Protocol of the Session on February 5, 2014

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist allerdings bemerkenswert, dass sich die erste inhaltliche Debatte des neuen Hessischen Landtags nach der gestrigen Regierungserklärung mit Forschung, Innovation und Wissenschaft beschäftigt. Es ist ausdrücklich positiv bemerkenswert,

(Demonstrativer Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass Sie dieses Thema an den Anfang der Legislaturperiode und ins Zentrum Ihres Interesses stellen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Aber?)

Dass der Ministerpräsident gestern nur 2 % seiner Redezeit, also etwas mehr als eineinhalb Minuten, auf dieses Thema verwandt hat, sei an dieser Stelle selbstverständlich akzeptiert; denn der Ministerpräsident wusste gestern schon, dass wir heute noch eine wissenschaftspolitische Debatte bekommen werden. Darauf konnte er Rücksicht nehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, selbstverständlich ist es nachvollziehbar – und das ist hier auch gar nicht so unrecht, Frau Kollegin Wolff hat darauf verwiesen –, dass Sie im Antrag der Koalition das LOEWE-Programm gelobt haben. Der Wissenschaftsrat hat dessen anregende Wirkung ohne Zweifel bestätigt. Es hat den Hochschulen etwas genützt. Auch das sei nicht bestritten,

(Demonstrativer Beifall des Abg. Michael Bodden- berg (CDU))

auch wenn man nach einigen Jahren natürlich einmal sehr kritisch reflektieren muss, in welchem Umfang die Steuerungseffekte eines sich selbst verstärkenden Systems – denn die Exzellenzförderung fördert die, die schon am größten sind und am meisten haben – auf Dauer die Wissenschaft in Hessen tatsächlich voranbringt.

Leuchttürme sind Gefahrenwarnanlagen. Das wollen wir bei der Neugestaltung im Blick behalten.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Wolff hat viel über die vergangene Legislaturperiode gesagt. In dieser Periode wurden die Mittel spürbar gesteigert, wenn auch leider nicht mehr als in anderen Ländern, sodass die mittlere bis hintere Position Hessens im Ländervergleich der Mittel pro Studierenden und der Mittel pro Hochschullehrer gehalten wurde. Es ist gut, dass sie gehalten wurde, aber leider wurde nicht mehr erreicht. Wir wollen an der Stelle einräumen: Es hätte schlimmer kommen können. – Dieser Rückblick sei Ihnen zugestanden.

Auch HEUREKA war die Verstetigung einer Zusage. Das wollen wir nicht infrage stellen. Selbstverständlich wurden auch in den Jahren davor Mittel für die Bauunterhaltung und die Neubauten an Hochschulen ausgegeben. 2007 hat man die Mittel für zwölf Jahre im Voraus summiert und mit einem Namen versehen. Verehrte Frau Kollegin Wolff, bei allem Respekt, selbst nach diesen 3 Milliarden € konnte man nicht ernsthaft davon ausgehen, dass der Hochschulbau in Hessen damit für alle Zeiten beendet sein würde;

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das sagt ja keiner!)

denn es steht doch völlig außer Frage, dass Sie in die Immobilien weiterhin Geld stecken und in den Hochschulbereich kontinuierlich investieren müssen.

Das ist der Lohn der bösen Tat, wenn man das, was man sowieso tun muss, mit einem Programmnamen belegt. Irgendwann stellt man fest, dass das Programm zu Ende, die Aufgabe aber eine Daueraufgabe ist, die weiterhin geleistet werden muss. Deshalb ist es natürlich auch in Zukunft so, dass Sie Mittel für Investitionen in die Hochschulen ausgeben müssen. Diese waren zwar nicht übermäßig hoch, aber es war schon sehr ordentlich. Leider haben Sie erst nach der Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg damit angefangen, sonst hätten wir viele Probleme nicht mehr, die nun der arme Herr Staatsminister am

Bein hat, der gar nichts dafür kann, dass sie einst geschaffen wurden. Sicherheit, Vertrauen und Langfristigkeit sind aber von Vorteil.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Der Antrag, den Sie uns heute vorlegen, sagt, über das Jahr 2020 hinaus soll das Programm in den folgenden fünf Jahren mit einer weiteren Milliarde Euro fortgeführt werden. Wir rechnen nach: 3 Milliarden € innerhalb von zwölf Jahren, das ergibt pro Jahr 250 Millionen € für Bauinvestitionen. Übrigens: Das ist der Betrag, den es auch in den Jahren zuvor gab und der ab 2007 in ein Zwölfjahresprogramm gepackt wurde; das ergibt summiert ganz viel Geld.

Sie wollen die Mittel für den Rest des HEUREKA-Programms um ein Jahr strecken. Wir schauen nach, wie viel das ist. Die Mittel für vier Jahre gestreckt auf fünf Jahre ergibt statt 250 Millionen € nur noch 200 Millionen € pro Jahr. Nach Programmablauf wollen Sie die Investitionen des Landes für den Unterhalt der Hochschulimmobilien weitere fünf Jahre lang mit insgesamt 1 Milliarde € finanzieren, also jedes Jahr mit 200 Millionen €. Nach einfacher Rechnung sind 200 Millionen € pro Jahr 50 Millionen € weniger als 250 Millionen € pro Jahr. Das nennt man eine Kürzung. Ein besseres Wort fällt mir dafür nicht ein.

(Beifall bei der SPD)

Auch in Zukunft werden wir – Sie wissen, dass es hier vielfältige Aufgaben gibt – die bauliche Substanz der Hochschulen unterhalten müssen. Der Koalitionsvertrag, ein äußerst interessantes Dokument, sagt hierzu: Die Steigerung des Grundbudget soll um 1 % höher sein als die Inflationsrate. – Das steht zwar nicht in Ihrem Antrag, aber wir packen das als politisches Versprechen dazu. Diese Steigerung deckt zwar nicht ganz den zu erwartenden Anstieg der Personalkosten aufgrund von Tarifverhandlungen, und sie verkraftet auch keine weitere Erhöhung der Studierendenzahlen; das sei aber dahingestellt. Gehen wir einmal davon aus, dass Sie 15 Millionen € pro Jahr obendrauf legen. Wir nehmen die 50 Millionen €, um die Sie kürzen, und rechnen die 15 Millionen € dagegen, die Sie drauflegen: Es bleibt eine kontinuierliche Kürzung um 35 Millionen €. – Herr Rhein, seien Sie vorsichtig: Ihre Vorgängerin hat für „nur“ 30 Millionen €, die sie den Hochschulen wegnahm, um sie in einer Tiefgarage zu versenken, ganz schön Ärger bekommen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren, man möchte sich angesichts der Platzierung des Themas förmlich schützend vor den neuen Minister stellen. Er ist zwar Manns genug, er braucht das nicht, aber man hat den Impuls, dies zu tun, weil schon der erste Antrag die Botschaft des neuen Wissenschaftsministers enthält – in den ersten 30 Tagen seiner Amtszeit gestellt –, dass es in Zukunft weniger Geld für Forschung und Innovation geben wird. Herr Rhein, Sie müssen irgendjemanden ziemlich geärgert haben, dass man Ihnen so einen Setzpunkt beschert.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich finde, das haben Sie zu Anfang Ihrer neuen Amtszeit nicht verdient, Herr Staatsminister.

Wir wollen an dieser Stelle eine engere Kooperation betreiben. Wir wollen allerdings auch genau wissen, wo welche Maßnahmen verzögert oder gestrichen werden. Ich ha

be Sie schon am Montag angeschrieben und um Auskunft gebeten. Wir brauchen aber bestimmt keine Berichtsanträge zu stellen, denn ich bin zuversichtlich, dass Sie uns im Rahmen des neuen Stils im Hessischen Landtag zeitnah berichten werden, wie sich die Kürzung um 50 Millionen € pro Jahr auf die geplanten Baumaßnahmen auswirkt. Ich darf gestehen, als Marburger interessiert mich der Campus Firmanei natürlich besonders – aber keineswegs nur dieser. Mich interessieren alle anstehenden und wichtigen Maßnahmen.

Meine Damen und Herren, außerdem müssen LOMZ und LOEWE weiterentwickelt werden, weil diese Instrumente in den letzten Jahren zu Fehlsteuerungen geführt haben. Da ist also einiges nachzubessern.

Insgesamt gesehen, wurde viel Geld in Forschung und Lehre gesteckt. Das wird auch in Zukunft der Fall sein. Was soll das Land auch sonst tun? Trockenlegen kann man diese Bereiche ja nicht.

Insgesamt gesehen, ist es aber bedauerlich, dass eine Gelegenheit vertan worden ist. Der Hessische Landtag beginnt in der 19. Legislaturperiode seine Beratungen in der Sache mit dem Thema Forschung und Innovation. Die neue Koalition eröffnet die Sachdebatte mit Fragen der Zukunft, mit bahnbrechenden Erkenntnisse und Ideen, mit den Perspektiven vielversprechender junger Menschen, mit einem Komplex an Themen wie Demokratisierung der Hochschulen, Transparenz, Öffnung und Internationalität. All das wird uns hier angeboten. In Ihrem Koalitionsvertrag wird zwar nicht so genau gesagt, wie das alles aussehen soll, aber es liegen doch viele förmliche Versprechen vor, aus denen man eine umfassende, grundsätzliche, innovative und kreative hochschulpolitische Debatte hätte machen können. Dann hätten wir auch gerne darüber hinweggesehen, dass gestern in der Regierungserklärung für dieses Thema nur zwei Minuten Zeit war.

Aber ach, was ist der Gegenstand der ersten Debatte? Sie streichen ein bisschen Geld, sonst nichts. Meine Damen und Herren, man wünschte sich an dieser Stelle die Zeitmaschine von Jules Verne. Gehen Sie drei Tage zurück, schreiben Sie den Antrag noch einmal, jetzt mit Substanz. Dann können wir eine Debatte führen, die des Beginns der neuen Legislaturperiode in Fragen von Forschung und Lehre, der Zukunft des Landes und des Transfers und der Gewinnung von Wissen würdig wäre. Forschung und Lehre, Forschende, Lehrende und Studierende hätten mehr verdient als diesen Setzpunkt von CDU und GRÜNEN.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Es spricht Kollegin Beer für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Wolff hat völlig recht: Seit 1999 ist viel erreicht worden. 1999 war der Wissenschaftsetat ein Steinbruch: viel zu wenig Geld für die Hochschulen in Hessen, kaum entsprechende Ansätze. Wir haben seit 1999 gemeinsam mit der CDU daran viel geändert.

Unter Ruth Wagner wurde die Autonomie der Hochschulen hier in Hessen angestoßen. Davon haben einzelne

Standorte – z. B. Darmstadt und Frankfurt – in der Folge ganz besonders profitiert. Die Autonomie hat aber allen Hochschulen in Hessen mehr Entscheidungs- und mehr Handlungsspielräume gegeben. In der Folge hat das bessere Ergebnisse sowohl im Bereich der Forschung als auch im Bereich der Lehre gezeitigt.

Wir haben massiv in die Hochschulen investiert, sowohl in den baulichen Bestand als auch in die Forschung. Wir haben mit der Leistungsorientierten Mittelzuweisung Wert darauf gelegt, dass Planungssicherheit gegeben ist und dass bei dem Geld, das den einzelnen Hochschulen zusteht, sowohl die Forschungsaspekte als auch die Aspekte der Lehre berücksichtigt werden.

Es ist zum ersten Mal eine strategische Ansiedlungspolitik im Hinblick auf außeruniversitäre Forschungseinrichtungen betrieben worden, bei der man sich darum gekümmert hat, Vernetzungen herzustellen, gerade auch mit der forschenden Industrie, die zum ersten Mal nicht als Gegner, sondern als Kooperationspartner unserer Hochschulen und der Forschungseinrichtungen betrachtet wurde.

(Beifall bei der FDP)

Genau das ist der Grund, warum die FDP in diesem Hause immer hinter den Investitionen im Hochschulbereich gestanden hat, warum sie die Programme – HEUREKA genauso wie LOEWE – stets unterstützt hat und dies auch weiterhin tun wird.

Meine Damen und Herren von der Koalition, umso bedauerlicher ist es, dass das Erste, was Sie ausgerechnet in diesem wichtigen innovationstreibenden Bereich in Hessen vorlegen, eine Kürzung ist, sowohl im Koalitionsvertrag als auch jetzt durch die beabsichtigte entsprechende parlamentarische Absegnung in diesem Antrag.

Sehr geehrte Kollegin Wolff, es tut mir schrecklich leid: Ich halte es für eine reine Beschönigung, wenn Sie darauf hinweisen, dass ein Programm, das man ja jetzt verlängere, allenfalls ein bisschen gestreckt werde. Für unsere Hochschulen ist doch Fakt, dass 20 % weniger Geld im Jahr an dieser Stelle ankommen werden. Sie retten sich durch Verlängerungsversprechen in spätere Jahrzehnte.

Aber zum heutigen Zeitpunkt sparen Sie, d. h. in den nächsten Semestern, wenn die Studierendenberge vor Ort noch vorhanden sind und wenn Sanierungsmaßnahmen oder Erweiterungsbauten anstehen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen, noch mehr jungen Menschen die Möglichkeit einer akademischen Ausbildung an unseren Hochschulen zu geben, die Möglichkeit des Forschens, des Sich-Weiterentwickelns. Wenn das nottut, sparen Sie. Sie zwingen die Hochschulen, an dieser Stelle Einsparungen hinzunehmen.

Das heißt, Sie verschlechtern die Bedingungen für die jungen Menschen, die aktuell an unseren Hochschulen ausgebildet werden, genauso wie die Bedingungen für die Forschung an den Hochschulen in unserem Land.

(Beifall bei der FDP)

Es muss auch Sie erreicht haben – Sie als Darmstädterin haben gerade selbst die Universität Darmstadt angesprochen –, als der Präsident der Technischen Universität Darmstadt selbst von einem schweren Rückschlag für die Hochschullandschaft gesprochen hat und die Präsidenten gemeinsam Befürchtungen geäußert haben, in der Wettbe

werbsfähigkeit zurückzufallen – nicht nur im deutschen, sondern auch im internationalen Kontext.

Ich kann es nicht ganz nachvollziehen; denn ich glaube, dass diese Kürzungen dadurch bedingt sind, dass Sie in diesem Land zukünftig Geld an der falschen Stelle ausgeben wollen. Die Verkürzung der Arbeitszeit bei den Beamten ist ein solches Beispiel, das sehr teuer werden wird, und zwar aufgrund der großen Personalbestände im Bildungsbereich.

Ich kann es aber auch deswegen nicht nachvollziehen, weil es bislang Ihrerseits keinerlei Bestrebungen gibt, ein ganz wichtiges Problem – ein insbesondere für uns Hessen wichtiges Problem – im bundesweiten Kontext anzugehen: Ich spreche davon, endlich ein faires bundesweites Ausgleichssystem für die Finanzierung unserer Hochschulen zu erreichen.

(Beifall bei der FDP – Michael Boddenberg (CDU): Das bedeutet Umsatzsteuer!)

Herr Kollege Boddenberg, wir haben in Hessen die höchste Studierendendichte. Das hat etwas mit der Attraktivität unseres Hochschulstandorts zu tun, an der wir in den letzten Jahren gemeinsam gearbeitet haben. Das bedeutet auch, dass die Hessen – bezogen auf die Einwohnerzahl – mehr Geld ausgeben als jedes andere Flächenland. Wir ziehen Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler förmlich an. Dies führt zu entsprechenden Ausgaben bei uns. Wir müssen ehrlich sein: In der Relation Ausgaben pro Studierende stehen wir im bundesweiten Vergleich nicht besonders gut da.