Frau Präsidentin, ich habe das zur Kenntnis genommen und bitte, es mir nachzusehen, dass ich fortfahren möchte. – Wenn wir also über solche Fragen reden, wäre ich dankbar – weil ich es von beiden Seiten betrachten kann –, wenn ich z. B. in Berlin von unserem dortigen sozialdemokratischen Koalitionspartner Unterstützung erführe.
Ein Stichwort an den Kollegen Hahn: Es wurde hier ja alles miteinander vermischt. Wenn es um die Frage des Standortes des Finanzplatzes Rhein-Main geht, habe ich nie in Zweifel gehalten, dass ich sämtliche Diskussionen über die Frage der Finanztransaktionssteuer für verfehlt halte, so, wie sie geführt werden. Man weckt Erwartungen bei den Menschen, die nie eintreten.
Lesen Sie doch einmal, was ich in der „Börsen-Zeitung“ dazu gesagt habe. Herr Kollege, da Sie als Wirtschaftsminister einer von mir angeführten und verantworteten Regierung angehört haben, wissen Sie genau, wie ich darüber denke. Sie waren oft genug anwesend.
Nun machen Sie es doch nicht so platt. Ich verstehe doch, dass die Opposition die Hoffnung hat, irgendwo zitiert zu werden. Aber man kann doch nicht nach einem Jahr so tun, als sei man nie dabei gewesen, meine Damen und Herren.
Ja, Herr Kollege. – Bleiben wir einmal bei dem Thema. Es gibt unzählige Beiträge von mir und viele Reden gerade zu dem Thema. Ich erinnere z. B. an den Jahresempfang bei der IHK Frankfurt am Main. Der Hauptgeschäftsführer sitzt gerade dort oben, sie haben das alles aufgezeichnet. Dort habe ich ausgeführt, dass es zwischen der Union und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterschiedliche Bewertungen zu diesem Thema gibt. Die Wahrheit ist allerdings auch, dass es zwischen der Union und der SPD ebenfalls völlig unterschiedliche Auffassungen zu diesem Thema gibt. Und da ich beide Koalitionsverhandlungen geführt habe, nämlich in Berlin wie auch hier, ging es mir entscheidend darum, dass wir unsere Interessen wahren.
Deswegen rede ich nicht über ideologische Wolkenkuckucksheime. Deshalb werden Sie in beiden Koalitionsverträgen festgehalten finden – in Berlin von CDU, CSU und SPD, und hier von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –, egal, welche Formulierung kommt, und egal, was man beschlösse: Wir haben darauf zu achten, dass für unseren Standort kein Nachteil entsteht, dass das Geschäft woanders hingeht, wir die Arbeitsplätze verlieren, die Einnahmen verlieren und dann ganz nebenbei auch noch soziale Verwerfungen entstehen.
Deshalb müssten Sie jetzt applaudieren, meine Damen und Herren. Es kann doch einer SPD nicht egal sein, angesichts eines Finanzplatzes Rhein-Main, an dem 75.000 Menschen arbeiten, dass wir uns bei aller politischen Unterschiedlichkeit doch darauf verständigen können müssten, gemeinsam zu sagen: Egal, was auch immer beschlossen wird – es darf nicht zum einseitigen Nachteil unserer Region werden. – Genau das ist die Linie, die diese Regierung vertritt.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Florian Rentsch (FDP) – Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))
Wo sehe ich Optimierungspotenziale, die diese Regionaldiskussion jetzt einmal mit Fleisch füllen? Wir haben von der Frage der umweltfreundlichen Mobilität gesprochen. Dazu gehört unser Engagement bei der Nordmainischen S-Bahn. Dazu gehört unser Engagement bei der Regionaltangente West. Ich spreche bewusst von bedarfs- und standortgerechtem Wohnungsbau. Ja, es ist ganz komisch, um noch einmal Frau Wissler zu zitieren. Die Lösung kann nicht „Alles in die Metropole“ lauten. Die wachsende Stadt ist eine Chance, aber auch eine Herausforderung. Sie ist aber auf gar keinen Fall die Antwort für ein ganzes Land.
Wir müssen zu einer richtigen Balance zwischen lebenswerter Situation im Zentrum, aber auch in der Fläche fin
den. Dazu gehört eine landes- und regionalpolitische Steuerung. Dazu gehören die interkommunale Abstimmung und die Förderung innovativer Städte- und Wohnungsbaumodellprojekte. Dies alles gibt es. Wir könnten uns gemeinsam auf den Weg machen, es umzusetzen. Ich nenne einmal ein Beispiel: In der Stadt Frankfurt am Main sind über 1.000 Wohnungen durch die entsprechenden Ankaufsmöglichkeiten, die das Land zur Verfügung gestellt hat, in der Sozialbindung gehalten worden. Über 1.000 Wohnungen, die aus der Sozialbindung herausgefallen sind, sind durch den Aufkauf der Belegrechte, die das Land finanziert hat, dort sozial Schwachen weiterhin zur Verfügung gestellt worden. Das ist ein Beispiel, wie man nicht nur bestimmte Herausforderungen beschreibt, sondern auch mit ihnen umgeht.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns um die Gewerbeentwicklung kümmern. Wie sichern wir industrielle Kerne? Schauen Sie sich eine Stadt wie Frankfurt am Main an: Die Dienstleistung ist sehr stark und attraktiv, aber industrielle Kerne gibt es immer weniger.
Wie lösen wir die Frage des richtigen Verhältnisses von Umnutzung vorhandener Bereiche und immer weiterer Gewerbegebietsausweisung? Dort eine richtige Melange zu schaffen, ist eines der Optimierungspotenziale. Dazu brauchen wir Antworten, jedoch keinen Ausweisungswettbewerb, der von Hebesätzen getrieben wird.
Die Frage ist, ob wir es hinbekommen: interkommunale Gewerbegebiete mit kommunaler Verständigung auf maximale bzw. minimale Hebesätze, um die Sprünge ein wenig einzuebnen, ohne gleichzeitig kommunale Anreize völlig wegzunehmen. Wir sind offen für eine Diskussion über einen Lastenausgleich im Rhein-Main-Gebiet. Wir haben es jetzt im Kommunalen Finanzausgleich gerade in der Debatte. Dazu hat der Finanzminister Ihnen oft genug vorgetragen.
(Nancy Faeser (SPD): Der gemeinsame Finanzausgleich zwischen Frankfurt und Eschborn ist ein schönes Beispiel!)
Deshalb gilt: Wir haben diese Potenziale. Ich lade uns gemeinsam ein, Lösungswege zu diskutieren und auch zu gehen. Was könnte das sein? Die Regionale ist angesprochen, identitätsstiftende Veranstaltungen, die wir gemeinsam entwickeln. Die IBA kann so etwas sein. Zur Geschichte der IBA wird es abenteuerlich, lange zu sprechen. Deshalb sage ich „kann es sein“. Wir könnten darüber sprechen, wie wir es schaffen, charakteristische Merkmale, Qualitäten und Stärken so zusammenzupacken, dass wir Themenfelder bündeln und strukturwirksame Ideen finden, die wir in umsetzbare Projekte gießen.
Diese drei Punkte sind für mich entscheidend. Ich will keine Diskussion um irgendwelche neuen Gremien, ich will keine Diskussion um 57 Pläne. Ich möchte umsetzbare Projekte, orientiert an Themenfeldern, die für die Struktur wirksam sind.
Genau das bieten wir als Landesregierung an. Wir freuen uns über die Initiativen der Kammern, ich hatte es bereits erwähnt. Sie haben unter dem Stichwort „Quartier 4“ eine integrierte Metropolentwicklung Frankfurt/Rhein-Main bis
2030 angestoßen. Wir nehmen dieses Angebot gerne auf. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, dies mit den wichtigen Akteuren – das sind im Übrigen die Kommunen – zusammenzuführen und es bei dieser Geschichte immer so zu sehen: Polyzentrik, Freiwilligkeit, und dass trotzdem nicht jeder in eine andere Richtung marschiert.
Ich bin auch sehr dafür, zu schauen, ob das, was ich demnächst in Mannheim zum zehnjährigen Jubiläum würdigen darf – nämlich den seinerzeit zwischen Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen zur Metropolregion Rhein-Neckar geschlossenen Staatsvertrag –, auch ein Element für diese Rhein-Main-Region sein kann.
Da gibt es sicher Elemente, sehr geehrter Herr Weiß, aber wir sind nicht ganz neu auf der Welt. Bisher war weder das Land Bayern noch das Land Rheinland-Pfalz bereit, zu vertieften Gesprächen zur Verfügung zu stehen, weil sie einen anderen Blickwinkel haben. Wir werden die Debatte erneut führen, und wir sollten sie so führen, dass nicht das Trennende, sondern das Gemeinsame im Mittelpunkt steht.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin, ich möchte zusammenfassend eine Schlussbemerkung machen. Im Ergebnis muss es darum gehen, die Vorteile polyzentrischer Struktur zu erhalten und die Voraussetzungen für dauerhaften Erfolg zu schaffen. Das bedeutet die richtige Mischung zwischen lokaler Identität und regionaler Gemeinsamkeit. Der Erhalt der freiwilligen Bereitschaft zur Zusammenarbeit, insbesondere in den Kommunen, ist unverzichtbar. Die Fläche lebt von der Metropole und die Metropole von der Fläche.
Ich will nur ein Stichwort nennen, das heute noch niemand genannt hat. Allein die Trinkwasser- und Wasserversorgung des Rhein-Main-Gebiets wäre ohne die Fläche – ich denke an den Vogelsberg, die Wetterau und anderes – völlig zum Erliegen gekommen. Das sind Herausforderungen, bei denen man sehr schön sehen kann, dass viele Dinge zusammenkommen.
Das ist in der Debatte vorhin auch schon angesprochen worden. Wir können nicht ohne Rücksicht auf die Ressource Wasser in der Fläche in der Metropole Wasser verbrauchen.
Genau deshalb muss die Sache intensiver miteinander beraten werden. Die Landesregierung bietet es Ihnen an.
Eine abschließende Bemerkung. Ich habe mir lange überlegt, ob ich das überhaupt aufnehmen soll. Aber es muss wohl sein. Herr Kollege Weiß, ich habe eben von meiner ambivalenten Beurteilung Ihrer Auftritte gesprochen – geschenkt. Sie fragen sich wahrscheinlich gelegentlich, warum die SPD bei den Umfragen aus ihrem Loch nicht herauskommt. Wissen Sie, warum?
(Günter Rudolph (SPD): Wir brauchen keine arroganten Belehrungen von Ihnen! – Weitere Zurufe von der SPD)
sie würde in diesem Bereich nicht nur nichts tun, sondern sogar böswillig nichts tun, wer so auftritt wie Sie heute hier, der muss sich gefallen lassen, dass man sich wenigstens in wenigen Bemerkungen mit den Sozialdemokraten in Hessen beschäftigt.
Sie haben z. B. den Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main besonders erwähnt, den Kollegen Schneider aus Offenbach nicht so. Ich darf aber daran erinnern: Ich habe das ganzseitige Interview der beiden sehr intensiv gelesen. Was ist die Kernbotschaft gewesen? – Wir brauchen eine regionale Verfasstheit. – Die Krönung war: Regionalkreis.
Ich habe auf der ganzen Seite gesucht: Gibt es irgendeinen Inhalt, was der machen soll? Gibt es auch nur eine einzige Idee? – Null.
Aber was mir besonders aufgefallen ist: Diesen beiden Oberbürgermeistern müsste eigentlich bekannt sein, dass es diese regionale Verfasstheit längst gibt. Wir haben diesen Verband mit 75 Kommunen, der – man mag es beklagen oder nicht – noch unter sozialdemokratischer Führung steht.