Protocol of the Session on March 26, 2015

Wir brauchen eine bedarfsgerechte Planung der Gesundheitsversorgung. Wir erwarten von der Landesregierung, dass entscheidende Schritte auf dem Weg zur Entwicklung der regionalen Gesundheitskonferenzen gegangen werden. Die Landkreise und kreisfreien Städte sollen in ihrem Gebiet die Bedarfsplanung machen. Dann brauchen sie aber auch die Möglichkeiten, um die notwendigen Maßnahmen umzusetzen. Hier fehlt es im Pakt nicht nur an Kompetenzen und regionalen Strukturen, sondern auch an finanziellen Mitteln.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Einrichtung kommunaler Gesundheitszentren, z. B. aufbauend auf solchen Projekten wie den Gemeindeschwestern in Lich, wäre eine sinnvolle Maßnahme auf dem Land. Aber auch dafür muss man Geld in die Hand nehmen. Da reichen die 4 Millionen €, die auf vier Jahre und unzählige Projekte aufgeteilt sind, überhaupt nicht.

Sie geben selbst zu, dass die Fachkraftlücke bei den Altenpflegekräften auf insgesamt hohem Niveau bleibt. Viele Pflegekräfte wollen oder müssen aufgrund der hohen Belastung aus ihrem Beruf aussteigen. Die geringe Anerkennung und Bezahlung tut ein Übriges. Hier ist ebenfalls eine Aufwertungskampagne notwendig. Nicht ohne Grund legen sich in vielen Städten Pflegekräfte auf den Boden und zeigen so, wo die Pflege heute steht bzw. liegt. Da muss etwas passieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Arbeitsdruck, der bei den Pflegenden herrscht, wird ohne Mindestpersonalverordnung für qualifiziertes Personal, bessere Bezahlung der Pflegeberufe und bessere Ausstattung der Altenpflegeeinrichtungen weiter wachsen. Wie kann eine qualitativ anspruchsvolle Ausbildung erfolgen, wenn die Finanzierung dafür seit 15 Jahren nicht angehoben wurde, Herr Minister? Im Gegenteil, Sie haben sogar noch gekürzt, wenn auch durch die Hintertür, sodass Sie so tun konnten, als ob alles gleich geblieben sei. So kann es nicht gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für eine älter werdende Bevölkerung ist daneben auch eine wohnortnahe stationäre Gesundheitsversorgung wichtig. Dabei ist es doch relevant, Herr Grüttner, dass Sie vorgestern auf die mündliche Frage mitgeteilt haben, nie von Bettenabbau in Krankenhäusern gesprochen zu haben. Nein, so klar sagen Sie es natürlich nicht. Aber Sie müssen doch

zugeben, dass es eine Umschreibung ist, wenn Sie davon reden, dass Umstrukturierungsmaßnahmen gefordert werden sollen, dass mit dem Strukturfonds Überkapazitäten abgebaut werden sollen und die Umwandlung von Krankenhäusern in ambulante Zentren geplant ist. Das alles soll ohne Abbau von Krankenhausbetten erfolgen, Herr Minister? Das kann doch gar nicht sein. Sie reden an der Stelle um den heißen Brei herum.

Natürlich wissen auch wir, dass wir nicht mehr Krankenhäuser in Form von Betten organisiert haben, sondern dass es in Form von DRGs geht. Die Frage aber ist doch: Haben wir vor Ort die Krankenhäuser? Haben wir die notwendigen Kapazitäten? Wir haben die Situation des Engpasses in den Intensivstationen gesehen.

Frau Kollegin Schott, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wir brauchen eine Planung. Ich verstehe schon, warum viele so sauer sind, dass wir in diesem Landtag sind: weil wir den Menschen immer wieder die Dinge so sagen, wie sie sind, statt sie so zu verdrehen, wie Sie das gelegentlich tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Rentsch, FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gesundheitliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ist ein wahrlich wichtiges landespolitisches Thema. Wir – aber auch viele Gäste, die heute hier im Hessischen Landtag zugegen sind – erleben ja, dass sich in den letzten Jahren einiges bei der ärztlichen Versorgung verändert hat.

Hessen ist kein Land, das nur aus einem Ballungsraum besteht, sondern wir haben Gott sei Dank auch viele ländliche Gebiete, und dort ist die ärztliche Versorgung in den letzten Jahren eine andere geworden. Das hat viele Gründe: Die demografische Entwicklung ist sicherlich eine wichtige Grundlage für diese Entwicklung, die man auch nicht so einfach verändern kann. Fakt aber ist, dass ich es nur begrüßen kann, dass die Landesregierung nun das, was wir in der Koalition von CDU und FDP begonnen haben, hier mit den GRÜNEN fortsetzt. Herr Minister Grüttner, nehmen Sie es einmal als Lob der Opposition: Wir halten das, was Sie hier machen, für richtig. Deshalb werden wir es auch unterstützen.

(Beifall bei der FDP)

Der Hessische Gesundheitspakt, der am 23. März vorgestellt worden ist, ist richtig – nicht nur, weil Sie es wieder einmal geschafft haben, viele unterschiedliche Akteure an einen Tisch zu holen, die nun nicht per se immer einer Meinung sind, sondern auch gegenseitige Meinungen vertreten bzw. quasi vertreten müssen. Damit haben Sie eine Diskussionsplattform geschaffen, um hier gemeinsam vor

anzuschreiten. Viele der Punkte, die Sie dort aufgeführt und gemeinsam mit diesen Akteuren erarbeitet haben, sind grundlegend richtig.

Worum geht es? Wir wollen gemeinsam dafür sorgen, dass im Gesundheitspakt insgesamt die medizinische Versorgung unseres Landes weiterhin eine gute und sichere ist. Das muss man wohl vor die Klammer setzen: Wir haben in Deutschland und in Hessen eine im Vergleich zu allen anderen Ländern sehr, sehr gute medizinische Versorgung, sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich. Aber die Herausforderung für die Politik ist, dass wir alles dafür tun müssen, dass diese medizinische Versorgung auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten so bleibt.

Das aber ist eine Herkulesaufgabe, Rahmenbedingungen zu setzen, um Menschen, die sich entscheiden, ein Medizinstudium zu absolvieren, so zu motivieren, dass sie am Ende des Medizinstudiums, das ungefähr das Vierfache dessen kostet, was ein Jurist in der Ausbildung kostet, Herr Kollege Dr. Spies – – Herr Spies ist so in seinen Computer vertieft, dass er mir gar nicht zuhört. – Jetzt nicken Sie. Ich sage nur, dass es eine sehr teure Ausbildung ist. Deshalb wollen wir eigentlich, dass Mediziner nicht in Landtagen sitzen, sondern an der Front, und Patienten versorgen. Das ist es.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei Abge- ordneten der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Herr Kollege Dr. Bartelt gehört dazu. Wir haben hier zwei gute Mediziner, die den Hessischen Landtag mir ihrer Anwesenheit bereichern. Deshalb ist es auch richtig, dass die Anwälte, die hier sind, nicht nur im Landtag sind, sondern – wie es auch die Grundidee des Abgeordneten vorsieht – ihren Hauptberuf weiter ausüben. Da bin ich bei Ihnen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist also die Grundidee des Abgeordneten?)

Ja, Berufspolitikertum ist, glaube ich, nicht der richtige Weg. Auf diese Frage haben wir möglicherweise eine unterschiedliche Sichtweise.

Aber, Kollege Dr. Spies, Kollege Dr. Bartelt, was muss man denn eigentlich tun, um junge Mediziner dazu zu motivieren, dass sie wirklich in den Arztberuf gehen? Das ist wirklich eine sehr komplexe und schwierige Frage, weil ganz viele Faktoren eine Rolle spielen. Was der Gesundheitspakt erarbeitet hat, die Frage, dass die Medizin weiblicher wird und es immer mehr weibliche Absolventen des Studiums gibt, ist die eine Herausforderung. Die Verbindung von Karriere und Familie ist eine andere. Auch bleibt die Frage, wie man Anreize setzen kann, sich beispielsweise als Hausarzt in den ländlichen Strukturen niederzulassen, mit all den Herausforderungen, die ein Hausarzt heute zu bewältigen hat: große Fläche, Notsystem – also den Notdienst –, genauso wie die Frage einer Patientenstruktur, die in unserem System tendenziell dazu führt, dass man auch in Abrechnungsfragen eher mit Problemen belastet ist. All diese Fragen spielen eine Rolle.

Deshalb glaube ich – und damit möchte ich einen Haken daran machen –, ist das, was Sie gemacht haben, richtig: auf Landesebene einen Anreiz zu setzen, Mediziner zu motivieren, nicht in Parlamenten zu sitzen, sondern wieder an die Front zu gehen und Patienten zu behandeln. Das ist der richtige Weg.

(Beifall bei der FDP)

Aber diese Politik, die wir unterstützten, Herr Minister Grüttner, kann natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass auf Bundesebene zurzeit einiges falsch läuft. Ich glaube, dass Sie wissen, dass ich an dieser Stelle recht habe. Sie haben ja viel versucht, es umzubiegen. Leider hat sich Herr Bundesminister Gröhe von Ihnen nicht wieder auf das richtige Gleis zurückschieben lassen, sondern geht weiter seinen Irrweg.

Deshalb sage ich, dass das, was mit dem Versorgungsstärkungsgesetz geplant ist – viele wissen, dass bei dem, was in den letzten Jahren in der Gesundheitspolitik auf den Weg gebracht worden ist, mit einer Ausnahme die Titel immer das Gegenteil dessen sagen, was eigentlich geplant ist –, nicht für eine Versorgungsstärkung, sondern für eine Versorgungsschwächung sorgen wird. Mediziner werden weiterhin entmutigt, ihren Dienst als niedergelassener Arzt zu tun. Stattdessen werden sie motiviert, entweder in den stationären Bereich oder in andere Berufe zu gehen. Das ist nun wirklich schlicht das Falscheste, was man in dieser Frage tun kann. Anstatt zu motivieren, wieder vor Ort zu arbeiten, wie es die Hessische Landesregierung mit ihrem Gesundheitspakt tut, tut die Bundesregierung aus CDU und SPD hier das Gegenteil, und das ist fatal für die gesundheitliche Entwicklung.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Rentsch, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Herr Minister Grüttner, deshalb ist das, was Sie hier machen, richtig. Aber ich sage auch: Das, was auf Bundesebene mit Beteiligung Ihrer eigenen Partei passiert, wird leider vieles von dem, was in Hessen richtig ist, konterkarieren. Deshalb sollten wir gemeinsam Sorge dafür tragen, dass diese Politik auf Bundesebene nicht weiter dazu führt, dass wir weniger Versorgung haben; denn zum Schluss müssen wir – auch Landespolitik wird in Berlin entschieden – hier ein Zeichen setzen. Das ist auch Ihre Verantwortung in der CDU. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat Staatsminister Grüttner.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Beiträge von Herrn Dr. Spies kann man ja nur so interpretieren: Ich lege mir meine eigene Wahrheit zurecht und arbeite mich an dieser ab. – Allerdings hat sie mit dem, was im Hessischen Gesundheitspakt steht, überhaupt nichts zu tun gehabt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Insofern finde ich es etwas schade, dass Sie den Geist und das, was eigentlich bei diesem Hessischen Gesundheitspakt mitschwingt, nicht verstanden haben – schlicht und einfach nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen. Dass

Frau Kollegin Schott es nicht versteht, ist mir vollkommen klar;

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das kann ja wohl nicht wahr sein! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

denn bis Kommunen Bedarfsplanungen machen können, ist es noch ein weiter Weg. Dass die Krankenhäuser in diesem Gesundheitspakt keine Rolle spielen, müsste man auch nicht noch einmal besonders erklären. Aber es ist jedes Mal aufs Neue so, dass es schwierig ist, sich einem Thema zu widmen, bei dem man nicht durchdrungen hat, um was es eigentlich geht.

Deshalb will ich es an dieser Stelle noch einmal verdeutlichen: Mit dem Hessischen Gesundheitspakt geht es nicht um den Schwerpunkt beispielsweise im investiven Bereich mit dem Ziel, die Paktpartner bauen und fördern eine gewisse Anzahl von Einrichtungen, sondern es ist ein ganz anderer Geist, der dort mitschwingt. 15 Partner – und ich sage es einmal ganz bewusst, damit man auch weiß und versteht, was der Kollege Rentsch gesagt hat, dass es auch Partner sind, die zum Teil sehr widerstreitende Interessen haben –: Kassenärztliche Vereinigung, Landesärztekammer, Junge Hessische Allgemeinmedizin, Hessische Krankenhausgesellschaft, Hessischer Apothekerverband, Landesapothekerkammer, die Liga der Freien Wohlfahrtspflege, der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste, die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen in Hessen, der Hessische Landkreistag, der Hessische Städtetag, der Hessische Städte- und Gemeindebund, Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt, Abteilung Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin der Philipps-Universität Marburg und die Hessische Landesregierung.

Diese 15 Partner haben sich in einem Hessischen Gesundheitspakt auf 28 politische Maßnahmen verständigt, welche die vorhandenen Strukturen optimieren sollen und die medizinische und pflegerische Versorgung von Patienten im Mittelpunkt haben. Das beginnt beispielsweise mit neuen, auch berufsübergreifenden Fortbildungen und Tätigkeiten und geht bis hin zu sektorenübergreifenden Kooperationen in allen Bereichen.

Allein die Verständigung auf ein solches Paket, was letztendlich dazu führen wird, dass wir natürlich Versorgungsfragen auch auf regionaler Ebene diskutieren werden, dass wir heute schon als Ergebnis des ersten Hessischen Gesundheitspakts in 26 Kreisen und kreisfreien Städten regionale Gesundheitskonferenzen selbst organisiert haben, dass wir damit das erste Mal auch vor Ort Auseinandersetzungen haben, wie sich gesundheitliche Versorgung in Zukunft darstellen und weiterentwickeln soll: Das ist das Entscheidende, was bei diesem Pakt mitschwingt.

Es ist nicht die Frage, welche Gelder eingesetzt werden. Natürlich brauchen wir auch solche Gelder. Wenn ich dann höre, dass Herr Dr. Spies fragt: „Was hat die Landesregierung getan, was in ihrer eigenen Kompetenz liegt?“, dann gebe ich Ihnen ein Beispiel: Ohne die Hessische Landesregierung würde es kein einziges Weiterbildungszentrum, Kompetenzzentrum Weiterbildung an einer der Universitäten in Hessen geben. Es ist ausschließlich Aufgabe und Initiative der Hessischen Landesregierung gewesen, dass sich diese Kompetenzzentren überhaupt gebildet haben.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP)

Auf der Grundlage dieser hessischen Kompetenzzentren, die wir gebildet haben, die dort getragen werden, gibt es in der Zwischenzeit 20 Weiterbildungsverbünde in Hessen. 12 sind in Gründung, und weitere werden hinzukommen, damit

(Abg. Michael Siebel (SPD) fotografiert mit seinem Handy.)

soll ich lächeln, Herr Siebel? – mehr Medizinstudierende sich auch auf die Frage konzentrieren können, ob sie in den Arztberuf eintreten, um letztlich einen Dienst für die Menschen in unserem Land zu gewährleisten.

Das ist ein wesentlicher Bestandteil. Wir wollen mit den Maßnahmen, die wir mit dem Hessischen Gesundheitspakt ergreifen, deutlich machen, wie wichtig uns die gesundheitliche Versorgung in unserem Land ist. Wir wollen deutlich machen, dass wir gemeinsam an dem Ziel arbeiten, auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, d. h. einer älter werdenden Gesellschaft, damit verbunden einer Gesellschaft, die mit einer höheren Krankheitshäufigkeit zu rechnen haben wird.

Herr Staatsminister, ich darf darauf hinweisen, dass die Redezeit der Fraktionen abgelaufen ist.