freie Wahl. Das ist die entscheidende grundsätzliche Botschaft. Insofern greift die Geschichtsklitterung – das Wort greife ich hiermit einmal auf – nicht so richtig. Wer sich einmal vor Ort erkundigt, nimmt das auch im persönlichen Gespräch wahr.

Herr Kollege Degen, bei aller Freundschaft sollten Sie doch einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass es einen Unterschied zwischen der Situation und den Bedarfen in Ballungszentren und im ländlichen Raum gibt. Auch da rede ich nicht ganz wie der Blinde von der Farbe. Das kann man sehr gut beobachten.

Im Übrigen gibt es eine Definition der Kultusministerkonferenz, was denn Ganztagsschulen sind. Darüber können wir auch einmal reden. Nach Beschlusslage der Kultusministerkonferenz sind das Schulen, bei denen in der Primarund Sekundarstufe I in der Regel an mindestens drei Tagen in der Woche ein Ganztagsangebot bereitsteht, das täglich mindestens sieben Zeitstunden umfasst. Das Mittagessen gibt es noch obendrauf.

Jetzt schauen wir einmal genau hin. Wenn ich mich nicht völlig verzählt habe, sind Sie an 14 Landesregierungen beteiligt und stellen diverse Kultusminister. Das heißt, im Klartext stellt sich die Frage: Gilt für Sie und Ihre Kultusminister diese Definition nicht mehr? – Die Antwort müssen Sie möglicherweise einmal geben.

Dann möchte ich ein paar Zahlen zum Mitschreiben nennen. Ich erinnere mich noch an lebhafte Debatten in diesem Haus. Ihre Vorgängerin als bildungspolitische Sprecherin hat beim Thema G 8 immer geschimpft, die Kinder hätten keine Zeit mehr, um in Vereinen aktiv zu sein usw. Wenn ich Ihren Antrag genau lese, stelle ich fest, dass da schon eine recht verpflichtende Note mit drin ist. Ich komme gleich noch einmal im Detail darauf zurück, wie sich das Ganze bei zuzüglich 100 Grundschulen pro Schuljahr darstellen würde.

Wir müssen uns einmal einig darüber werden, was Sie denn jetzt wollen. Wollen Sie Freiwilligkeit oder etwas Obligatorisches? Das könnten Sie vielleicht noch einmal erklären.

Ich nenne einmal ein paar Zahlen für Sie zum Mitschreiben, damit einmal gezeigt wird, was die Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen geleistet haben. In diesem Schuljahr stehen insgesamt 1.731 Lehrerstellen als Stellen und als Mittel aus dem Ganztagsschulprogramm zur Verfügung. Dabei sind 958 deutlich mehr als die Hälfte aller Schule in Hessen. Herr Degen, das ist dann im Sinne der Definition der Kultusministerkonferenz. So viel zu Ihren Berechnungsgrundlagen. Zusätzlich werden Grundschulen und Grundschulen mit Förderschulen mit einer jährlichen Zuwendung von über 5 Millionen € pro Jahr, und zwar für eine bedarfsgerechte Förderung, ausgestattet.

Ich möchte noch einmal eines aufgreifen. Über den Bildungsgipfel werden wir uns gleich noch einmal unterhalten, nämlich beim nächsten Tagesordnungspunkt. Ich darf an die mit breiter Zustimmung getragene Verständigung in der Arbeitsgruppe 2 des Bildungsgipfels auf eine gemeinsame Leitlinie zur Weiterentwicklung ganztägig arbeitender Schulen erinnern. Ich halte in diesem Zusammenhang auch fest, dass die Schulträger im Rahmen der Ressourcen des Paktes für den Nachmittag ganztägige Angebote in begrenzter Zahl bis hin zu teilgebundenen Profilen ausbauen können, falls die flächendeckende Bedarfsdeckung gewährleistet ist. Ich glaube, es ist wichtig, das zu betonen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit den drei Säulen Angebotsvielfalt, Freiwilligkeit und Bedarfsorientierung treibt die Regierungskoalition aus CDU und GRÜNEN den weiteren Ausbau der Ganztagsangebote mit Tatkraft, aber auch mit Entschlossenheit voran. Auch das darf man immer wieder einmal ins Schaufenster stellen: Mit dem Pakt für den Nachmittag wurde das größte Ganztagsschulprogramm in der Geschichte des Bundeslandes auf den Weg gebracht. Das geschah mit den eben schon erwähnten 1.731 Stellen. Das ist kein Pappenstiel. Damit wird allen Eltern einerseits durch das Land, andererseits aber natürlich auch die regionalen Bedürfnisse vor Ort mit berücksichtigend, die Möglichkeit offeriert, ein Bildungsund Betreuungsangebot von 7:30 bis 17 Uhr vorzufinden.

Ich will das wirklich einmal als epochal bezeichnen. Herr Kollege Wagner, das ist epochal und ein Mammutprogramm. Damit hat die Landesregierung bundesweit unerreichte Maßstäbe gesetzt. Das sind unerreichte Maßstäbe. Das können wir uns einmal anschauen. Sie können sich einmal mit Ihren Kollegen aus anderen Bundesländern darüber unterhalten, wie dort die Lebenswirklichkeit ist.

Im Gegensatz zu den Mitgliedern der SPD wollen wir den Eltern und den Betroffenen vor Ort die Wahl für die gewünschte Form des Ganztags- oder Halbtagsbetreuungsangebotes überlassen. Herr Kollege Degen, das ist für uns die wesentliche Stilnote und der wesentliche Unterschied. Das darf man gelegentlich auch einmal unterstreichen.

Ich darf im Übrigen darauf hinweisen, dass von SPD-geführten Landkreisen nicht immer die Stellenzuweisung für das Profil 3 abgerufen wird. Das muss vor Ort gelegentlich wie sauer Bier angeboten werden. Warum es da nicht gelingt, könnten Sie gelegentlich auch einmal erklären. Auch das ist eine spannende Beobachtung.

Ich will mich ein bisschen an Ihrem Antrag abarbeiten. Ein paar Punkte sind da schon drin. Trotz der Friedlichkeit des heutigen Vormittags darf man einmal ein paar Punkte aufgreifen, die schon problematisch sind. Ich glaube, es ist abenteuerlich und entlarvend, dass im Antrag der SPDFraktion die Neuauflage eines Schulbauprogramms gefor

dert wird. Des Weiteren wird die Schaffung weiterer Funktionsstellen gefordert.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist doch die alte Melodie: Darf es noch ein bisschen mehr sein? Können wir noch ein Schnäpschen obendrauf haben? – Es soll immer weiter, höher und schneller gehen.

Gegenfinanzierungsvorschläge gibt es keine. Einsparmöglichkeiten gibt es keine. Das ist ein bemerkenswerter Vorgang. Das zeigt aber, dass Sie ihre Rolle als Opposition offensichtlich genießen. Die Opposition darf alles fordern. Die Opposition darf alles verlangen. Sie darf auch alle möglichen Vorschläge machen. Aber sobald es in der Umsetzung konkret wird, sind Sie nicht an Bord.

Die Krönung ist dann noch die Geschichte unter Punkt 9 Ihres Antrags. Sie fordern, wir sollten doch bitte die nötigen personellen Ressourcen bereitstellen. Das ist schon der Hammer. Nachdem ich das gelesen habe, muss ich einfach einmal feststellen: Die volle demografische Rendite bleibt im System. Das Lehrer-Schüler-Betreuungsverhältnis wird immer besser.

(Michael Boddenberg (CDU): Herr Kollege, ist das in anderen Bundesländern auch so?)

Ich habe in der Klasse noch mit 40 Kindern gesessen. Da war ein Kultusminister der SPD in der Verantwortung. Wir waren damals auch schon lebhaft. Die Kollegen haben es nicht immer leicht gehabt.

Ich will es noch einmal auf den Punkt bringen. In Rheinland-Pfalz sind es minus 2.000 Stellen, in Schleswig-Holstein sind es minus 3.700 Stellen, und in Baden-Württemberg sind es minus 11.600 Stellen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sie haben die sozialistische Einheitsschule vergessen!)

Deswegen will ich das noch einmal sagen. Es bleibt dabei. Das ist versprochen und gehalten. Die demografische Rendite bleibt im System. Die Opposition bleibt auch die Opposition. Das ist gut so. Sie sind seit 16 Jahren in der Bildungspolitik und in der Landespolitik nicht in der Verantwortung, weil Ihre bildungspolitischen Vorschläge offensichtlich nicht mehrheitsfähig sind. Das ist für den weiteren bedarfsgerechten Ausbau des Ganztagsschulprogramms gut. Denn wir machen das in unserem Sinne.

Vielleicht kommen Sie beim Bildungsgipfel auf uns zu. Wir werden uns an bestimmten Stellen einig werden. Das wäre wünschenswert.

Ich bedanke mich herzlich für die Aufmerksamkeit und freue mich darauf, gleich noch über den Bildungsgipfel zu beraten, wenn wir über Ihren Gesetzentwurf reden werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Herr Lorz, Sie haben es nicht leicht! Das verstehe ich jetzt!)

Herzlichen Dank. – Als Nächste hat Kollegin Cárdenas, DIE LINKE, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Leider kann sich der Antrag der SPD keiner neuen Herausforderung annehmen – aber das ist nicht Schuld der SPD. Seit Jahren reden wir über dasselbe, mit demselben Inhalt und auch mit weitgehend denselben Zahlen.

Ein Ganztagsschulausbau findet in Hessen nach wie vor nicht statt. Hessen ist und bleibt Schlusslicht im Bundesvergleich – Herr Degen ist bereits darauf eingegangen. Weder diese Landesregierung noch ihre Vorgängerin war und ist willens, etwas dagegen zu unternehmen. Ganz im Gegenteil, man steckt viel Kraft und leider auch viele Ressourcen in Mogelpackungen, die einen Ganztagsausbau vorgaukeln, ihn aber unserer Einschätzung nach in Wirklichkeit sogar verhindern.

Auch der jetzige Kultusminister brüstet sich mit einer zunehmenden Anzahl Profil-1-Schulen – wohl wissend, dass diese Schulen z. B. lediglich an drei Tagen in der Woche ein pädagogisches Mittagessen anbieten. Herr Kultusminister, das hat noch nicht viel mit einer Ganztagsschule zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Am Mittwoch letzter Woche haben Sie mit stolzer Brust und mit der Unterstützung zweier Schuldezernentinnen der Öffentlichkeit den Pakt für den Nachmittag nochmals ans Herz legen wollen, den Sie auch als Ganztagsschulprogramm verkauft haben möchten. Bisher ist dieser Versuch eher nach hinten losgegangen, und dafür dürfen Sie sich nicht feiern. – Was wir aus dieser Pressekonferenz mitgenommen haben, ist Folgendes:

Erstens. Wie die Schuldezernentinnen berichten, gibt es seit Jahren immensen Bedarf an Betreuungsangeboten für Grundschulkinder, und zwar so viel Bedarf, dass mit Notlösungen aller Art gearbeitet werden musste, um diese Problematik zumindest einigermaßen in den Griff zu bekommen.

Zweitens. Diese Angebote sind vor allem für die Kinder wichtig, die aus bildungsfernen Familien kommen, wie die Kasseler Schuldezernentin Frau Janz betonte.

Drittens. Der Wunsch nach einer Lösung, die sowohl soziale Benachteiligungen ausgleicht als auch diese Flickschusterei beendet, ist auf allen Seiten sehr ausgeprägt. Man möchte eine Lösung, die Zuständigkeiten nicht aufteilt, die zeitlich flexible Gestaltungsmöglichkeiten mitbringt, pädagogisch fundiert ist und für alle Kinder eine Bereicherung darstellt.

Viertens. Den Pakt für den Nachmittag wird es nicht gebührenfrei geben; Elternbeiträge müssen vonseiten der Kommunen erhoben werden.

So, Herr Minister, schauen wir uns diese vier Punkte doch einmal an. Eigentlich gibt es für diese vier Punkte eine simple Lösung:

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))