Hessen hat bereits im Jahr 2013 eine moderne Konzeption für den Jugendarrestvollzug in Gelnhausen erarbeitet. Die Bediensteten – das will ich hier sagen – machen eine hervorragende Arbeit, und damit steht der Jugendarrest in Hessen auf einer soliden Basis, die es nun mit Bedacht fortzuentwickeln gilt.
Dazu dient der vorliegende Gesetzentwurf. Ich möchte seine wesentlichen Eckpunkte zusammenfassen: Ziel des Vollzugs ist es, den Jugendlichen das von ihnen begangene Unrecht, dessen Folgen und ihre Verantwortung dafür bewusst zu machen und einen Beitrag dazu zu leisten, sie zu einem eigenverantwortlichen Leben ohne weitere Straftaten zu befähigen.
Der Vollzug des Jugendarrests ist erzieherisch auszugestalten. Entsprechende Maßnahmen sind auch an Wochenenden und Feiertagen durchzuführen. Die Jugendlichen sind zu einer Mitwirkung verpflichtet. Der Hilfebedarf der Jugendlichen wird ermittelt, und in einem Erziehungsplan werden die individuell erforderlichen Maßnahmen festgestellt. Die Jugendlichen sind an einen geregelten Tagesablauf heranzuführen, und neben Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz und solchen zur lebenspraktischen, beruflichen und schulischen Entwicklung kommt der Gestaltung einer strukturierten Freizeit und insbesondere dem Sport im Vollzug des Jugendarrests eine besondere Bedeutung zu.
Der Gesetzentwurf setzt nicht nur auf eine enge Zusammenarbeit im Vollzug, sondern auch auf eine Zusammenarbeit mit Dritten, um das Vollzugsziel zu erreichen und eine Betreuung nach der Entlassung zu sichern. Die Jugendlichen dürfen ihre eigene Kleidung tragen. Sicherheit und Ordnung bilden die Grundlage eines geordneten Zusammenlebens. Alle Vorschriften wurden daraufhin überprüft, ob sie einerseits den Schutzzweck erfüllen und andererseits nur so weit gehen, wie es im Arrest unbedingt erforderlich ist. Pflichtverstöße sind konsequent erzieherisch aufzuarbeiten. Dafür stehen erzieherisch wirkende Maßnahmen zur Verfügung. Außerdem soll die einvernehmliche Streitbeilegung gefördert werden.
Jugendarrestanstalten sind mit dem für die Erreichung des Vollzugsziels und für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Personal auszustatten. Für den Jugendarrest sind jährlich Haushaltsmittel in Höhe von 350.000 € vorgesehen. Sie dienen insbesondere der Verstärkung der Betreuung am Wochenende, einer verbesserten medizinischen Versorgung und einer verbesserten pädagogischen Betreuung und sollen die Selbstständigkeit der Einrichtung gewährleisten.
Über diese Eckpunkte wird bei den Beratungen im Rechtspolitischen Ausschuss und im Unterausschuss Justizvoll
Frau Staatsministerin, danke für die Einbringung. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Rentsch zu Wort gemeldet.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion über das Jugendarrestvollzugsgesetz hat eine Geschichte in diesem Haus. Deshalb darf ich ausdrücklich sagen, dass von uns die Kollegin Hofmann und die gesamte SPD-Fraktion zu loben sind, die das Thema auch schon in unserer Regierungszeit immer wieder hier erwähnt haben. Das stimmt.
Ein Dankeschön geht aber auch an das hessische Justizministerium, das schon in der vergangenen Legislaturperiode die Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern der meisten Bundesländer, geleitet hat – unter Ihrer Führung wird das fortgesetzt –, die sich genau mit dieser Frage beschäftigt und jetzt einen Vorschlag gemacht hat, wie das zu regeln sein könnte.
Deshalb will ich sagen, dass die SPD hier getrieben hat, weswegen ihr auch das Lob für den ersten Aufschlag gebührt. Inhaltlich ist die FDP-Fraktion allerdings dem Entwurf der Landesregierung näher.
Ich will das auch begründen: Die Sozialdemokraten haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sehr stark das wiedergibt, was wir damals auch hier sehr kontrovers diskutiert haben. Aus unserer Sicht fehlt hier eine Regelung zum Warnschussarrest, genauso wie in der Begründung und Ausgestaltung des Gesetzentwurfs zu erkennen ist, dass die SPD den Kurz- und Freizeitarrest eigentlich nicht möchte, Frau Kollegin Hofmann. Das kann man vertreten, aber wir halten ihn für richtig. Wir halten ihn für richtig, weil er aus unserer Sicht ein milderes Instrument im Vergleich zu anderen darstellt.
Ich will die Aufmerksamkeit in einem Punkt auf die Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN richten: Die GRÜNEN sind in ihrer neuen Koalition mit den Kolleginnen und Kollegen der Union an vielen Stellen sehr viel klüger geworden und übernehmen nun Positionen, die sie früher für ausgeschlossen gehalten haben. Dieses besondere grüne Rückgrat, das einen sehr biegsamen Eindruck macht, kann man auch daran erkennen, dass der sehr geschätzte ehemalige Kollege Jürgens – der jetzt in anderer Funktion im öffentlichen Bereich weiter tätig ist – damals in seiner Rede uns Liberale als „armselig“ bezeichnet hat, weil wir den Koalitionsvertrag mit der Union und den Warnschussarrest unterstützt und ihn für richtig gehalten haben – und jetzt wird er von den GRÜNEN als Regierungsfraktion zu einem Gesetz gemacht, meine Damen und Herren.
Das ist eine atemberaubende Wendung, die wir so eigentlich nur von den GRÜNEN kennen. Aber möglicherweise ist es ja so, dass sie klüger geworden sind, und gegen Klugheit kann man definitiv nichts haben.
Herr Kollege Kaufmann, beim Wort „klug“ habe ich Ihre Zwischenmeldung nicht erwartet, aber trotzdem haben Sie gerufen; erstaunlich.
Deshalb gibt es im Rahmen des Gesetzes auch einige Punkte, über die wir sicherlich noch streiten werden, Frau Ministerin. Ich glaube, dass neben der Frage der Instrumente, um die es geht, die Frage gestellt werden muss, welches Ziel wir verfolgen wollen. Ich glaube schon, dass sich die von uns gemeinsam geschaffene Einrichtung bewährt hat. Zum Schluss ist nämlich nicht die Frage, ob es Jugendknast ist – dieses Wort haben wir damals hier diskutiert –, sondern was für ein pädagogisches Konzept dahintersteckt. Mithilfe der vielen Kolleginnen und Kollegen, die vor Ort sehr gute Arbeit leisten, ist die Erfahrung gereift, dass es darum geht, junge Täter festzuhalten und pädagogisch mit ihnen arbeiten zu können. Deshalb hat es sich definitiv bewährt.
Klar ist auch, dass das Argument von Frau Hofmann kommen wird: Die Rückfallquoten nach Jugendarrest sind noch immer zu hoch. – Das ist so. Das ist wohl auch unter den Experten unbestritten. Es ist richtig, dass es auch kein Instrument für jeden jungen Straftäter ist. Ich halte es trotzdem noch immer für ein milderes Mittel als die Jugendstrafe. Wenn auch nur ein Drittel der ansonsten erfolgten Straftaten dadurch abgewendet werden konnte, lohnt es sich trotzdem. Im Verhältnis zu den anderen Mitteln ist es zwar nicht das erfolgreichste Mittel, aber auch nicht unerfolgreich. Deshalb gibt es auch ein weiteres Bestandsrecht für dieses Instrument.
Zum Schluss geht es darum, mit jungen Menschen eine Art Vereinbarung zu treffen, wie die öffentliche Hand es schaffen kann, dass sie nicht vollständig auf die schiefe Bahn geraten, auf der sie sich schon befinden – genau darum geht es, um junge Straftäter, die möglicherweise in vielen Bereichen in eine Strafkarriere eintreten könnten. Deshalb sollte aus meiner Sicht diesem Gesetzentwurf in den nächsten Wochen und Monaten sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet werden. Wir brauchen hier eine gute gesetzliche Grundlage.
Abschließend möchte ich daher sagen, dass wir nichts dagegen hätten, wenn aus den beiden Gesetzentwürfen möglicherweise ein gemeinsamer wird. Es ist ein Thema, das aus unserer Sicht definitiv hohes Potenzial hat, tatsächlich Lösungen für unsere Gesellschaft herbeizuführen. Es ist auch so, dass im sozialdemokratischen Gesetzentwurf einige Punkte aus unserer Sicht nicht falsch sind. Insofern wäre es wohl sinnvoll, wenn beide Seiten hier aufeinander zugehen würden. Wir haben eine sehr sachliche Stimmung in den betroffenen Ausschüssen: Möglicherweise gelingt es ja, hier etwas Gemeinsames vorzulegen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Das Wort hat Frau Kollegin Müller (Kassel), Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Hessisches Jugendarrestvollzugsgesetz wird die Grundlage für einen modernen Vollzug des Jugendarrests geschaffen.
Herr Rentsch hat es erwähnt: Die SPD-Fraktion hat in der letzten Legislaturperiode und auch in dieser vor einigen Monaten bereits einen Gesetzentwurf eingebracht. Wir haben aber gesagt, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen würde; auch das haben Sie erwähnt. Es gab eine Arbeitsgruppe, bestehend aus sieben Ländern, geführt von Hessen und Rheinland-Pfalz, die einen Musterentwurf erarbeitet haben, der die Grundlage für diesen Gesetzentwurf bildet. Ihr Gesetzentwurf dagegen enthält Teile aus dem Gesetzentwurf von Niedersachsen, das nicht an dieser Arbeitsgruppe beteiligt war. Unser Verfahren, den Musterentwurf abzuwarten, ihn dann als Grundlage für ein Symposium zu nehmen, die Änderungen und Anregungen aus dem Symposium einzuarbeiten und nun einen wirklich guten Entwurf vorzulegen, kann ich nur begrüßen.
Der Gesetzentwurf regelt die Gestaltung des Vollzugs. Bisher gab es kein eigenes Gesetz, das ist richtig. Lediglich das Jugendgerichtsgesetz und das Strafvollzugsgesetz haben Regelungen enthalten. Die nähere Ausgestaltung erfolgte über eine aus dem Jahr 1976 stammende Rechtsverordnung des Bundes.
In dieser Zeit hat sich viel verändert: Der erzieherische Gedanke ist in den Vordergrund gerückt, aber es ist nicht so, dass ohne das Gesetz die Arbeit allein auf die Gesetzeslage von 1976 rekurrieren würde. Vielmehr ist es so, dass beispielsweise die Jugendarrestanstalt Gelnhausen schon seit 2013 nach den modernen Grundlagen arbeitet und vor Ort gute Arbeit leistet. Und jetzt wird dieser guten Arbeit vor Ort die entsprechende gesetzliche Grundlage gegeben.
Wir haben uns vor einer ganzen Weile die Jugendarrestanstalt angesehen und konnten uns ein Bild davon machen, wie vor Ort mit den Jugendlichen umgegangen wird und wie sie motiviert werden – etwa mit Sport oder im kreativen Bereich, indem Perspektiven entwickelt werden, sodass sie auch nach dem Jugendarrest Perspektiven für ihr weiteres Leben entwickeln. Ganz beeindruckend war auch, dass die Jugendlichen erzählt haben, dass sie zum ersten Mal mit dem Thema Freiheitsentzug konfrontiert worden sind. Das war für sie ein einschneidendes Erlebnis, das sie dazu gebracht hat, etwas an ihrem Leben ändern zu wollen.
Die bereits angesprochenen Rückfallquoten, die für einige Kritiker einen Grund darstellen, Jugendarrest grundsätzlich infrage zu stellen, kann man so nicht isoliert betrachten. Wenn man sieht, dass – zwar insgesamt noch viele, aber eigentlich „nur“ – 10,7 % der Jugendlichen, die im Jugendarrest waren, später eine richtige Jugendstrafe vollziehen müssen, merkt man, dass es das eigentlich wert ist und nicht allein die 60 % Rückfallquote betrachten werden dürfen, sondern auch diejenigen berücksichtigt werden müs
Die Eckpunkte hat Frau Kühne-Hörmann bereits angesprochen: Diese orientieren sich an der praktischen Arbeit vor Ort. Es wird ein Hilfebedarf ermittelt und ein Erziehungsplan auf der Grundlage des Hilfebedarfs erstellt. Dieser betrachtet zum einen die Defizite der Jugendlichen, weil in der Regel nur zehn bis elf Tage Zeit bleiben, da die Jugendlichen nur für diese Zeit dort sind. Neben den Defiziten wird auch das Positive herausgearbeitet, indem auf die Stärken der Jugendlichen abgezielt wird. Man kann also sagen, die Jugendlichen erhalten mit dem Jugendarrest noch einmal eine Chance, einen Wendepunkt in ihrem Leben zu markieren und nicht völlig auf die schiefe Bahn zu geraten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Abg. Florian Rentsch (FDP): Na ja!)
Um das zu gewährleisten, ist in dem Gesetzentwurf auch erwähnt, dass eine Zusammenarbeit mit Dritten stattfindet: Es gibt pädagogische Betreuung, es gibt Anti-Gewalt-Training, die Jugendlichen werden an einen geregelten Tagesablauf herangeführt. Vor allem gibt es auch Sport als Schwerpunkt, um zu lernen, angemessen mit Erfolg und Misserfolg umzugehen und eine rationale Bewältigung von Konflikten zu erreichen, aber auch, um Einsicht in die Notwendigkeit von Regeln zu erhalten. Diese Konzeption wird unter Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse ständig weiterentwickelt, und auch dies findet in der praktischen Arbeit stets Berücksichtigung.
Auch die Vermittlung von lebenspraktischen Fähigkeiten findet in der Einrichtung statt. Es war ziemlich bemerkenswert, als wir erzählt bekommen haben, dass Jugendliche dorthin kommen würden und mit Hygiene überhaupt nichts am Hut hätten: Die kommen für drei Wochen dorthin, haben eine Unterhose dabei und denken, das würde reichen. Hier muss man erst einmal Dinge des praktischen Lebens vermitteln.
Ich finde, das ist eine gute Arbeit, die die Jugendlichen auf einen guten Weg bringen kann. Ich finde auch, jeder Jugendliche, der nach einem Aufenthalt in der Jugendarrestanstalt seinen Weg findet, ist es wert, die Anstrengung zu unternehmen, mit ihm gemeinsam eine Perspektive für das gemeinsame Leben zu entwickeln.
Das Gesetz bietet den Rahmen dafür. Für die gute Ausgestaltung sorgt die Einrichtung. Wir sorgen nach der Anhörung und den Diskussionen im Ausschuss hoffentlich für eine breite Mehrheit. Ich bin gespannt auf die Diskussionen im Ausschuss und die Anhörung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir müssen uns, wenn wir uns über das „Zuchtmittel“ Jugendarrest Gedanken machen, dieses Mittelding zwischen Erziehungsmittel und Jugendstrafe, doch schon fragen, ob es eine gute Idee ist oder warum z. B. wir von der LINKEN es für eine falsche Idee halten.
Zweitens müssen wir uns schon fragen, ob der heute diskutierte und damit die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe diesem Anspruch gerecht werden. Frau Müller, ich habe gerade etwas vermisst. Sie sind nicht auf die Aufforderung oder das Angebot Ihres Vorredners Rentsch eingegangen, dass man vielleicht zu einer Einigung zwischen den beiden Entwürfen kommen kann. Deswegen bin ich wirklich gespannt, ob die Lernfähigkeit der neuen Landesregierung größer ist als die ihrer Vorgänger.
Ich möchte noch einmal prinzipiell beginnen: dass anhand eines Gesetzes, das nach wie vor mit der Begrifflichkeit aus dem Nationalsozialismus spielt und die Frage, ob Jugendliche schädliche Neigungen haben – das ist der Begriff der Nazis –, unterstellt, die Entscheidung gefällt wird, welche Art des weiteren Vorgehens überhaupt gewählt wird.
Ich muss zum wiederholten Male die Frage stellen, ob bei der zentralen Schwäche des Jugendarrestes, dieser riesigen Fluktuation, der nur kurzen Dauer des Arrestes – im Rahmen des Freizeitarrestes ist es gerade einmal ein Wochenende, beim Dauerarrest sind es maximal vier Wochen –, überhaupt eine sinnvolle und nachhaltige Einflussnahme auf das Verhalten der Jugendlichen möglich ist.