Für etwas strafrechtlich verurteilt zu werden, was nicht Unrecht ist, ist für diese Menschen nicht nur eine persönliche Bürde. Es ist auch ein öffentliches Unrecht. Das ist der Grund, warum wir heute in diesem Landtag darüber debattieren müssen.
Ich will ausdrücklich sagen, das, was Kollege Klose gesagt hat, dass wir diese Situation, die wir heute haben – in der viele Schüler, die heute da sind, nicht darüber diskutieren, ob Homosexualität eine Sondersituation ist –, immer wieder neu verteidigen müssen. Das halte ich für richtig.
Ich will schon darauf hinweisen, dass es heute nicht nur darum geht, anzuerkennen, dass die sexuelle Orientierung reine Privatsache ist, sondern dass wir klarmachen müssen, das muss auch in die Köpfe mancher Leute. Sexualität – egal, wie man sich orientiert – hat nichts mit krankhaftem Verhalten zu tun, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Es ist nicht notwendig, es zu behandeln, sondern es bleibt reine Privatsache.
Deshalb ist es nicht nur wichtig, dass wir hier ein öffentliches Bekenntnis abgeben, sondern dass viele Leute auch wirklich verstehen, worüber wir heute diskutieren.
Aus meiner Sicht ist es das Mindeste, dass wir uns als Landtag entschuldigen und dafür einsetzen, dass das, was
die Bundesregierung unter Justizministerin LeutheusserSchnarrenberger in Gang gesetzt hat und mit der MagnusHirschfeld-Stiftung in einer Frage weiter vorangetrieben wird, aber dass es sich auch lohnt – Kollege Klose und Frau Hofmann haben darauf hingewiesen –, dass wir auch bei der Frage der strafrechtlichen Verfolgung nicht über die Verfassungsmäßigkeit dieser Urteile reden, sie sind verfassungswidrig, sondern auch darüber diskutieren müssen, ob dieser zweite Teil der Urteile nicht aufgehoben werden muss und eine Entschädigung der Opfer notwendig ist.
Eines ist klar: Der Schaden, der bei diesen Personen entstanden ist, ist ein Schaden, den dieses Land zu verantworten hat. Dieser Verantwortung kann man sich nicht entziehen. Deshalb muss aus meiner Sicht auch ein weiterer Schritt passieren.
Ich halte es für gut und richtig, dass wir in dieser Frage große Einigkeit in diesem Hause haben, jedenfalls was das Thema an sich angeht. Ich will jetzt nicht in die Debatte eintreten. Frau Kollegin Hofmann hat von Koalitionsfraktionen in der Opposition gesprochen. In dieser Sache haben wir eine inhaltliche Koalition. Ansonsten gibt es keine Koalition in der Opposition.
Aber richtig ist, dass wir uns freuen würden, wenn fünf Fraktionen hier einen gemeinsamen Antrag hätten. Ich glaube nicht, dass irgendjemand draußen eine Debatte versteht, die wir heute führen, wer wann welche E-Mails zu welcher Zeit geschrieben und wer welchen Versuch gestartet hat.
Ich will als Fraktionsvorsitzender der FDP den Versuch machen. Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, mit diesen Anträgen einen Konsens zu erzielen, denn inhaltlich sind wir nicht auseinander – im Gegenteil. Es würde sich bei diesem Thema definitiv lohnen, dass wir hier nicht gegeneinander agieren, sondern gemeinsam sagen, was wir für richtig halten. Es wäre dem Thema mehr als angemessen. – Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten der CDU)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema ist von meiner Vorrednerin und meinen Vorrednern schon deutlich erklärt worden. Dem will ich gar nichts hinzufügen. Der Sachverhalt ist beschämend genug.
Aber ich will daran erinnern, dass wir uns offensichtlich selber auch mit Blick auf unser Bundesverfassungsgericht daran erinnern müssen, dass Recht lebt und dass Recht, Rechtsetzung und Rechtsprechung immer etwas mit der Kultur der Gesellschaft zu tun hat, in dem es entsteht und gesprochen wird.
Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir gemeinsam und mit aller Kraft auf die Rehabilitierung dieser zu Unrecht
Ich will aber auch daran erinnern, dass unsere gemeinsame, einmütige Entschuldigung nicht davon ablenken darf, dass es weiter Diskriminierung von Schwulen und Lesben und anderen sexuellen Identitäten in unserem Land gibt. Davor dürfen wir nicht die Augen verschließen.
Persönlich habe ich mich geärgert und geschämt, dass meine Rundfunkabgabe dafür benutzt wird, Schwule nach dem Motto zu diskriminieren: Das ist ja kaum auszuhalten, wenn die sich küssen. – Ich schäme mich für solche Aussagen.
Wir dürfen auch nicht den Blick davor verschließen, dass nach wie vor „du bist schwul“ ein Schimpfwort ist, nicht nur auf hessischen Schulhöfen, sondern auch sonst im öffentlichen Leben. Das heißt, wir haben neben der auch rechtlich nötigen Rehabilitation weiter an der Aufgabe zu arbeiten, dass ein diskriminierungsfreies Leben nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Leben für alle sexuellen Identitäten möglich und selbstverständlich wird.
Herr Klose, ich glaube, Sie haben mit dem Vergleich mit den Linkshändern nicht ganz recht, weil es bei den Linkshändern nicht um freie und öffentlich gelebte Sexualität geht. Wir erleben in vielen öffentlichen Bereichen – das ist kein Widerspruch dazu, dass Pornografie offensichtlich überall frei erhältlich ist – einen Rollback, was es anbelangt, öffentlich gelebte freie Sexualität zu akzeptieren. Das Beispiel vom Hessischen Rundfunk war nur eines.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass dieses Thema und die Verantwortung, in der wir dieses Thema diskutieren, wirklich verbieten, dass wir darüber parteipolitische Zwistigkeiten ausüben. Ich will auch darauf verzichten. Aber eine Bemerkung möchte ich zum Schluss machen.
Wenn die USA mit Kuba wieder diplomatische Beziehungen aufnehmen, dann könnte es doch vielleicht einmal möglich sein, dass fünf Fraktionen in diesem Hause einen gemeinsamen Antrag einbringen. – Danke sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Den Hinweis auf die letzten vermeintlich historischen Ereignisse lassen wir einmal dahingestellt sein. Kommen wir wieder zurück auf unsere Ebene in Hessen. Ich kann verstehen, dass Sie am linken Rand unseres Plenarsaals diese Schlagzeigen besonders erfreuen, die sich in Amerika in den letzten Stunden ereignet haben. Aber ich glaube, das passt nicht zu diesem Thema.
Der Landtag hat in seiner Sitzung im September 2012, darauf ist verschiedentlich Bezug genommen worden, einen Beschluss gefasst. Ich möchte noch einmal für die, die seitdem neu hinzugekommen sind, aber auch für unsere Zuhö
rerinnen und Zuhörer auf der Tribüne ganz kurz feststellen, was wir damals einvernehmlich miteinander beschlossen haben:
1. Der Hessische Landtag bedauert, dass der § 175 StGB in seiner nationalsozialistischen Fassung bis 1969 unverändert in Kraft blieb. Er ist in diesem Zusammenhang davon überzeugt, dass die Ehre der homosexuellen Opfer wiederhergestellt werden muss.
2. Der Hessische Landtag entschuldigt sich für die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Bürger, die hierdurch in ihrer Menschenwürde, in ihren Entfaltungsmöglichkeiten und in ihrer Lebensqualität empfindlich beeinträchtigt wurden.
3. Der Hessische Landtag begrüßt in diesem Zusammenhang alle Initiativen, die die historische Aufarbeitung der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Menschen und des späteren Umgangs mit den Opfern zum Gegenstand haben.
Wir haben das damals im Jahr 2012 zusammen im Rechtsund Integrationsausschuss – das sage ich ganz bewusst – erarbeitet. Es ist schade, dass es dieses Jahr nicht gelungen ist, die Debatte in der Form fortzusetzen, wie wir sie damals geführt haben, und das wieder zu einem einvernehmlichen Antrag zusammenzuführen.
Ich kann nahtlos an das anknüpfen, was ich damals für meine Fraktion im Plenarsaal gesagt habe: Die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Menschen war falsch. – Dazu stehen wir auch heute noch. Liebe Frau Kollegin Hofmann, ich halte es deswegen für falsch, das, was Sie über unsere Fraktion gesagt haben, hier so in den Raum zu stellen. Das gebietet sich einfach nicht. Wir sprechen über die Würde der Opfer und falsche Verfolgung. Dass Sie das dann in einen solchen Zusammenhang rücken, passt damit nicht zusammen.
Auch wenn es hier wirklich nicht der Ort ist, über die Frage zu reden, wer wem wann welche E-Mail geschickt hat und welche Gesprächsangebote gemacht wurden, möchte ich dennoch auf eines Bezug nehmen, was in der vergangenen Wahlperiode geklappt hat. Damals hat das Gespräch geklappt. Damals hatte die Fraktion der GRÜNEN, noch in der Opposition, einen Antrag eingebracht. Daraufhin kamen die damaligen Regierungsfraktionen CDU und FDP mit einem anderen Antrag. Wir haben das gemeinsam im Rechts- und Integrationsausschuss in, ich glaube, zwei oder drei Sitzungen besprochen, haben Lösungen und gemeinsame Formulierungen erarbeitet und haben das mit unseren Fraktionen rückgekoppelt.
Damals war der Fraktion der GRÜNEN als Antragsteller daran gelegen, dass wir zu einer gemeinsamen Basis kommen. Es wurden nicht übereilt irgendwelche Entscheidungen getroffen. Vielmehr hat man dem Partner Luft gegeben, darüber nachzudenken. Am Ende sind wir in diesem Haus zu einvernehmlichen Entscheidungen gekommen. Ich glaube, das war der Sache angemessen. Das war richtig und würdig.
Wir alle sprechen immer so gerne über dieses Thema und über diese Sache. Wir sprechen dann immer von der Würde der Opfer. Von daher wäre es auch hier und heute angemessen gewesen, dass wir angesichts der Menschen, von deren Schicksal wir sprechen – wir reden von falscher Verfolgung, für die wir uns entschuldigt haben –, anders damit umgegangen wären.
Verehrte Frau Kollegin Hofmann, in diesem Zusammenhang wäre es hilfreich, wenn Sie Ihrem Bundesjustizminister ein bisschen auf die Sprünge helfen würden, damit er den Aufgaben, die im Koalitionsvertrag auf Bundesebene festgehalten sind, auch zügig Folge leistet. Das gilt, wenn es so ist, wie Sie immer sagen, dass Sie es haben wollen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD): Das ist doch wirklich unglaublich! – Weitere Zurufe)
Ich merke die Aufregung auf der anderen Seite. Ich verstehe gar nicht so genau, worum es gehen kann, da sich doch angeblich alle so einig sind.
Ich kann für mich und die Mitglieder meiner Fraktion all das zurückweisen, was Sie hier versucht haben, uns an den Kopf zu werfen. Ich kann mich wunderbar auf das beziehen, was ich hier im Jahr 2012 gesagt habe. Wir stehen zu all dem, was wir dort einvernehmlich miteinander beschlossen haben. Wir stehen auch zu dem, was die Fraktionen CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Dringlichen Entschließungsantrag hier noch einmal neu vorgelegt haben. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.