Protocol of the Session on February 4, 2015

(Timon Gremmels (SPD): 3 Millionen haben wir schon bezahlt, das ist doch Quatsch!)

Drittens. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wollen heute im Landtag beschließen lassen, dass der betreffende Briefwechsel rechtliche Auswirkungen auf einen Schadenersatzanspruch von RWE gegen Land oder Bund haben wird. Ich frage Sie: Verfügen Sie etwa über hellseherische Fähigkeiten? Woher wollen Sie wissen, wie dieser Rechtsstreit ausgehen wird?

(Günther Rudolph (SPD): Rechtswidriger Beschluss!)

Ist es Ihr Wunsch, ein bestimmtes Ergebnis vorwegzunehmen, oder wollen Sie bewusst die Position von RWE in einer rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Land Hessen verbessern? – Anders ist Ihr Verhalten nicht zu erklären.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch das gehört zur Wahrheit: RWE fehlte 2011 der Mut, zu widersprechen und konkrete Schritte in die Wege zu leiten, die ein Wiederanfahren der Meiler ermöglicht hätten. Man brach sogar eine Revision ab, errechnete, wie teuer die Erfüllung der Sicherheitsauflagen kommen würde, und entschied sich dann, kooperativ mit der Politik zu sein und die Vorgaben, wenn sie kommen, zu akzeptieren. So war es zu lesen von der RWE, so wurde es verkündet von der RWE. Jetzt will sich der Konzern auf Kosten der Steuerzahler Schadenersatz einklagen. Schön, dass sie in Ihnen treue Verbündete haben.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der SPD)

Um es noch einmal klar zu sagen: Mit dem Schreiben an RWE vom 13. Juni hat der Ministerpräsident klar den politischen Willen der Hessischen Landesregierung, des Hessischen Landtags und des Bundes zum Ausdruck gebracht, dass der Ausstieg aus der Kernenergie in Bezug auf die sieben ältesten Kernkraftwerke dauerhaft beschlossen war

und ein erneutes Wiederanfahren von Biblis im Zeitraum zwischen dem Ablauf des Moratoriums am 18. Juni und dem Inkrafttreten des Atomausstiegsgesetzes im August unterbleiben sollte. Dadurch sollte jede eventuelle Unklarheit über die politische Entschlussfassung aus dem Weg geräumt werden. Das – und das scheinen Sie auszublenden – entsprach dem Willen aller Parteien im Hessischen Landtag, der Hessischen Landesregierung und der Bevölkerung.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Insofern stellt dieses Schreiben – wir haben bereits im Untersuchungsausschuss versucht, Ihnen das deutlich zu machen, und ich versuche es jetzt noch einmal – keinen formellen Bescheid dar und war nichts anderes als die Bekräftigung einer bereits getroffenen politischen Entscheidung. Klar ist, der Bund hat eine klare Anweisung zur Stilllegung gegeben.

(Zurufe von der SPD: Nein!)

Alle Bundesländer haben in gleicher Weise gehandelt. Alle Parteien wollten schnellstmöglich aus der Kernenergie aussteigen.

(Timon Gremmels (SPD): Sie sollten die Akten lesen!)

Manchen dauerte es damals schon zu lange. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist auch falsch, wenn Sie in diesem Zusammenhang in Ihrem Antrag auf das Urteil des VGH in Kassel verweisen. Der VGH hat zum Thema Schadenersatz keine Aussage getroffen. Er hat also nicht, wie Sie unter Punkt 3 formulieren, festgestellt, dass dem Briefwechsel eine rechtliche Bedeutung zukommt. Mit Ihrem Antrag missachten Sie also nicht nur den Hessischen Landtag, sondern greifen auch einer gerichtlichen Entscheidung vor.

(Günther Rudolph (SPD): Falsch!)

Sie nehmen auch Vorverurteilungen in Kauf, obwohl sich das Land noch nicht einmal im Prozess erklärt hat. Unerträglich fand ich die Einlassung Ihres Fraktionsvorsitzenden in Richtung des Ministerpräsidenten. Auch dies kann letztlich nur RWE nutzen und zum Nachteil des Landes Hessen sein. Sie machen sich damit zum besten Atomlobbyisten von RWE.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD und der LINKEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Unglaublich!)

Das hat nichts mit verantwortlicher Oppositionspolitik zu tun, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Uiuiui!)

Sie sollten sich den wirklichen Sachproblemen im Untersuchungsausschuss zuwenden und erneut und massiver an Ihre SPD-Parteigenossin, die Bundesumweltministerin Hendricks, appellieren, damit diese ihre Blockadehaltung wegen der Vernehmung der Zeugen aufgibt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Hendricks verhindert gerade, dass der damals für die Biblis-Stilllegung im Ministerium an zentraler Stelle zuständige Referatsleiter vor unserem Ausschuss als Zeuge aussagen darf. Anders übrigens ist es bei Herrn Röttgen: Der hat seine Aussagegenehmigung durch die Bundesregierung erhalten. Da sind Sie nicht auf Ballhöhe, wenn Sie

dies unserem Ministerpräsidenten vorhalten, meine Damen und Herren von der SPD.

Aus den Ausschussakten geht klar hervor, dass dieser Zeuge die Auffassung vertreten hat, der Bund habe die Sachkompetenz bei der einstweiligen Stilllegung innegehabt und müsse deshalb auch für mögliche Schadenersatzansprüche aufkommen.

(Norbert Schmitt (SPD): Wenn Sie aus den Akten zitieren, werde ich das künftig auch tun!)

Die Frage ist, wo da Ihre Empörung bleibt, meine Damen und Herren von der SPD. Warum setzten Sie sich mit Ihrer Parteigenossin nicht in Verbindung? Haben Sie dort etwas zu verbergen?

So geht das nicht: Auf der einen Seite wittern Sie eine Verschwörung der Landespolitik mit RWE, auf der anderen Seite äußern Sie sich allenfalls moderat zu Vorgängen, die eindeutig die weitere Aufklärung im Ausschuss behindern.

Stattdessen sind Sie sich nicht zu schade, einen ehemaligen Abteilungsleiter aus dem Umweltministerium in Hinterzimmern vor die Presse zu ziehen, der sich dann zu einem Vorgang äußert, der zu einer Zeit stattfand, als dieser Herr gar nicht mehr im Bundesumweltministerium gearbeitet hat. – Auch das ist unredlich und durchschaubar. Sie wollen offensichtlich nicht aufklären, sondern eine Verschwörungstheorie präsentieren, die vielleicht Ihren parteipolitischen Interessen dient, aber nicht den Interessen unseres Landes.

Ihr Verhalten überschreitet persönliche Grenzen, weil Sie sich nicht zu schade sind, Menschen vorzuverurteilen und der Kumpanei zu bezichtigen. Das ist unangemessen, ungerecht und unverschämt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD)

Sie nehmen damit nachteilige Auswirkungen auf unseren Untersuchungsausschuss, auf das Bund-Länder-Verhältnis und auf das laufende Gerichtsverfahren in Kauf.

Ich fordere Sie auf: Hören Sie auf mit Ihren Vorverurteilungen und voreiligen Schlussfolgerungen. Kehren Sie zu einer sachlichen Arbeit im Untersuchungsausschuss zurück. Setzen Sie sich bei Ihrer Parteigenossin Hendricks dafür ein, dass wir hier unsere Arbeit machen können.

(Manfred Pentz (CDU): Genau!)

Damit wäre nicht nur Ihrem eigenen Ansehen in der Sozialdemokratie, sondern auch den Interessen des Landes Hessen gedient – und insbesondere Letzteres liegt mir am Herzen. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bellino. – Es gibt eine Kurzintervention. Frau Kollegin Wissler, Sie haben das Wort.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Muss ich mir so etwas anhören? – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bellino, ich habe

mich noch einmal zu Wort gemeldet, um Sie zum einen an einer Stelle zu berichtigen.

Sie haben unter Abscheu und Entsetzen meine Ausführungen zurückgewiesen, der Hessische Ministerpräsident und damalige Innenminister hätte NSU-Ermittlungen erschwert. Um das richtigzustellen, möchte ich mitteilen, dass im gemeinsamen Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses auf Bundesebene genau das nachzulesen ist,

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

dass Volker Bouffier

… den Quellenschutz von fünf Quellen höher als den zusätzlichen Erkenntnisgewinn durch eine polizeiliche Vernehmung [bewertete].

Die Polizei sah ihre Ermittlungen dadurch zu Recht massiv beeinträchtigt.

Das können Sie auf Seite 833 und Seite 836 des Abschlussberichts des Deutschen Bundestages nachlesen. Dem hat die CDU-Fraktion auch zugestimmt. Das will ich an dieser Stelle nur einmal deutlich machen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Die GRÜNEN haben übrigens ein Sondervotum in dieser Hinsicht abgegeben, das noch sehr viel schärfer ausfällt.

(Heiterkeit bei der LINKEN und der SPD)

Ich habe mich aber auch zu Wort gemeldet, weil ich finde, dass Ihre Rede wirklich eine Unverschämtheit war.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)