Wir haben in den letzten Monaten und Jahren eine Debatte um Steuerehrlichkeit, um Steuerhinterziehung und um die Ahndung von Steuerstraftaten erlebt, die bisweilen hoch emotional geführt wurden. Mancher Vorschlag, auch von Ihnen, manches Wortgefecht entbehrte der notwendigen Sachlichkeit. Um der gesellschaftlichen Debatte und dem gesellschaftlichen Anspruch nach mehr Steuergerechtigkeit Rechnung zu tragen, gilt es aber, sachliche Entscheidungen zu treffen. Genau das haben wir getan, und das werden wir auch weiterhin tun.
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat, und muss konsequent bekämpft werden. Das macht Hessen bereits. Auf Initiative des hessischen Finanzministers Dr. Schäfer wurde am 9. Mai 2014 auf der Jahreskonferenz der Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder das Thema „Strafbefreiende Steuerselbstanzeige bei Steuerhinterziehung und deren Verschärfung“ erörtert. Wir begrüßen ausdrücklich die dort beschlossenen Initiativen, die ich Ihnen gerne noch einmal vortrage.
Die strafbefreiende Selbstanzeige bleibt dem Grundsatz nach erhalten und wird weiterentwickelt. Die Grenze, bis zu der Steuerhinterziehung bei Selbstanzeige ohne Zuschlag straffrei bleibt, wurde auf 25.000 € halbiert. Darüber hinaus sollen die Strafzuschläge deutlich von bisher 5 % auf 10 bis 20 % angehoben werden. Hinzu kommt der bislang schon fällige Überziehungszins von 6 % pro Jahr. Die Strafverfolgungsverjährung soll in allen Fällen der Steuerhinterziehung von fünf auf zehn Jahre ausgedehnt werden. Somit müssen Steuerhinterzieher künftig für die vergangenen zehn Jahre reinen Tisch machen und die hinterzogenen Steuern neben Zuschlägen und Zinsen für diese Jahre nachzahlen. Das ist auch gut so.
Wir begreifen aber die Problematik der Steuerhinterziehung nicht als isolierten Vorgang. Vielmehr geht Steuer
hinterziehung oftmals Hand in Hand mit anderen Delikten im Bereich der Wirtschaft. Zwar braucht Hessen, wie einschlägige Untersuchungen zeigen, den Vergleich mit anderen Bundesländern nicht zu scheuen, was die Zahl der Betriebsprüfer, Steuerfahnder und Betriebsprüfungen angeht, aber es heißt so schön: Das Bessere ist der Feind des Guten.
Aus diesem Grund hat die Hessische Landesregierung im Jahre 2013 kein Vier-Sterne- sondern ein Fünf-Punkte-Programm initiiert, das den Weg zu einer verstärkten Bekämpfung von Steuer- und Wirtschaftskriminalität bereiten sollte. Weite Teile des Programms wurden bereits umgesetzt. Damit ist ein weiterer Schritt auf dem Wege zu mehr Steuerehrlichkeit gegangen worden. Das ist eine gute Nachricht für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande.
Zudem wird auf internationaler Ebene gerade an der Einführung eines automatischen Informationsaustauschs als neuem Standard gearbeitet.
Damit die deutschen Finanzbehörden die Möglichkeit eröffnet bekommen, dass Ihnen die Daten ausländischer Konten deutscher Steuerpflichtiger automatisch zur Verfügung gestellt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Initiative Hessens auf der Bundesebene zur Verschärfung der Selbstanzeige, das Fünf-Punkte-Programm, zeigt, dass wir bereits viel getan haben und dass wir weiter hart daran arbeiten werden, um noch besser zu werden. Hessen ist und bleibt ein Land der Steuergerechtigkeit. Bei uns wird Steuerhinterziehung energisch verfolgt und bekämpft.
Darauf können sich die ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verlassen. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, können sich darauf verlassen, dass wir Ihren wenig konstruktiven Antrag leider nicht unterstützen können.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht nicht um Sterne, sondern um reale Politik. Natürlich geht es auch um Ideologie. Die Politik der CDU war immer davon geprägt, dass man die Reichen reicher und die Armen ärmer machen muss. So wurden natürlich auch die gesetzlichen Bestimmungen gemacht.
(Clemens Reif (CDU): Nicht immer dieselbe Platte! – Gegenruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Wenn es doch stimmt!)
Der Antrag der SPD-Fraktion hat bereits eine Liegezeit von vor Ostern und ist sicherlich nicht mehr ganz aktuell.
(Michael Boddenberg (CDU): Ich dachte, Sie hätten ein Ferienhaus! – Günter Rudolph (SPD): Aber ein Haus in Südfrankreich haben Sie schon!)
Dennoch bleibt das Anliegen richtig. Wenn die Schweizer Behörden inzwischen einen höheren Druck auf Steuerbetrüger ausüben, um ihre Reputation nicht weiter zu verspielen, dann muss man das zur Kenntnis geben. Es geht nämlich nach wie vor darum, dass die Reichen die Gesellschaft nicht weiterhin betrügen.
Mir geht es insbesondere um die Frage, wie wir die strafbefreiende Steuerselbstanzeige künftig regeln wollen. Wollen wir als Staat solche Straftaten nicht mehr ahnden? Dann entsteht nämlich der Eindruck, der Staat tue alles, um insbesondere Vermögende vor Strafverfolgung zu schützen. Das ist jedenfalls der Eindruck, der draußen im Land entsteht. Wie sonst ist es erklärbar, dass man bei vorsätzlicher Steuerhinterziehung – die Beispiele Alice Schwarzer und Uli Hoeneß sind genannt worden – durch die Selbstanzeige einer eindeutigen Straftat, zu der man sich auch noch selbst bekennt, einer Strafe entgehen kann? Wie sonst ist es erklärbar, dass eine Strafverfolgung selbst dann unterbleibt, wenn der hinterzogene Betrag 50.000 €, nach dem neuen Gesetz möglicherweise 25.000 €, übersteigt – und damit nach dem Gesetz eigentlich eine Straffreiheit ausgeschlossen ist – und der Betrüger nach § 398a Abgabenordnung seine Steuern plus eine Freikaufgebühr von, sagen wir einmal, 5 % doch noch zahlt?
Bei den Bürgern muss doch der Eindruck entstehen: Wer Kohle hat, der kann sich irgendwie freikaufen, wenn man ihn fast erwischt hat. – Stellen Sie sich vor, ein erwischter Ladendieb würde in diesem Land so großzügig und nachsichtig behandelt. Nicht bei uns, wo den Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern jede Kontoentwicklung nachgestellt wird. Warum ist Ladendiebstahl eine Straftat und hat gegebenenfalls gravierende Folgen, während man bei einer Steuerhinterziehung, auch wenn man zigtausend Euro hinterzogen hat, oftmals nicht einmal als vorbestraft gilt?
Meine Damen und Herren, die Argumente des Finanzministers sind bekannt. Herr Schäfer, Sie sagen, durch die Selbstanzeigen werde dem Staat letztlich die Möglichkeit gegeben, Millionen Euro in die Kassen zu bekommen, die er sonst nicht erhalten würde. Herr Schäfer, ist es wirklich die Möglichkeit der Selbstanzeige, die zur Steuerehrlichkeit führt, oder ist es nicht vielmehr die Angst desjenigen, der Steuern hinterzogen hat, entdeckt zu werden, weil der Staat – jedenfalls tun das einige Länder – inzwischen Gott sei Dank und richtigerweise Steuer-CDs kauft? Ich kann Ihr Argument nicht ernst nehmen, weil Sie auf der einen Seite sagen, dass der Staat Geld einnehmen soll, sich auf der anderen Seite aber immer vehement dagegen gewehrt haben, dass der Staat Steuer-CDs ankauft.
Ähnlich ist es mit dem Steuerabkommen mit der Schweiz. Auch das muss man deutlich sagen. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass Sie wirklich an das Geld herankommen wollten. Bei dem Steuerabkommen mit der Schweiz
ging es aber um nichts anderes als darum, die Anonymität der Straftäter zu wahren. Wir unterscheiden offensichtlich zwischen Straftätern im Steuersystem mit entsprechendem Einkommen und anderen Straftätern. Das ist aber nicht akzeptabel.
Deshalb möchte ich noch einmal deutlich sagen: Die strafbefreiende Steuerselbstanzeige gehört abgeschafft. Gleichzeitig muss geregelt werden, dass Bagatelldelikte, die es ja auch gibt, ausgenommen bleiben – wie es in dieser Regelung enthalten ist –, sodass wir nicht die Kleinen, sondern die Großen erwischen, die heute von der strafbefreienden Selbstanzeige Gebrauch machen.
Der Bundesrepublik entgehen durch solche Steuerhinterziehungen nach Angaben der Deutschen Steuer-Gewerkschaft ca. 50 Milliarden € pro Jahr. Steuergerechtigkeit ist, wie gesagt, notwendig. Wer betrügt, wird bestraft. Auch wenn dieser Grundsatz gilt, sieht das Strafrecht Möglichkeiten der Unterscheidung vor. Wenn ein Täter geständig ist, wenn er freiwillig Angaben macht, kann das ein Richter bei der Festsetzung des Strafmaßes berücksichtigen. Aber rechtlich festzustellen, dass ein solcher Täter prinzipiell straffrei bleibt, obwohl er einen Straftatbestand erfüllt hat, das geht meines Erachtens überhaupt nicht. Deshalb brauchen wir eindeutig mehr Steuerfahnder und mehr Steuer-CDs. Das ist besser als jede Befreiung von der Steuerverfolgung.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss gestehen, dass wir, die FDP-Fraktion, ein bisschen die Hoffnung hatten, dass dieser Antrag gar nicht mehr zum Aufruf kommt; denn er ist eigentlich an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Da versucht die sozialdemokratische Partei – ich kann sehr gut verstehen, dass Ihre erste Reihe gerade unbesetzt ist; ich würde anstelle von Thorsten Schäfer-Gümbel und anderen auch nicht bei dieser Debatte anwesend sein wollen –, einen Fall und vielleicht noch zwei oder drei andere Namen, die berühmt sind, zu benutzen, um Parteipolitik zu machen.
Sie haben das an der Stelle übertrieben. Ich kann mich daran erinnern, dass es im Wahlkampf von den Sozialdemokraten entsprechende Einsätze vor Fußballstadien gab.
Das war peinlich. Herr Warnecke, da haben Sie recht. Ihre Bewegung zeigt das. – Aber der Antrag passt in diese Reihe. Sie beschäftigen sich nicht inhaltlich mit dem Thema.
In Ihrem Redebeitrag haben Sie ein bisschen versucht, das zu machen. Aber wenn man diesen Antrag liest, stellt man fest, seine Aussage ist eigentlich: Nur weil es uns starke Sozialdemokraten gibt, ist der Hoeneß jetzt überführt wor
den. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nicht das Niveau der Debatten im Hessischen Landtag, ob vor, nach oder während der Weltmeisterschaft.
Ich bin sehr dankbar, dass Frau Kollegin Arnoldt darauf hingewiesen hat, dass jedenfalls CDU und FDP und ganz offensichtlich jetzt auch die GRÜNEN keinen Nachhilfeunterricht von Ihnen benötigen, wie man in Hessen mit Steuerhinterziehung umgeht. Es war das Fünf-Punkte-Programm, das Kollege Dr. Schäfer und ich am 13. August des vergangenen Jahres in einer der bestbesuchten Pressekonferenzen – es sei denn, es gab irgendeinen Skandal –
in Frankfurt am Main vorgestellt haben. Das war nicht nur ein Programm, das für die Zukunft aufs Papier geschrieben wurde, sondern es war auch ein Beleg dafür, dass wir unter der Verantwortung von Karlheinz Weimar und Thomas Schäfer auf der einen Seite und unter meiner Verantwortung auf der anderen Seite in den vergangenen Jahren in Hessen einiges gemacht haben.
Wir haben eine Konzentration in einem von mir verantworteten Bereich, der Staatsanwaltschaft, vorgenommen. Wir haben um Längen verbesserte IT- und EDV-Systeme einsetzen können. Die Wege in der Zusammenarbeit zwischen der Steuerfahndung und der Staatsanwaltschaft sind erheblich verkürzt worden, und damit wurde sie vereinfacht und beschleunigt. Wir haben es mit der Erarbeitung und auch mit der weiteren Umsetzung – dann in einer neuen Konstellation – dieses Fünf-Punkte-Programm von Dr. Schäfer und mir geschafft, dass sich die Einnahmeseite erheblich positiv entwickelt hat.
Wenn sich Herr van Ooyen hierhin stellt und sagt: „Den Armen wird es genommen, und den Reichen wird es gelassen“, antworte ich, dass wir uns, glaube ich, in einem Punkt einig sind: Die Steuernachzahlungen sind nicht von Armen erfolgt, sondern die Steuernachzahlungen – ich will es einmal etwas anders formulieren, nicht in Ihrer Diktion – kamen von Wohlhabenden. Es sind dreistellige Millionenbeträge gezahlt worden. Der Finanzminister wird das noch viel dezidierter vortragen können als ich.
Was soll denn die Mär, die Sie immer wieder erzählen, dass das Steuersystem die Armen benachteiligt und die Reichen bevorzugt? Wo ist denn z. B. der Einsatz der LINKEN dafür, dass die kalte Progression endlich abgeschafft wird?