Ich habe mich erst einmal verwundert zurückgelehnt, als Herr Klose mit großen Worten berichtete, was in Hessen nun passieren wird und losgetreten wird. Man hätte denken können, dass ein Netzwerk über Hessen geworfen wird, dass es eine intensive und proaktive Bekämpfung der Diskriminierung geben wird, dass das bis in den letzten Winkel des Landes Hessen ausgebreitet werden wird und dass
Man muss sich einmal anschauen, was dahinter steht. Da geschieht etwas in einem Ministerium. Mittlerweile weiß man bei uns, dass man von den Menschen weiter kaum weg sein kann als in einem Ministerium. In einem Ministerium werden eine Leitungsstelle, eine Referatsstelle und eine Sachbearbeiterstelle eingerichtet. Diese drei Personen sollen in Hessen künftig die Diskriminierung beseitigen.
Ich glaube, wer sich das einfach nur einmal vorstellt, wird sagen: Es ist schön, dass etwas passiert. Aber dass das in Hessen eine besondere Wirkung auslösen wird, ist doch mehr als zweifelhaft.
Unabhängig von dem, was man in den Medien alles lesen konnte, und unabhängig von der üblichen Selbstbeweihräucherung der Regierung kann man sich dazu doch nur Folgendes überlegen: Man muss sich einmal ansehen, was die Aufgabenbreite dieser drei Personen sein soll und wie eigentlich die Jobbeschreibung derjenigen ist, die das Telefon abheben sollen. Da fragt man sich dann doch, ob ein Telefonbuch reicht und wie das überhaupt von einem Referenten und einem Sachbearbeiter abgedeckt werden kann. Das ist mir noch völlig schleierhaft.
Wenn man sich dann eingesteht, dass eine der wichtigsten Aufgaben dieser drei Personen die Öffentlichkeitsarbeit ist, dann fragt man sich, in welche Zielrichtung diese Öffentlichkeitsarbeit gehen soll. Soll sie einfach nur Tätigkeit vortäuschen, soll sie Aktivität vortäuschen, oder soll sie tatsächlich zielgenau den Menschen vor Ort helfen? – Meiner Ansicht nach ist an die Arbeitsbeschreibung dieser Stelle ein großes Fragezeichen zu machen.
Dass diese Stelle eine Antidiskriminierungsstrategie entwickeln soll, ist sinnvoll und schön. Aber man hätte sich natürlich auch wünschen können, dass man einfach einmal diejenigen, die seit vielen Jahren in den Netzwerken gegen Diskriminierung aktiv sind, gefragt hätte. Sie haben nämlich schon eine ziemlich gute Strategie. Die Frage ist dann: Wie könnte man diese Netzwerke unterstützen, stärken, sie noch kompetenter machen und sie noch näher an die Menschen bringen? Das wäre eine wichtige Aufgabe.
Ich lese dann, dass diese drei Menschen die Beratung für ganz Hessen durchführen sollen. Da ist mir immer noch völlig schleierhaft, wie ein solches Konzept in irgendeiner Weise Erfolg haben kann.
Da sind wir eigentlich schon bei den Fragen: Welcher Ansatz wird gewählt? Wie wird die Politik gestaltet, und wie wird die Politik in einem Land vorangetrieben?
Hier geht es um ein Thema, das sehr vielfältig ist und das eine sehr hohe Subjektivität hat. Denn Diskriminierung ist nur schwer in Rechtsbegriffe zu fassen. Diskriminierung ist vielfältig. Man muss da ganz viel Kompetenz entwickeln und ganz viel Zuwendung gegenüber den Menschen haben, die sich diskriminiert fühlen.
Das ist eine Aufgabe, die die Verwaltung mit juristischem Handwerkszeug kaum bewältigen kann, sondern wir sind darauf angewiesen, dass die Netzwerke vor Ort, die mit den Menschen kommunizieren, die an den Brennpunkten sind und die sich vor Ort intensiv kümmern, in die Lage
versetzt werden, dies auch zu tun. Da hätte man noch viel verbessern und stärken können. Unten wird die Arbeit gemacht, und dort muss auch das Geld hin und nicht in irgendwelche Stabsstellen, die sich mit Öffentlichkeitsbildern und Auftritten von Staatssekretären und Ministern beschäftigen, womöglich ein paar Hochglanzbroschüren machen. Ich weiß nicht, ob das Geld tatsächlich gut eingesetzt ist und ob es nachher auch wirkt.
Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen müssen natürlich glaubwürdig hinter dem Thema stehen. Wenn sich die Landesregierung das Thema auf die Fahne schreibt, dann muss sie und dann müssen vor allem die sie tragenden Fraktionen – das bedeutet, auch die Abgeordneten der Fraktionen – dahinterstehen. Sie müssen das leben und nach außen tragen. Ich glaube, da sind noch einige Defizite zu bewältigen.
Wenn ich an die eine oder andere Diskussionsbaustelle denke, die wir bei den Fragen haben: „Wie kommuniziert der Hessische Landtag nach außen?“, „Gibt es nach außen noch eine Barrierefreiheit für den Hessischen Landtag?“, und mir die Argumentationslinien vorstelle, dann kann ich nur sagen: Da hat auch die Fraktion der GRÜNEN noch viel Luft nach oben. Sie müssen den schönen Worten dann auch Taten folgen lassen. An der Stelle muss man aus meiner Sicht glaubwürdig beweisen, ob man zu dem steht, was man öffentlich verkündet, oder ob man nur Anträge stellen, eine schöne schnelle Überschrift in der Zeitung haben will. Symbolpolitik ist ja die beste Tugend der GRÜNEN.
Das ist das, was Sie ganz besonders gerne machen. Für mich ist der Antrag mit den drei Stellen eine klassische Ausgeburt grüner Symbolpolitik, die Sie hier zelebrieren, die den Menschen vor Ort am Ende wer weiß wie wenig zugutekommt. Sie geben dafür 160.000 € aus. Wir werden das genau beobachten. Wir werden mit Anfragen und mit Berichtsanträgen hinterher sein, um zu sehen: Was kommt wirklich unten an? Welche Arbeit wird da wirklich geleistet? Was haben die Menschen, die sich in unserem Land diskriminiert fühlen, wirklich davon? Darauf kommt es an und nicht auf Ihre Presseerklärung und die Reden, die Herr Klose geführt hat, die in keinem Verhältnis zu den Anstrengungen der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen stehen.
Daher: Wir werden die Augen aufhaben. Wir werden genau kontrollieren und begleiten, was Sie da tun. Wir glauben wenig daran, dass das die Diskriminierung in Hessen tatsächlich zurückdrängen kann. Dann hätten Sie vielleicht eher den Weg in die Breite suchen und nicht einfach im Ministerium drei Stellen schaffen und sich damit brüsten sollen, dass Sie 160.000 € im Jahr für drei Stellen ausgeben. Da muss aus unserer Sicht viel mehr kommen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Als Nächste hat die Kollegin Arnoldt für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte sehr.
Das war knapp. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor einigen Monaten stand ich an genau dieser Stelle, um gemeinsam mit allen Kolleginnen und Kollegen der Koalition von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein offenes, diskriminierungsfreies und wertschätzendes Zusammenleben aller Menschen in Hessen zu werben.
Den ersten Schritt haben wir bereits getan. Das Land Hessen ist am 31. März der Koalition gegen Diskriminierung beigetreten, um nicht nur hier, sondern überall eines deutlich zu machen: Hessen ist ein offenes Land. Wir wollen es zukunftsweisend gestalten, und wir wollen allen Menschen die Chance geben, sich hier bei uns frei zu entfalten, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir reden nicht nur darüber, wir arbeiten auch aktiv daran. In unserem Koalitionsvertrag haben wir Folgendes festgehalten – ich zitiere –:
Wir sehen uns in der Verantwortung, die freie Entfaltung der Persönlichkeit des oder der Einzelnen zu fördern und sich für ein offenes, diskriminierungsfreies und wertschätzendes Leben aller Menschen in Hessen einzusetzen.
Konsequent gehen wir nun mit der Einrichtung der hessischen Antidiskriminierungsstelle den zweiten Schritt auf diesem Weg. Damit wollen wir nicht nur unser Ziel bekräftigen, allen Menschen in Hessen Chancengleichheit zu gewährleisten, sondern dies auch konkret umsetzen. Die Antidiskriminierungsstelle in Hessen wird ihre Arbeit in wenigen Monaten aufnehmen und soll als kompetente Anlaufstelle schnelle und vor allem unbürokratische Hilfe leisten und von Diskriminierung betroffene Menschen über ihre Rechte und Durchsetzungsmöglichkeiten informieren. Durch Aufklärungs-, Beratungs- und Präventionsangebote sowie auch durch Öffentlichkeitsarbeit wird sie aktiv in die Gesellschaft wirken – davon bin ich überzeugt – und einen breiten gesellschaftlichen Konsens über die Akzeptanz verschiedener Lebensentwürfe, persönlicher Lebensumstände und individueller Merkmale fördern.
Die Aufgaben der Antidiskriminierungsstelle sind vielfältig. So soll sie die Zivilgesellschaft, die Verwaltung und auch die Wirtschaft dafür sensibilisieren, die Chancen und Vorteile von Vielfalt herausstellen und unbürokratische und schnelle Hilfe gewährleisten. Dieses Aufgabenspektrum ist genau das, was wir benötigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, um jeder Form von Diskriminierung und Rassismus in allen gesellschaftlichen Bereichen entschieden entgegenzutreten und die Diskriminierung schlussendlich wirksam zu bekämpfen.
Somit werden wir die fünf Ziele, die sich die Mitglieder der Koalition gegen Diskriminierung gesetzt haben, aktiv bearbeiten und hoffentlich bald erreichen. Ich will sie Ihnen noch einmal vor Augen führen:
Wir wollen, dass dem Thema Diskriminierung in unserer Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Wir wollen, dass jeder Weg genutzt wird, um von Diskriminierung betroffenen Menschen vor Ort die bestmögliche Beratung zu bieten.
Wir wollen uns mit starkem Engagement auf Landesebene für die Bekämpfung von Benachteiligungen einsetzen.
Wir wollen vor Ort für das Thema Diskriminierungsschutz sensibilisieren und es als Querschnittsaufgabe politisch fest verankern.
Damit all das geleistet werden kann, bekommt die Antidiskriminierungsstelle eine der besten Personal- und Sachmittelausstattungen auf Länderebene für den Bereich. Im Haushalt sind drei Stellen sowie Sachmittel in Höhe von 160.000 € für 2015 vorgesehen.
Darüber hinaus wollen wir, dass sich die Antidiskriminierungsstelle breit vernetzt, beispielweise mit dem Netzwerk gegen Diskriminierung in Hessen, aber auch mit den Kommunen, mit den freien Trägern, mit anderen Beratungseinrichtungen sowie den Antidiskriminierungsstellen des Bundes und anderer Bundesländer.
Sehen Sie, Herr Di Benedetto, so kann es doch funktionieren. Und so funktioniert es tatsächlich in anderen SPD-geführten Ländern.
Um darauf zurückzukommen, dass die Koalition nicht nur redet und lamentiert, sondern auch handelt, seien Ihnen die Berufung eines Staatssekretärs und Bevollmächtigten für Integration und Antidiskriminierung, der Beitritt zur Koalition gegen Diskriminierung und eben die Einrichtung der Antidiskriminierungsstelle des Landes Hessen noch einmal in Erinnerung gerufen. Das sind in meinen Augen die richtigen und die wichtigen Schritte, die wir gehen, um jeder Form von Diskriminierung entschieden entgegenzutreten. Das ist nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein, so wie es Ihre substanzlose und alternativenlose Kritik ist, Herr Di Benedetto.
Das Land Hessen ist besonders geprägt von Internationalität und von Vielfalt in allen Bereichen unseres Lebens. Darauf sind wir stolz. Genau das wollen wir wertschätzen und unterstützen. Alle Menschen, die hier leben, sollen dies so können, wie sie möchten, und dafür setzen wir uns ein. Deswegen danke ich unserem Koalitionspartner ausdrücklich für den Setzpunkt.
Ich danke Jo Dreiseitel für seinen Einsatz gegen Diskriminierung. Ich danke der Hessischen Landesregierung für die bereits durchgeführten Initiativen und die weitere Bereitschaft sowie das aktive Handeln im Kampf gegen die Diskriminierung. Ich danke Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe auf Ihre Unterstützung für unseren Antrag.