Es gibt zweitens auch kein vernünftiges Argument dafür, dass das KiföG – auch das ist vorher gesagt und am Mittwoch mehrmals bestätigt worden – die Schaffung von ausreichend langen Betreuungszeiten deutlich erschwert. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie weit weg Sie von der Realität der Familien und der Träger bei der Erarbeitung des KiföG waren.
Zunächst gab es gar keinen Betreuungsmittelwert für die langen Betreuungszeiten. Dann haben Sie einen neuen Betreuungsmittelwert eingeführt. Sie haben aber vergessen, und das ist ein Bruch in Ihrer eigenen Systemlogik, die Pauschalen dafür entsprechend anzupassen, sodass sich jetzt die finanzielle Schere zwischen gestiegenen Personalanforderungen bei Ganztagsangeboten und einer nicht entsprechenden Refinanzierung durch das Land bei den Kommunen und Trägern deutlich öffnet.
Darauf haben sowohl die Vertreter des Städtetages, des Städte- und Gemeindebundes als auch mehrere Vertreter der freien Träger am letzten Mittwoch sehr deutlich hingewiesen.
Sehr klar ist erneut – auch das ist vielfach vorher gesagt worden – die teilweise dramatische Situation kleinerer Träger der Kitas im ländlichen Raum geworden. Eine der Kolleginnen von der evangelischen Kirche hat darauf hingewiesen, dass 10 bis 15 % der Einrichtungen Personal abbauen müssen, weil sie nach Betriebserlaubnis aufgrund der räumlichen Situation keine 25 Kinder pro Gruppe aufnehmen können und dementsprechend Einnahmeverluste aufgrund des Finanzierungsmodus haben, die der Träger nicht auffangen kann. Dass es hierdurch zu Veränderungen in der gesamten Angebotsstruktur kommen muss, ist klar.
Das gilt auch für den mehrmals beklagten Druck auf flexibilisierte und stärker teilzeitbasierte Verträge mit dem Personal. Die Reaktion darauf ist, größere Trägerverbünde zu bilden, die aber auch nicht unproblematisch sind, weil es die Verbindung zwischen dem Gemeinwesen und der Kita teilweise auflöst. Vielleicht wird bei anderer Gelegenheit Zeit sein, darauf einzugehen.
Ich will noch kurz den aus alldem sich notwendigerweise ergebenden Druck auf die Erhöhung von Elternbeiträgen streifen. Das Fazit ist, dass dieses Gesetz Kindern, Eltern, Trägern und Kommunen keine Vorteile bringt. Es bringt vielmehr – das hat sich aus unserer Sicht aus den ersten Erfahrungen heraus bestätigt – all die Nachteile, die im letzten Jahr von vielen vorhergesagt worden sind.
Was haben Sie im Gegenzug anzubieten gehabt? – Nicht viel. Sie haben eine Evaluation angekündigt; das ist nicht wenig, und das will ich auch nicht kritisieren. Und Sie haben eine Anschubfinanzierung für Träger angekündigt, die wegen der ebenfalls vielfach kritisierten Stichtagsregelung teilweise an den Rand des Ruins getrieben wurden. Auch das ist ein Problem, das wir ohne Sie gar nicht gehabt hätten.
Das ist alles viel zu wenig. Das wird sich erst recht dann zeigen, wenn die Träger der Umsetzung des KiföG nicht mehr ausweichen können. Dann wird sich zeigen, dass den strukturellen Mängeln dieses Gesetzes mit ein paar kosmetischen Korrekturen und ein paar vagen Versprechungen nicht beizukommen ist, denn: Murks bleibt Murks.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab zwei ganz kurze Bemerkungen zu Ihrer Rede, Herr Merz. Erstens ist es nicht verboten, dazuzulernen. Deshalb können auch eine Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen einmal auf neue Instrumente zur Konsensfindung oder Weiterentwicklung bestimmter Instrumente zurückgreifen.
Zum Zweiten ist es einfach nicht wahr, dass im Zuge des ordentlichen Beratungsverfahrens das KiföG nicht weiterentwickelt worden wäre. Das muss man einfach noch einmal festhalten.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er hält immer noch die alte Rede!)
Aber zum Kern der Sache. Die Diskussion um die Qualität der Kinderbetreuung in Hessen und die richtige Landesförderung zeigt, wie wichtig uns dieses Anliegen ist, nämlich ein gutes Angebot an die Eltern zur Betreuung und zur frühkindlichen Bildung ihrer Kinder zu bekommen, das dem Bedarf entspricht, zum guten Aufwachsen der Kinder beiträgt und ordentlich finanziert ist, d. h. mit einer Landesförderung, die die Trägervielfalt bewahrt, die einen guten Mindeststandard absichert, darüber hinaus Qualitätsanreize setzt und in ihrer Förderlogik gerecht ist.
Das Land hat all dies sehr erfolgreich mit auf den Weg gebracht. Der U-3-Rechtsanspruch ist quasi eingelöst. Die Qualität wird stetig verbessert. Weitere Schritte wurden auf dem Runden Tisch Kinderbetreuung angeführt – ich nenne nur einmal QSV, Sprachförderkonzepte aus einem Guss, Weiterentwicklung des Bildungs- und Erziehungsplanes und neues Fortbildungskonzept in diesem Zusammenhang.
Auch das KiföG wird, wie wir gesehen haben, von vornherein einem offenen Begutachtungsprozess unterzogen, und es wird nachgesteuert. So wird eine Anschubfinanzierung für diejenigen kommen, die neue Gruppen oder Einrichtungen nach dem 1. März an den Start bringen und andernfalls über ein Jahr auf die Förderung warten müssten. All dies sind große Erfolge, und sie verdienen auch, gewürdigt zu werden.
Wir werden gleichwohl weiterhin gut zuhören, was uns aus der Fachpraxis und den Trägerverbänden zurückgemeldet wird. Wir werden dann wiederum nachsteuern, wenn es sinnvoll ist.
Der runde Tisch war ein guter Auftakt dafür. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das von Respekt und sachorientierter Zugewandtheit geprägte Klima auch weiterhin tragen wird.
Umso bedauerlicher ist es, dass die SPD-Fraktion jetzt einen Entschließungsantrag vorgelegt hat, mit dem in alte Streitmuster zurückgefallen wird.
Sie fällt sozusagen in den Kalten KiföG-Krieg zurück, der von Abgrenzung und Blockdenken statt von Dialog und Zusammenarbeit geprägt ist. Ich will das kurz an einigen Punkten, Ihren Entschließungsantrag betreffend, beleuchten.
Punkt 1. Sie behaupten, das Kinderförderungsgesetz folge „betriebswirtschaftlichen und fiskalischen Erwägungen“ und stelle „nicht das Wohl der Kinder und ihrer Eltern“ in den Mittelpunkt. Wo findet sich denn die betriebswirtschaftliche Optimierung, wo das fiskalische Interesse? Kinderbetreuung ist ein Subventionsgeschäft und völlig fern jeder Gewinnerzielungsabsicht und -logik, jedenfalls der öffentlichen Hände und der allermeisten Träger.
(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Mathias Wag- ner (Taunus) und Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))
Wo wird gespart, da die Ausgaben des Landes um 70 Millionen € auf ein Allzeithoch von 425 Millionen € per annum steigen?
Dann schreiben Sie, eine Qualitätsverbesserung sei nie beabsichtigt gewesen. Das nehme ich Ihnen wirklich übel. Denn Sie stellen damit unsere Redlichkeit in Abrede.
Ich kann verstehen, wenn jemand sagt: Das reicht immer noch nicht, es muss noch mehr ausgegeben werden. – Das kann man sich immer vorstellen. Das ist auch okay.
Aber Sie behaupten, wir hätten ein Mehr an Qualität nicht gewollt. Das ist nicht fair. Das wissen Sie auch.
Ich buche das auf das Frustrationskonto der Mitglieder Ihrer Fraktion, die für Ihren Geschmack schon zu lange auf der Oppositionsbank sitzen.
Punkt drei. Auch wir haben die weniger ausgelasteten kleinen Einrichtungen im ländlichen Raum im Auge. Ja, es wird so sein, dass einige die Förderhöchstbeträge nicht werden ausschöpfen können. Sie erhalten durch das Kinderförderungsgesetz aber zunächst einmal erheblich höhere Pauschalen je Kind und nach Verweildauer. Das haben wir hier schon mehrfach besprochen.
Sollten wir feststellen, dass es dennoch Unwuchten gibt, werden wir nachbessern. Das ist der Sinn der Evaluation und des runden Tisches.
Dass Sie in Ihrem Entschließungsantrag behaupten, „viele der geäußerten Kritikpunkte und Befürchtungen [seien bereits] eingetreten“ – so steht es dort –, finde ich bemerkenswert. Ich habe mich erkundigt. Ich war nicht immer dabei. Nach dem, was ich erkundet habe, ist beim runden Tisch dererlei kaum zur Sprache gekommen. Es gibt bisher einen einzigen aktenkundigen Fall einer kleinen Einrichtung mit Existenzsorgen. Er stammt aus Hofheim und wurde bereits vor dem Bestehen des runden Tisches durch Handeln der Verwaltung mithilfe einer Ausnahmeregelung gelöst.
Dass die Plätze dort mehrfach mit Kindern durch extensives Platzsharing belegt wurden, wird im Rahmen der Evaluation einer eingehenden Prüfung unterzogen werden. Das ist auch richtig so. Aber das geschieht eben auch.
Ich weiß wirklich nicht, wie Sie an einem einzigen Fall eine Gefahr für „die vielfältige Trägerlandschaft, das Subsidiaritätsprinzip“ und die „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ ablesen wollen. Rüsten Sie vielleicht doch ein bisschen ab, wenigstens für den Moment.
Punkt 5. Sie fürchten mehr Bürokratie und zugleich Unschärfen bei der Fördergenauigkeit, z. B. durch den einen Stichtag. Sie werden sich entscheiden müssen. Entweder gibt es eine hohe Passgenauigkeit, dafür aber viel Verwaltungsaufwand, oder es gibt einen geringeren Aufwand, dafür aber mehr Pauschalität. Das kann man nicht auflösen.
Das von Ihnen an die Wand gemalte Schreckgespenst, die Träger müssten jetzt stündlich aufs Neue kalkulieren, wie viel Personal notwendig ist – es ist eine wichtige Überlegung, wie viel Personal notwendig ist, ich will das nicht lächerlich machen –, ist Humbug. Ich habe Einrichtungen besucht, die mit einem Excel-Sheet dafür auskamen. Das Kinderförderungsgesetz verlangt eine Gesamtpersonalressource in Fachkraftstunden, die sich nach der Zahl der Kinder, ihrem Alter und den Betreuungsmittelwerten bemisst.
Das Kinderförderungsgesetz macht aber genauso wenig wie die Mindestverordnung Vorgaben zum Personaleinsatz. Da bestimmt nur die Versicherung mit. Das war bisher auch schon so. Deshalb geht diese Generalkritik ins Leere.
Punkt 6. Die Teilzeitquote der hessischen Erzieherinnen und Erzieher betrug bei der Einführung des Kinderförderungsgesetzes bereits 66 %. Das ist keine Folge davon. Wichtig ist vielmehr, dass wir als Koalition versuchen wollen, diese Reserven als Teil eines Programms zur weiteren Fachkräftegewinnung zu heben, wie man im Koalitionsvertrag nachlesen kann.
Punkt 7. Das hatten Sie eben angesprochen. Sie sagen es in Ihrem Entschließungsantrag schärfer. Sie sagen, die Träger müssten die Ganztagsbetreuung „komplett alleine finanzieren“. Ich muss sagen: Mir kommt fast in den Sinn, das ist Merzens Märchenstunde, siebte Folge.
Es gibt Ganztagspauschalen. Gerade sie wurden massiv angehoben. Im Ü-3-Bereich gibt es das jetzt pro Kind und nicht nur für die Gruppe.
Den von Ihnen herbeigeredeten Zusammenhang zwischen Ganztagsangebot und hohen Elternbeiträgen gibt es so nicht. Allerdings gilt die Logik, dass die Kindertagesstätte ein Kind zu dessen Wohl und zum Nutzen der Eltern betreut. Der Nutzen für die Eltern steigt natürlich mit der Betreuungsdauer. Deswegen sind entsprechend höhere Elternbeiträge plausibel. Ich kann das hier nur bewerten. Wir bestimmen nicht über die Beiträge der Eltern.