Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute bekommt Hessen ein neues Vergabe- und Tariftreuegesetz, ein Gesetz, dass dafür sorgt, dass in Hessen fairer Wettbewerb ab dem 1. Januar 2015 noch besser durchgesetzt werden kann.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD): Noch besser?)
Es ist ein Gesetz, das den Kommunen und Landesbehörden dabei hilft, sparsam mit öffentlichen Mitteln umzugehen, ein Gesetz, das durch seine hohen Anforderungen an Transparenz dafür sorgt, dass der Korruptionsgefahr entgegengewirkt werden kann.
Mit unserem Gesetzentwurf wahren wir die nötige Balance zwischen den Anforderungen, die öffentliche Auftraggeber und Auftragnehmer erfüllen müssen, und den hohen politischen Ansprüchen, die die Regierungsfraktionen von CDU und GRÜNEN an ein solches Gesetz haben. Ökonomische, ökologische und soziale Belange erfahren eine neue, eine bessere Gewichtung als mit dem bisherigen Hessischen Vergabegesetz.
Mit diesem Gesetz werden Tariftreue und Mindestlohn auch für den Bereich des öffentlichen Nahverkehrs in Hessen gesichert. Wer in Hessen einen öffentlichen Auftrag ausführen will, der ist zur Zahlung des allgemeinverbindlichen Tariflohns verpflichtet – und zwar nicht nur er, sondern auch seine möglichen Sub- oder Verleihunternehmer. Tariftreue ist jetzt für jeden verpflichtend, der im öffentlichen Auftrag tätig werden will.
Damit klar ist, dass Verstöße gegen die Pflicht zur Tariftreue auch empfindliche Folgen für Unternehmen haben: Wer dagegen verstößt, dem kann nicht nur gekündigt und eine Vertragsstrafe aufgebrummt werden, sondern er wird in Hessen künftig von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen. So garantieren wir den fairen Wettbewerb, denn wir schützen die guten Dienstleister vor denen, die sich mit unfairen Mitteln auf Kosten ihrer Beschäftigten einen Vorteil verschaffen wollen.
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil unseres neuen Gesetzes ist die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns. Durch unsere Kopplung an den Mindestlohn des Bundes haben wir hier von Beginn an im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehandelt, denn sie brauchen vor allem Rechtssicherheit. Aber die Vorschläge, die wir bei SPD und LINKEN im Gesetzentwurf finden, sind eben nicht rechtssicher.
Mit unserem Gesetz eröffnen wir endlich die Möglichkeit, ökologische und soziale Kriterien bei öffentlichen Aufträgen zu berücksichtigen. Künftig müssen die Landesbeschaffungsstellen jede Beschaffung nicht nur nach dem Kaufpreis beurteilen, sondern bei der Angebotsbewertung die Lebenszykluskosten berücksichtigen. So wird Nachhaltigkeit im öffentlichen Beschaffungswesen noch mehr Realität, als sie das schon bisher war.
Wir haben heute die dritte Lesung dieses Gesetzentwurfs. Heute wird er endlich zum Gesetz erhoben. Deshalb will ich auch nicht alles, was wir schon in den ersten beiden Lesungen ausgetauscht haben, einfach wiederholen. Ich möchte damit schließen, dass ich mich freue, dass wir dieses Gesetz heute endlich beschließen und Hessen damit ein weiteres Stück grüner und gerechter wird. – Vielen Dank.
(Clemens Reif (CDU): Jetzt kommt wieder ein Gewitter! – Holger Bellino (CDU): Ein sozialistisches Gewitter!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das schwarzgrüne Vergabegesetz ist vor allem ein Gesetz der verpassten Chancen. Das kritisieren auch die Gewerkschaften. In der Anhörung haben die Gewerkschaften das vorgetragen und auch danach.
Es ist vor allem deshalb ein Gesetz der verpassten Chancen, weil es eine ganze Menge Hintertüren und Schlupflöcher offenhält. Beispielsweise fehlt die Generalunternehmerhaftung. Das bedeutet, dass Unternehmen, die Aufträge an Subsubsubunternehmen vergeben, am Ende eben nicht dafür geradestehen, was bei diesen Subunternehmen passiert. Es ist vollkommen klar, dass man daraus ein Geschäftsmodell machen kann. Das fehlt.
Es ist aber auch ein Problem, dass dieses Gesetz größtenteils auf Freiwilligkeit setzt, im ganzen Bereich der Kommunen. Man sagt: Man kann die Regelungen anwenden, aber man muss sie nicht anwenden. Macht es das Vergabeverfahren wirklich einfacher, wenn man entscheidet: Bei dem einen Verfahren wende ich es an und sage, sozialökologische Kriterien sind sinnvoll; beim anderen wende ich es nicht an?
Ich frage: Welchen Grund gibt es denn, bei einem Vergabeverfahren zu sagen, die Entgeltgleichheit für Frauen und Männer wenden wir an, beim nächsten aber nicht? Warum soll man bei einem Auftrag sozial-ökologische Kriterien und Umweltstandards berücksichtigen, vielleicht auch die Ausbildungsquote – beim nächsten Auftrag aber nicht? – Das schafft eben doch gerade keine gleichen Bedingungen, sondern öffnet der Willkür Tür und Tor.
Herr Boddenberg, vorhin haben Sie „Was ist mit dem Mittelstand?“ dazwischengerufen: Für den Mittelstand wird es nicht einfacher, wenn man keine klaren und verbindlichen Kriterien hat.
Man braucht klare und verbindliche Kriterien, damit die Kriterien nicht bei jedem Auftrag andere sind.
Deswegen hätten wir es sinnvoller gefunden, wenn man bestimmte Dinge festgeschrieben hätte – und vor allem, wenn man auch für eine vernünftige Kontrolle gesorgt hätte. Denn es ist natürlich auch ein Problem dieses Gesetzentwurfs, dass die Kontrolle überhaupt nicht ausreichend
gesichert ist. Da hätten wir uns gewünscht, man wäre einen Weg gegangen, wie das beispielsweise Hamburg getan hat – um eben wirklich dafür zu sorgen, dass dieses Gesetz eingehalten wird.
Wir kritisieren, dass die ILO-Kernarbeitsnormen fehlen. Das finde ich enttäuschend. Es wäre notwendig gewesen, sie in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich verpflichtet, die ILO-Kernarbeitsnormen umzusetzen und zu achten. Dabei geht es darum, dass man keine Produkte aus Kinderarbeit kauft; es geht aber auch darum, dass man keine Produkte beispielsweise aus Zwangsarbeit beschafft.
Es wäre eine Möglichkeit gewesen, diese Zusage, die man gemacht hat, wirklich in Gesetze zu implementieren. Leider ist das nicht der Fall. Das war auch eine Forderung des Entwicklungspolitischen Netzwerks. Ich hätte mir gewünscht, dass man das aufgenommen hätte.
Das Land Hessen hat hier eine große Verantwortung, denn natürlich ist die öffentliche Hand der größte Auftraggeber der privaten Wirtschaft. Deswegen kann die öffentliche Hand auch durch Tariftreue- und Vergabegesetze Mindeststandards setzen, die sich auf den Rest des Wirtschaftslebens auswirken. Deswegen hat das Land hier eine ganz besondere Verpflichtung, eine ganz besondere Verantwortung, hier Standards zu setzen. Ich füge hinzu: gerade in einem reichen Land wie Hessen. Gestern in der Haushaltsdebatte und vorgestern vom Ministerpräsidenten haben wir gehört, dass wir angeblich in einem blühenden Land leben – mit „blühenden Landschaften“ oder so ähnlich hat er sich ausgedrückt.
Gerade wenn man über die wirtschaftliche Stärke Hessens spricht, dann sollte man doch auch in einem Gesetz festlegen, dass kein Mensch in diesem Land für unter 10 € pro Stunde arbeiten muss. Es ist sehr wohl möglich, jenseits des gesetzlichen Mindestlohns vergabespezifische Mindestlöhne in ein Landesgesetz zu schreiben. SchleswigHolstein hat das beispielsweise getan. Es hätte Hessen als wirtschaftlich starkem Land wirklich gut angestanden, einen vergabespezifischen Mindestlohn festzuschreiben.
Die Kollegin Barth hat gesagt, sie hätte keine dritte Lesung gebraucht. Rückblickend kann auch ich das sagen.
Die dritte Lesung ist aber der Tatsache geschuldet, dass der Gesetzentwurf nicht nur inhaltlich, sondern auch handwerklich nicht so richtig prima ist. Herr Klose, es tut mir leid, aber wenn Sie kurzfristig Änderungsvorschläge in die Plenarsitzung einbringen, man aber ein vernünftiges Gesetzgebungsverfahren machen und die Vorschläge in aller Seriosität prüfen möchte – was wir natürlich tun –, dann muss man eben in eine dritte Lesung gehen.
Am Ende hätte man die zwar nicht gebraucht, man hätte sie sich aber ersparen könne, Herr Kollege Klose, wenn man angekündigt hätte, dass es einen Änderungsantrag gibt, oder wenn Sie das halbe Jahr, in dem der Gesetzentwurf im Verfahren war, genutzt hätten, ein bisschen schneller zu arbeiten. Aber es ist ja kein Drama; wir haben über den Entwurf jetzt noch einmal diskutiert.
Ich denke, dass der Gesetzentwurf, den wir LINKE vorgelegt haben, sehr viel besser und weiter gehend ist. Auch
den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion halten wir zumindest für einen Fortschritt. Deshalb haben wir ihm zugestimmt und werden ihm auch heute zustimmen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der heutigen dritten Lesung des Vergabe- und Tariftreuegesetzes sind wir am Ende einer langen Diskussion, in der wir viele unterschiedliche Standpunkte ausgetauscht haben – einige waren aus der jeweiligen Sicht sachlich durchaus begründet –, die wir zum Teil auch für Nachbesserungen genutzt haben.
Bei anderen Punkten sind wir dem, was Sie uns vorgestellt haben, nicht gefolgt, beispielsweise hinsichtlich der Einrichtung einer Prüfbehörde, weil wir das für einen nicht angemessen Rahmen halten. Ich will Ihnen an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen: Der Gesetzentwurf enthält einen § 9, der die Überschrift „Nachweise und Kontrollen“ trägt. Wie er sich auswirken wird, können wir nicht sagen, denn er ist neu. Das müssen wir uns erst einmal anschauen.
Wir sind der Auffassung, dass wir eine angemessene, der Fragestellung Rechnung tragende Regelung gefunden haben, die dafür sorgen wird, dass die Vorgaben des Gesetzes eingehalten werden, ob das die Tariftreue, den Mindestlohn, die Nachweise oder andere Bedingungen betrifft. Das können wir als öffentlicher Auftraggeber überprüfen – aber nicht mittels einer Prüfbehörde, wie Sie vorschlagen. Insofern haben Sie recht, wenn Sie sagen, Ihr Gesetzentwurf ist weiter gehend, Frau Kollegin. Er ist aber auch schlechter.
Wir sind der Auffassung, dass dies ein Gesetzentwurf ist, der verständlich, praktikabel und für den Mittelstand handhabbar ist, der nicht dazu führen wird, dass die Mittelständler wegen eines überbordenden Vergabegesetzes gar keine Angebote mehr abgeben, weil sie gar nicht alle Nachweispflichten erfüllen können, wie es in NordrheinWestfalen nach dem von der SPD getragenen und von den GRÜNEN überzogenen Vergabegesetz der Fall ist. Das wollen wir nicht.
Wir wollen, dass viele Mittelständler Angebote abgeben. Wir wollen, dass dieses Vergabegesetz die Wirtschaft unterstützt und nicht hindert. Wir haben uns aber gemeinsam mit den grünen Fraktionskollegen auch viele Gedanken darüber gemacht, wie wir das Ganze transparent, gerecht und so gestalten, dass niemand benachteiligt wird. Meine Damen und Herren, ich denke, das ist mit diesem Gesetzentwurf gut gelungen.
Dazu gehört die Möglichkeit für die öffentlichen Auftraggeber, soziale, ökologische und innovative Anforderungen zu formulieren. Das hat der Kollege Klose gerade ausge
Ich möchte aber auch sagen: Mit hohen Freigrenzen für eine freihändige Vergabe und mit der Möglichkeit zu beschränkter Ausschreibung geben wir den Kommunen, den Landkreisen, den Gemeinden und den Städten ein Mittel an die Hand, aktiv Wirtschaftsförderung zu betreiben, indem Aufträge vergaberechtskonform an den regionalen, an den örtlichen Mittelstand und damit eben an die Firmen vergeben werden können, die Arbeitsplätze bereitstellen, die Arbeitsplätze schaffen, die Steuern zahlen. Insbesondere diese Firmen sollen von den Kommunen Aufträge bekommen. Wir haben beim Konjunkturförderprogramm gesehen: Das ist eine gute und richtige Maßnahme.
Wir haben uns aus verschiedenen Gründen vorgenommen, nach drei Jahren die Auswirkungen unserer Regelungen auf die Einhaltung der Tariftreue zu überprüfen. Wir werden dann sicherlich auch Gelegenheit nehmen, in der Frage der Nachweise und Kontrollen zu prüfen, wie sich die Bestimmungen auswirken. Wir werden aber selbst mit einer noch so engmaschigen Kontrolle nicht verhindern, dass es schwarze Schafe gibt. Ich glaube, darin sind wir uns einig.