Protocol of the Session on April 29, 2015

Denn ich bin der festen Überzeugung, dass es auch andere Einrichtungstypen gibt – da nenne ich beispielhaft Familienbildungsstätten –, die eine solche Arbeit richtig leisten können. Richtig leisten können bedeutet, den Versuch zu unternehmen, Familien – erfolgreiche Familienpolitik muss das leisten – erst einmal in ihrer Fähigkeit zu stärken, ihre Lebenslage grundsätzlich selbst zu gestalten. Deswegen ist es unser Ziel als Landesregierung, Vorreiter bei Projekten und Maßnahmen zu sein, die Familien zugute

kommen, die ihnen Hilfe und Entlastung bieten, die sie schützen und in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Geschehens rücken, aber ihnen nicht jegliche Verantwortung abnehmen. Das ist einer der wesentlichen Punkte.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf dieser Grundlage ist die Förderung von Familienzentren ein wichtiger und wesentlicher Schritt, weil Familienzentren Knotenpunkte in einem Netzwerk von Kooperation und Information sind, die zugleich das kommunale Präventions- und somit das gesamte Unterstützungsnetz vor Ort wirkungsvoller gestalten.

Deswegen ist es ein Ansatz, der sich an alle Familien richtet. Es ist ein Ansatz mit niedrigschwelligen Angeboten, mit niedrigschwelliger Unterstützung, mit niedrigschwelliger Begleitung. Deswegen müssen Familienzentren als Anlaufpunkt auch wohnortnah sein. Sie müssen einladen zum Austausch und zum Kontakt.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass manche Einrichtungen eine Begleitung bei der Entwicklung zum Familienzentrum benötigen. Daher haben wir einen Wettbewerb gestartet, bei dem sich Einrichtungen bewerben können, die sich erst auf den Weg zum Familienzentrum machen wollen. Die Resonanz darauf ist sehr erfreulich. Das zeigt, dass wir bei den Vorgaben, die wir in den Fördergrundsätzen dargestellt haben, viele Einrichtungen haben, dass es aber auch noch viele Einrichtungen gibt, die sich auf den Weg machen wollen und von uns eine finanzielle Unterstützung bekommen wollen, um sich inhaltlich so auszurichten, dass sie demnächst als Familienzentren arbeiten können, je nachdem, welcher Einrichtungstyp das ist.

Ich finde, es ist ein sehr erfreuliches Zeichen, dass die Koalition über das Hessische Sozialbudget die Arbeit der Familienzentren nicht nur finanziell aufgewertet hat, sondern auch auf ein sicheres finanzielles Fundament für die nächsten Jahre gestellt hat. Wenn ich dabei noch sehe, dass wir im Sozialbudget zusätzlich Mittel für die Mehrgenerationenhäuser haben, die durchaus auch ein Ansatzpunkt für Familienzentren sind, dann finde ich, das ist ein wesentlicher Bestandteil erfolgreicher hessischer Familienpolitik.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Wir sind am Ende der Debatte.

Stimmen wir gleich ab? Seid ihr euch einig in der SPD? Da scheint noch etwas abzuklären zu sein. – Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer für den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 19/1743, ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Wer ist dagegen? – DIE LINKE. Wer enthält sich? – Die SPD. Dann ist dieser Entschließungsantrag mehrheitlich angenommen.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 4 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen – Drucks. 19/1853 –

Das Gesetz wird vom Finanzminister eingebracht. Herr Dr. Schäfer hat das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Fast zwei Jahre ist es her, dass der Staatsgerichtshof des Landes Hessen in einer einschneidenden Entscheidung verlangt hat, dass der gesamte Kommunale Finanzausgleich einer Überprüfung zu unterziehen ist und eine neue gesetzliche Grundlage zu schaffen ist. Das sind 23 Monate, die den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Arbeit zur Verfügung standen, um Ihnen heute am Ende einen Gesetzentwurf vorlegen zu können, der den Anforderungen des Staatsgerichtshofs gerecht wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor wir gleich in der Debatte sicher in die eine oder andere kontroverse Situation kommen werden, will ich eines vor die Klammer ziehen. Ich will ich mich herzlich bei den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was dort in den letzten Monaten in einem beispiellosen Prozess von frühzeitiger Offenheit, frühzeitiger Transparenz, frühzeitigem Dialog, hoch ausgeprägter Fähigkeit zur Geduld geleistet worden ist – all diese Fragestellungen habe ich jedenfalls in einem Gesetzgebungsvorhaben, vor allem im vorgelagerten Prozess einer Gesetzgebung, so noch nicht erlebt.

Meine Damen und Herren, wir haben das aus dem vorhandenen Stamm von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleistet, weil es ein Maß an Fachexpertise erfordert, sich in diesem Themenfeld zurechtzufinden. Schauen Sie sich die Zahlen an; das ist durchaus beachtlich. Dass ich 70-mal den Vortrag zum Kommunalen Finanzausgleich bei den unterschiedlichsten Institutionen gehalten habe, das ist bei mir sozusagen im Schmerzensgeld inbegriffen. Aber es muss jeweils vorbereitet werden. Dass wir 150 Gesprächstermine gemacht haben, dass wir weit über 1.000 Telefonate zu dem Thema geführt haben, über 100 Resolutionen, Schreiben, Briefe und unzählige E-Mails beantwortet haben, das ist eine großartige Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dafür ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich will in diesen Dank ausdrücklich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommunalen Spitzenverbände einbeziehen,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das wollte ich gerade sagen!)

weil die sich, natürlich in einer anderen Rolle, in einer anderen Funktion, aber konstruktiv am Dialog im Vorfeld beteiligt haben. 25 Arbeitsgruppensitzungen, fünf Lenkungsgruppensitzungen – all das ist Arbeit: Vorbereitung, Engagement, Detailbefassung. Auch dafür ganz herzlichen Dank.

Ich bin auch dankbar für die umfangreiche öffentliche Begleitung unseres Projekts. Ich bin den Industrie- und Handelskammern für ihre, wie ich finde, sehr ausgewogene Stellungnahme dankbar, in der natürlich einzelne Punkte

von den Kammern kritisch beleuchtet worden sind, aber der grundsätzliche Weg als richtig beschrieben wird.

Ich bin auch den Kommunalen Spitzenverbänden dankbar, vor allem dem Landkreistag, der mit einer gutachterlichen Stellungnahme die Punkte noch einmal aufgegriffen hat. Dabei hat er natürlich die Interessen des Landkreistags ein Stück weit transportiert. Aber das geschah mit der Analyse: So wie das Land es macht, kann man es machen, aber man kann es auch anders machen. – Das stellt jedenfalls nicht infrage, dass das Land einen Weg gegangen ist, der die Linie der Umsetzung der Entscheidung des Staatsgerichtshofs 1 : 1 beinhaltet. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen. Wir werden mit dem Vorschlag den Kommunalen Finanzausgleich einer Neuordnung unterziehen. Man darf das nicht gering schätzen, am Ende aber auch nicht überbewerten. Der Kommunale Finanzausgleich macht ungefähr 15 % der Einnahmen der Kommunen aus. Das heißt, er ist in einer entscheidenden Größenordnung, aber nicht die alles entscheidende Größenordnung für die Finanzierung der Kommunen in unserem Land.

Der Kommunale Finanzausgleich wird, ausgehend von unserer Modellbetrachtung des Jahres 2014, im ersten entscheidenden Jahr, nämlich 2016, wenn er sozusagen live und in Farbe scharf geschaltet wird, in der groben Größenordnung 350 Millionen €, vielleicht sogar 400 Millionen €, höher als im Jahr 2014 liegen. Das ist Wort halten. Wir haben immer zugesagt, dass die Kommunen auch weiterhin an der Steigerung der Steuereinnahmen des Landes Hessen beteiligt werden und dass sichergestellt wird, dass es auf keinen Fall weniger als im alten System gibt. Diese Landesregierung hält Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es bleibt bei dem Bild: Zwei Drittel der hessischen Kommunen werden sich verbessern, wenn auch vielleicht nicht in der Dimension, wie sich das die Einzelnen möglicherweise erhofft hatten. Da teile ich sogar die Gemütslage der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und der Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter. Sie sagen: Es hätte gern noch ein bisschen mehr sein können.

Das geht uns in den Debatten zu Fragestellungen, was wir gerne alles finanzieren würden, wenn wir das Geld dafür hätten, doch genauso. Natürlich könnte jeder, wenn er mehr finanzielle Mittel zur Verfügung hätte, noch Ideen entwickeln, was man alles tun könnte, um am Ende zu besseren Ergebnissen zu kommen.

Das Ganze spiegelt sich auch in der deutlich verbesserten Situation der kommunalen Familie in Hessen. Nachdem die Kommunen in den Jahren 2006, 2007 und 2008 Milliarden-Euro-Überschüsse in Hessen erwirtschaftet hatten – das vergisst man in der aktuellen Debatte gelegentlich –, sind sie infolge der großen Krise genauso wie das Land in ziemlich dramatische Defizite gerutscht. Der Höhepunkt war das Jahr 2010 mit 2,3 Milliarden € Defizit.

In den Jahren danach sind die Defizite dramatisch zurückgegangen. Im Jahr 2011 waren es noch 2 Milliarden €. Im Jahr 2012 waren es 1,3 Milliarden €. Im Jahr 2013 waren es 750 Millionen €. Im letzten Jahr waren es gerade noch

71 Millionen € kumuliertes Defizit der hessischen Kommunen, auf das Jahr bezogen.

In diesem Jahr werden die Kommunen nicht nur eine schwarze Null, sondern einen deutlichen Überschuss erwirtschaften. Dafür sprechen alle Indikatoren, die wir im Moment sehen. Die Lage der kommunalen Finanzierung in Hessen ist in den letzten Jahren sehr viel besser geworden. Das war mit sehr vielen Anstrengungen auf der kommunalen Ebene verbunden, das geschah aber auch unter Beteiligung des Landes.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich am Ende meiner Einbringungsrede, die in der Tat mit siebeneinhalb Minuten für ein solches großes Werk ein bisschen knapp getaktet ist – –

(Günter Rudolph (SPD): Geschäftsordnung des Landtags!)

Ich kritisiere das nicht. Ich habe es nur analysiert. So einfach ist das.

Eines kommt in der aktuellen Diskussion ein bisschen zu kurz, und zwar vor dem Hintergrund, dass die Einnahmesituation der Kommunen im Moment so gut ist, wie sie ist. Es gibt gutachterlich bestätigte Aussagen der Wirtschaftsprüfer, die uns sogar mahnen. Sie sagen: Leute, mit dieser Neuregelung des Kommunalen Finanzausgleichs werdet ihr ein erhebliches Risiko eingehen. – Denn 95 % des Ausgabeniveaus der hessischen Kommunen wird durch den neuen Kommunalen Finanzausgleich auf Dauer und in jeder wirtschaftlichen Situation garantiert. Wenn es dem Land und gleichzeitig den Kommunen einmal schlecht gehen sollte, werden wir das Risiko und werden wir die Verantwortung dafür tragen, dass die Kommunen 95 % ihres Ausgabeniveaus garantiert bekommen. Das gibt es sonst nirgendwo in Deutschland. An keinem anderen Ort in Deutschland gibt es ein solches System.

(Norbert Schmitt (SPD): Nirgendwo gibt es so hohe Defizite wie in Hessen!)

Wir werden mit diesem neuen Kommunalen Finanzausgleich Vorreiter sein. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich freue mich auf die Beratung.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, vielen Dank. – Damit ist der Gesetzentwurf eingebracht. Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Jörg-Uwe Hahn. Er spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann verstehen, dass dem hessischen Finanzminister Dr. Thomas Schäfer und den zahlreichen – ich kann fast schon sagen: zahllosen – Mitarbeitern in der hessischen Finanzverwaltung und in der hessischen Kommunalverwaltung jetzt sozusagen ein Stein vom Herzen herunterfällt. Endlich haben sie es geschafft. Sie haben dem Landtag nach zwei Jahren harter Arbeit einen Gesetzentwurf für eine vollkommene Neustrukturierung des Kommunalen Finanzaus

gleichs vorgelegt. Ich kann verstehen, dass Herr Dr. Schäfer das mit einer besonderen Zufriedenheit mit sich selbst hier vorträgt.

Die Mitglieder der FDP-Fraktion dieses Hauses und die Freien Demokraten in Hessen haben eine ähnliche Auffassung wie die, die die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main gerade vor 48 Stunden veröffentlicht hat. Die Hausaufgaben sind gemacht. Lieber Thomas Schäfer, das war das erste Mal, dass ich das aus Ihrem Munde hören durfte: Man hätte es auch anders machen können. – Man hätte es auch besser machen können.

(Zuruf: Wohl kaum!)

Da reicht es halt nicht, dass viel gearbeitet wurde. Ich sage vielen Dank an all diejenigen, die in den verschiedensten Bereichen daran gearbeitet haben. Da reicht es auch nicht, viele Reden zu halten und die Folien noch einmal zu erklären. Es reicht auch nicht, dass man viel durch Hessen reist. Wir alle müssen zu dem Ergebnis kommen, dass dieser vollkommen neue Kommunale Finanzausgleich, den uns der Staatsgerichtshof mit dem Alsfeld-Urteil vorgeschrieben hat, indem er gesagt hat, ihr müsst das von der Struktur her so machen, weiterhin auf große Kritik stößt.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der Union, ich will Sie ein bisschen vor etwas warnen; denn das beginnt schon. Sie nehmen gerade eine Arbeitsteilung vor. In diesem Land ist der Finanzminister Mitglied der Union, und der Kommunalminister ist Mitglied der Union. Sie werden diesen Gesetzentwurf, vielleicht in einer ein bisschen veränderten Form, aber jedenfalls von der Struktur her so beschließen. Die Union wird also schon für den neuen Kommunalen Finanzausgleich verantwortlich sein. Die Union ist auch dafür verantwortlich, dass es die Erlasse des Herrn Beuth gibt.

Ich will jetzt als einziges Beispiel nur den Ortsvorsitzenden der CDU einer dem Herrn Dietz benachbarten Gemeinde, nämlich Friedberg, ansprechen. Er hat in der vergangenen Woche lautstark erklärt, dass es jetzt in Friedberg höhere Steuern geben müsse – ich meine die Gewerbe- und die Grundsteuer – und dass es auch ansonsten schwieriger werde, sei die Schuld der in Friedberg regierenden Sozialdemokraten. Diese Arbeitsteilung lassen wir Freie Demokraten den Christdemokraten nicht durchgehen.