Protocol of the Session on November 27, 2014

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Judith Lan- nert (CDU): Blödsinn!)

Ich komme zu Ihrem Antrag zurück, den ich auch deshalb mehrmals gelesen habe, um bewusst danach zu suchen, ihn im besten Fall so interpretieren zu können, dass eine neue Qualität der Auseinandersetzung mit dem so wichtigen Thema der Antidiskriminierung erkennbar würde. Dies ist mir nicht gelungen.

Ebenso ist an keiner Stelle erkennbar, dass Antidiskriminierung auf Landesebene auch bedeutet, die rechtlichen Lücken zu schließen. Es ist auch nicht erkennbar, auf welcher rechtlichen Grundlage diese Stelle überhaupt arbeiten soll.

(Beifall bei der SPD)

So sind es neben der Symbolpolitik letztendlich auch die Ergebnisse und die damit einhergehenden Einsichten der Enquetekommission, die die schwarz-grüne Koalition drängen, hier tätig zu werden. Diese Einsichten hätte es in Hessen ohne die SPD-Fraktion nicht gegeben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU)

Wir bleiben weiterhin unbeirrt.

(Holger Bellino (CDU): Unbeirrt, in der Tat!)

Das bedeutet, dass derjenige, der es mit der entschiedenen Bekämpfung von Diskriminierung wirklich ernst meint, nicht umhinkommt, ein entsprechendes Landesgesetz zumindest auf den Weg zu bringen. Alles andere bleibt Flickwerk.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hat Wege eröffnet, Diskriminierung zu sanktionieren. Es greift allerdings nur in ganz wenigen Bereichen.

Lassen Sie mich hierzu abschließend den renommierten Juristen Alexander Klose zitieren:

Die Richtlinien 2000/43/EG und 2004/113/EG verpflichten die Mitgliedstaaten nicht nur zum Verbot dieser Diskriminierungen, sondern auch zum Erlass von Regelungen zur Beteiligung von Verbänden am Rechtsschutz, zur Beweislast, zum Schutz vor Viktimisierungen und zur Festlegung abschreckender Sanktionen. Diese Pflicht trifft in einem föderalen Mitgliedstaat wie der Bundesrepublik nicht nur den Gesamtstaat, sondern – im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz – auch die Gliedstaaten, in Deutschland also die Bundesländer. Da die EURichtlinien für den privaten und den öffentlichen Bereich gelten, der Anwendungsbereich des AGG aber auf das Arbeits-, Dienst- und Zivilrecht beschränkt ist, fehlt es gerade für hoheitliches Handeln (z. B. der Verwaltung, der Polizei oder in Schulen) an der erforderlichen Umsetzung in nationales (Lan- des)Recht.

Der Schutz vor Diskriminierung kann immer nur so stark sein wie die Instrumentarien seiner Durchsetzung. Deshalb ist es wichtig, dass die Last, sich gegen Diskriminierung zu wehren, nicht nur auf den Schultern der Diskriminierungsopfer ruht. Es ist genauso wichtig, dass niemand Konsequenzen und Schikanen fürchten muss, wenn er oder sie sich gegen Diskriminierung wehrt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ein zukunftsorientierter rechtlicher Rahmen würde nicht nur den Diskriminierungsopfern helfen, sondern auch all denen, die sich dieser wichtigen Antidiskriminierungsarbeit widmen. Uns ist bewusst, dass wirksame Antidiskriminierungspolitik viel mehr ist als das Schaffen und Weiterentwickeln rechtlicher Rahmenbedingungen.

Meine Damen und Herren, dennoch ist der rechtliche Rahmen von fundamentaler Bedeutung. Denn erst mit ihm haben die politischen Forderungen eine starke Grundlage.

Meine Fraktion ist gern bereit, mit Ihnen gemeinsam diesen Weg zu gehen. Darum werden wir uns zu dem vorliegenden Antrag auch enthalten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vielen Dank, Herr Kollege Di Benedetto. – Als Nächste hat Frau Kollegin Cárdenas das Wort, Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Benachteiligungen, Beleidigungen und Ausgrenzung von Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihres Alters, wegen Behinderungen oder wegen ihrer religiösen oder sexuellen Orientierung sind ebenso vielfältig, wie sie alltäglich in Hessen und anderswo in Deutschland sind.

Für uns LINKE ist klar, und da stimme ich der ersten Ziffer des Entschließungsantrages der Regierungsfraktionen voll zu, dass wir Benachteiligungen von Menschen aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit nicht hinnehmen dürfen –

weder im Arbeitsleben noch im Bildungsbereich, noch sonst irgendwo im Alltag.

Wenn Sie aber nun in Ziffer 2 Ihres Entschließungsantrags behaupten, die Landesregierung würde „jeder Form von Diskriminierung und Rassismus … entschieden entgegentreten“, dann frage ich mich: Ist das Ironie, ist das politische Amnesie oder einfach nur die Arroganz einer Regierungskoalition, womit wir es hier zu tun haben?

Es ist doch die regierende CDU-Fraktion, die sich einen bildungspolitischen Sprecher leistet – darauf hat auch Kollege Di Benedetto hingewiesen –, der uns in zuverlässiger Regelmäßigkeit an seinem Weltbild teilhaben lässt, das geprägt ist von rassistischen und homophoben Ressentiments.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Wenn die CDU-Fraktion nun neuerdings den Kampf gegen Rassismus auf ihre Fahnen schreibt, dann freut mich das. Aber ich frage mich zugleich: Warum fangen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nicht direkt vor Ihrer eigenen Haustür an? Sorgen Sie dafür, dass sich Ihre Fraktionsmitglieder an zivilisatorische Mindeststandards halten und sich nicht fremdenfeindlich oder homophob äußern.

(Holger Bellino (CDU): Versuchen Sie das einmal!)

Meine Damen und Herren, ich gehe auf den Fall des bildungspolitischen Sprechers der CDU-Fraktion gerade deswegen ein, weil notwendige Bedingung jedweder Antidiskriminierungsstrategie die glaubwürdige Ächtung von Diskriminierung ist. Es muss von den politisch Verantwortlichen glaubhaft vermittelt werden können, dass derjenige oder diejenige, der oder die diskriminiert, sich außerhalb des gesellschaftlichen Konsenses befindet.

Meine Damen und Herren, wie glaubwürdig ist aber die Antidiskriminierungsstrategie einer Regierung, die einen Abgeordneten in ihren Reihen duldet, dessen Markenzeichen es geradezu ist, regelmäßig Stimmung gegen Asylsuchende und Migrantinnen und Migranten zu machen?

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Glaubwürdigkeit setzt zweitens voraus – das ist ein weiteres Manko der zu errichtenden Antidiskriminierungsstelle –, dass die beratende Institution unabhängig ist. Erst die Unabhängigkeit der Beratungsstelle gewährleistet, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen den Beratenden und den Ratsuchenden geschaffen werden kann.

Erst mit dieser Unabhängigkeit kann eine parteiliche Beratung im Interesse der Betroffenen erfolgen, die die Diskriminierungserfahrung der Ratsuchenden in den Vordergrund stellt. Eine Antidiskriminierungsstelle aber, die der verlängerte Arm des Sozialministeriums ist, kann eine solche Beratungstätigkeit unseres Erachtens nicht leisten.

Deshalb verstehe ich nicht, weshalb den entsprechenden Hinweisen von der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Hessen keine Beachtung geschenkt wurde, weshalb die Forderung von uns und von der agah, die Antidiskriminierungsstelle zu dezentralisieren und durch regionale Meldestellen zu ergänzen, nicht aufgegriffen und beachtet wurde. Noch einmal: Die Beratungsstelle muss unabhängig sein, die Beratung selbst aber muss parteilich sein.

Was wir daher brauchen, ist eine Stelle, die die von Diskriminierung betroffenen Menschen in den Mittelpunkt der Beratungstätigkeit stellt und die ihnen hilft, um einen Be

griff aus dem psychosozialen Beratungskontext zu verwenden, in einem Prozess der Selbstbemächtigung die erlebte Demütigung und die gefühlte Ohnmacht zu überwinden.

Das möchte ich noch einmal betonen: Was wir aber nicht brauchen, ist eine wie auch immer geartete Mediationsstelle, die sich auf vermeintliche Missverständnisse fokussiert, die in Wirklichkeit keine sind. Aber gerade so ein zahnloser Tiger scheint den Mitgliedern der Regierungsfraktionen vorzuschweben. Wie sonst lassen sich die Äußerungen des Staatssekretärs Jo Dreiseitel, nachzulesen im „Wiesbadener Kurier“ vom 12. November 2014, verstehen, wonach Muslime in Hessen nicht diskriminiert würden? Was als Diskriminierung empfunden werde, sagt Jo Dreiseitel, sei bei genauer Betrachtung eine Folge mangelnder Informationen.

Diese Aussage aus dem Mund einer Person zu hören, die Chef der Antidiskriminierungsstelle sein will, ist unglaublich. Zum Start der Antidiskriminierungsstelle erklärt ihr Dienstherr allen Ernstes – ich muss es hier wiederholen –, dass es in Hessen keine Diskriminierung der Muslime gebe.

Ich frage mich: Welchen Anspruch hat eine Antidiskriminierungsstelle an ihre Beratungstätigkeit, wenn eines der zentralen Themenfelder in der Antidiskriminierungsarbeit, eines der zentralen Probleme der Migrationsgesellschaft, nämlich die Diskriminierung muslimischer Bürgerinnen und Bürger, derart bagatellisiert wird? Weiterhin frage ich mich: Welchen Ratschlag will die Antidiskriminierungsstelle etwa einer muslimischen Arbeitsuchenden erteilen, die eine Absage nach der anderen erhält, weil sie ein Kopftuch trägt? Will sie ihr sagen, dass das allein ein riesengroßes Missverständnis sei und dass sie sich ihre Diskriminierung nur einbilde?

Zu behaupten, in Hessen gebe es keine Diskriminierung aufgrund antimuslimischer Ressentiments, heißt nichts anderes, als die Probleme der hessischen Muslime, die in der Schule, im Arbeitsleben, bei der Wohnungssuche oder in anderen Lebensbereichen in vielfältiger Weise ausgegrenzt werden, nicht ernst zu nehmen. Dies zu behaupten, heißt nichts anderes, als die Augen vor den Realitäten zu verschließen.

Es ist nicht so, dass wir die Einzigen wären, die darin ein gesellschaftliches Problem sehen. Zahlreiche Studien der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, von Amnesty International und von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes – um einige Beispiele zu nennen – weisen seit Jahren auf die strukturelle Benachteiligung der Muslime hin. Ich freue mich, dass Kai Klose von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute das offenbar anerkannt hat.

Aber es ist nicht nur die Diskriminierung im Alltag oder die Diskriminierung bei privatrechtlichen Vertragsverhältnissen, womit wir es in Hessen zu tun haben. Durch das in Hessen im Jahr 2004 beschlossene Kopftuchverbot, das weit über die Regelungen anderer Bundesländer hinausgeht, diskriminiert Hessen ganz offiziell Muslime. Nicht nur Lehrerinnen ist es untersagt, ein Kopftuch zu tragen. Das Hessische Beamtengesetz verbietet vielmehr allen Beamtinnen im Dienst das Tragen der islamischen Kopfbedeckung, während zugleich die christliche Symbolik privilegiert wird. Denn beim Bekleidungsverbot soll der – ich zitiere – „christlich und humanistisch geprägten abendländischen Tradition des Landes Hessen angemessen Rechnung“ getragen werden – was immer das sein mag.

In der Praxis sieht das dann so aus, dass das Tragen des Kopftuchs verboten ist, während das Kruzifix kein Problem darstellt. Diese diskriminierende Regelung, die unmittelbar Muslime und mittelbar Frauen benachteiligt, weil in der Regel nur Frauen von dem Verbot betroffen sind, stellt für die Hessische Landesregierung wie schon für die Vorgängerregierung offensichtlich kein Problem dar.

Das hat auch Herr Di Benedetto gesagt: Gerade solche Regelungen waren es aber, weshalb die Enquetekommission „Migration und Integration“ des Hessischen Landtags, in der auch ich Mitglied war, im Kapitel „Diskriminierungserfahrungen und Antidiskriminierungsstrategien“ ihres Abschlussberichts empfahl, ein Normenscreening in allen wesentlichen Verwaltungsbereichen durchzuführen, um den Normenbestand auf Diskriminierungen zu überprüfen und Diskriminierungspotenziale aufgrund von gesetzlichen Regelungen demnächst zu vermeiden. Mich wundert es nicht, dass hiervon in der Aufgabenbeschreibung der hessischen Antidiskriminierungsstelle nichts mehr zu lesen ist.

Die Einrichtung der Antidiskriminierungsstellen ist eine langjährige Forderung der LINKEN und der Organisationen, die in der Migrationspolitik tätig sind. Ich befürchte, dass die Antidiskriminierungsstelle des Landes Hessen aufgrund ihrer strukturellen Einbindung in die Landesregierung, aufgrund ihrer personellen Unterbesetzung und aufgrund ihres politisch vorgegebenen Tunnelblicks nicht die hohen Erwartungen erfüllen kann und erfüllen wird, die mit der Einrichtung einer solchen Stelle üblicherweise verbunden sind.

Gleichwohl wünsche ich den drei neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Antidiskriminierungsstelle bei ihrer Arbeit den größtmöglichen Erfolg. Ich hoffe, dass sie durch ihre Arbeit zumindest einige Impulse für eine Kultur der Anerkennung und der Antidiskriminierung geben können, die es in Hessen dringend zu entwickeln gilt. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin Cárdenas, vielen Dank. – Das Wort erhält Herr Abg. Rock für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man den eigentlichen Inhalt des Vorhabens sieht, weiß man nicht, womit man zehn Minuten füllen soll. Wenn man sich die Aufgabe ansieht, dann reichen zehn Minuten Redezeit nicht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, das ist das große Credo, das über dieser Maßnahme, Ihrem Entschließungsantrag und Ihrem Setzpunkt steht.

Ich habe mich erst einmal verwundert zurückgelehnt, als Herr Klose mit großen Worten berichtete, was in Hessen nun passieren wird und losgetreten wird. Man hätte denken können, dass ein Netzwerk über Hessen geworfen wird, dass es eine intensive und proaktive Bekämpfung der Diskriminierung geben wird, dass das bis in den letzten Winkel des Landes Hessen ausgebreitet werden wird und dass