Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und der FDP, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unverändert anzunehmen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Wallmann. – Ich rufe Frau Kollegin Öztürk auf, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich freue mich, heute mit Ihnen die zweite Lesung des Härtefallkommissionsgesetzes vornehmen zu können. Als Koalition von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU haben wir bereits vor der Sommerpause einen Entwurf eingebracht und auch kundgetan, dass wir die Änderungen und die Novellierungen, die wir im Härtefallkommissionsgesetz vorhaben, sehr gut finden.
Wir haben schon in der Vergangenheit in der Opposition durchaus in der Arbeit der Härtefallkommission die eine oder andere Verbesserung gesehen. Diese sind jetzt quasi schon vor der Sommerpause als erster Entwurf eingebracht worden.
Im September haben wir die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf gehabt. Wir sind heute in der zweiten Lesung. In der Anhörung haben wir verschiedene Initiativen und auch verschiedene Anregungen bekommen. Die einen waren uns durchaus bekannt, die anderen wiederum neu. Es waren ein paar verwaltungsrechtliche Vorschläge gewesen, die wir als Koalition aufgenommen haben.
Einer davon ist heute in der Drucks. 19/944 Grundlage. Es geht darum, dass wir in den Verwaltungsvorschriften die Widerspruchsverfahren für ausländische Bürger und Unionsbürger vollkommen abschaffen wollen. Dass wir hier
eine einheitliche Regelung machen wollen, kommt daher, weil bereits im Jahre 2006 ein Urteil gefallen ist, das diese Sonderregelung außer Kraft gesetzt hat.
Das heißt nicht, dass den Menschen der Rechtsweg nicht mehr gegeben ist, sondern der Rechtsweg besteht nach wie vor. Aber es gibt einfach kein besonderes Widerspruchsverfahren mehr, sondern alle ausländischen Bürger und Unionsbürger werden jetzt gleich behandelt. Das ist eine Ausführung der Notwendigkeit, die schon längst Praxis ist.
Von daher will ich mich heute gar nicht lange in Details vertiefen, sondern möchte aus der Anhörung anmerken, dass uns das durchaus bewusst ist. Den Änderungsvorschlägen, die in der Richtung gekommen waren, beispielsweise Petitionsverfahren nicht mehr vorzuschalten oder einen Härtefallfonds einzuführen, sind wir nicht gefolgt.
Ich möchte aus der Anhörung daran erinnern: Ich hatte beispielsweise den rheinland-pfälzischen Bürgerbeauftragten gefragt, wie hoch denn der Härtefallfonds ist. Darauf kam leider keine Antwort. Wir konnten nicht genau vonseiten des rheinland-pfälzischen Bürgerbeauftragten den Hinweis bekommen, wie viele Fälle sie über den Härtefallfonds bearbeiten, wie viele Fälle beispielsweise von dem Fonds, der zurückgelegt wird, abgedeckt werden, was gemacht wird, wenn der Fonds ausgegeben ist. Dahin gehend kamen keine Hinweise.
Wir haben uns in dem Härtefallkommissionsgesetz, wie ich gesagt habe, darauf konzentriert, dass wir die Zweidrittelquoren abschaffen und die überwiegende Sicherung des Lebensunterhalts einführen wollen. Das ist nach wie vor Bestandteil des Gesetzes.
Das ist auch vonseiten der ganzen NGOs und auch vonseiten der Wohlfahrtsverbände sehr positiv begleitet und begründet worden, weil die Härtefälle, wenn wir uns die anschauen, zeigen, dass viele Härtefallersuchen durchaus positiv an den Minister weitergeleitet werden, die Personen aber dann auf eine Entscheidung warten, weil der Lebensunterhalt nicht vollständig, sondern nur überwiegend gesichert werden kann.
Beispielsweise gibt es im Jahr 2014 – daran möchte ich erinnern – insgesamt 24 Härtefallersuchen, die wir positiv an den Minister gerichtet haben. Davon sind 21 Fälle noch nicht entschieden, wovon 52 Personen betroffen sind. Bei diesen 52 Personen besteht überwiegend der Grund, dass der Lebensunterhalt nicht vollständig, sondern nur teilweise gesichert ist.
Von daher finden wir es wichtig, uns auf diese zwei Punkte zu konzentrieren, und viele andere Vorschläge, die gemacht worden sind – darauf wird die Opposition natürlich gleich eingehen –, haben wir nicht aufgegriffen. Ich gebe auch zu: Man kann nicht alles haben, was man will. Es ist nun einmal in einer Koalition so, dass man Kompromisse eingehen muss. Wir sind diesen bewusst eingegangen. Wir stehen auch dazu.
Ich glaube, wenn wir als Koalition gemeinsam in diesen zwei Punkten eine Änderung des Härtefallkommissionsgesetzes schon einmal durchsetzen und vollziehen können, ist vielen Menschen damit geholfen.
Von daher möchte ich für die Unterstützung dieses Gesetzes werben. Ich will gar nicht lange ausführen. Ich vermute, es wird eine dritte Lesung geben. Dann werden wir uns wahrscheinlich in der November-Runde noch einmal ausführlich damit befassen. Als Koalition haben wir unser
Versprechen gehalten, denken an die Menschen da draußen und wünschen uns auch die konstruktive Begleitung vonseiten der Opposition. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Öztürk. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Gnadl von der SPD-Fraktion. Frau Kollegin, bitte schön, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn dieser Debatte noch einmal darauf hinweisen, um wen es hier geht. Wir dürfen nicht vergessen, dass es bei dieser Thematik um Menschen geht, die unglaubliches Leid und Entbehrungen auf sich genommen haben, um auf ein besseres Leben hoffen zu dürfen. Niemand flieht in Nussschalen über das Mittelmeer oder läuft tagelang durch die Wüste, schlägt sich unter Einsatz seines Lebens durch Kriegsgebiete und gibt sein Heim oder seine Familie auf, wenn er dafür nicht existenzbedrohende Gründe hätte.
Ich will das auch bei dieser Debatte in Erinnerung rufen, um deutlich zu machen, um welche Menschen es geht. Ich bin froh, dass wir im Hessischen Landtag über die Parteigrenzen hinweg gemeinsam das Problembewusstsein für diese Schicksale haben.
Zum Gesetzentwurf. Zunächst möchte ich sagen, dass der vorliegende Gesetzentwurf zur Härtefallkommission eine deutliche Verbesserung der Lage für die Betroffenen im Vergleich zur letzten Novellierung aus dem Jahre 2009 darstellt. Das wollen wir ganz deutlich anerkennend feststellen. Ich bin froh, dass sich die Debattenlage seit der Novellierung im Jahr 2009 mit diesem Gesetzentwurf deutlich verändert hat. Damals ging es um eine Verschärfung und um weniger Möglichkeiten für humanitäre Entscheidungen für den Einzelnen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geht es heute darum, einzelne Regelungen im positiven Sinn zu novellieren.
Erstens. Es ist gut, dass die Zweidrittelmehrheit nun durch eine einfache Mehrheit ersetzt werden soll, auch wenn das sicherlich nicht der schwierigste Punkt bei der Arbeit der Härtefallkommission in den vergangenen Jahren war. Ich möchte mich im Namen unserer Fraktion bei den Mitgliedern der Härtefallkommission für diese Arbeit selbstverständlich bedanken.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Angela Dorn und Eva Goldbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Zweitens. Es ist wichtig, dass Sie jetzt ändern wollen, dass jemand, der wegen Krankheit, Alter oder aus anderen Gründen erwerbsunfähig ist und seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann, ihn dann auch nicht mehr wird bestreiten müssen. Damit wird dem Innenminister eine Möglichkeit eröffnet werden, dem Anliegen dieser Härtefälle zu entsprechen.
Dies wurde in der Anhörung von den verschiedenen Anzuhörenden anerkannt und begrüßt. Allerdings hat die Anhörung in zwei Punkten Eindeutiges ergeben. Der Änderungsantrag der SPD-Fraktion mit seinen Forderungen nach Einrichtung eines Härtefallfonds und Öffnung des Härtefallverfahrens für sogenannte Dublin-III-Petitionen wird von den Kommunalen Spitzenverbänden und von den Organisationen der Flüchtlingshilfe ausdrücklich unterstützt.
Umso unverständlicher finde ich es, dass die Mitglieder der Regierungsfraktionen den Änderungsvorschlägen der SPD-Fraktion im Innenausschuss nicht zugestimmt haben. Gerade bei den Mitgliedern der Fraktion der GRÜNEN hätte ich erwartet, dass unsere Änderungsvorschläge auf offene Ohren stoßen, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil Sie in der Vergangenheit diese Forderungen selbst aufgestellt haben.
Gerade von Ihrer Seite wurde bei der Auswertung der Anhörung im Ausschuss heftig argumentiert. Es wurde befürwortet, dass es vor dem Härtefallverfahren ein vorgeschaltetes Petitionsverfahren geben soll. Denn durch eine Petition besteht ein Abschiebestopp. Ich sage Ihnen: Auch nach einer Abschaffung dieses vorgeschalteten Petitionsverfahrens wäre es den Menschen unbenommen, eine Petition zu stellen.
Worum es uns dabei geht, ist doch Folgendes: Erstens. Das vorgeschaltete Petitionsverfahren verlängert das Verfahren für die Betroffenen oftmals unnötig, obwohl von Anfang an klar ist, dass es keine Aussicht auf Erfolg hat. Ich verstehe deshalb überhaupt nicht, warum Menschen, die Anerkennung als Härtefall ersuchen, vorher ein solches, für sie oftmals aussichtsloses Verfahren durchlaufen müssen. Das erschließt sich mir überhaupt nicht. Wir fordern, dass dieses bundesweite Unikat – diese Regelung in Hessen ist nämlich einzigartig – im Sinne der Betroffenen endlich abgeschafft wird.
Zweitens. Durch dieses vorgeschaltete Petitionsverfahren werden die Menschen mit Dublin-III-Petitionen weiterhin von der Härtefallregelung ausgeschlossen. Denn ihre Petitionen sind in Hessen nicht petitionsfähig. Diese Petitionen können vielmehr nur im Deutschen Bundestag eingereicht werden.
Mit der Abschaffung dieses bundesweiten Unikats hätten gerade auch diese Menschen in Hessen endlich einen Zugang zum Härtefallverfahren. Wenn Sie daran nichts ändern, steht diesen Menschen, die beim Deutschen Bundestag eine Petition eingereicht haben, der Weg nicht offen, als Härtefall anerkannt zu werden.
Meine Damen und Herren, deswegen appelliere ich noch einmal an Sie. Ich appelliere insbesondere an die Mitglieder der Fraktionen der CDU und der GRÜNEN. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen und niemanden vom Härtefallverfahren in Hessen ausschließen.
Ebenfalls unverständlich ist mir, warum die Regierungsfraktionen unseren Vorschlag, einen Härtefallfonds einzurichten, ablehnen. Sie selbst wollen mit Ihrem Gesetzentwurf die Entscheidung erleichtern, ob und in welchem Maß
Wir fordern, genau für diese Menschen einen Härtefallfonds einzurichten. Es war Frau Öztürk im Jahr 2009, die in ihrer Rede die Einführung eines Härtefallfonds gefordert hat. Mit diesem würden wir für die Menschen eine kluge Regelung finden, die nicht arbeiten können. Aus unserer Sicht sollte das Land Hessen dazu beitragen und die Sicherung des Lebensunterhaltes nicht nur den Kommunen oder den Familien selbst überlassen. Diese Forderung haben wir im Jahr 2009 noch gemeinsam vertreten. Ich sage: Sie war damals richtig, und sie ist heute noch richtig.
Dieser Idee folgend, müsste man unserem Änderungsantrag zustimmen. Wir wollen Ihnen noch einmal die Möglichkeit und die Chance geben, darüber nachzudenken, ob wir dies hier gemeinsam tun sollen. Deshalb beantrage ich für meine Fraktion die dritte Lesung.
Frau Kollegin Gnadl, vielen Dank. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Cárdenas für die Fraktion DIE LINKE. Frau Kollegin, bitte schön.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Härtefallkommission soll einen humanitären Beitrag zur Lösung der Lebenssituationen leisten, in denen die Anwendung ausländerrechtlicher Vorschriften zu Ergebnissen führen würde, die der Gesetzgeber erkennbar nicht gewollt hat. Diese Funktion der Härtefallkommission gilt es im Blick zu behalten, wenn es darum geht, ihre Rechtsgrundlage zu ändern. Dass eine Reform notwendig ist, steht wirklich außer Frage.
Der Änderungsantrag der Regierungsfraktionen zum Härtefallkommissionsgesetzentwurf ist in einigen Punkten durchaus begrüßenswert. Er bleibt aber leider weit hinter den Erwartungen an eine solche Novelle zurück.
Die Absenkung der Hürde zur Feststellung eines Härtefalls auf die einfache Mehrheit als notwendiges Quorum wird z. B. eine wichtige und richtige Änderung sein. Andere Herausforderungen geht die Novelle leider nicht oder nicht ausreichend an. Im Raum steht unter anderem die Frage, warum sich der Petitionsausschuss zuvor mit den Fällen befasst haben muss, damit eine Beschäftigung der Härtefallkommission mit ihnen zulässig ist. Frau Gnadl hat eben darauf hingewiesen, dass in der Anhörung die meisten, an die ich mich erinnere, dies tatsächlich hinterfragt haben.
Ebenso ist nicht nachvollziehbar, warum nicht alle Fraktionen des Hessischen Landtags in der Kommission vertreten sein sollen. Das haben auch viele andere in der Anhörung des Innenausschusses am 11. September 2014 nicht verstanden. Ich möchte beispielhaft aus der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Hessen zitieren:
Eine Entsendung der Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen in die Härtefallkommission entspricht demokratischen Grundsätzen.
Diesen Schritt zu mehr Demokratie wollten und wollen die Regierungsfraktionen offensichtlich nicht gehen.