Protocol of the Session on July 16, 2014

Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung und stelle die Beschlussfähigkeit fest.

Ich hoffe, dass der etwas turbulente Auftakt heute Morgen nicht der ganz neue Stil in diesem Hause ist – zumindest nicht der FDP-Fraktion – und dass wir jetzt tatkräftig zur Tagesordnung übergehen können.

Erledigt sind die Punkte 1, 2 und 5 bis 8.

Der Innenausschuss hat gestern Abend eine Beschlussempfehlung für den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung erstellt. Das ist die Drucks. 19/682 zu Drucks. 19/584 zu Drucks. 19/250 und steht als dritte Lesung unter Tagesordnungspunkt 78 auf dem Nachtrag.

Noch eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Hochschulen zukunftsfest ausstatten – BAföG-Mittel 1 : 1 in Bildung investieren, Drucks. 19/681. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 79 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit den Tagesordnungspunkten 33 und 41 zu diesem Thema aufgerufen werden.

Vereinbarungsgemäß tagen wir heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 50: Entschließungsantrag der Abg. Merz, Decker, Di Benedetto, Gnadl, Dr. Neuschäfer, Dr. Spies, Roth und Fraktion betreffend Murks bleibt Murks – Kinderförderungsgesetz (KiföG) schadet der Qualität der frühkindlichen Bildung, Drucks. 19/632. Hiermit wird Tagesordnungspunkt 77 aufgerufen. Dann folgt Tagesordnungspunkt 52: Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren – zehn Millionen Kriegstote in Europa sind Mahnung und dauerhafter Auftrag zur Bewahrung von Frieden, Diplomatie und Völkerverständigung, Drucks. 19/636. Hiermit wird Tagesordnungspunkt 75 aufgerufen. Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 54, Drucks. 19/638.

Entschuldigt fehlen heute Frau Staatsministerin Lucia Puttrich ab 12:30 Uhr und Herr Abg. Greilich ab 10 Uhr.

In der Mittagspause der Plenarsitzung, ca. 13 Uhr, kommt der Untersuchungsausschuss 19/2 in Sitzungsraum 103 A zusammen. Im Anschluss an die Plenarsitzung, gegen 18 Uhr, tagt der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst in Sitzungsraum 501 A.

Ich darf noch auf die Vortragsreihe „Krieg und Frieden in Europa – Vom Beginn des Ersten und des Zweiten Weltkrieges zur europäischen Einigung“ hinweisen. In der Mittagspause findet um 13:30 Uhr die erste von drei Veranstaltungen mit Prof. Dr. Herfried Münkler im Schloss im Kleinen Saal statt. Davor und danach gibt es einen kleinen Imbiss im Wintergarten. Die Dauer der Veranstaltung ist ca. eine Stunde.

Heute Abend nach der Plenarsitzung findet der diesjährige Abend des Sports mit einer Nachlese zur WM in Brasilien in der Eingangshalle statt. Beginn ist ab 19:30 Uhr. Bereits vor Beginn gibt es Getränke und einen Imbiss.

Meine Damen und Herren, damit können wir in die Tagesordnung einsteigen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 50:

Entschließungsantrag der Abg. Merz, Decker, Di Benedetto, Gnadl, Dr. Neuschäfer, Dr. Spies, Roth (SPD) und Fraktion betreffend Murks bleibt Murks – Kinderförderungsgesetz (KiföG) schadet der Qualität der frühkindlichen Bildung – Drucks. 19/632 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 77 auf:

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend qualitativ hochwertige Kinderbetreuung weiterentwickeln – Ausbau des Bildungs- und Betreuungsangebotes in zahlreichen Bereichen – Drucks. 19/680 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Das Wort hat der Abg. Merz, SPD-Fraktion.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Lachen! Guck mal freundlich!)

Wenn ich dich sehe, soll ich freundlich gucken? – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vor genau einer Woche hat ein runder Tisch stattgefunden. Es war einer der vielen runden Tische und Gipfel, die sich diese Landesregierung zu veranstalten vorgenommen hat. Dieses Mal war es der Runde Tisch Kinderbetreuung.

Wenn man den danach erfolgten Verlautbarungen glauben kann, muss es wirklich ein Gipfel gewesen sein; denn die Regierung und die Koalitionsfraktionen konnten sich gar nicht einkriegen vor Freude darüber, wie konstruktiv und sachorientiert die Debatte doch war; das allein sei schon ein riesiger, fast an ein Wunder grenzender Erfolg dieser Landesregierung gewesen.

(Beifall bei der SPD – Demonstrativer Beifall des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Ich könnte jetzt sagen: Das ist auch tatsächlich ein Wunder, weil der Minister dabei war. – Diesen Satz lasse ich aber einmal weg. Schließlich bin ich nicht bösartig.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zuruf des Mi- nisters Stefan Grüttner)

Herr Minister, ich konnte es mir nicht verkneifen.

(Minister Stefan Grüttner: Das Niveau ist halt schon so weit gesunken!)

Angesichts dieser überbordenden Freude muss man sich allerdings wirklich fragen: Herr Minister und liebe Kolleginnen und Kollegen von den schwarz-grünen Fraktionen, was hatten Sie eigentlich erwartet? Hatten Sie erwartet, dass da eine Bande von Marodeuren mit Messern zwischen den Zähnen über Sie herfallen würde, um Ihnen das Fell über die Ohren zu ziehen? Wenn Sie auch nur ein bisschen Ahnung davon hätten, wie man einen Dialog mit den Fachleuten, mit den Fachverbänden, mit den Trägern und mit den Einrichtungen tatsächlich führt, dann hätten Sie gewusst, wie die Kolleginnen und Kollegen, die dort am Mittwoch versammelt waren, tatsächlich diskutieren und dass die von Ihnen im letzten Jahr immer wieder aufgestellte Behauptung, es handele sich bei ihnen um lauter Desinformierer, überhaupt nicht zutrifft.

In Ihrem Antrag schreiben Sie, der runde Tisch zeige – ich zitiere –, „wie wichtig uns ein enger Austausch mit den Verbänden und Kommunen und der frühzeitige und dauerhafte Dialog mit den Betroffenen sind“. Wenn es doch so wäre, und wenn es doch schon immer so gewesen wäre! Hätten Sie, meine Damen und Herren von der früheren schwarz-gelben Koalition, und vor allem Sie, Herr Minister Grüttner, frühzeitig und dauerhaft den Dialog mit den Fachleuten gesucht, wäre uns allen, ein wenig mehr Einsicht und ein wenig weniger ideologische Sturheit vorausgesetzt, manches erspart geblieben, was jetzt im Nachhinein bearbeitet werden muss – mit zweifelhaftem Ausgang.

(Beifall bei der SPD)

Gelegenheit dazu hätte es gegeben – im Landesjugendhilfeausschuss, in dem fast alle Kolleginnen und Kollegen sitzen, die am letzten Mittwoch dabei waren, aber auch zu vielen anderen Zeitpunkten. Stattdessen hat man im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens kein einziges Argument angenommen.

(Widerspruch bei der CDU)

Nein, das haben Sie nicht. – Die Anhörung selbst war, zumindest was das Verhalten der Regierung und der Koalition betrifft, eher eine Farce. Sie haben im Großen und Ganzen Ihr Ding ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen.

(Manfred Pentz (CDU): Regen Sie sich doch ab!)

Nun stehen wir alle vor den Folgen des Gesetzes – den eingetretenen und den zu erwartenden. Welche sind dies?

Der Kollege Bocklet, der an der eigens einberufenen Pressekonferenz nach der Durchführung des runden Tisches teilgenommen hat, wurde mit dem wunderbaren Satz zitiert, in der KiföG-Sache gebe es keine akut brennende Luft. Einmal abgesehen davon, dass ich nicht weiß, was akut brennende Luft ist, ist es auch nicht wirklich eine Alternative, sie durch die lauwarme Luft von Versprechungen zu ersetzen.

(Beifall bei der SPD)

Mein Fazit bleibt daher jener andere Satz des Kollegen Bocklet, der gesprochen wurde, als er noch nicht Seit an Seit mit Herrn Grüttner zur Pressekonferenz schritt, um neue Lieder zu singen. Dieser Satz lautet: Murks bleibt Murks. – Das ist wahr, und das bleibt wahr.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Nichts, was beim runden Tisch in der letzten Woche vonseiten der Fachleute gesagt worden ist, veranlasst uns dazu, irgendetwas zurückzunehmen. Denn die Kritik war zwar höflich und zurückhaltend im Ton, aber unbeirrt, in der Sache wiederholt und zu einem erheblichen Teil auch aus den ersten Erfahrungen heraus bekräftigt und belegt worden. Das gilt gerade dann, wenn festgehalten werden muss, dass der weit überwiegende Teil der Träger das KiföG noch nicht anwendet.

Das ist deswegen der Fall, weil viele Trägerverantwortliche und Einrichtungsleitungen absehbare – für sie nachteilige, schädliche und manchmal sogar existenzgefährdende – Folgen möglichst lang hinauszögern wollen oder weil sie die umständlichen und bürokratischen Verfahrensweisen nicht verstehen.

Da aber, wo umgesetzt worden ist oder demnächst umgesetzt werden soll, treten all die Probleme zutage, die wir

und vor allem die Kolleginnen und Kollegen aus den Verbänden, aber auch die Kommunen vorhergesagt hatten. Der Dreh- und Angelpunkt all dieser Probleme ist und bleibt der Systemwechsel beim Finanzierungsmodus, verbunden mit der Weigerung der vormaligen schwarz-gelben Koalition, aber auch offensichtlich der jetzigen schwarz-grünen, den Anteil des Landes an den Gesamtkosten der frühkindlichen Bildung substanziell zu erhöhen.

Meine Damen und Herren, das ist und bleibt die Wahrheit – am Anfang all dieser Probleme stand ein anderer eherner Satz, und das war der eherne Satz von Herrn Grüttner: Es gibt kein zusätzliches Geld ins System. – Dabei ist es auch geblieben.

Ich werde nicht müde, das hier zu betonen, weil Sie es auch wieder falsch dargestellt haben. Die erhöhten Aufwendungen, die Sie im Haushalt ausweisen, sind einzig und allein darauf zurückzuführen, dass Sie einen Prozess vor dem Staatsgerichtshof krachend verloren haben und in der Folge den Kommunen, den freien Trägern die Aufwendungen erstatten mussten, die Sie diesen vorher qua Mindestverordnung auferlegt hatten.

(Beifall bei der SPD)

Das ist bestenfalls eine Erstattung von Vorleistungen, aber keine Erhöhung des Landesanteils an den Gesamtkosten. Das haben Sie in das neue Pauschalsystem nach KiföG umgerechnet. Es hat aber ursächlich nichts mit dem KiföG und schon gar nichts mit dem Willen nach mehr Fürsorgeengagement des Landes für mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung zu tun.

Das war und das bleibt so, auch wenn jetzt die eine Farbe durch die andere Farbe ersetzt worden ist und nunmehr auch die GRÜNEN die falsche Melodie von einer finanziellen Fürsorge des Landes mitsingen. Sie reden von den über 450 Millionen € im Haushalt. Wir werden weiter davon reden, wessen Geld das ist. Es ist nicht das Geld des Landes, das hier ausgegeben wird, oder doch nur zu einem denkbar geringen Teil.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Daran ändern übrigens auch nichts die jetzt – das ist nach wie vor ein wesentlich kritischer Punkt – zur Verfügung gestellten 10 Millionen € zur Absicherung der bisherigen Standards bei der Betreuung von behinderten Kindern. Auch hier geht es nicht um eine Verbesserung sondern um die Abwehr einer Verschlechterung, die einzutreten drohte, weil den Trägern und den Kommunen aufgrund des neuen Finanzierungsmodus Einnahmeverluste drohten, die mit Qualitätsabsenkung kompensiert werden sollen.

Sie lösen hier insofern nur ein Problem, das es ohne Sie gar nicht gegeben hätte. Dass man für seinen selbst angerichteten Schaden einstehen muss, ist nur konsequent. Und Lob darf man dafür nicht erwarten, offensichtlich aber Eigenlob, das jedoch bekanntlich einen gewissen Geruch hat.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Wir sind natürlich gespannt darauf, wie Sie diese neuen Probleme bei der Inklusion in der Kita in eine Gesetzesnovelle einbringen werden. Nach wie vor bleibt die früher auch mit großer Verve vom Kollegen Bocklet vorgetragene Forderung richtig, die Standards für Inklusion in der frühkindlichen Bildung im Gesetz selbst festzuschreiben. Das

ist Ihnen auch letzte Woche sehr deutlich von vielen Seiten gesagt worden. Sie haben sich bis dato dazu immer nur ablehnend geäußert.

Es gibt zweitens auch kein vernünftiges Argument dafür, dass das KiföG – auch das ist vorher gesagt und am Mittwoch mehrmals bestätigt worden – die Schaffung von ausreichend langen Betreuungszeiten deutlich erschwert. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie weit weg Sie von der Realität der Familien und der Träger bei der Erarbeitung des KiföG waren.