Protocol of the Session on March 26, 2015

(Beifall bei der SPD)

Ja, wir wollen motivierte Lehrkräfte, Lehrkräfte, die für ihr Thema brennen, Lehrkräfte, die viel geben, die alles geben und über ihre Pflichtaufgaben hinaus versuchen, die Kinder, die Jugendlichen, die Schülerinnen und Schüler zum bestmöglichen Abschluss zu führen. Aber auch viele Lehrkräfte stoßen mittlerweile an ihre Grenzen. Es gab im Sommer letzten Jahres eine Überlastungsanzeige der Personalräte von zwölf Darmstädter Grundschulen, die gezeigt hat, wann Lehrkräfte an ihre Grenzen kommen. Ich glaube, dabei wird es nicht bleiben. Der Burn-out ist ein zunehmender Trend. Die Überlastung der Lehrkräfte nimmt zu.

Deswegen muss man fragen, was sich im Lehreralltag verändert hat. Gestern hat Herr Kollege Wagner die Veränderungen epochal genannt. Herr Kollege Wagner, ich denke nicht, dass das auf den Pakt für den Nachmittag zutrifft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich denke, dass wir in den letzten 10 bis 20 Jahren einiges erlebt haben. Ich will es nennen: die Kompetenzorientierung, die Verankerung der Schulcurricula in den einzelnen Schulen, eine sich verändernde Schülerschaft, bei der Erziehung weniger im Elternhaus stattfindet und mehr in der Schule stattfinden muss. Davon kann man halten, was man will. Die Schulsozialarbeit muss mehr übernehmen. Sie wird fatalerweise gekürzt. Absprachen mit Eltern, Therapeuten und Beratungsstellen sind zunehmend notwendig. Berichte müssen geschrieben werden.

Darüber haben wir dieser Tage auch schon gesprochen: Cybermobbing und die Hilflosigkeit der Lehrkräfte, damit umzugehen. Genauso betrifft das die Frage der Entwicklung der Ganztagsschule mit Konzepterstellung. Schließlich geht es um die Koordinierung mit Vereinen und Betreuungskräften bei einer heterogenen Schülerschaft, die immer stärker heterogen wird. Unterschiedliche Lerntempi sind zu beachten. Heute funktioniert es einfach nicht mehr, dass Sie in eine Klasse gehen und alle gleichzeitig im Buch zur gleichen Zeit die gleiche Seite umblättern.

Es gibt die inklusive Beschulung mit der Erstellung der Förderpläne, den Beratungsgesprächen und mit zunehmender Diagnostik. Individuelle Rückmeldungen müssen gegeben werden. Viele sind in Förderausschüssen vertreten. Die Lehrkräfte müssen eine differenzierte Unterrichtsvorbereitung leisten. Es gibt die Koordination verschiedener Professionen und die Anleitung der Hilfskräfte. Regelschullehrkräfte fühlen sich alleingelassen und überfordert. All das müssen wir zur Kenntnis nehmen und darüber reden.

Was tut das Land Hessen im Augenblick? Ich meine, man kann natürlich einerseits sagen: Die Lehrerausstattung ist nicht schlecht, 104 %, das ist schon etwas. – Aber das ist

kein Allheilmittel. Es kann nicht sein, dass es auf alle Fragen und auf alle Probleme, die angesprochen werden, immer heißt: Na ja, wir haben doch 104 bzw. 105 %, das muss schon reichen.

So ist es nicht. Meine Damen und Herren, Sie müssen gerade die Lehrkräfte und Kollegen davor schützen – –

Herr Kollege Degen, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Die Aufgaben nehmen immer mehr zu. Anstatt sich selbst zu entlasten, wird versucht, alle Angebote wahrzunehmen. Dementsprechend erwarten wir, dass das Land Hessen mehr Verantwortung übernimmt und Fürsorge für die Lehrkräfte übernimmt.

Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss. Wir zeigen uns offen für eine solche Studie. Hinsichtlich der Rahmenbedingungen müssen wir noch konkretisieren, wer, wie, wann – –

Herr Kollege Degen, bitte kommen Sie zum Schluss Ihrer Rede.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege May für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Michael Boddenberg (CDU): Herr Degen hat gedacht, das sei eine Doppelstunde! – Gegenruf der Abg. Nancy Faeser (SPD): Herr Irmer aber auch!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich den Antrag der FDP-Fraktion das erste Mal gelesen habe, musste auch ich unwillkürlich an die doch etwas pauschalen Aussagen der Ex-Ministerin Beer denken, die eben schon für Aufsehen bei der FDP-Fraktion gesorgt haben. Ich dachte, das ist jetzt sozusagen die Richtigstellung der FDP-Fraktion. Denn in den ersten beiden Ziffern ihres Antrags beschreiben sie richtig, was für eine wichtige Arbeit Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land jeden Tag erledigen.

Diese Arbeit soll von uns nicht gering geschätzt werden. Vielmehr haben wir dort, wie es Frau Beer früher einmal richtig genannt hat, Helden des Alltags, deren Arbeit wir wertschätzen müssen. Von daher sehe ich die ersten beiden Ziffern schon als eine Läuterung der FDP-Fraktion gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Armin Schwarz (CDU))

Das, was von Ihnen in den ersten beiden Ziffern beschrieben wird, ist unstrittig. Sie schreiben, dass es auf die Lehrer ankomme und dass der Bildungserfolg in der Schule ganz entscheidend von ihnen abhänge. Das kann man durchaus bejahen.

Auch bei dem, was Sie in der zweiten Ziffer beschreiben, nämlich was Pädagogen an den Schulen alles leisten müssen, kann ich Ihnen nur zustimmen. Lehrerinnen und Lehrer müssen eine Menge bewerkstelligen. Deswegen sind sie uns auch so wichtig. Deswegen ist diese Koalition damit angetreten, die Ausstattung der Schulen mit Lehrerinnen und Lehrern prozentual weiter zu verbessern, indem wir jede Stelle im System halten, obwohl die Schülerzahl immer weiter zurückgeht. Damit verbessern wir die Arbeitssituation der Lehrerinnen und Lehrer, anstatt an ihrer Situation herumzuforschen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Von daher kann man sagen: Alles, was Sie in der zweiten Ziffer beschreiben, ist richtig. Es ist auch richtig, dass sich die Lehrerinnen und Lehrer mit neuen Problemen auseinandersetzen müssen. Lehrer stehen immer wieder neuen Schülergenerationen gegenüber. Von daher wandeln sich auch die Herausforderungen, die Lehrerinnen und Lehrer zu bewältigen haben.

Das ist sicherlich richtig: Die Medienverwahrlosung, die wir diese Woche schon angesprochen haben, ist in dieser Generation sicherlich ganz prominent. Damit einher gehen immer kürzere Aufmerksamkeitszeiten und immer stärkere Erziehungsarbeit. Die erzieherischen Aufgaben werden immer schwerwiegender. All das kann man sicherlich unter den Begriff Medienverwahrlosung fassen. Damit muss man sich noch einmal näher auseinandersetzen.

Es hilft den Lehrerinnen und Lehrern aber nichts, wenn wir die Arbeitszeit von ihnen noch einmal hoch wissenschaftlich untersuchen lassen. Vielmehr müssen wir die konkreten Bedingungen an den Schulen verbessern, anstatt irgendwelche Studien auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Michael Boddenberg und Holger Belli- no (CDU))

Vor allen Dingen – darauf ist schon hingewiesen worden – muss die Arbeitszeit von Lehrerinnen und Lehrern jetzt nicht neu erfunden werden. Nach meinem Dafürhalten muss das Hessische Kultusministerium auch in der Vergangenheit verantwortungsvoll mit der Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer umgegangen sein. Ich vermute das einmal. Andernfalls wäre das sicherlich ein untragbarer Zustand. Daher könnte man es natürlich auch als ein gewisses Misstrauensvotum gegenüber der Arbeit der Amtsvorgängerinnen in diesem Amt verstehen, was die FDPFraktion hier auf den Weg gebracht hat.

Herr Kollege Degen und Frau Kollegin Cárdenas, Sie haben hier gesagt, die Schulen seien schlecht ausgestattet. Frau Cárdenas, Sie sagen, es gebe eine schlimme Situation. Der Kollege Degen sagt, wir müssen noch mehr Geld hineingeben, die Schulsozialarbeit sei quasi kurz vor – – Das alles ist vollkommen falsch. Natürlich kann man sich hierhin stellen und eine Wurstthekenoppositionsrede halten, die fragt: Darfs noch ein bisschen mehr sein? – Aber wenn

Sie ehrlich sind, müssen Sie anerkennen, dass diese Koalition schon Erhebliches für die Schulen leistet.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist wahrscheinlich hingerotzt!)

Der Ländervergleich zeigt: Wir tun sehr viel mehr als alle anderen Länder. Wir müssen uns hier nicht verstecken. Beim Thema Sozialindex, Pakt für den Nachmittag, durchschnittlich 105-prozentige Lehrerversorgung können wir uns sehr gut sehen lassen. Wir verbessern ganz konkret die Bedingungen für Lehrerinnen und Lehrer.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Für die Landesregierung spricht Staatsminister Lorz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich weiß auch nicht, warum es in diesem Plenum so ist, dass die schulpolitischen Themen immer am Ende eines Tages stehen. Das hat die Schulpolitik eigentlich ihrer Bedeutung nach nicht verdient.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE) – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das schätzt die eigene Fraktion nicht!)

Aber ich weiß, dass man gegen die Gesetzmäßigkeiten der Tagesordnung natürlich nichts ausrichten kann.

Meine Damen und Herren, dieser Antrag der FDP enthält seine wichtigste Aussage gleich zu Beginn, nämlich den Hinweis auf die Bedeutung, die die Lehrerinnen und Lehrer für den Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler haben, und die Notwendigkeit, ihnen in ihrem Berufstand Anerkennung und Wertschätzung entgegenzubringen. Das kann man nur unterstreichen.

Wenn ich mir das von vielen gepflegte gesellschaftliche Bild von Lehrerinnen und Lehrern anschaue – Herr Abg. Irmer hat schon auf einschlägige Zitate dazu hingewiesen –, dann stelle ich fest, da ist auch wirklich noch einiges zu tun. Meine Damen und Herren, das aber ist nicht primär eine Frage der Arbeitsbedingungen, das ist eine Frage von Haltung und Einstellung in der gesamten Gesellschaft, und das ist eine Hausaufgabe für uns alle.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Trotzdem haben die Arbeitsbedingungen natürlich für die Aufgabenerfüllung der Lehrerinnen und Lehrer eine zentrale Bedeutung. Deswegen ist es auch gut und richtig, darüber zu reden.

Es ist auch richtig, dass sich die Aufgaben in Bildung und Erziehung insgesamt durch die gesellschaftlichen Entwicklungen verändert haben. Das allerdings tun sie permanent. Deswegen muss man das auch ein bisschen differenzierter betrachten.

Wenn ich in dem Antrag von Herausforderungen wie Klassenfahrten, Schulaufführungen und Konferenzen lese, dann muss ich doch feststellen: Das sind jetzt keine wirklich

neuen Herausforderungen. Die kommen eher von anderer Seite her, und einige davon sind hier auch durchaus genannt.

Meine Damen und Herren, vor allen Dingen aber – und da bin ich auch Herrn Abg. Greilich dankbar, dass er das herausgearbeitet hat –: Wenn wir über Arbeitsbedingungen reden, dann können wir nicht nur über Pflichtstunden reden und ebenso wenig über Vor- und Nachbereitung oder über Korrekturarbeiten. Das alles ist wichtig und von zentraler Bedeutung, aber das Thema Arbeitsbedingungen umfasst sehr viel mehr.

Meine Damen und Herren, da reden wir beispielsweise über Klassengrößen. Aus der Perspektive von Lehrerinnen und Lehrern ist das ein ganz wesentlicher Faktor, der bestimmt, wie anstrengend der Beruf in der tatsächlichen Ausübung ist. Da müssen wir darüber reden, dass beispielsweise im Jahr 2011 die Klassengrößen durch die Bank um drei Schülerinnen oder Schüler abgesenkt worden sind und dass wir heute in Hessen im Landesschnitt die kleinsten Klassen haben, die es je in diesem Land gegeben hat. Das ist ein ganz wesentlicher Entlastungsfaktor.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann reden wir beispielsweise über Spielräume, über Anrechnungsstunden, die nach der Neufassung der Pflichtstundenverordnung im Jahr 2012 für besondere außerunterrichtliche Tätigkeiten gegeben werden können. Da reden wir über Deputatstunden oder über die Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen von kleinem und großem Schulbudget. Und ja, meine Damen und Herren, dann reden wir bitte auch über die zusätzlichen Lehrerstellen, da reden wir natürlich über die 104 oder 105 %, und dann reden wir vor allen Dingen über die Stellen, die permanent zusätzlich jenseits dieser 105 % hineingegeben werden und die genau diese Faktoren adressieren, die hier als Belastungsfaktoren genannt worden sind. Da reden wir beispielsweise von der sozial indizierten Lehrerzuweisung, von der Aufstockung der mobilen Vertretungsreserve, vom kontinuierlichen Ausbau des Ganztagsangebots, von den zusätzlichen Mitteln, die in inklusive Beschulung oder in die Deutschförderung für Seiteneinsteiger oder überhaupt für Deutsch als Zweitsprache investiert werden. Das alles sind zusätzliche Ressourcen. Auch die ganze sogenannte demografische Rendite fließt da hin. Das sind alles zusätzliche Ressourcen, die jenseits der 104, 105 % in ständig zunehmendem Maße hineingegeben werden, um genau diese Belastungsfaktoren zu adressieren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)