(Zuruf von der LINKEN: Herr Schwarz, es gibt nun einmal ein Völkerrecht! Das geht nicht nach: „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“!)
Ich komme zum Ende meiner Rede. – Selbst Herr Gysi hat festgestellt, dass mit Protestbriefen allein die IS-Terroristen nicht zu stoppen sind. Ebenfalls stellte Gysi vollkommen zu Recht fest, dass Deutschland im Notfall kurdischen Kämpfern gegen die Dschihad-Miliz helfen muss, und zwar auch mit Waffen. Auch die NATO, so Gysi, müsse dafür sorgen, dass die Kräfte im Irak und in Kurdistan in der Lage seien, den IS zu stoppen. Dazu kann ich nur fragen: Wie passt das zu den Ausführungen, die wir gerade eben gehört haben? – Offensichtlich müssen Sie parteiintern – –
Ich komme zum letzten Satz. – Wir reden hier von einer Verantwortungsethik. Damit auch das klar ist: Wir Deutsche wären ohne Waffen 1945 nicht befreit worden.
Wir begrüßen die diplomatischen Initiativen der Bundesregierung, politische Lösungen mittel- und langfristig vorzubereiten. Wir begrüßen die Resolution des UN-Sicherheitsrates.
Wir begrüßen, dass die Bundesregierung und die Landesregierung einen kraftvollen Beitrag für eine Hilfe in diesem Sinne leisten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich will mich jetzt der grammatikalischen Frage enthalten, wie viele Kommata in einem Satz zulässig sind. Aber ich bitte, einmal darüber nachzudenken.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Welt ist aus den Fugen geraten. Täglich erreichen uns Horrornachrichten über Gewalt, territoriale, ethnische und religiöse Konflikte, den Vormarsch fanatischer Terroristen und die massenhafte Verletzung der Menschenrechte.
Wir sind über die Nachrichten aus Syrien und dem Irak entsetzt. Dort hat die Organisation Islamischer Staat in den von ihr kontrollierten Gebieten ein Gewaltregime errichtet. Sie begeht dort furchtbare Verbrechen an der Zivilbevölkerung. Nach den neuesten Zahlen der Vereinten Nationen sind über 1,7 Millionen Menschen auf der Flucht.
Für diese dramatische Situation, für diese Krise gibt es keine einfachen Lösungen. Eine vorausschauende Friedenspolitik muss sich immer an klaren Zielen und Werten orientieren. Das sind für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Prävention, der Schutz der Menschenrechte, die Bekämpfung der Armut und die Kooperation mit wichtigen Bündnispartnern in der Europäischen Union, der NATO, der OSZE und den Vereinten Nationen. Zugleich tritt die sozialdemokratische Friedenspolitik immer auch für Abrüstung, für strengere Rüstungskontrollen und für mehr Sicherheit durch weniger Waffen in dieser Welt ein.
Solch eine Politik entbindet uns aber nicht davon, in einer solch akuten Krisensituation diese Ziele und diese Politik neu abzustecken und abzuwägen. Abgeschlachtete Menschen, Enthauptungen, die Vergewaltigung von Frauen, die Ermordung von Kindern, Sklaverei und fliehende Menschen können uns nicht kalt lassen. Angesichts all des Elends, das diesen Menschen zugemutet wird, können wir nicht zusehen.
Selbstverständlich steht an erster Stelle die humanitäre Hilfe in Form des Zurverfügungstellens der Notunterkünfte, der Medikamente und der Hilfsgüter. Die Bundesregierung hat 50 Millionen € zur Verfügung gestellt. Das ist gut so. Aber angesichts dieser humanitären Katastrophe müssen es noch mehr Mittel werden.
Für die Wirksamkeit humanitärer Hilfen braucht es ein sicheres Umfeld. Die Terrorgruppe IS muss wirkungsvoll gestoppt werden. Denn dieser Konflikt bedroht auch die innere Sicherheit Deutschlands. Auch deutsche Staatsbürger sind bedroht.
Bei diesem Konflikt gibt es keine Schwarz-Weiß-Lösung. Um Menschenleben vor dem IS zu retten, seine Macht und seinen Einfluss zu begrenzen, bedarf es leider weiterer Anstrengungen.
Es ist in der Tat eine schwierige Abwägung. Die Entscheidungsträger in der deutschen Bundesregierung haben hier eine verantwortungsvolle Entscheidung getroffen. Sie haben sich mit europäischen und internationalen Bündnispartnern dazu entschieden, in dieser konkreten Einzelfallsituation den Kurden, die sich mit aller Macht gegen diese Mörderbande stemmen, Waffen zu liefern.
Diese Entscheidung hat sich gerade bei uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten niemand leicht gemacht. Das ist eine Gewissensentscheidung. Ich weiß nicht, ob diese Entscheidung letztlich richtig oder falsch ist.
Dietrich Bonhoeffer hat einmal angesichts der Verbrechen der Nazis das Bild des Rades verwandt. Angesichts der Verbrechen der Nazis hat er den Schluss gezogen, dass es Situationen gibt, in denen es nicht ausreicht – ich darf zitieren –,
Im ersten Fall werden Menschen schuldig. Aber auch der Griff in die Speichen ist nicht schuldfrei. Wir tragen Verantwortung für unser Handeln. Aber wir tragen auch Verantwortung für Nichthandeln.
Deshalb hat die Bundesregierung in dieser schwierigen Situation eine Einzelentscheidung getroffen. Das ist kein Paradigmenwechsel zu der bisherigen Außenpolitik.
Das ist uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ganz wichtig: Es bleibt bei dem Grundsatz, dass keine Waffen in Spannungsgebiete geliefert werden. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten waren es, die im Jahr 2000 unter der rot-grünen Bundesregierung für restriktive Grundsätze der deutschen Rüstungsexportpolitik gesorgt und diese durchgesetzt haben.
Diese restriktive Rüstungsexportpolitik wird auch heute noch unter dem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gegen erhebliche Widerstände durchgesetzt. Das ist auch gut so.
Es ist niemand so naiv, zu glauben, dass ein paar Gewehre für die Peschmerga das Problem IS lösen. Es bedarf einer politischen Gesamtstrategie.
Ich will an dieser Stelle noch einmal ganz klar sagen: Die heutigen Probleme in dieser Krisenregion resultieren maßgeblich aus der fatalen und fehlerhaften Entscheidung der Amerikaner, den Irakkrieg zu führen.
Es war der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder, der damals für die Deutschen ein klares Nein zum Irakkrieg formuliert hat.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Mürvet Öztürk und Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das war eine gute, eine wegweisende und richtige Ent- scheidung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, in Irak braucht es eine Innenpolitik, die aus den Fehlern der Vergangenheit lernt. Sie muss ausgegrenzte Religionen und Regionen einbinden. Deshalb ist es zu begrüßen, dass der Premierminister al-Abadi bei der Aufstellung seines Kabinetts versucht, die einzelnen Volksgruppen darin zu repräsentieren.
Der Konflikt in Syrien muss eingedämmt werden. Die Zuströme an den IS in Form von Personal und Geld müssen gestoppt werden. Zudem muss es ein Interesse aller arabischen Staaten geben, dass radikalisierte und terroristische Gruppen wie der IS keine Grundlage in dieser Region bekommen können.
Die aktuelle Krisensituation erzwingt aber auch von uns ein Umdenken in der Flüchtlingspolitik. Aus humanitären Gesichtspunkten müssen wir mehr Flüchtlinge aufnehmen, und wir können das auch.
Ausdrücklich will ich auf die Debatte von vorhin Bezug nehmen. Dort haben wir unsere Position nochmals deutlich gemacht. Einen Aspekt will ich herausstreichen. Neben der Aufnahme müssen wir auch dafür sorgen, dass die Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak, deren Asylanträge aus den genannten Gründen meistens positiv beschieden werden, ein zügigeres Asylverfahren erhalten. Deshalb begrüße ich ausdrücklich derartige Bestrebungen auf Bundesebene, die für eine Beschleunigung dieser Asylverfahren sorgen sollen.
Meine Damen und Herren, auch das ist ein Gebot der Menschlichkeit. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Täglich erreichen uns schreckliche Bilder, nicht nur aus Syrien und dem Irak. Die UN haben gleichzeitig in vier Ländern die höchste Stufe humanitärer Notlage, also Stufe 3, ausgerufen. Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg übersteigt die weltweite Zahl der Flüchtlinge, Asylsuchenden oder im eigenen Land Vertriebenen die 50-Millionen-Marke.
Heute haben wir hier die Situation der Flüchtlinge im Irak und in Syrien zum Thema gemacht. Ich glaube, uns alle gemeinsam macht es besonders fassungslos, dass hier Leid, Verfolgung, Vergewaltigung und Tötung im Namen des Glaubens verübt werden – eines falsch verstandenen, eines von Extremisten missbrauchten Glaubens. Das verurteilen wir auf das Schärfste.
Hier ist humanitäre Hilfe notwendig. Deswegen ist es gut und richtig, dass sich sehr viele Staaten daran beteiligen – auch die Bundesrepublik Deutschland, und zwar mit humanitärer Hilfe, primär vor Ort, erst in zweiter Linie mit der Aufnahme von Flüchtlingen bei uns. Deswegen ist es auch schlimm, dass die zur Verfügung gestellte humanitäre Hilfe in vielen Fällen die Flüchtlinge, die Opfer nicht erreicht, dass zunehmend Zivilbevölkerung wie auch Helfer angegriffen und getötet werden. Das verstößt gegen sämtliche internationalen Gesetze.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch anfügen, dass es bei zukünftigen humanitären Einsätzen nicht nur um finanzielle Unterstützung gehen muss, sondern auch um soziale Leistungen. Nur, wo vor Ort politische und soziale Stabilität hergestellt wird, werden wir Menschen davor schützen, langfristig in solchen Notlagen, in solchen Krisen gefangen zu sein.