Protocol of the Session on February 4, 2015

(Janine Wissler (DIE LINKE): Es würde schon reichen, nicht überall Regionalflughäfen zu errichten!)

Herr Minister, ich muss Sie an die Redezeit der Fraktionen erinnern.

Ja, Frau Präsidentin. – Wir haben auch da eine Situation, dass es Akteure gibt, die ihre Rechte wahrnehmen können und die nicht par ordre du mufti irgendwohin geschoben werden können.

Natürlich machen wir uns aber Gedanken über Nachhaltigkeit des Luftverkehrs, Intermodalität, die Ausweitung der lärmbezogenen Flughafenentgelte und den Emissionshandel mit allem, was dazugehört.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Sie haben die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Bahn angesprochen. Auch hier habe ich sehr aufmerksam gelesen, was der BUND dazu vorgestellt hat. Aber auch hier ist es nicht so, dass man es einfach beschließen könnte. Die Luftverkehrswirtschaft selbst hat gar kein großes Interesse an unwirtschaftlichen und deshalb übrigens meist auch an Flügen, an denen man nichts verdient, im Ultrakurzstreckenbereich. Vielmehr machen sie das, weil sie Sorge haben, Kunden ansonsten auf der Langstrecke zu verlieren. Genau das ist das Problem.

Am Ende entscheiden die Kunden, weswegen sie auch mit attraktiven Angeboten zu einem Umstieg auf Zubringerverbindungen per Bahn zu bewegen sind. Dazu braucht es dreierlei: kurze Taktung, kurze Reisezeiten, guten Service.

Die AIRail-Angebote, die nun übrigens auch Kassel beinhalten – ich weiß nicht, wer es mitbekommen hat, also von Köln, Düsseldorf, Karlsruhe, Stuttgart, Kassel kann man

mit einer Lufthansa-Flugnummer in den Zug einsteigen, das funktioniert –, haben 2014 immerhin 360.000 Passagiere gehabt. Das ist nicht viel, wenn man es mit dem vergleicht, was in der Luft passiert ist. Es zeigt aber, dass die Bahn durchaus ein Entlastungspotenzial bietet.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sehr gut!)

Es gehört aber zur Wahrheit dazu, wenn Sie sich allein die Berlin-Verkehre anschauen und überlegen, das alles in die Bahn bringen zu müssen, dass beispielsweise die Bahnstrecke Frankfurt – Fulda solche zusätzlichen Verkehre momentan gar nicht aufnehmen könnte.

Deswegen reden wir bei dieser Frage auch über Schienenverkehrsinfrastrukturprojekte, wir reden über die Beschleunigung Frankfurt – Fulda, wir reden über die Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim, wir reden über Verbesserungen im Knoten Frankfurt. Auch das hat indirekt etwas damit zu tun, dass intermodaler gedacht wird. Sie sehen, wir haben einen umfassenden Blick. Und genau dieser umfassende Blick wird uns auch bei der Frage des Terminals 3 leiten. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich mache Sie jedoch darauf aufmerksam, dass Sie mit „entblödet“ einen Begriff gewählt haben, der nicht parlamentarisch ist. Ich muss das entschieden zurückweisen.

(Beifall bei der FDP)

Zu einer Kurzintervention hat sich Kollege Lenders von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben zwei Minuten Redezeit.

Herr Staatsminister, nur eine kurze Frage, weil Sie es in Ihrer Rede ausdrücklich so gesagt und eine Zwischenfrage nicht zugelassen haben: Sie sprechen davon, jetzt eine möglichst seriöse Prognose erstellen zu wollen.

Beantworten Sie mir doch bitte die Frage, was denn, bitte schön, Ihrer Meinung nach an den Prognosen von Intraplan oder MKmetric nicht seriös ist.

(Beifall bei der FDP)

Was an diesen beiden Prognosen hat Sie eigentlich gestört und daran zweifeln lassen, dass Zahlen und Fakten, die darin niedergelegt worden sind, nicht mit Ihrer Einschätzung übereinstimmen? – Diese Frage hätte ich gern einmal beantwortet.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister, Sie haben die Möglichkeit, zu antworten.

Ich zweifle die Gutachten nicht an. Ich sage nur, dass es aus Sicht des größten Anteilseigners, der werthaltigsten

Beteiligung des Landes Hessen, Sinn ergibt, genau diese Gutachten noch einmal einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen, weil eine Investition von knapp 3 Milliarden € auch die Fraport AG nicht einfach mal so aus dem Ärmel schüttelt, Herr Lenders. Da müssten Sie mir eigentlich zustimmen.

Ansonsten, was das Stichwort „entblödet“ angeht: Ich nehme den Ausdruck ausdrücklich zurück. Ich will es vielleicht einmal so ausdrücken: Mich wundert es ein bisschen, dass diejenigen, die immer für den Ausbau waren, sich jetzt über den Lärm beschweren.

(Günter Rudolph (SPD): Uns wundert von Ihnen nichts mehr!)

Aber das ist vielleicht ein Grund, warum ich in dieser Frage manchmal emotional geredet habe. Insofern hoffe ich, dass wir zu einer ordentlichen Debatte zurückkehren. Wir können morgen den nächsten Versuch starten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister, auch für die Klärung. – Jetzt sind wir am Ende der Debatte. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich gehe davon aus, dass die beiden Anträge, der Antrag der Fraktion DIE LINKE und der Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dem Verkehrsausschuss überwiesen werden. – Herr Kollege Schaus, bitte schön.

Frau Präsidentin, wir haben drei Anträge vorliegen, wenn ich es richtig sehe: unseren, den von der FDP und den von den Koalitionsfraktionen. Wir haben uns verständigt, dass über alle drei hier abgestimmt werden soll.

Dann ist diese Nachricht so angekommen, dann machen wir das und stimmen über alle drei Anträge ab.

Wir stimmen zuerst über den Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 19/1525, ab. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die FDP. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir stimmen ab über den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion der FDP, Drucks. 19/1553. Wird immer noch die punktuelle Abstimmung gewünscht? – Nein, dann stimmen wir in Gänze über diesen Antrag ab. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktion der FDP. Wer stimmt dagegen? CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und DIE LINKE. Damit ist dieser Dringliche Entschließungsantrag abgelehnt.

Ich rufe Punkt 50 auf, Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 19/1559. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU, BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? – FDP, SPD und DIE LINKE. Damit ist dieser Antrag angenommen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf:

Antrag der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und der FDP betreffend 70 Jahre Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee – Gedenken der Opfer bleibt Auftrag für die Zukunft – Drucks. 19/1523 –

Dieser Antrag wird aufgerufen mit Tagesordnungspunkt 45:

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend 70 Jahre Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 – Gedenken an die Opfer bleibt Auftrag für die Zukunft – Drucks. 19/1535 –

Als erster Redner hat sich Kollege Spies zu Wort gemeldet. Die vereinbarte Redezeit beträgt siebeneinhalb Minuten. Herr Kollege Spies, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Vorbemerkung. Am 16. Januar wurde der Antragsentwurf der SPD zum Gedenken an den 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz den Fraktionen der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und der FDP zugesandt mit der Bitte um Stellungnahme für einen gemeinsamen Antrag. Seitens der FDP und der LINKEN kamen Hinweise, seitens der GRÜNEN Ablehnung. Eine Rückmeldung der CDU steht bis heute aus. Wo hier parteiliche Instrumentalisierung des Gedenkens liegen kann, möge jeder selbst beurteilen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am 27. Januar 1945 wurden die Gefangenen des Konzentrationslagers Auschwitz durch die 322. Infanteriedivision der Roten Armee befreit. Von den noch angetroffenen überlebenden Häftlingen verstarben viele trotz medizinischer Hilfe in den folgenden Tagen. Mindestens 1,2 Millionen Menschen waren bis dahin allein an diesem Ort systematisch misshandelt, gedemütigt, missbraucht und ermordet worden.

Noch heute glaubt man an der Rampe in Auschwitz zu spüren, wie Menschen damals sortiert wurden, ob sie sofort in der Gaskammer oder langsamer im Arbeitslager ermordet würden oder von Josef Mengele für medizinische Experimente benutzt werden sollten. Ein Ort, an dem die Grenzenlosigkeit des Verbrechens, die totale Entmenschlichung der Verbrecher eine kaum auszuhaltende Beklemmung auslöst. Es ist die Unterteilung in verwertbare und unwerte Menschen. Es ist die Entmenschlichung durch Reduzierung auf das eine Merkmal, das Verneinung bis zur Vernichtung begründen sollte. Die Monstrosität des Ortes lässt immer noch die Monstrosität der Taten ahnen.

Verbrechen sind immer unfassbar. Aber erst der Plan zur vollständigen Vernichtung der gesamten jüdischen Bevölkerung Europas und noch mehr die bürokratische, nach der Wannsee-Konferenz industriell organisierte Umsetzung des Massenmordes machen die Geschehnisse so unvergleichlich und jenseits aller anderen menschlichen Verbrechen zur singulären Katastrophe. Es ist diese Singularität, die die besondere unauslöschbare Verantwortlichkeit der

Nation der Nachfahren der Täter begründet, jene Verantwortlichkeit, der wir uns immer neu stellen müssen.

Gewiss, es gibt kaum einen Staat, der in seiner Geschichte immer frei blieb von schuldhafter Verstrickung in Krieg und Gewalt. Der Völkermord an den Juden jedoch ist beispiellos in der Geschichte.

So Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985. Es diese Einzigartigkeit des Verbrechens, die die dauerhafte Gegenwärtigkeit der Erinnerung erzwingt. Noch einmal von Weizsäcker:

Erinnern heißt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu gedenken, dass es zu einem Teil des eigenen Innern wird.

Es kommt also auf schmerzhafte Klarheit an, jenseits obskurer Debatten des Historikerstreits oder um kleinliche Deutungshoheiten. Deshalb bleibt es doch zumindest zum Tag der Befreiung von Auschwitz, zumindest zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus unangemessen, wenn – das ist der einzige wesentliche Unterschied zwischen den beiden vorliegenden Anträgen – Sie in Ihrem Antrag die Benennung der Einzigartigkeit durch den Plural der Diktaturen ersetzen. Deswegen und nur deswegen werden wir uns bei Ihrem Antrag enthalten.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)