Protocol of the Session on July 15, 2014

Herr Al-Wazir, ich finde es sehr gut, dass Sie zu Beginn Ihrer Rede noch einmal aufgezeigt haben, um was es eigentlich geht. Die alarmierenden Klimaberichte der Vereinten Nationen machen seit Jahrzehnten deutlich, dass der Klimaschutz eine der drängendsten Zukunftsaufgaben ist. Der weltweite CO2-Ausstoß ist heute so hoch wie noch nie

und die Tendenz weiter steigend. Es sind nicht nur die Schwellenländer, die für diesen Anstieg verantwortlich sind, sondern es ist auch Deutschland, wo der CO2-Ausstoß steigt.

Öl, Gas und Kohle werden nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Deshalb ist die Energiewende völlig unausweichlich. Je länger wir den vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien verschleppen, desto härter wird der Bruch sein, den wir kommenden Generationen zumuten, und desto größer werden die Schäden sein, die bis dahin noch verursacht werden.

(Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)

Wer heute über die angeblich so hohen Kosten der Energiewende klagt, sollte einmal die Gegenrechnung aufmachen. Er sollte einmal fragen, was es kosten würde, wenn es keinen Umstieg auf die Nutzung der erneuerbaren Energien geben würde. Bundesweit kostet der Import von Kohle, Gas und Öl über 80 Milliarden € im Jahr. Hinzu kommen die Folgekosten des Klimawandels, die laut Schätzungen ungefähr fünfmal höher als die Kosten für die Energiewende sein werden. Viel teurer als die Energiewende wäre also ein Unterlassen der Energiewende.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Stephan Grü- ger (SPD))

Strom aus Wind, Wasser, Sonne und Biomasse steht für bezahlbare Energie und wirksamen Klimaschutz. Er birgt nicht das Risiko eines katastrophalen Unfalls. In Zeiten knapper werdender Rohstoffe und zunehmender militärischer Konflikte ist das auch eine Investition in den Frieden.

Welche katastrophalen Folgen die Erderwärmung haben kann, ist allgemein bekannt. Die verheerenden Konsequenzen des Klimawandels sind stellenweise auch schon spürbar. Das zeigt, wie dringend notwendig es ist, dass es einen schnellen Umstieg auf die Nutzung erneuerbarer Energien gibt, und wie wichtig es ist, endlich einmal zu einem internationalen und verbindlichen Klimaschutzabkommen zu kommen.

Ich finde es schon bezeichnend, dass sich die Europäische Union, Kanada und die USA offensichtlich in aller Schnelle auf Abkommen wie TTIP oder CETA verständigen können, dass es aber in 20 Jahren nicht gelungen ist, endlich einmal ein wirksames Klimaschutzabkommen zu verabschieden, das die Länder mit dem höchsten CO2-Ausstoß auf der Welt auch wirklich unterzeichnen. Abkommen wie TTIP und CETA stärken die Macht der Konzerne noch. Das geschieht insbesondere durch den sogenannten Investorenschutz. In Quebec in Kanada gab es einen erfolgreichen Volksentscheid gegen Fracking – mit dem Ergebnis, dass der betroffene Gaskonzern jetzt den kanadischen Staat verklagt, weil er meint, dass ihm dadurch Gewinne entgangen seien.

Ich denke, das sollte uns wirklich eine Warnung sein. Fracking ist eine Risikotechnologie. Die einzig sinnvolle Regelung, auf die man sich verständigen könnte, ist ein vollständiges Verbot, und das bundesweit. Ein solches Verbot darf eben nicht durch vollkommen intransparent zustande gekommene Freihandelsabkommen unterlaufen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Energiewende müsste beschleunigt werden. Aber die Große Koalition auf Bundesebene ist gerade dabei, sie auszubremsen.

Ich finde, die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durch Bundeswirtschaftsminister Gabriel zeigt, welchen Einfluss die Kohlelobby nach wie vor in der SPD hat. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz war ein großer Erfolg. Es diente als Vorbild für ähnliche Gesetze in anderen Ländern. Damit wurde die Macht der Energieriesen beschnitten und ihr Geschäft eingeschränkt. Es wurde in die Strukturen der erneuerbaren Energien umverteilt.

Jetzt steht die Marktintegration der erneuerbaren Energien ganz oben. Das ist praktisch die Unterordnung der erneuerbaren Energien unter die fossilen Energieträger und die atomare Energie. Das ist nicht weniger als die Teilabschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Es wurde der Lobbyarbeit der konventionellen Energiewirtschaft und der Schwerindustrie geopfert. Ob das Gesetz, das jetzt im Bundesrat leider verabschiedet wurde, seinem Namen noch gerecht wird, darf bezweifelt werden.

Der Umbau des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist eine Bremse für die Energiewende. Es ist eine Rückkehr zu den alten Strukturen und damit ein Geschenk für die Energiekonzerne.

Angeblich ging es darum, den Strompreis zu senken. Der Strompreis ist in der Tat zu hoch, zumindest für die privaten Haushalte. Eine sozial gerechte und ökologische Energiepolitik muss auch immer bezahlbare Energiepreise im Blick haben, um der steigenden Energiearmut in Deutschland entgegenzuwirken.

Ich halte es wirklich für ein riesiges Problem, dass Menschen in Deutschland Strom und Gas abgestellt wird, weil sie ihre Rechnung nicht bezahlen können. Ich bin der Meinung, dass solche Abklemmungen verboten werden müssen.

Die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und die Kürzungen beim Ökostrom werden nicht zu sinkenden Preisen führen. Denn die EEG-Umlage ist überhaupt nicht der Preistreiber. Dank des Booms der erneuerbaren Energien ist der Börsenpreis für Strom derzeit sogar recht niedrig. Das wird aber an den Verbraucher überhaupt nicht weitergegeben.

Um die Strompreise zu senken, gäbe es sehr viel wirkungsvollere Instrumente. Das könnte die Wiedereinführung der Strompreisaufsicht sein. Das könnte beispielsweise auch die Senkung der Stromsteuer sein. Vor allem müssten endlich einmal die Rabatte der Industrie, die zulasten der Privathaushalte gehen, abgeschafft werden. Stattdessen müsste die Verbesserung der Energieeffizienz in den extrem stromintensiven Unternehmen gefördert werden.

Eine Studie im Auftrag der Fraktion DIE LINKE im Bundestag kam zu dem Ergebnis, dass der Strompreis, allein wenn man die Rabatte der Industrie abschaffen würde, um 1,5 Cent niedriger wäre. Niemand will sie komplett abschaffen. Aber das zeigt, dass das ein ganz erheblicher Bestandteil des Preises ist.

Statt aber bei den Privilegien für die Industrie anzusetzen, will die Bundesregierung die Vergütungen für die Betreiber der Ökostromanlagen kürzen. Der Preistreiber ist aber nicht die Nutzung der erneuerbaren Energien. Vielmehr sind es in allererster Linie die vermachteten Marktstrukturen, mit denen wir es auf dem Energiemarkt zu tun haben.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Stephan Grü- ger (SPD))

Dass der Strom aus teuren und schwer abbaubaren fossilen Energieträgern heute günstiger ist, ist die Folge einer vollkommen absurden Energiepolitik, die genau diese Energieträger jahrzehntelang gefördert und subventioniert hat. Ohne milliardenschwere Subventionen für die Kohle und den Atomstrom wäre das überhaupt nicht denkbar gewesen. Wenn man heute die Klagen über die Kosten der Energiewende hört, muss man sich immer vor Augen halten, dass die Nutzung der Atomenergie in diesem Land mit über 200 Milliarden € subventioniert wurde.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Corrado Di Benedetto (SPD))

Die Kosten für die Endlagerung und den Transport sind derartig hoch, dass die Kosten für die Nutzung der Solarenergie oder der Windenergie eine ganz andere Dimension darstellen.

(Zuruf von der SPD: Die teuerste Energieform, die wir haben!)

Es gibt immer ein Geheul der Industrie, als würden sie ihr letztes Hemd für die Energiekosten geben. Man sollte nicht vergessen, dass die Strompreise für die Industrie in den letzten Jahren sogar gesunken sind. Im europäischen Vergleich sind sie eher niedrig.

Ich bin der Meinung, wir müssen darüber reden, dass die Kosten der Energiewende gerecht verteilt werden müssen. Die Kosten für die Energiewende dürfen auch nicht immer weiter in die Höhe getrieben werden. Wer auf die Nutzung der Offshorewindkraft setzt, anstatt in die viel günstigere Nutzung der Windenergie an Land zu setzen, treibt die Kosten natürlich in die Höhe. Denn das ist viel teurer als die Nutzung der Windenergie an Land. Pro Kilowattstunde ist das ungefähr doppelt so teuer.

Wenn man sagt, man wolle vor allem die Nutzung der Offshorewindenergie fördern und nicht dezentral planen, dann erfordert das eben, dass man Stromtrassen quer durch das Land bauen muss, deren Bau riesige Kosten verursacht und einen hohen Flächenverbrauch mit sich bringt.

Wenn die Energie aber dezentral vor Ort gewonnen wird und eben nicht quer durch das Land transportiert werden muss, dann senkt das die Kosten der Energiewende. Wir haben in der Anhörung des Landtags zum Trassenausbau seitens der Vertreter der Wissenschaft, der Kommunen und der Verbände einiges gehört. Ich sage, dass das sehr ernsthafte Einwände und eine sehr ernsthafte Kritik an dem Trassenausbau im Allgemeinen und an Sued-Link im Speziellen war. Dabei ging es eben nicht um das Thema: Wir wollen nicht, dass diese Trasse durch unsere Ortschaft verläuft. – Vielmehr ging es um die grundsätzliche Frage, ob dieser Trassenausbau überhaupt nötig ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Der festgestellte Ausbaubedarf geht nämlich von einer zentralistischen Energiewende mit großen, teuren Offshorewindparks aus. Bei einer dezentralen Energieerzeugung in den Regionen wären viel weniger Übertragungskapazitäten notwendig.

Auch werden die zu erwartenden Fortschritte bei der Stromspeichertechnologie praktisch überhaupt nicht berücksichtigt. Deshalb hat man den Eindruck, dass hier nicht der möglichst schnelle Vollzug der Energiewende,

sondern eher die Aufrechterhaltung der massiven Kohleverstromung im Mittelpunkt steht.

Vor Ort gibt es Bedenken der Bürgerinnen und Bürger, die ernst genommen werden müssen. Die Akzeptanz der Energiewende darf nicht durch unnötige Trassenprojekte gefährdet werden.

Wir wollen den Energiesektor demokratisch und dezentral umbauen. Wir halten es für mehr als fraglich, ob Transittrassen wie Sued-Link, in die man Strom weder ein- noch ausspeisen kann, notwendig und förderlich sind, um den dezentralen Ausbau der Nutzung der erneuerbaren Energien voranzutreiben. Dahinter mache ich ein ganz dickes Fragezeichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, Sie haben eingangs die Frage gestellt, ob Hessen es schaffen kann, sich an die Spitze der technologischen Entwicklung bei der Energiewende zu setzen. Ich finde, das ist ein sehr guter Anspruch. Es wäre aber schon ein ganz großer Schritt nach vorne, wenn sich Hessen unter den Bundesländern im vorderen Mittelfeld bewegen würde. Denn Sie haben zu Recht gesagt, dass Hessen derzeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien Platz 11 der 16 Bundesländer einnimmt. Das ist natürlich die Folge der Energiepolitik der schwarz-gelben Landesregierung, die die Energiewende jahrelang blockiert hat.

Herr Minister, Sie haben auch über die Arbeitsplätze gesprochen, die Sie erhalten und deren Zahl Sie ausbauen wollen. Ich stimme Ihnen vollkommen zu. In der Tat bietet die Energiewende hier große Chancen. Ich finde aber: Wenn man sich die deutsche Solarstrombranche in den vergangenen Jahren ansieht, dann sieht man, dass es dort auch dramatische Entwicklungen gegeben hat, die auch vor Hessen nicht haltgemacht haben.

Es gibt eine ganze Reihe von Anbietern überhaupt nicht mehr. Die Zahl der Beschäftigten hat sich halbiert. Ausschlaggebend dafür war auch die harte Konkurrenz aus China, aber eben auch die Kürzungen der Solarstromförderung vonseiten der Bundesregierung. Diese Entwicklung wird durch die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von Wirtschaftsminister Gabriel noch verschärft werden.

Weltweit boomt die Fotovoltaik. Die weltweit installierte Solarstromleistung wird sich bis Ende des übernächsten Jahres verdoppeln. Aber in Deutschland kommt der Solarstromausbau nur noch schleppend voran. Die Nachfrage sinkt rapide.

Jetzt kommt der Wirtschaftsminister auf die besonders skurrile Idee, eine sogenannte Sonnensteuer einzuführen. Das heißt: Wer mit seiner eigenen Solaranlage Strom erzeugt und ihn selbst verbraucht, soll darauf künftig EEGUmlage bezahlen. Wer also etwas ökologisch und ökonomisch absolut Sinnvolles tut, wird zur Kasse gebeten. Meine Damen und Herren, ich halte das für eine absurde Konstruktion.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit wird die Installation von Solarpanelen auf Mietshäusern oder Gewerbeimmobilien unattraktiver und die Ausbauförderung der letzten Jahre konterkariert. Als ich dann noch gelesen habe, dass der Noch-EU-Energiekommissar Günther Oettinger vor einigen Tagen vor dem Wirtschaftsrat der CDU gesagt haben soll, Deutschland sei „unterwandert“ von Eigenheimbesitzern mit Solaranlagen,

Bauern mit Bioenergiekraftwerken und Bürgern, die sich finanziell an Windkrafträdern beteiligen, stockte mir, ehrlich gesagt, schon der Atem, dass ein für die Energiewende zuständiger Kommissar sich so äußert.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Das heißt also: Bürgerinnen und Bürger, die sich für die Energiewende engagieren, werden hier vom EU-Energiekommissar Oettinger als „Unterwanderer“ beschimpft.

Herr Stephan, im Gegensatz zu Ihnen finde ich, dass dieses Zitat einmal mehr zeigt, dass Günther Oettinger der völlig falsche Mann in diesem Amt ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist ja nicht neu!)

Ich habe das in diesem Haus schon einmal gesagt: Es ist sicher auch kein konstruktiver Beitrag zur Energiewende, wenn der Ehrenvorsitzende der hessischen CDU, Roland Koch, davon spricht, dass man die seiner Ansicht nach unsinnige Förderung von Solaranlagen auf den Dächern nur stoppen kann, wenn man – Zitat – „Steine drauf wirft“. Ich habe mich gewundert, dass das nicht zu einem Aufschrei in der CDU geführt hat. Sonst liegt Ihnen der Schutz des Eigentums immer sehr am Herzen. Umso trauriger ist es, dass als Alternative zu den kochschen Steinen der Großen Koalition jetzt die Sonnensteuer eingefallen ist. Denn ich befürchte, dass sie eine ähnlich verheerende Wirkung auf den Ausbau der Solarenergie haben wird.

(Beifall bei der LINKEN)