Ich fand auch Ihr Lob für LOEWE interessant. Sie haben, anders als im Text der Vorlage, einen Unterschied gemacht, den ich spannend finde und den wir vielleicht im Ausschuss vertiefen könnten. Das Problem bei LOEWE – wie auch bei anderen Exzellenzprogrammen, auch des Bundes – ist: Es sind allesamt Anschubprogramme. Das heißt, wir haben viele gute Sachen auf den Weg gebracht, aber wenn wir die Hochschulen an der Stelle finanziell nicht anders ausstatten, dann wird ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser guten Sachen beendet werden. Wir erleben das gerade in Frankfurt bei einem Exzellenz-Cluster, bei dem es um die Ausprägung normativer Ordnungen geht. Da konnte ein spannenden Lehrstuhl mit weltweiter Wirkung – es ging um Entkolonialisierung, um die Frage, wie sich Staaten entwickeln, wie sich neue Ordnungen herausbilden, wie sich Demokratie in Ländern ausbildet, die Demokratie nicht „gelernt“ haben – nicht mehr besetzt werden, weil die Hochschule die Mittel nicht mehr aufbringen konnte.
Das heißt, wir haben sehr wohl ein Problem – nicht mit der Anschubfinanzierung, da hat LOEWE in der Tat Richtiges geleistet, sondern damit, wie wir das durchfinanzieren, wie wir das so finanzieren, dass es weitergeht. Die zynische Vermutung mancher, die sich diese Anschubfinanzierung ausgedacht haben, 60 % der Vorhaben würden schon schiefgehen, und mit dem Rest komme man schon zurecht, hat sich nämlich nicht bewahrheitet, und das ist gut so. Ein Großteil der Projekte ist so gut, dass ich denke, dass wir dafür sorgen müssen, dass sie überleben – eine Frage, auf die Sie, Herr Minister, keine Antwort haben. Ich glaube, dass da von uns noch eine ganze Menge gemeinsam zu leisten ist.
Als Nächstes möchte ich auf den Wissenschaftstransfer zu sprechen kommen. Ich habe in der letzten Legislaturperiode sowohl dem Wissenschaftsausschuss als auch dem Wirtschaftsausschuss angehört, was mich zu dem skurrilen Erleben führte, dass zu den gleichen Themen unterschiedliche Antworten gegeben wurden. Waren wir beim Thema Hochschulen, waren Sie stolz darauf, was Sie an Transfers auf den Weg bringen, was ich gut verstehen kann. Saß ich bei den regionalen IHKs, hieß es: Wir bekommen etwas, womit wir gar nichts anfangen können. – Diesen Mismatch, dieses Missverhältnis zwischen zwei Welten, nämlich den mittelständischen Unternehmen, die klare Interessen haben und darauf angewiesen sind, dass die öffentlich finanzierte Forschung das macht, weil sie keine eigene Forschung finanzieren können, und dem, was die Hochschulen leisten, haben wir, trotz aller guten Versuche, die es an einzelnen Stellen gibt, bisher nicht gelöst. Wenn wir aber über Innovationen reden, ist das genau der Punkt, über den wir reden müssen: Wie bekommen wir eine Verständigung hin, sodass die Kolleginnen und Kollegen an den
Hochschulen nicht das Gefühl haben, sie machen nur noch Auftragsforschung – darum geht es ja nicht –, und die Kolleginnen und Kollegen in den Unternehmen nicht das Gefühl bekommen, dass das, was da gemacht wird, mit ihrer Arbeit nichts zu tun hat?
Hier kommen wir an den Punkt, an dem Sie zum Schluss einen Schlenker gemacht haben, den man, wie ich finde, vertiefen kann, nämlich zur Rolle der Fachhochschulen, weil diese die Lücke zwischen universitärer Forschung und Anwendung schließen können. Die spannende Frage ist: Wollen wir den Fachhochschulen diese Rolle zuerkennen? Das hängt nicht nur an der Frage des Promotionsrechts, sondern auch an der Frage: Wollen wir diesen Hochschulen, in welchem Umfang auch immer, eigenständige Forschungsmittel und nicht nur Drittmittel zuerkennen? Wollen wir sie in die Lage versetzen, in den Bereichen, in denen sie gut sind – nicht in der Grundlagenforschung, sondern auf der Ebene dessen, was real umgesetzt werden muss –, Forschung zu betreiben? Wollen wir als Land sie in die Lage versetzen, das zu tun, oder nicht?
Da sind wir wieder bei LOEWE. Ich darf einmal daran erinnern, dass die Debatte darüber, wie die Fachhochschulen in das Programm LOEWE hineinkommen, nicht direkt in der damaligen Regierungsfraktion entstand, sondern mehr mit meinem Kollegen Siebel zu tun hatte. Deshalb ist es kein Zufall, dass wir die Hochschulen stärker im Blick haben. Ich glaube, dass wir da einen Nachholbedarf haben, der etwas mit einer Veränderung der Wissenschaftswelt zu tun hat. Wir hatten eine Wissenschaftsreform im Rahmen des Bologna-Prozesses, die dafür gesorgt hat, dass die Abschlüsse an Fachhochschulen und Universitäten inzwischen faktisch gleichwertig sind. Die Institutionen haben sich bisher aber noch immer nicht darauf eingestellt. Was heißt das? Heißt das, dass wir neue Hürden aufbauen wollen, oder heißt das, dass wir den neu gewonnen Spielraum, dass nämlich jemand, der seinen Bachelor an einer Fachhochschule gemacht hat – an einer Hochschule, um im hessischen Sprachgebrauch zu bleiben –, jederzeit an einer Universität weiterstudieren kann? Wollen wir das beibehalten, oder nicht?
Das ist eine spannende Frage der Entwicklung der Universitäten, auf die, wie ich finde, die Landesregierung Antworten geben muss; denn auch das hat dann wieder Konsequenzen. Wenn Leute aus dem Bereich der Anwendung sagen: „Wir wollen aber auch mehr Grundlagenforschung betreiben“, würde das bedeuten, dass es zu einem anderen Ansturm bei den Masterstudiengängen an den Universitäten käme. Wer sich mit dem Präsidenten der Technischen Universität Darmstadt unterhält, der erfährt, dass die genau da in ein Problem hineinlaufen, das sie jetzt noch in den Griff bekommen, weil sie davon ausgehen, dass der Master eigentlich ihr Standardabschluss ist.
Der nächste Punkt, der ebenfalls mit den Fachhochschulen, mit Innovation und mit der Frage, wie sie gefördert wird, zusammenhängt, ist die regionale Verteilung. Die Technische Universität Mittelhessen richtet laufend neue Dependancen ein – was ich sehr unterstütze –, weil sie sagt: „Wir können das, was wir gut können, nämlich angewandt arbeiten, in bestimmten Regionen zusammen mit den Unternehmen entwickeln und dort Kristallisationspunkte für neue Beschäftigung schaffen.“ Das heißt aber auch: Es muss einen Zusammenhang zwischen der Landesentwicklungspolitik auf der einen Seite und der Politik der Entwicklung der Hochschulen auf der anderen Seite geben.
Wenn Sie über einen Hochschulentwicklungsplan reden, dann reden Sie bitte schön auch davon, wie beides zusammengebracht wird; sonst werden wir das erleben, was wir schon bei der Siedlungspolitik erleben: In den Großstädten werden sich Zehntausende massieren, und auf dem Lande wird es immer weniger. – Das Gegenteil ist richtig, und das Gegenteil ist sinnvoll. Wer einmal darüber nachdenkt, wie aus dem Bundesland Bayern, einem der größten Nehmerländer der Nachkriegsgeschichte, im Länderfinanzausgleich ein Zahlerland geworden ist, der wird feststellen, dass ein zentrales Element der Strategie des Landes Bayern war, dass man Hochschulen, Fachhochschulen und ähnliche Einrichtungen übers Land verteilt und 20 Jahre lang aufgebaut hat, bis man Kristallisationspunkte für Regionen hatte, in denen Arbeitsplätze eigentlich selten waren. Das wäre ein Teil der Antwort auf die Entvölkerung der ländlichen Räume auch in Hessen.
Das ist Hochschulpolitik nicht nur nach dem Motto: „Wir müssen für das sorgen, was an den Hochschulen passiert“, sondern es ist auch Hochschulpolitik nach dem Motto: „Wir müssen tun, was dem Land insgesamt und seiner gleichmäßigen Entwicklung guttut“. Ich glaube, da gibt es auch in der Debatte zwischen verschiedenen Ministerien Nachholbedarf.
Ein letzter Punkt – eher zu den Fachhochschulen als zu den Universitäten –, zu dem sich auch ein paar Fragen stellen: Wenn wir heute über Fortbildung reden, reden wir in einem sich in nicht unbeträchtlichen Teilen immer stärker akademisierenden Bereich darüber, wo die Fortbildung stattfindet. Findet die Fortbildung in kleinen Institutionen statt, die sich bestimmte Teilfelder aussuchen, oder ist es nicht unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Fortbildung im akademischen Bereich dort stattfindet, wo die Ausbildung stattgefunden hat? Das ist übrigens nicht unbedingt die Debatte darüber, all das kostenfrei anzubieten – damit wir nicht nebenher diese Debatte führen. Das heißt, dass zwar in erster Linie Fachhochschulen Fortbildung stärker in ihr Portfolio aufnehmen müssen, aber auch Universitäten. Ich rede, wie gesagt, nicht darüber, dass dies überall kostenfrei angeboten wird. Darüber können wir uns irgendwann einmal – vielleicht mit anderen kleinen Parteien – streiten.
Aber im Kern geht es darum, dass die Breite dessen, was an einer Hochschule angeboten wird, auch in der Fortbildung angeboten wird, statt dass wir kleine Institute haben, wo man für teures Geld immer nur Themenausschnitte angeboten bekommt und sich die Fortbildung selbst nur mühsam zusammenstellen kann. Das ist ein Punkt, von dem ich glaube, dass wir noch eine ganze Menge zu tun haben, wenn wir über Qualität von Arbeit und Innovation nicht nur an der Hochschule sondern auch im Produktionsbereich selbst reden. Herr Minister, ich glaube, auch dazu haben wir noch Debatten vor uns – nicht hinter uns. Da wäre es ganz gut, wenn Sie sich noch ein bisschen reinlesen würden.
Ja. Das war gar nicht boshaft gemeint. Ich gehe davon aus, dass es mit viel Lesearbeit verbunden ist, wenn je
mand in der Situation ist, dass er sich einen neuen Bereich erarbeitet. Ich mache es, ehrlich gesagt, niemandem zum Vorwurf, wenn es ein paar Punkte gibt, an denen das noch nicht erfolgt ist. Es würde mir in der gleichen Situation genauso ergehen.
Ich finde nur, dass man zu ein paar Fragen, die man stellt, noch einmal nachlesen soll, wie andere das machen.
Wenn ich das zusammenfasse, komme ich an einen Punkt, an dem ich glaube, dass in der Realität ein neues Fass aufgemacht wird. Sie haben, ganz freundlich, die Studierendenwerke genannt. Dazu haben Sie in absoluten Zahlen auch gesagt, was erreicht worden ist. Leider haben Sie nicht deutlich darauf hingewiesen, dass wir, wenn wir die Wohnraumversorgung pro Studierenden nach Bundesländern ausdifferenzieren, erkennen, dass wir selbst mit diesem Zuwachs anteilmäßig unter den letzten drei Bundesländern landen und dass wir, was die Kinderbetreuung angeht, in einer ähnlichen Situation sind. Das heißt, dass wir im Prinzip gerade über eine bestimmte Form von Entwicklung reden, in der ein Faktor, der für die Menschen wichtig ist, nämlich die Hochschule selbst, ein Stück weiterentwickelt wird, während der begleitende soziale Aspekt, nämlich die Studierendenwerke, stagniert und ein Stück weit unter ökonomischem Druck steht.
Man schaue sich die Debatte um die Essenspreise in den Mensen an, die zum Teil überzogen sind, aber im Kern widerspiegeln, dass die Konstellation, wenn ich aus einer Familie mit begrenztem Einkommen stamme, für Miete im Ballungsraum relativ viel Geld aufwenden muss und mir für Sonstiges nicht viel übrig bleibt, eine Konsequenz hat. Dann wissen wir, dass wir uns all diese Sprüche über Kinder aus bildungsfernen Schichten sparen können, wenn wir nicht zusätzlich in die Studierendenwerke – sowohl in Wohnungen als auch in Mensen, als auch in Kinderbetreuung – investieren. Es scheitert nämlich nicht an deren Intelligenz. Es scheitert schlicht am Geld und an den Rahmenbedingungen. Ich glaube, wenn man Hochschulentwicklung betreiben will, soll man das zusammen machen.
Herr Minister, ich will Sie nicht allein in die Verantwortung nehmen, sondern ich glaube, es ist die Verantwortung der ganzen Landesregierung. Das, was wir heute gehört haben, war ein Ausschnitt von Bildungspolitik. Es war kein Gesamtkonzept. Ich glaube, wie gesagt, wir haben im Schulbereich Nachholbedarf, wenn das so aufgehen soll. Es war vollmundiger dargestellt, als es in der Realität ist, aber es ist ein Ausgangspunkt.
Die Frage ist, ob wir aus dem Ausgangspunkt an der Stelle gemeinsam etwas machen können. Dazu gehört die Frage, ob wir uns gemeinsam darauf verständigen können, dass wir deutschlandweit – egal, woher wir kommen – dafür streiten, dass die Menschen, die vom Bildungssystem der Vergangenheit profitiert haben, durch ihre Vermögen auch mehr Beiträge zum Bildungssystem der Zukunft leisten, oder ob wir aufgrund dieses Streits nicht in der Lage sind, Bildung weiter zu finanzieren.
Das ist ein gemeinsamer Punkt, der noch ganz spannend werden wird, weil die Debatte, mit Verlaub, nicht entlang der Parteigrenzen verläuft. Sie wissen, dass ein paar Ihrer
Kollegen in der Frage genauso argumentieren. Sie sagen, eigentlich ist Bildung so wichtig, dass wir an ein paar Stellen für zusätzliche Einkommen sorgen müssen. Ich weiß, dass ein paar meiner Kollegen sagen: Lass die Finger von irgendwelchen Steuerdebatten, das macht nur schlechte Stimmung.
Das will ich sehr deutlich sagen: Ich glaube, wenn man es damit ernst meint, dass Bildung für alle da ist, kann man sich vor bestimmten Auseinandersetzungen nicht drücken. Eine der zentralen Auseinandersetzungen – dazu lade ich Sie alle ein – ist es, die Finanzierung insgesamt so auszugestalten, dass sie für alle trägt. Da haben wir gemeinsam viel zu tun. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Grumbach. – Als Nächster hat Herr Abg. May für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Grumbach hat seine Rede etwas krawallig begonnen, wurde im weiteren Verlauf aber noch ganz friedlich.
Herr Schäfer-Gümbel, Sie wissen doch, dass Herr Grumbach und ich schon viel gemeinsam erlebt haben. Von daher: Sagen Sie das nicht. – Er hat also relativ krawallig angefangen. Ich glaube, das hatte aber auch damit zu tun, dass ihm das, was der Minister gesagt hat, gar nicht so schlecht gefallen hat.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er kann seine Gefühle nicht so zeigen!)
Herr Kollege Grumbach, was Sie ausgeführt haben, erinnerte mich ein bisschen an einen Ausspruch von Bertrand Russell, dem britischen Philosophen und Mathematiker, der einmal sagte:
Wissenschaftler bemühen sich, das Unmögliche möglich zu machen. Politiker bemühen sich oft, das Mögliche unmöglich zu machen.
Eigentlich passt zu dem Vortrag von Herrn Minister Rhein viel eher, dass er gezeigt hat, die hessische Politik macht fast Unmögliches möglich, um sehr viel für die Wissenschaft möglich zu machen.
Im Übrigen glaube ich – da Sie kritisiert haben, dass der Wissenschaftsminister jetzt eine Erklärung abgegeben hat –, es ist ein richtiges Signal an die Studierenden, die in diesen Tagen an den Hochschulen ihr Studium aufnehmen und sich mit einer neuen Situation zurechtfinden müssen,
dass der Wissenschaftsminister eine Regierungserklärung abgibt, um zu sagen, was diese Landesregierung in dem Bereich vorhat.
Ich glaube, man kann dem Minister eines nicht vorwerfen, nämlich dass er bestehende Probleme und Herausforderungen kleingeredet hätte. Er hat vielmehr die Herausforderung, die wir haben, klar benannt. Dazu gehört ganz klar, dass wir in diesem Jahr eine Rekordzahl von Studierenden haben – den stärksten Zuwachs an Studierenden ever –, nämlich 43.300 Studienanfängerinnen und Studienanfänger und über 228.000 Studenten insgesamt. Das ist natürlich eine große Herausforderung. Daher finde ich es richtig, dass der Wissenschaftsminister zu Beginn des neuen Wintersemesters hier eine Regierungserklärung hält.
Ich finde es auch nicht verwerflich, dass er – Wettbewerb der Bundesländer – auch einmal den einen oder anderen Blick nach rechts und links in die anderen Bundesländer wirft, um zu schauen, wie denn die anderen damit umgehen.
Daher trifft das alle gleichermaßen. Ich muss daher sagen, es stimmt schon, dass überall und noch viel zu oft die Fehlvorstellung herrscht, man könnte dieses Studierendenhochplateau, das wir haben, untertunneln. „Untertunneln“ ist ein Euphemismus, der bedeutet: Wir lassen die Hochschulen mit ihren Sorgen allein. Sie müssen irgendwie mit diesem Hochplateau – dieser großen Anzahl von Studierenden – klarkommen. Sie werden damit alleingelassen. Sie bekommen nicht mehr Geld an die Hand, Budgets werden eingefroren oder sogar verringert. – Ich finde, davon heben sich die Pläne der Hessischen Landesregierung doch äußerst positiv ab.