Protocol of the Session on March 26, 2015

Herr Staatsminister, ich darf darauf hinweisen, dass die Redezeit der Fraktionen abgelaufen ist.

Gleichzeitig hat diese demografische Entwicklung keinen Halt gemacht vor denjenigen, die als Ärztinnen und Ärzte tätig sind. Diesen Entwicklungen rechtzeitig vorzubeugen, damit haben wir 2011 angefangen. Wir haben gute Erfahrungen bis zum letzten Jahr gehabt, und wir werden mit der Fortschreibung dieses Paktes auch in den nächsten drei Jahren die Weichen für eine gute gesundheitliche Versorgung in Hessen stellen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Damit ist die Aktuelle Stunde zu Drucks. 19/1762 abgehalten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 52 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Soziale Berufe in Hessen aufwerten – Er- zieherinnen verdienen mehr) – Drucks. 19/1763 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 62:

Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend soziale Berufe in Hessen aufwerten – Erzieherinnen verdienen mehr – Drucks. 19/1789 –

Als Erste spricht Kollegin Schott, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Fast 25 Jahre ist es her, dass die Berufe im Sozial- und Erziehungsdienst neu bewertet wurden. 2009 ist bei den Tarifverhandlungen lediglich das Schlimmste verhindert, aber keine Verbesserung erreicht worden. Jetzt wird es Zeit, dass ein neuer Ta

rifabschluss den bundesweit 750.000 Erzieherinnen und Erziehern, den Sozialpädagoginnen und -pädagogen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Behindertenhilfe endlich den Wert zugesteht, der der Bedeutung ihrer Aufgabe und Arbeit entspricht.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt höre ich Sie schon antworten: Wir mischen uns nicht in Tarifverhandlungen ein. – Aber hier geht es um deutlich mehr als nur um Tarifverhandlungen. Die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst erbringen wertvolle und für unsere Gesellschaft unverzichtbare Dienstleistungen. Sie sorgen für die Wahrung und Realisierung der Grundrechte von Kindern, Eltern und Menschen mit besonderem Hilfebedarf.

Seit der letzten tariflichen Neubewertung des Sozial- und Erziehungsdienstes vor fast einem Vierteljahrhundert haben sich die Anforderungen an die Fachkräfte rasant erhöht, und die Erwartungen haben entsprechend zugenommen. Die Bedeutung von Weiterbildungen in diesem Tätigkeitsfeld ist hoch, wird von den Beschäftigten anerkannt und eingelöst, oft auch noch von ihnen selbst bezahlt.

Erzieherinnen und Erzieher sind heute Expertinnen und Experten für frühkindliche Bildung, aber auch für Erwachsenenbildung in der Zusammenarbeit mit den Eltern. Sie realisieren in ihren Einrichtungen Inklusion und haben den Auftrag erhalten, das Kindeswohl zu wahren. Aber wie wird es ihnen gedankt?

Immer noch erhalten Berufseinsteigerinnen und -einsteiger ungefähr 2.300 € brutto und kommen Erzieherinnen und Erzieher kaum über 3.200 € brutto. Das bedeutet bei den teuren Mieten im Rhein-Main-Gebiet und bei Teilzeitbeschäftigung, die oftmals nicht freiwillig gemacht wird, dass viele Erzieherinnen und Erzieher ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch beantragen müssen – und das nach einer vierjährigen Ausbildung, bei hohem Engagement und hoher Qualität der Arbeit. Sie müssen sich von einem Mitarbeiter des Jobcenters am Ende sagen lassen, man solle sich doch einfach einen besser bezahlten Job suchen. Das ist entwürdigend, und das muss enden.

(Beifall bei der LINKEN)

Da wundert es nicht, dass es sich im Sozial- und Erziehungsdienst um die sogenannten Frauenberufe handelt. Dies sind Berufe, die schlechter bezahlt werden, weil dort vorwiegend Frauen arbeiten und ihre gesellschaftliche Bedeutung immer noch gering geschätzt wird. In der letzten Woche wurde der Equal-Pay-Day begangen. Inzwischen wird dieser auch vom Sozialministerium wahrgenommen, und es wird bedauert, dass Frauen 22 % weniger Lohn erhalten als Männer.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Grund dafür ist aber, dass die Arbeitgeber – und das sind hier gerade die öffentlichen – den sozialen Berufen nicht mehr Geld und nicht mehr Wertigkeit zugestehen.

Alle diese pädagogischen und sozialen Berufe sind aber ein großer Teil des Kitts, der diese Gesellschaft zusammenhält.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie müssen die sozialen Ausgrenzungen aufgrund von Armut, ethnischer Diskriminierung und Beeinträchtigung ausgleichen. Sie sind diejenigen, die dafür sorgen, dass

große Teile der Bevölkerung nicht vollkommen von der gesellschaftlichen Entwicklung abgehängt werden. Sie erfinden ihre Arbeit ständig neu und überlegen, wie sie mit den wenigen finanziellen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, doch noch Projekte auf die Beine stellen können, und sie haben mehr verdient.

(Beifall bei der LINKEN)

All diesen Anforderungen werden die Eingruppierung und damit die Bezahlung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst nicht gerecht. Viele Beschäftigte müssen Nebenjobs ausüben, um über die Runden zu kommen. Insbesondere bei vielen Teilzeitbeschäftigten ist die Altersarmut vorprogrammiert. Das ist ein für die Betroffenen und unsere Gesellschaft unhaltbarer Zustand. Gleichzeitig verschärft sich dadurch aber auch der Fachkräftemangel. Viele Kommunen sind schon jetzt gezwungen, übertariflich zu bezahlen, um ihre Stellen besetzen zu können.

Natürlich sehen wir auch die Probleme der Kommunen mit einer völlig unterfinanzierten Kinderbetreuung. Wenn bereits kleine Kommunen jedes Jahr 1 Million € für die Kindertagesstätten aus eigenen Mitteln einsetzen müssen, dann sind die finanziellen Mittel des Landes für die Kinderbetreuung eindeutig zu gering. Aber auch der Bund kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Auch hier muss mehr getan werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Landesregierung ist aufgefordert, die Kommunen besser auszustatten, sodass diese ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser bezahlen können. Es liegt doch nicht daran, dass sie es nicht wollen. Es liegt schlicht auch daran, dass sie es nicht können.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie als Person, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bitte ich: Unterstützen Sie die Forderungen der Kolleginnen und Kollegen aus dem Sozial- und Erziehungsdienst. Solidarisieren Sie sich mit ihnen bei den Warnstreiks. Erklären Sie den Eltern, warum die Streiks notwendig sind; denn die sind diejenigen, die im Moment unter Druck geraten. Zeigen Sie den Kolleginnen und Kollegen, dass sie eine wichtige und verantwortungsvolle Arbeit machen, die anständig bezahlt werden muss. Stehen Sie genau dazu. Stehen Sie mit ihnen auf, und tragen Sie dazu bei.

Wir haben in unserem Antrag all das, was man auch vonseiten der Landesregierung machen kann, was wir auch aufseiten dieses Hauses machen könnten, aufgeführt. Wir sollten das tun; denn die Erzieherinnen und Erzieher, die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in diesem Land sollten uns das wert sein. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Decker, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, Frau Schott, Sie haben recht. Bei aller Solidarität mit den Betroffenen bleibt es auch heute bei dem Grundsatz,

dass sich dieses Haus nicht in aktuelle Tarifauseinandersetzungen einmischt.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen gern heute Morgen die Gelegenheit nutzen, um einmal grundsätzlich über den gesellschaftspolitischen Stellenwert der Erziehungs- und Sozialberufe zu reden. Die Position der SPD-Fraktion ist sehr klar und eindeutig, denn wir reden hier über Hunderttausende Frauen, aber auch Männer, die einen qualifizierten, einen harten und oftmals auch nervenaufreibenden Job machen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Sie tragen große Verantwortung. Sie arbeiten hoch motiviert und engagiert. Sie haben hohe Qualifikationen, und sie leisten Außerordentliches. Ihnen vertrauen wir unsere Kinder an. Ihnen vertrauen wir auch unsere alten Menschen, unsere kranken und pflegebedürftigen Menschen an. Sie erziehen, sie behüten, und sie integrieren.

Meine Damen und Herren, das ist heute wieder einmal die Gelegenheit, den Betroffenen großen Dank und große Anerkennung auszusprechen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Anforderungen an diese Berufsgruppen steigen ständig, ebenso wie ihre Bedeutung für unsere Gesellschaft. Ich kann im Übrigen jedem in diesem Haus nur empfehlen, einmal vor Ort einen Tag in einer der vielen Einrichtungen zu arbeiten, denn praktische Eindrücke sagen mehr als Tausend Worte.

Die SPD-Fraktion macht das im Rahmen ihrer Praxistage sehr regelmäßig. Jeder von uns musste also in einer Kita oder in einer Pflegestation schon einmal richtig ran.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Freiwillig gemacht?)

Ich sage Ihnen: Wenn Sie da rauskommen, ziehen Sie den Hut und wissen dann, von was Sie hier reden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen sagen wir auch in diesem Hause heute sehr klar und deutlich: Es ist höchste Zeit, dass wir gesellschaftspolitisch umdenken und diesen Berufen endlich die Bedeutung und Aufwertung zukommen lassen, die sie längst verdient haben.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir müssen einfach einmal aufhören, zu glauben, dass z. B. die Arbeit im technisch produzierenden Bereich mehr wert ist als in der Erziehung und in der Pflege. Die Erziehung unserer Kinder und die Pflege unserer Eltern und Großeltern müssen den gleichen Stellenwert haben wie das Zusammenbauen des deutschen Lieblingskindes, nämlich des Autos.

Irgendwie ist es auch – das ist von der Kollegin Schott zu Recht angesprochen worden – symptomatisch, dass in diesen Berufen, die händeringend um mehr Anerkennung kämpfen, zum großen Teil Frauen beschäftigt sind, hoch qualifiziert, aber oftmals unterbezahlt.