Wer untätig zusieht, wie die Geisterfahrer durch ihre brutale Gnadenlosigkeit einen Trümmer-Euro heraufbeschwören, trägt Mitverantwortung am Auseinanderbrechen der Eurozone und der sozialen Spaltung Europas. In den Jahren der Krise haben wir leider Recht behalten. Noch bevor die Eurozone ins Leben gerufen wurde, haben wir auf die Fehler und Mängel sowie die destabilisierenden Ungleichgewichte dieses Projekts hingewiesen. Wir haben gesagt – und behielten damit Recht –, dass es keine Währungsunion geben kann, die durch eine Mauer aus Geld geteilt ist.
Wir haben gesagt, dass eine Währungsunion nicht ohne eine Zentralbank funktionieren kann, die als solche agiert, die im Notfall als Kreditgeber für die Mitgliedstaaten und nicht nur für die Mitgliedsbanken auftritt. Aus diesem Grund hat die europäische LINKE den Vorschlag gemacht, eine europäische Schuldenkonferenz nach dem Vorbild der Londoner Schuldenkonferenz von 1953 einzuberufen, um eine definitive, machbare und kollektive Lösung des Problems zu finden.
Wer ein solidarisches Europa will, braucht einen New Deal, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und Europas Zukunft zu finanzieren. Wir wollen, dass Europa Umverteilung und Solidarität organisiert, um zu überleben. Das sind die Grundpfeiler des neuen Europas, für das wir kämpfen, anstelle eines Europas, das Einkommen an die Reichen und Angst an die Armen verteilt. Jeder Tag beweist aufs Neue, dass die ökonomischen Kontrollen durch die Kreditgeber radikal sind und weitere Armut nach sich ziehen.
Umbau bedeutet Wandel. Für Europa ist der Wandel mittlerweile mehr als eine herangereifte Forderung. Er ist zu einer Existenzfrage geworden.
Mit der aktiven Solidarität einer breiten europäischen Bewegung gegen den Austeritätskurs werden wir diesen Kampf gestalten.
Herr Kollege van Ooyen, Sie haben über die griechische Regierung geredet und darüber geschwiegen, wer in Griechenland die Regierungskoalition bildet. Sie haben das jetzt auch noch als Modell für ganz Europa empfohlen. Ist es tatsächlich Ihre Auffassung, dass Rechtspopulisten in Europa mehr Einfluss in Regierungen haben sollten?
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Das sagt jemand, der mit Herrn Irmer koaliert!)
Meine Positionen gegen rechtsgerichtete Politik und Erscheinungsformen können Sie am Montag in Frankfurt gemeinsam mit mir erleben, wenn wir gegen die PEGIDA und andere auftreten. Das würden wir in Griechenland sicherlich anders machen.
Natürlich ist es so, dass das, was an Vorschlägen aus Griechenland kommt, eine Wende in der europäischen Politik bedeutet. Die wird nicht von rechts bestimmt, sondern tatsächlich – –
Nein. Es handelt sich in Griechenland immerhin um eine gewählte Regierung. Das sollten Sie zumindest einmal – –
Wie gesagt: Selbst der EZB-Präsident Draghi sprach bei der Eröffnung der EZB von der Hoffnung der Demonstranten und den unzufriedenen Menschen in Europa, die in diesen Krisenjahren Einkommen und Wohlstand verloren hätten. Er mahnte einen Wandel in Europa an. Das sei ein Ruf nach Demokratie, an der teilzuhaben jede Generation gefordert sei, um das Leben der eigenen Generation zu gestalten.
Ich komme zum Schluss meiner Rede. – Wir sagen erneut: Die Herrschenden hier und in Europa wollen Kapitalismus ohne Demokratie; wir wollen Demokratie ohne Kapitalismus.
Im Sinne der Werte der Französischen Revolution, nämlich Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, wollen wir, dass das Gespenst, das in Europa umgeht und von dem Karl Marx im „Kommunistischen Manifest“ spricht, endlich Realität wird. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist der Dringliche Entschließungsantrag der Abg. Merz, Decker, Di Benedetto, Gnadl, Roth, Dr. Sommer, Dr. Spies (SPD) und Fraktion betreffend Ergebnisse des EU-Sondergipfels sind angesichts der Flüchtlingstragödie im Mittelmeer kläglich, Drucks. 19/1901. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 71. Wenn ich die antragstellende Fraktion richtig verstanden habe, soll er morgen früh zusammen mit Tagesordnungspunkt 40 aufgerufen werden.
Das ist so. – So wird verfahren werden, wenn nicht widersprochen wird. – Ich sehe keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig, wieder einmal das große Friedens- und Freiheitsprojekt Europäische Union in den Mittelpunkt der Debatte zu stellen. Das ist gerade auch richtig, weil wir feststellen müssen, dass es trotz all der Erfolge sehr viel Skepsis in der Bevölkerung gibt. Erstaunlicherweise gibt es gerade in Deutschland weitaus mehr Skepsis gegenüber der Europäischen Union, gegenüber ihren Institutionen und gegenüber deren Weiterentwicklung, als das in anderen Ländern der Europäischen Union und insbesondere in den Ländern, die noch nicht zur Europäischen Union gehören, der Fall ist.
Diese Skepsis gibt es, obwohl die Vergangenheit gezeigt hat, dass wir gemeinsam wesentlich stärker sind. Das reicht von Themen wie dem Europäischen Binnenmarkt bis hin zu einer gemeinsamen Haltung gegenüber Russland z. B. hinsichtlich der Ukrainefrage. Da ist die Gemeinsamkeit eine Grundlage unserer Stärke, wenn es darum geht, die Freiheit, das Wachstum und den Wohlstand Europas weiterzuentwickeln.
Deswegen ziehen wir Freien Demokraten für uns daraus die Schlussfolgerung, dass wir nicht bei dem momentan Erreichten stehen bleiben können, sondern dass wir weiterhin so verfahren müssen und dass wir weiterhin dafür wer
ben müssen, dass die Europäische Union voranschreitet, dies aber in einer Art und Weise, dass sich die Europäische Union auf die großen und zentralen Projekte und Herausforderungen konzentriert und diese in den vielen Bereichen auch endlich angeht. Ich weiß, dass das schwieriger als das Klein-Klein der vielfältigen Vorschriften ist, die wir aus der Europäischen Union häufig auf den Tisch gelegt bekommen.
Aber es sind die eigentlichen Fragen, die es anzugehen gilt, statt der Gleichmacherei im Klein-Klein. Denn wir wollen nationale, regionale und lokale Identitäten erhalten. Unserer Meinung als Freie Demokraten nach ist die Vielfalt Europas gerade das, was den Mehrwert der Europäischen Union ausmacht und was entsprechend zu bewahren ist.
Frau Ministerin Puttrich, insofern unterstützen wir Sie gerne bei Ihrem Kampf für Subsidiarität. Sie haben ein schönes Zitat des Herrn Juncker gewählt. Wir unterstützen da die Hessische Landesregierung. Aber wir vermissen da konkrete Aktionen. So könnte man hinsichtlich der Subsidiariät z. B. das Projekt aufgreifen, das wir als Freie Demokraten vorgeschlagen haben, nämlich einen zweiten Senat beim Europäischen Gerichtshof einzurichten, der bei Subsidiaritätsfragen angerufen werden kann. Oder Sie könnten sich endlich via Bundesrat oder via Regionen – sage ich einmal – „aufmachen“, dass Regionen in Europa zusammengefasst für die Abschaffung bestimmter Gängelungsinstrumente kämpfen, wie z. B. die Ökodesignrichtlinie.
Darüber hinaus erwarten wir gerade bei den großen Themen wesentlich mehr Engagement. Frau Ministerin, Sie haben für die Hessische Landesregierung ein paar wichtige genannt. Das sind die Flüchtlingspolitik, die Situation in der Ukraine, die Finanzstabilität und auch die Frage der Investitionen z. B. in die Digitalisierung Europas.
Doch meines Erachtens springen Sie in diesen Fällen viel zu kurz, sowohl im Hinblick auf die Auswahl der Themen als auch inhaltlich bei den ausgewählten Themen. Die wichtige Frage z. B. des Energiebinnenmarktes oder auch eine verstärkte Außen- und Sicherheitspolitik sind bei Ihnen überhaupt nicht vorgekommen.
Richtig ist sicherlich, dass momentan die Flüchtlingsproblematik besonders aktuell ist. Ich persönlich halte es für eine Schande für Europa, wie wenig sich angesichts der Gefahren, die die Flüchtlinge auf sich nehmen, an dieser Stelle bei uns tut. Die Ergebnisse des Sondergipfels der Staats- und Regierungschefs am letzten Donnerstag können nur als Enttäuschung bezeichnet werden.
Ja, auch ich weiß, dass das Budget verdreifacht worden ist. Ja, auch ich weiß, dass man sich dem Kampf gegen Schlepperbanden widmen will. Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Ministerin, das ist an dieser Stelle doch Augenwischerei. Was wir wirklich brauchen, das sind nicht nur ein paar bunt gemischte Boote verschiedener Mitgliedstaaten unmittelbar in Küstennähe. Wir wissen doch, die meisten Schiffe sind schon wenige Kilometer nach Aufnahme ihrer Fahrt vom Kentern bedroht. Wir brauchen eine Ausdehnung des Suchgebietes. Wir brauchen endlich keine zusammengestoppelte Lösung,
sondern wir brauchen eine echte gemeinsame europäische Seenotrettung und eine effektive EU-Küstenwache. Machen wir doch den Weg frei für gesamteuropäische Lösungen.