Daraus hat er auch Schlüsse gezogen. Einer dieser Schlüsse war: Man muss den Ausbau der regenerativen Energien dämpfen, reduzieren – stoppen. Man muss den Ausbau der regenerativen Energien womöglich wirtschaftlicher gestalten. Eine seiner Maßnahmen war es, einen Deckel für die Windkraft einzuführen. Eigentlich war das gar kein richtiger Deckel, aber zumindest in der Öffentlichkeit hat er es so dargestellt. Im Hessischen Landtag haben wir das auch sehr intensiv diskutiert.
Was ist passiert? Eigentlich sollten 2.500 MW Leistung zugebaut werden, eine hohe Zahl an neuen Windkraftanlagen auf dem Land. Aber Herr Gabriel ist mit seinem Versuch, den Ausbau der Windenergie in den Griff zu bekommen, gescheitert. Fast 100 % mehr Zubau als gedacht – mit immensen Folgen für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Industrie und für das Gewerbe in Deutschland.
Ich sage Ihnen: Viele Bürger haben die Lust auf die Energiewende schon verloren. Warum haben sie die Lust verloren? Sie haben die Nase voll von der Energiewende, z. B. deswegen, weil wir einen neuen Begriff in die Politik einführen mussten, den Begriff Energiearmut: Haushalte, die mehr als 10 % ihres Einkommens für Energie ausgeben müssen, gelten in Deutschland als „energiearm“. Das sind immerhin 7 Millionen Haushalte.
Jedes Jahr werden über 600.000 Stromanschlüsse von den Energieversorgern abgeklemmt, weil die Menschen ihren Strom nicht mehr bezahlen können. Das sind Entwicklungen, die auf das entscheidend Gesetz im Rahmen der Energiewende zurückzuführen sind, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das den Strom unerhört verteuert.
Die Menschen wissen das, und sie wehren sich dagegen. Über 50 Bürgerinitiativen haben sich in Hessen zusammengeschlossen, um diesem Protest auch sichtbar Ausdruck zu verleihen. Das ignorieren Sie einfach. Jetzt ist auch noch die VhU gegen das Gesetz aufgestanden, ein Wirtschaftsverband, der wirklich nicht als kriegerisch gilt, sondern der sachlich und fundiert Ängste und Befürchtungen darstellt.
Die VhU, die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, weist darauf hin, dass der Zubau der Windkraft massive Belastungen für Hessen auslösen wird. Über einen
Zeitraum von 20 Jahren wird der Windenergieausbau, der im letzten Jahr getätigt worden ist, 5 Milliarden € kosten. Auf Hessen entfällt ein Betrag von 400 Millionen €. Zwei Drittel davon werden das Gewerbe und die Industrie tragen müssen, ein Drittel davon hat die Bevölkerung zu tragen. Das ist eine immense Belastung, die Sie ignorieren, über die Sie einfach hinweggehen. Das wird hart auf Sie zurückschlagen, denn Deutschland steht in einem weltweiten Wettbewerb.
Wenn Sie heute Gewerbetreibende und Unternehmer zur Energiewende befragen, kriegen Sie eine klare Antwort. Sie nehmen ein paar Sparten von zusätzlichen Belastungen aus, z. B. die Unternehmen, die Anlagen produzieren. Das ist in Ordnung. Die Zahl dieser Unternehmen wird aber immer geringer. Der größte Teil der Industrie in Deutschland steht vor einer schwierigen Situation. Schauen Sie sich z. B. Siemens an. Siemens wird massiv Arbeitsplätze abbauen. Siemens wird seine wichtige Energiesparte ins Ausland verlagern. Bei den Energieversorgern und den Anlagenherstellern in Deutschland sind Tausende Arbeitsplätze gefährdet. Ihr Abbau ist bereits angekündigt. Die einzige Förderung, die Sie betreiben, ist die Förderung chinesischer Solaranlagenhersteller.
Was macht die Landesregierung? Die Landesregierung weicht der Diskussion aus. Der Wirtschaftsminister legt Propagandaprogramme im Umfang von 1 Million € auf, um bei den Menschen eine Energiewende beliebt zu machen, von der diese gar nichts mehr hören wollen.
Sie müssen sich endlich einmal vor Augen führen, dass der Widerstand immer stärker wird. Jedes Windrad, das Sie errichten, wird den Widerstand verstärken. Wenn die Landesregierung das nicht erkennt, macht sie einen großen Fehler. Sie lassen die Menschen in Hessen hinter sich. Sie machen eine Politik an den Menschen, an der Industrie und am Gewerbe vorbei.
Ihre Politik kostet Arbeitsplätze. Ihre Politik nimmt den Menschen Chancen. Beenden Sie diese Politik. Diese Politik der Hessischen Landesregierung ist falsch.
(Florian Rentsch (FDP): Wer hätte gedacht, dass wir einmal an der Seite von Sigmar Gabriel stehen würden! – Gegenruf des Ministers Tarek Al-Wazir: Der arme Kerl!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Ich glaube, dass wir uns eher Gedanken darüber machen sollten, dass in diesem Land die Angst vor Innova
tion, vor Fortschritt und vor Technologie geschürt wird, als in diesem Land weiterhin die Möglichkeiten zu sehen, dass neueste Technologien Wohlstand, Energieunabhängigkeit, Arbeitsplätze und Fortschritt sichern.“
Das hat die Kollegin Beer am 27. November 2014 im Plenum in der Debatte um Fracking gesagt. Daran wird aus meiner Sicht deutlich: Sie sehen eine konventionelle Energietechnologie als einen Fortschritt, als modern an – weil es Geld bringt; Kollege Hahn macht eine entsprechende Geste. Schauen Sie doch einmal in Richtung USA. Was passiert da gerade? Dort werden Fracking-Löcher gestopft, Fracking-Anlagen abgestellt, weil sich diese Art der Gasgewinnung wirtschaftlich nicht mehr darstellen lässt.
Deswegen ist es doch sinnvoll, in eine zukunftsfähige und nachhaltige Versorgung mit erneuerbaren Energien zu investieren, die keine Umweltfolgekosten bedingen, wie das z. B. bei Windkraft und bei Sonnenenergie der Fall ist.
Der Vorwurf der FDP-Fraktion, die Energiewende sei ein Kostentreiber für die Bürger und die Wirtschaft, ist nicht richtig. Ohne die Energiewende wäre Strom heute deutlich teurer. Dank der Windräder und Solaranlagen haben die deutschen Verbraucher allein im Jahre 2013 rund 11,2 Milliarden € gespart.
Das ist kein Unsinn, Herr Rentsch, sondern das hat eine von Siemens in Auftrag gegebene Studie der Uni Erlangen-Nürnberg festgestellt, die Anfang dieser Woche herausgegeben wurde.
Ohne die Erzeugung von Energie aus Windkraft und Sonnenenergie wäre Strom heute doppelt so teuer. Allein wegen der niedrigen Strombörsenpreise hat die deutsche Wirtschaft im Jahr 2013 30 Milliarden € gespart. Die Energiewende ist ein merklicher Innovationsmotor in unserem Land.
Lassen Sie mich auch noch etwas zu dieser Landesregierung sagen; da müssen wir jetzt die GRÜNEN mit in die Verantwortung nehmen. Herr Al-Wazir, Sie schieben die Ausweisung von Windvorrangflächen auf die lange Bank. Das ist aus meiner Sicht nicht der richtige Weg. Sie haben in Ihrer Regierungserklärung hier im Landtag im Juli letzten Jahres noch gesagt, Sie wollen die Einwände, die bei der Offenlage der Regionalpläne vor allem in Südhessen eingegangen sind, „zügig bearbeiten“. Ich weiß nicht, was dieser grüne Energie- und Wirtschaftsminister unter „zügig“ versteht. Aber dass die zweite Offenlage der Ausweisung von Windvorrangflächen in Südhessen erst im zweiten Quartal 2016 erfolgen soll, das ist keine „zügige Abarbeitung“.
Mir ist völlig schleierhaft, wie es Ihnen, wenn Sie erst 2016 offenlegen, gelingen soll – Sie können ja nicht ausschließen, dass es eine dritte Offenlage gibt –, bis zum Ende der Wahlperiode den Anteil erneuerbarer Energien in
Hessen von heute 12,5 % auf 25 % zu verdoppeln. Herr Al-Wazir, das ist für mich nicht schlüssig. Das müssten Sie noch erklären. Was mich dann aber erst recht wundert: Sie haben auf eine Kleine Anfrage von mir, ob das denn dem Zeitplan der Landesregierung entspreche, geantwortet, es liege alles im Zeitplan. Da stimmt in der Tat etwas nicht. Herr Al-Wazir, da müssen Sie Rede und Antwort stehen.
Eines ist klar: Herr Al-Wazir hat jetzt den Ausweg für Helden entdeckt und in der „FAZ“ darauf verwiesen, das alles sei gar nicht so schlimm, man brauche all diese Vorranggebiete nicht, es reiche völlig aus – § 35 Baugesetzbuch –, dass man im Außenbereich privilegiert bauen kann. Das steht in der „FAZ“ vom 30. Januar. Darauf haben Sie verwiesen.
Ich habe das Gefühl, dass Sie sich als GRÜNE allmählich vom Ergebnis des Hessischen Energiegipfels distanzieren. Sie sehen, dass die Ausweisung von 2 % der Landesfläche als Vorranggebiete nicht umsetzbar ist; das bekommen Sie mit Ihrem Koalitionspartner nicht durch.
Stattdessen wollen Sie es sozusagen durch die Hintertür erreichen, indem Sie auf § 35 Baugesetzbuch verweisen. Das kann man so machen. Aber dann gehört es zur Ehrlichkeit und Redlichkeit dazu, zu sagen, in der Diskussion über Schwarz-Weiß-Planung – über Vorrangflächen und Ausschlussgebiete – ist man gescheitert.
Herr Al-Wazir, Sie müssen sich, bitte schön, hierhin stellen und den Mut aufbringen, das zu sagen. Es ist nicht so, dass nur die hessische SPD das kritisiert. In einem Kommentar der „FAZ“ vom 29. Januar steht, dass eine Ausweisung erst im Jahr 2016 deutlich zu spät ist:
Das ist zu lang. Heute wird die Ausweisung von Windvorrangflächen benötigt, nicht in zwei, drei oder vielleicht sogar vier Jahren.
Und die Politik muss, wenn sie Vorranggebiete will, eine Behörde mit ausreichend Mitarbeitern ausstatten. Derzeit wirkt das Verfahren jedenfalls wie eine Beschäftigungstherapie für Regionalpolitik und Verwaltung.
Bringen Sie also den Mut auf, und positionieren Sie sich klar. Ich weiß, Sie haben einen Konflikt mit Ihrem Koalitionspartner in diesem Hause. Wir stehen an Ihrer Seite. Wir wollen, dass die Energiewende gelingt: mit Windkraft und mit Solarkraft. Dafür kämpft die Sozialdemokratie. – Vielen Dank.