Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Am vergangenen Sonntag haben Muslime und Juden in Frankfurt am Main gemeinsam ein Zeichen gegen religiösen Extremismus gesetzt, und dafür danken wir. Denn dies ist eine wichtige Botschaft, eine Botschaft, die hoffentlich viele Herzen und Köpfe erreicht, eine Botschaft, die viele am Gelingen der Integration interessierte Menschen erfreut, und hoffentlich auch eine Botschaft, die manche Fanatiker und Irregeleitete nachdenklich macht.
Wir müssen zurzeit erleben, dass Fanatiker, die sich auf den Islam berufen, im Irak und andernorts furchtbare Gräueltaten begehen. Sie propagieren auch, dass der Islam niemals mit der Lebenswelt des Westens vereinbar sein wird. Wir sehen im Irak und in Syrien, wir wissen aus Afghanistan und anderen Ländern, dass dort, wo Islamisten die Macht an sich reißen, gerade auch Muslime Opfer unmenschlicher Interpretationen des Korans werden. Deutliche und laut vernehmbare Worte gerade islamischer Geistlicher waren und sind daher dringend nötig, um diesen Extremisten nicht das Feld zu überlassen und den Sorgen unserer Bevölkerung glaubhaft entgegenzutreten.
Schließlich sind Information, Aufklärung und die klare Abgrenzung friedliebender Muslime in Deutschland das beste Rezept für eine gelingende Integration und für den Abbau bestehender Vorurteile und Verallgemeinerungen. Dies wurde an diesem Aktionstag gezeigt.
Die Mehrheit der Muslime in Deutschland zeigt jeden Tag, dass westliche Werte und Lebensweisen nicht im Widerspruch zum islamischen Glauben stehen müssen. Sie erleben selbst, dass unsere Demokratie ihre Glaubensausübung schützt, keinesfalls beschränkt. Sie erleben, dass Religionsfreiheit nicht nur in der Verfassung verankert ist, sondern in Deutschland gelebt wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, denn auch dieses ist klar: Wer sich, Deutscher oder Nichtdeutscher, von der Verfassung entfernt, Menschenrechte missachtet, wird bestraft. Schließlich stehen wir als Staat und Gesellschaft auch in der Pflicht, die Grundlagen für ein tolerantes und friedliches Miteinander weiter zu fördern. Das heißt auch: In unserem Land gibt es Platz für vieles. Es gibt aber keinen Platz für Gewalt gegen Andersdenkende, Andersabstammende oder Andersgläubige. Dafür steht unser Grundgesetz.
(Lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Die Muslime in Deutschland haben sich durch ihren Aktionstag gegen Hass und Unrecht klar von der Gewalt der Islamisten distanziert. Dadurch haben sie auch gezeigt, dass solche Gräueltaten, egal wo sie geschehen, nicht im Namen des Islam geschehen dürfen. Dies ist wichtig; denn nichts gefährdet derzeit das friedliche Zusammenleben mit den hier lebenden Muslimen mehr als die Verbrechen von Islamisten und Salafisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, islamischer Fundamentalismus gehört nicht zu Deutschland. Dieser religiöse Fanatismus ist nicht nur ein Phänomen ferner Länder, er wütet nicht nur, wie wir gehört haben, im Irak und in Syrien. Wir müssen leider auch bei uns in Deutschland von 43.000 Islamisten ausgehen. Die Tendenz ist leider steigend. Die Zahl der Salafisten allein ist von 4.500 auf 5.500 angewachsen. In Hessen müssen wir von etwa 1.200 aktiven Salafisten ausgehen.
Das Ziel dieser Islamisten ist eine undemokratische und frauenfeindliche Gesellschaft auf deutschem Boden. Deshalb müssen wir hier beides schaffen: den Kampf gegen den islamischen Extremismus entschlossen führen und gleichzeitig die Integrationsbemühungen friedliebender Muslime unterstützen.
Deshalb sind Moscheen im Baurecht privilegiert, können Moscheen in Deutschland gebaut werden – ein Recht, welches Christen in anderen Ländern verwehrt wird. Deshalb profitieren friedliebende Muslime wie jeder andere auch vom Vereinigungsrecht in Deutschland, und der Islamunterricht kann gewählt werden.
Meine Damen und Herren, was uns dabei leitet, ist die Überzeugung von der Unantastbarkeit der Würde des Menschen, sind die Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen,
die Religionsfreiheit und die Überlegenheit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gegenüber totalitären Rechts- und Werteordnungen.
Ich bin mir sicher, dass wir in den vielen friedliebenden Muslimen in Deutschland Verbündete im Kampf gegen den Islamismus haben. Ich hoffe, dass wir uns einig sind, dass Salafisten, die nicht auf dem Boden unserer Verfassung stehen, die in Deutschland zur Gewalt aufrufen, die einen Gottesstaat auf deutschem Boden errichten wollen, ihr Aufenthaltsrecht in unserem Land verwirkt haben bzw. gar nicht erst einreisen dürfen.
Ich begrüße daher die vielfältigen, auf Bundes- und Landesebene eingeleiteten Schritte zur Bekämpfung des islamischen Terrors und zur Steigerung der Integration in unserem Land. Wir sind mit allen diesen Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene auf einem guten Weg. Unsere Verfassung, unsere Bürger und alle Menschen, die in Frieden leben wollen, haben dies verdient. – Besten Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unter dem Motto „Muslime stehen auf gegen Hass und Unrecht“ fand ein bundesweiter Aktionstag statt, an dem sich über 2.000 Mo
scheen beteiligten. Vertreter der Kirchen, des Zentralrats der Juden und auch Politiker haben daran teilgenommen.
Damit wollten die muslimischen Gemeinden ein Zeichen gegen Gewalt im Namen ihrer Religion setzen und gegen die jüngsten Übergriffe auf Moscheen protestieren. Denn allein in den letzten Wochen gab es fünf Angriffe auf Moscheen in Deutschland, seit 2012 waren es mindestens 80.
Es ist wichtig, dass der Landtag hier Solidarität zeigt und jede Form von Rassismus, antimuslimischen Ressentiments und Antisemitismus zurückweist.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeord- neten der CDU)
Meine Damen und Herren, es reicht aber nicht aus, diese Übergriffe zu verurteilen. Wir müssen auch sehen, wie Vorurteile und Hass entstehen und dass diese ganz bewusst geschürt werden.
Seit dem 11. September 2001 stehen Muslime vielerorts quasi unter einem Generalverdacht. Sie gerieten im Zuge von vermeintlicher Terrorismusbekämpfung ins Visier von Ermittlungsbehörden und sind verstärkt religiösen und rassistischen Vorurteilen ausgesetzt.
Die aktuellen Kriege in Gaza, in Syrien und im Irak werden zum Vorwand genommen, um muslimfeindliche Parolen zu verbreiten, Menschen anzupöbeln und Gotteshäuser anzugreifen.
Das kommt nicht von irgendwo her. Wenn wir in einem Kommentar des stellvertretenden Chefredakteurs der „Bild am Sonntag“ lesen müssen: „… der Islam stört mich immer mehr. Mich stört die weit überproportionale Kriminalität von Jugendlichen mit muslimischem Hintergrund. Mich stört die totschlagbereite Verachtung des Islam für Frauen und Homosexuelle“, dann bin ich froh, dass der Presserat diese islamfeindliche Einstellung und diesen Kommentar auch gerügt hat.
Aber es ist nicht leider nur die „Bild“. Es ist der „Cicero“, der mit einer Burka titelt und fragt: „Ist der Islam böse?“, der „Stern“: „Wie gefährlich ist der Islam?“, und der „Focus“: „Unheimliche Gäste“, zu sehen sind dann betende Muslime und ein Minarett. Wir haben in diesem Haus häufig über die Rolle von Politikern wie Herrn Irmer gesprochen, der immer wieder solche Ressentiments entfacht.
Meine Damen und Herren, der Aktionstag sollte auch ein Zeichen für den Frieden setzen. Jeden Tag erreichen uns schlimme Nachrichten aus dem Irak und aus Syrien, die Zahl der Flüchtlinge steigt dramatisch. Die Verfolgung von Kurden und Jesiden, die Hinrichtungen von Journalisten und Entwicklungshelfern – all das ist abscheulich.
Wer über den sogenannten Islamischen Staat spricht, der darf aber auch über den Irakkrieg, die Besatzung und Abu Ghraib nicht schweigen. IS ist ein Monster, das durch Krieg, Gewalt und Besatzung geschaffen wurde. Sie kämpfen und töten mit amerikanischen Waffen, die in die falschen Hände gerieten – wobei ich bezweifle, dass sie je in den richtigen waren.
Schon jetzt gibt es zu viele Waffen in der Region. Weitere zu liefern halten wir für einen schweren Fehler der Bundesregierung. Denn dieses Problem wird sich nicht mit den Mitteln lösen lassen, mit denen es entstanden ist.
Wir halten es auch für absurd, dass man in Deutschland vor dem Salafismus warnt und den IS im Irak mit deutschen Waffen bekämpfen will, aber Panzer nach SaudiArabien liefert, wo IS doch praktisch an der Macht ist, auch wenn sie dort anders heißen.
Dort haben Frauen keine Rechte, und Amnesty International schätzt, dass es allein im August über 40 zumeist öffentliche Enthauptungen gegeben hat. Die Bundesregierung muss sofort aufhören, ein solches Regime auch noch mit Waffen zu beliefern.
Meine Damen und Herren, die muslimischen Verbände werden immer gern aufgefordert, sie sollen sich öffentlich von Terror, Krieg und Gewalt distanzieren. Das tun sie übrigens immer wieder; das wird allerdings kaum zur Kenntnis genommen. Die Frage ist: Warum wird das überhaupt gefordert?
Die Muslime in Deutschland haben doch nichts mit dem Terror des IS zu tun. Sie haben genauso wenig damit zu tun wie die Christen in Deutschland mit dem Ku-KluxKlan, der sich auch christlich nennt. Es ist doch die Aufgabe aller, aufzustehen gegen Krieg, gegen Unterdrückung und Verfolgung – völlig egal, im Namen welcher Religion diese Verbrechen begangen werden.
Der Präsident der EKD hat bei der Kundgebung in Berlin zu Recht darauf hingewiesen, dass auch das Christentum in seiner eigenen Geschichte „Heilige Kriege“ und „Kreuzzüge“ kennt, wo Gott zur Rechtfertigung von Gewalt missbraucht wurde.
Es sind doch gerade Muslime, die vom Terror des Islamischen Staates bedroht sind. Es sind zuallererst sunnitische Kurden und Schiiten, die sich den IS-Terrorbanden in den Weg stellen und Flüchtlinge aufnehmen. Es ist kein Konflikt zwischen dem Westen und den Muslimen – das ist eine falsche Beschreibung.
Und wenn sich junge Deutsche, darunter viele Konvertiten, auf den Weg in einen vermeintlich heiligen Krieg machen, dann müssen wir doch sehen, das ist zuallererst ein Problem unserer Gesellschaft und nicht zuvorderst ein Problem der Muslime. Wir müssen uns fragen, was in dieser Gesellschaft da falsch gelaufen ist.
Ich komme zum Schluss. Das Problem ist nicht, dass sich die muslimischen Gemeinden nicht klar von Terror und Gewalt abgrenzen. Das tun sie bis auf ganz wenige Ausnahmen. Das Problem ist, dass die deutsche Gesellschaft keine klaren Zeichen gegen antimuslimischen Rassismus setzt.
Wo waren denn die Lichterketten, als Marwa El-Sherbini in einem deutschen Gerichtssaal ermordet wurde, weil sie Muslimin war? Wo waren denn die Aufschreie der Zivilgesellschaft, und wo war der Rechtsstaat, als neun Menschen
Ich denke, wenn Muslime, wenn Menschen mit Migrationshintergrund, wenn Juden in diesem Land angefeindet werden, wenn es Übergriffe auf Moscheen und Synagogen gibt, dann ist das ein Angriff auf die Demokratie insgesamt. Deswegen ist es die Pflicht aller Demokraten, gegen jede Form der Ausgrenzung und Diskriminierung und gegen Rassismus aufzustehen. – Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. René Rock (FDP))