Protocol of the Session on March 4, 2015

Ich denke, wir sollten uns als Hessischer Landtag klar für eine volle Gleichstellung aussprechen. Denn hier sind andere europäische Länder wie Dänemark, Schweden, Großbritannien, Frankreich oder auch ein sehr katholisch geprägtes Land wie Spanien schon längst weiter.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schließlich sagt das auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. In ihrem Programm heißt es z. B.:

Bundespolitisch wird sich eine Landesregierung unter unserer Beteiligung für die vollständige Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe (insbesondere im Einkommensteuer- und Adoptionsrecht), die Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare, um so auch Regenbogenfamilien endlich Rechtssicherheit zu gewähren, sowie die Aufnahme des Kriteriums sexuelle Orientierung in Art. 3 Grundgesetz einsetzen.

Wenn man dann den Inhalt des Dringlichen Antrags liest, den die Regierungskoalition jetzt eingebracht hat, klingt das beinahe wie Hohn. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, es reicht eben nicht aus, dass Sie in Punkt 4 sagen, dass Sie da unterschiedliche Auffassungen haben. Wir als Landtag werden mit Sicherheit auch nicht über Ihre politische Programmatik abstimmen. Das können Sie vom Landtag nun wirklich nicht erwarten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben aus den Reihen der CDU-Fraktion immer wieder diskriminierende Äußerungen gegenüber Homosexuellen. Es kommt immer wieder zu solchen Äußerungen. Ich will gar nicht mehr kommentieren, was wir da alles erlebt haben.

Herr Lenders, Sie haben nur noch wenig Zeit.

Sie schieben dann aber Punkt 5 nach, in dem es heißt, dass Sie sich gegen Diskriminierung wenden. Die pflegen Sie aber immer noch in Ihren eigenen Reihen. Das ist nicht glaubwürdig. Liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, ich würde Ihnen empfehlen, sich endlich einmal deutlich davon zu distanzieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Lenders, danke. – Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Wiesmann zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP verlangt mit ihrem Antrag, wir, der Landtag, sollten uns für ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht für eingetragene Partnerschaften aussprechen. Sie bezieht sich auf die Gesetzgebung, die es mit der Sukzessivadoption schon gibt, und verweist zur Begründung – das will ich hier auch noch einmal nennen – schlicht auf das Kindeswohl. Das geschieht mit wenigen Worten ziemlich lapidar. Man möchte fast sagen: Das ist etwas oberflächlich.

Lieber Herr Lenders, ich muss sagen: Ihrer Rede habe ich auch nicht sehr viel mehr an Begründung entnommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich möchte für die CDU-Fraktion sagen: Es mag sein, dass für Sie die Fragestellung einfach und klar ist. Für uns ist das nicht so einfach. Denn wenn es tatsächlich um das Wohl des Kindes geht – darin sind wir uns sicherlich einig –, so ist doch die Frage zu beantworten, wovon das Kindeswohl abhängt und nach welchen Kriterien gegebenenfalls abzuwägen ist.

Ein weiterer Aspekt, der für uns sehr wichtig ist, ist das Anliegen, eine Familie zu bilden, eine Lebens- und Fürsorgegemeinschaft zu gründen, in der ein Paar im wahrsten Sinne des Wortes über sich hinauswächst. Wir anerkennen und schätzen den Wunsch nach Familie. Wir wissen aber auch, dass Kindeswohl und gelingende Familienbildung untrennbar miteinander verbunden sind.

Die Sache selbst nehmen wir, die Mitglieder der CDUFraktion, sehr ernst. Wir respektieren die Auffassung unseres Koalitionspartners und anderer und sagen freimütig dazu, dass es auch in unseren Reihen ein Spektrum an Auffassungen und – vor allen Dingen dies – eine intensive Diskussion gibt.

(Günter Rudolph (SPD): Gelegentlich liest man das auch!)

Ich würde Sie doch bitten, erst einmal zuzuhören. – Welche Beweggründe spielen eine Rolle?

(Günter Rudolph (SPD): Herr Boddenberg, noch entscheide ich, was ich hier sage!)

Es ist nur eine Bitte. – Erstens. Die wissenschaftliche Diskussion ist nicht abgeschlossen. Die vorhandenen Studien sind unvollständig. Weder wurden genügend Familien mit männlichen Partnern untersucht, noch wurden die Kinder in ausreichendem Maß elternunabhängig befragt. Allerdings haben die Studien, die vorliegen, keine Hinweise auf Kindeswohlgefährdung ergeben.

Zweitens. Kinder brauchen für ein gutes Aufwachsen beide Geschlechter in ihrem nahen Umfeld. Das leitet uns bei vielen anderen Fragestellungen, z. B. bei der Kinderbetreuung in der Schule. Hier liegt natürlich in solchen Fällen eine potenzielle Belastung vor, vor allen Dingen für Kinder, die bei zwei Müttern aufwachsen.

Aber was kann daraus gefolgert werden? – Ist es nicht ein besonderer Pluspunkt, wenn ein Kind bei zwei Vätern aufwächst? Ist das Kindeswohl nicht genauso gefährdet, wenn heterosexuelle alleinerziehende Eltern ihrem Kind den Kontakt zum anderen leiblichen Elternteil verweigern, was durchaus geschieht? Sind es also nicht ganz andere Entscheidungen, die das Verhältnis eines Kindes zu den Geschlechtern beeinflussen?

Drittens. Adoptionen sind für die Kinder immer eine Herausforderung. Sie zu bewältigen kann in einer ungewöhnlichen Familienkonstellation durchaus noch schwieriger sein, zumal gerade von der kindlichen Peergroup unter Umständen wenig Sensibilität erwartet werden kann.

Andererseits wissen wir aus sozialwissenschaftlichen Studien, dass gerade eingetragene Partner einen ähnlich ausgeprägten Familiensinn wie Ehepaare haben. Die Eintragung dieser Partnerschaft zeigt gerade die hohe Verbindlichkeit der Beziehung, in deren Stabilität und Sicherheit Kinder besonders gut aufgehoben sein können.

Viertens. Es gibt keinen besonderen Handlungsdruck. Gegenwärtig gibt es in Deutschland sechsmal mehr an Adoption interessierte Paare als zur Adoption freigegebene Kinder. Das Adoptionsrecht räumt den leiblichen Eltern eine Mitsprache bei der Auswahl der Adoptiveltern ein. In welchem Maße eingetragene Partner zum Zuge kämen, ist offen.

Kann dies aber ein Argument in der Sache sein? Geht es nicht vielmehr um den Grundsatz, das Recht, eine Adoption anzustreben, über dessen Verwirklichung dann in jedem Einzelfall klug zu entscheiden ist? Diese Fragen sind eben nicht leicht zu beantworten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Persönlich befürworte ich mittlerweile das volle Adoptionsrecht. Aber die Mitglieder meiner Fraktion kommen mehrheitlich zu einer anderen Bewertung. Ich habe dafür den allergrößten Respekt.

Einig sind wir uns in folgenden Grundpositionen:

Erstens. Es gibt kein Recht auf ein Kind. Unsere gleichstellungspolitischen Ziele und all das, was wir mit dieser Koalition dafür unternehmen, bleiben davon unbenommen, dass wir dies hier feststellen. Das ist für uns keine Gleich

stellungsfrage. Denn der Wunsch des Paares, sosehr wir ihn respektieren und schätzen, kann nicht ausschlaggebend sein. Ausschlaggebend muss die Einschätzung sein, ob dem Kind damit so gut wie möglich gedient ist.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zweitens. Das Adoptionsrecht ist generell weiterzuentwickeln. Dazu enthält die Berliner Koalitionsvereinbarung eine Anzahl von Ansatzpunkten, die wir begrüßen. Deshalb haben wir sie in unserem Antrag erwähnt.

Frau Wiesmann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Drittens, und damit komme ich zum Schluss. Regenbogenfamilien verdienen Respekt und Unterstützung. Es gibt heute schon vielfältige und rechtlich abgesicherte Möglichkeiten für Homosexuelle, eine Familie in Form einer Partnerschaft mit Kind zu bilden. Wir begrüßen es deshalb, dass der Bundestag mit seinem Gesetz die rechtliche Stellung von Kindern verbessert hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schwierig, dieser Frage innerhalb von fünf Minuten abschließend gerecht zu werden. Es sind schwierigste familien- und kinderpolitische Fragestellungen, die wir mit Behutsamkeit hier erörtern sollten.

Der Antrag der FDP ist, bei allem Respekt – auch für Sie natürlich –, zu schlicht. Deshalb werden wir ihn ablehnen und bitten stattdessen um Zustimmung zum differenzierten Antrag

(Günter Rudolph (SPD): Das ist wie Prosa!)

der Koalitionsfraktionen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Wiesmann. – Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Hofmann zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Wiesmann, Sie haben hier, etwas indirekt, auch Ihre persönliche Meinung kundgetan. Ich schätze Sie persönlich sehr, aber das, was Sie eben kundgetan haben, war wirklich schwer verdauliche Kost.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ihr Beitrag steht wirklich für die Rückwärtsgewandtheit und Antiquiertheit der Position der CDU, nicht nur bei diesem Thema.

(Beifall bei der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Meine Damen und Herren, ich frage Sie wirklich allen Ernstes: Ein Kind schaukelt an den Händen zweier Männer

in der Luft, mit der rechten Hand schiebt einer der Männer einen Kinderwagen. – Was ist daran nicht normal?

Wenn ein Paar, eine eingetragene Lebenspartnerschaft – das können Lesben sein, das können Schwule sein – ganz bewusst eine feste Beziehung mit gegenseitigen Rechten und Pflichten auf Dauer eingegangen ist und diesen Schritt ganz bewusst getan hat, um in einer auf Dauer angelegten Beziehung füreinander da zu sein, wenn Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, was wir doch begrüßen und unterstützen, auch als Gesellschaft, wenn diese beiden Menschen das Bedeutendste tun, was es überhaupt gibt, nämlich zu sagen: „Ja, wir wollen ein Kind erziehen und das verantwortungsvoll tun“,

(Beifall bei der SPD, der FDP und der LINKEN)

dann frage ich Sie doch allen Ernstes: Warum soll das diesem Paar untersagt werden?