(Beifall bei der LINKEN, der SPD und bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. René Rock (FDP))
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In unserem Land leben gut 4 Millionen Muslime, und nicht einmal gut die Hälfte davon sind deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Von daher wundert es mich nicht, dass es einen Aufruf der Muslime gibt, der sagt:
Wir rufen alle dazu auf, sich friedliebend zu verhalten, die Stimme gegen Rassismus zu erheben, gemeinsam einzustehen für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und Extremismus jeglicher Couleur eine Absage zu erteilen. Wir erhoffen uns durch das Vorleben eines friedvollen Miteinanders in Deutschland auch eine positive Signalwirkung auch auf die Konfliktherde im Nahen Osten.
Meine Damen und Herren, ein Bundespräsident unseres Landes hat einmal gesagt, und er ist deshalb an vielen Stellen angegriffen worden: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ – Das ist nicht nur eine Momentaufnahme. Muslime haben mit diesem Tag nicht zum ersten Mal, sondern zum wiederholten Mal bewiesen, wo sie mit ihrer Religionsfreiheit stehen, was sie wollen und was sie nicht wollen.
Es ist gut, dass sie das angesichts dieser weltweiten Herausforderung des Terrors erneut tun, aber ich betone: erneut tun.
Alle Organisationen, die gemeinsam zu diesem Tag am vergangenen Freitag aufgerufen haben, haben das in unterschiedlicher Weise für sich wiederholt getan. Vor dem Hintergrund dessen, was Terror ausmacht, was Terror bewirkt, ist von den Vorrednerinnen und Vorrednern – so glaube ich – genug gesagt.
Aber wir müssen auch einen Beitrag dazu leisten, dass wir endlich in unserem Land aus der Falle herauskommen, dass Muslime sich ständig für das verantworten müssen, was Menschen im Namen des Islam tun.
Ich darf uns, die wir hier gemeinsam sitzen, etwas zitieren. Denn wir haben im Abschlussbericht der Enquetekommis
sion einen Text verabschiedet, der sich genau mit dieser Frage beschäftigt. Die, die Mitglieder in der Enquetekommission waren, wissen, dass wir um diesen Text während der Anhörung und in der anschließenden Debatte lange miteinander gerungen haben. Der entscheidende Text dabei ist – ich zitiere –:
Bei der Debatte um Religion und Religiosität sollte beachtet werden, dass Religiosität kein Integrationshemmnis ist und Religion nicht per se ein Hemmnis für Integration und Bildungsbeteiligung darstellt.
Es muss immer unterschieden werden zwischen Religiosität und religiöser Folie, auf der argumentiert wird. Argumentation auf der religiösen Folie bedeutet, sich auf einer anderen Ebene zu bewegen: Die Religion wird als Grund genannt, obwohl eigentlich andere Gründe vorliegen. So verwenden viele Menschen aus Unkenntnis religiöse Begründungen für Verhaltensweisen, die traditionelle, kulturelle oder gar politische Ursachen haben. Deshalb muss in der öffentlichen Debatte darauf geachtet werden, dass der Grund für Probleme oder Konflikte nicht in der Zugehörigkeit zum Islam gesucht wird, obwohl es andere, plausible Erklärungsmöglichkeiten gibt.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Michael Boddenberg (CDU))
Wenn die Aktuelle Stunde heute Morgen und die Debatte um die bundesweite Aktion am vergangenen Freitag dazu einen Beitrag leisten, dann haben wir nicht nur dem Islam, dann haben wir auch der Gesellschaft einen großen Dienst erwiesen. – Danke.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)
Kollege Ernst-Ewald Roth, vielen Dank. – Das Wort hat der Sozialminister, Herr Staatsminister Grüttner.
Das war die Überschrift und das Programm des bundesweiten Aktionstags am vergangenen Freitag. An diesem Tag haben Tausende Muslime in ganz Deutschland gegen Hass und Gewalt im Namen des Islam demonstriert. Sie haben damit ein wichtiges Zeichen gegen den täglich feststellbaren Missbrauch ihrer Religion gesetzt. Damit verbunden war und ist zugleich ein klares Signal gegen den Terror und für ein friedliches Zusammenleben auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
In Frankfurt am Main haben Muslime und Juden gemeinsam den Schulterschluss geprobt und gemeinsame Wurzeln und Werte hervorgehoben. Ich mache mir gern die Botschaft des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, zu eigen, der sagte:
Mit dieser wichtigen Botschaft sind 10.000 entschlossen aufgestanden und haben ein unmissverständliches Zeichen auch für die religiöse Vielfalt in unserer Gesellschaft und gegen den Extremismus gesetzt. Sie haben sich damit von jenen abgegrenzt, die im Namen Allahs nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch ganz konkret in diesen Tagen Zehntausende Menschen vertreiben, quälen und ermorden.
Ich begrüße diese Demonstration ausdrücklich. Sie hat dazu geführt, weiten Teilen der Öffentlichkeit zu verdeutlichen, dass wir ganz klar zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als extremistischer Staatstheorie unterscheiden müssen.
Die fast ausnahmslos positiven Reaktionen in der Öffentlichkeit waren auch für die Muslime von Bedeutung. Nur selbstbewusste Muslime können sich gegen Extremisten in den eigenen Reihen wirkungsvoll wehren.
Die Landesregierung hat im Kampf gegen den religiösen Extremismus in den vergangenen Monaten viele deutliche Zeichen gesetzt. Das geschah nicht nur mit Blick auf Strafverfahren, Ausreiseverhinderung oder das Unterstützen des Verbots salafistischer Organisationen und Vereine durch den zuständigen Bundesinnenminister, sondern auch etwa mit der Einrichtung des Hessischen Präventionsnetzwerks gegen Salafismus.
Aber all diese staatliche Unterstützung darf uns dieses niemals vergessen lassen: Weder Polizei noch Verfassungsschutz kann den Kampf um die Köpfe oder, vielleicht besser gesagt, Herzen junger Muslime gewinnen. Dies vermögen allein die Familie, die Freunde, die Frauen und Männer derjenigen, die die im Kern friedliche Botschaft des Islam nicht mehr hören oder wahrnehmen wollen.
Dass sich nicht nur Muslime in Hessen, sondern im gesamten Bundesgebiet gegen die Terrormiliz Islamischer Staat aussprechen, begrüße ich ausdrücklich. Denn damit sind zwei klare Signale verbunden. Zum einen zeigt es, dass der gewaltbereite Salafismus nichts, aber auch gar nichts mit dem Islam zu tun hat. Zum anderen zeigt es, dass sich die Mehrheit der Muslime von extremistischen Gruppierungen distanziert.
Aktionstage wie der vom vergangenen Freitag werden ebenso wenig wie die zahlreichen sicherlich noch stattfindenden Kundgebungen unmittelbar dazu führen, dass die Kämpfer des Islamischen Staats davon abrücken, ihre demokratie- und menschenverachtenden Pläne umzusetzen. Dennoch war der Aktionstag nach meiner festen Überzeugung unendlich wichtig und richtig. Er hat nach außen weithin vernehmbar zu erkennen gegeben: Wir, die Mehrheit der Muslime in Deutschland, sind keine Terroristen. Wir lassen keinen Keil zwischen uns und die übrige Bevölkerung treiben. Wir, die friedlichen Muslime, sind in der Lage, eine klare Trennlinie zwischen Religion einerseits und dem Missbrauch im Namen Allahs andererseits zu ziehen.
Auch in Fortführung des Aktionstags haben die Muslime gezeigt, dass ihnen unsere demokratische, tolerante und pluralistische Gesellschaft sowie unsere Welt am Herzen liegt, und zwar unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Religion. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Aktionstag ein starkes Signal gegen jede Form von Rassismus, Islamfeindlichkeit, Antisemitismus und Extremismus ausgesendet hat. Daran muss angeknüpft werden, und es muss weiterhin gehandelt werden. Denn eines ist unmissverständlich zu sagen: Hass und Unrecht haben in unserer Gesellschaft keinen Platz.
Herr Minister Grüttner, vielen Dank. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen.
Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Gescheiterte Regierungspolitik – die Lan- desregierung muss Arbeitsplätze bei K+S sichern) – Drucks. 19/891 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein vor wenigen Tagen öffentlich gemachtes Gutachten der Universität Leipzig kommt zu dem Ergebnis, dass eine Pipeline zur Nordsee oder zur Oberweser als Problemlösung der Entsorgung beim hessisch-thüringischen Kalirevier volks- und betriebswirtschaftlich nicht darstellbar sei. Mit einem Schlag ist die Entsorgungspolitik der Hessischen Landesregierung und der Fraktionen der SPD, der CDU, der FDP und der GRÜNEN gescheitert.
Seit Jahren argumentieren wir gegen den Bau der Pipeline. Ein solches Gutachten erstellen zu lassen, wäre eigentlich Aufgabe des runden Tisches gewesen. Doch der runde Tisch befand sich von Anfang an aufgrund der Finanzierung, der Wahl der Gutachter und der Themen in zu großer Abhängigkeit von Kali + Salz.
Wer finanziert denn den runden Tisch? – Das Unternehmen spielt bei der Entsorgungsfrage mit der Absicht auf Zeit, gewinnschmälernde Entsorgungsverfahren möglichst lange zu verhindern.
Die Leitung des runden Tisches hat diese Strategie unterstützt und auf den Bau einer Pipeline zur Nordsee oder Oberweser gedrungen. Das wäre ein Projekt, bei dem von Anfang an feststand, dass die Realisierung lange dauern würde, dass Kali + Salz den Bau der Pipeline nicht finanzieren würde, dass das nur mit öffentlichen Mitteln zu machen sei, dass die Nachbarländer das ablehnen und dass
völlig in den Sternen steht, ob das realisierbar ist. Sie reden davon, es sei eine Frechheit, dass ich hier gesagt habe, der runde Tisch habe Kali + Salz in die Hände gespielt. Das war doch von Anfang an offensichtlich.
Wir fordern die Hessische Landesregierung auf, sich vom runden Tisch zu verabschieden und auf dessen sofortige Beendigung zu dringen. Bei der Entsorgungsfrage steht die Hessische Landesregierung jetzt vor den Trümmern ihrer Politik. Die aktuelle Genehmigung für die umweltschädliche Verpressung der Salzlauge gilt nur noch bis November 2015. Die Einleitung in die Werra verstößt gegen die Wasserrahmenrichtlinie, ist aber noch bis 2020 genehmigt. Die Salzhalden verursachen mehr Umweltprobleme, als dass sie Teil der Lösung wären. Darüber hinaus hat die EUKommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet, weil aus den Wasserbewirtschaftungsplänen nicht ersichtlich sei, wie bis 2015 ein guter ökologischer Gewässerzustand in Werra und Weser erreicht werden solle.