Protocol of the Session on July 15, 2014

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kürzungen kommen viel zu abrupt. Sie gefährden Arbeitsplätze und die Fortschritte beim Klimaschutz. Es ist eben auch so, dass geplante Projekte in der Finanzierung gefährdet werden. Sonst reden Sie immer von Investitionssicherheit für Unternehmen. Sonst reden Sie vom Vertrauen der Investoren und von verlässlichen Rahmenbedingungen. Hier aber nehmen Sie Landwirten, Genossenschaften, Privatpersonen und den Stadtwerken die Grundlage für ihre Investitionen. Das ist einfach nicht in Ordnung. Deswegen ist es ziemlich verheerend, was die Große Koalition in diesem Bereich macht.

Meine Damen und Herren, ich will noch eine Sache positiv hervorheben, die der Minister eben in seiner Rede auch angesprochen hat: Ja, es ist ein Schritt nach vorne, dass die neue Landesregierung den Kommunen mehr wirtschaftliche Betätigung ermöglicht – zumindest im Energiebereich. Das war schon beim Energiegipfel breiter Konsens. Das ist damals von der FDP verhindert worden. Ein Meilenstein ist dieser Gesetzentwurf dennoch nicht. Es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Mit dieser Novellierung erfüllen Sie die Minimalforderung der Kommunalen Spitzenverbände. Aber die kommunale Selbstverwaltung bleibt natürlich weiter eingeschränkt, wenn Sie die kommunalwirtschaftliche Betätigung der Kommunen in dieser Form beschränken.

Wir wollen die Energiewirtschaft dezentral, demokratisch und sozial ausrichten. Deshalb sind für uns Genossenschaften und Stadtwerke die zentralen Akteure. Dafür sind sehr grundlegende Änderungen auch auf Bundesebene notwendig. Es gibt aber auch eine Reihe von Maßnahmen, die in Hessen unmittelbar umgesetzt werden können und die mir in Ihrer Rede, Herr Minister Al-Wazir, etwas gefehlt haben.

Erstens. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat dem Bau von Windkraftanlagen völlig unnötige verwaltungstechnische Steine in den Weg gelegt – beispielsweise durch die Festlegung einer bestimmten Windgeschwindigkeit als Genehmigungsvoraussetzung. Diese Mindestwindgeschwindigkeit könnte gesenkt werden, um einfach eine größere Auswahl an Flächen zu schaffen. An anderer Stelle redet die CDU immer davon, dass es ein Fehler ist, den Unternehmen bürokratische Vorgaben zu machen. Aber an dieser Stelle haben Sie die exakte Windgeschwindigkeit festgeschrieben, ab der ein Investor investieren darf – mit dem Argument, Investitionen sollten effektiv sein. Ich sage einmal: Ein Investor wird nicht dort Windräder aufstellen, wo kein Wind weht. Das wäre völlig gaga. Deswegen bin ich der Meinung: Diese Vorgabe ist eher ein Hemmnis, als dass sie die Energiewende nach vorne bringt.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Auch bei der Frage der Mindestabstände gab es auf dem Energiegipfel eine andere Festlegung. Da wurde nämlich gesagt, dass in begründeten Ausnahmefällen auch von 1.000 m Abstand abgewichen werden kann, wenn es vor Ort eine Einigung gibt.

Zweitens. Herr Minister, ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie den Kommunen endlich wieder ein Satzungsrecht einräumen, das die Schaffung von solch klugen Instrumenten wie der Marburger Solarsatzung ermöglicht. Damals wurden Bauherren dazu verpflichtet, dass sie, wenn sie ein Haus bauen oder ein Dach sanieren, ein Gebäude erweitern oder auch nur die Heizungsanlage austauschen, eine Solaranlage installieren. Damit ist es möglich, vor Ort die Energiewende und auch die Klimaschutzziele voranzubringen. Mit der Abschaffung wurde damals den Kommunen ein wichtiges Instrument aus der Hand geschlagen.

Im Baurecht ist doch wirklich alles reglementiert. So ist es beim Anschluss an die Kanalisation oder bei der Höhe der Bebauung, mancherorts sogar bei der Farbe der Fassade. Ich verstehe nicht, warum ausgerechnet bei einer derart wichtigen Frage wie der Einhaltung kommunaler Klimaschutzziele, wo es um die Verringerung von Feinstaub und den Ausbau der erneuerbaren Energien geht, Kommunen keine Vorgaben machen dürfen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Begründung von Schwarz-Gelb lautete damals, dass die Regelung nicht mehr nötig sei, weil sich der Schadstoffausstoß seit den Achtzigerjahren erheblich verringert habe. Mit der Begründung können wir heute auch die Katalysatorpflicht für Autos wieder aufheben. Weder die Abschaffung von Kohleöfen in urbanen Zentren noch die Einführung von Katalysatoren bei Autos ist allein durch Anreize Realität geworden. Allein mit marktwirtschaftlichen Instrumenten und Appellen an die Freiwilligkeit wird sich die Energiewende eben nicht bewerkstelligen lassen. Deswegen werbe ich sehr dafür, auch die Hessische Bauordnung in dieser Hinsicht wieder zu ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Es gibt viele gute Beispiele in Hessen, wie eine Energiewende von unten funktionieren kann. Es gibt Energiegenossenschaften, es gibt Energieberatungen, es gibt Rekommunalisierungen in Hessen, beispielsweise die Stadtwerke Union Nordhessen, die sich aufgemacht haben,

wirklich eine 100-%-Region zu werden. Das ist ein gutes Beispiel. Leider fanden diese Initiativen in der Vergangenheit sehr wenig Unterstützung seitens der Landesregierung. Ich denke, das sollte sich ändern. Wir würden uns freuen, Herr Al-Wazir, wenn Sie dazu unseren Vorschlag aufnehmen würden, den wir seit Jahren beantragen, nämlich dass man das Kompetenzzentrum Public Private Partnership, das es bei der Landesregierung gibt, abschafft und daraus ein Kompetenzzentrum Rekommunalisierung macht, wo die Kommunen wirklich konkrete Hilfe bekommen, wie sie Stadtwerke und Netze wieder in die eigene Hand nehmen können.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP)

Ich will noch kurz etwas zu dem Thema energetische Sanierung sagen. Das haben Sie angesprochen, Herr Minister. Ich sehe auch, dass es dort in der Tat enorme Energieeinsparpotenziale gibt. Eine jährliche Sanierungsrate von 2 bis 3 % des Wohnungsbestands ist ein notwendiges und richtiges Ziel. Derzeit liegt die Quote bei nicht einmal 1 %. Die Frage ist, wie man das ändern kann.

Es gibt eine Berechnung des Instituts Wohnen und Umwelt, dass es allein für den Wohngebäudebestand in Hessen jährlich 450 Millionen € kosten würde, wenn man diese Sanierungsrate erreichen wollte. Ich glaube, dass es ohne eine Ausweitung direkter Förderprogramme schwierig wird, das zu erreichen.

Sie haben gesagt, Sie wollen eine neue Bundesratsinitiative zur steuerlichen Absetzbarkeit von Sanierungskosten starten, weil Sie das für den entscheidenden Hebel halten. Ich will noch einmal sagen: Ich glaube, dass hier Probleme entstehen, weil ein und dieselbe Sanierungsmaßnahme unterschiedlich gefördert wird. Denn es hängt letztlich davon ab, wie viel Steuern jemand zahlt. Sie sagen, Sie wollen das einkommensunabhängig hinbekommen. Ich bin gespannt auf den Vorschlag, den Sie machen. Aber ich glaube, die Gefahr ist vorhanden, dass die, die reicher sind und mehr Steuern zahlen, dadurch bevorzugt werden und es denjenigen, die es sich wirklich nicht leisten können, ihr Haus energetisch zu sanieren, durch den Anreiz einer Steuererleichterung auch nicht ermöglicht wird. Deswegen stellt sich für mich die Frage, ob das das richtige Instrument ist.

Ich halte es für notwendig, die Frage zu klären, wer die Sanierungsmaßnahmen trägt. Die Kosten der Gebäudesanierung liegen nun einmal beim Hauseigentümer, aber den Vorteil sinkender Heizkosten haben in der Regel die, die dort wohnen. Das sind oft die Mieter. Deshalb muss dafür eine Lösung gefunden werden. Derzeit dürfen die Bauherren 11 % der Renovierungskosten pro Jahr auf die Miete aufschlagen. Für viele Mieterinnen und Mieter bedeutet das eine enorme Belastung. Auch so wird die Akzeptanz der Energiewende untergraben, wenn die Menschen das Gefühl haben: Durch die Energiewende wird meine Wohnung teurer, eine Luxussanierung, eine teure energetische Sanierung wird auf die Miete aufgeschlagen, und am Ende kann ich nicht in der Wohnung bleiben.

(Dirk Landau (CDU): Es geht nicht um Luxussanierung!)

Nein, das ist es eigentlich nicht. Aber Sie wissen, es gibt durchaus Vermieter, die das zum Anlass für weiter gehende Sanierungsmaßnahmen nehmen. Das wissen Sie sicher. Oftmals steigt die Miete stärker, als das allein durch die energetische Sanierung nötig gewesen wäre.

(Zuruf des Abg. Dirk Landau (CDU))

Herr Minister, worüber Sie leider nichts Konkretes gesagt haben, das sind die Einsparpotenziale jenseits des Gebäudebestands. Was ist mit Einsparungen bei der Industrie? Sie wollen bei Unternehmen dafür werben, aber ich befürchte, damit ist es nicht getan. Hier gibt es wirklich ganz enorme Potenziale für Einsparungen, die nicht genutzt werden. Das hängt auch damit zusammen, dass beim Strompreis gilt: Verbrauch mehr, zahl weniger. – Solange private Verbraucher über die Strompreise die Industrie subventionieren, gibt es seitens der Industrie natürlich keinerlei Veranlassung, weniger Energie zu verbrauchen. Auch das ist ein Problem dieser gesamten Preisgestaltung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man über die Energiewende spricht, ist immer sehr viel von Akzeptanz die Rede. In der Energiewirtschaft ist das ein relativ neues Thema, denn bei der Atomenergie und der Kohlekraft hat die gesellschaftliche Akzeptanz doch eher eine untergeordnete Rolle gespielt – wenn man es einmal so sagen kann.

(Beifall des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Wäre die gesellschaftliche Akzeptanz schon früher ein Kriterium für die CDU gewesen, dann gäbe es schon lange keine Atomkraftwerke mehr in Deutschland.

Akzeptanz erreicht man in erster Linie dadurch, dass man die Menschen vor Ort einbezieht und transparente Verfahren schafft – auch bei der Frage, wo Anlagen errichtet werden sollen. Natürlich geht es auch darum, auch das hat der Minister angesprochen: Wem gehören die Anlagen? Wer profitiert davon?

Ich denke, die Menschen vor Ort müssen von den Einnahmen profitieren, die mit der Energiegewinnung durch Windkraftanlagen erzielt werden. Es ist eine andere Situation, wenn vor Ort das kommunale Sportangebot ausgeweitet oder die Infrastruktur ausgebaut wird. Das ist eine ganz andere Situation, als wenn die Gewinne aus Windkraftanlagen einfach irgendwohin in ferne Konzernzentralen wandern und die Menschen vor Ort davon überhaupt nichts haben.

Man kann sagen: Grundsätzlich gibt es eine breite Mehrheit für die Energiewende. Natürlich sind die meisten Menschen der Überzeugung, dass es die Energiewende braucht. Selbst wenn es sie persönlich betrifft, ist die Akzeptanz an vielen Orten sehr hoch.

Es ist aber ein Problem, wenn Politiker von CDU und FDP hier im Landtag über den Ausbau der Windkraft beschließen und dann in ihre Wahlkreise zurückgehen, über sogenannte Windkraftmonster polemisieren und den Leuten Angst machen.

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Am Ende führen Sie hier wieder die angeblich mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz als Argument an. Herr Minister, das muss man dem Koalitionspartner deutlich sagen: Es ist einfach ein Problem, hier etwas zu beschließen und dann hinauszugehen und Kampagnen dagegen zu machen. So schürt man Ängste, auf die man sich dann hier bezieht. Das ist alles andere als redlich.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Unredlich ist es auch, Naturschutz und Energiewende gegeneinander auszuspielen. Die Energiewende ist eine große Naturschutzmaßnahme. Nur so kann man den CO2-Ausstoß senken. Deshalb sollten Arten- und Naturschutz nicht gegen Windräder ausgespielt werden, sondern man sollte im Einzelfall zu klugen Abwägungen kommen.

Herr Minister, mir ist positiv aufgefallen, dass Sie als erster Minister beim Thema Energiewende auch über den Verkehr gesprochen haben. Ihre Vorgängerinnen haben diesen Bereich stets ausgeklammert. Dabei hat der Verkehr gerade in Hessen einen sehr hohen Anteil am Energieverbrauch. Deswegen wird eine Energiewende ohne eine Verkehrswende überhaupt nicht umsetzbar sein.

Sie haben ausgeführt, dass Sie große Potenziale beim Antrieb der Fahrzeuge, also der Elektromobilität, und bei der Organisation des Verkehrs sehen. Das Kernproblem bleibt aber doch, dass der motorisierte Individualverkehr eine verheerend niedrige Effizienzrate hat.

Daran ändert auch die Elektromobilität erst einmal nichts, denn auch sie braucht Energie. Elektromobilität ist nur so sauber wie der Strommix. Der aber besteht immer noch zu einem großen Teil aus Kohlestrom.

Deshalb: Ja, Elektromobilität kann und muss eine Rolle spielen. Aber sie muss in ein integriertes Verkehrskonzept eingebettet sein. Einfach nur den Verbrennungsmotor durch einen Elektromotor zu ersetzen, greift zu kurz. Wenn man Effizienzsteigerungen erreichen will, dann braucht man natürlich einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und auch neue Konzepte im Städtebau.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Umkehrschluss heißt das: Es muss Schluss sein mit der Privilegierung des Straßenverkehrs. Es ist notwendig, mehr Geld in den öffentlichen Verkehr zu stecken. In Ihrem Koalitionsvertrag sehe ich dafür leider wenige Ansätze. Dazu gehört natürlich auch, dass Bahnfahren attraktiver werden muss. Die jüngsten Preissteigerungen, die eben gerade wieder verkündet wurden, machen Bahnfahren nicht gerade – –

(René Rock (FDP): Das war das EEG!)

Herr Rock, also bitte: Der RMV ist einer der teuersten Verkehrsverbünde überhaupt. Jetzt kommen Sie bitte nicht mit dem EEG. Auch andere Verkehrsverbünde müssen die EEG-Umlage bezahlen. Daher muss man schon auch die Frage diskutieren,

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

wie stark die Preise ansteigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Hessen braucht Konzepte zur Verkehrsvermeidung. Das ist absolut notwendig.

Herr Minister, ich habe mich ein bisschen gewundert, dass Sie in Ihrer Rede eben den Flugverkehr überhaupt nicht angesprochen haben, der Verkehrsart mit dem höchsten CO2Ausstoß. Wenn wir in Hessen zu einer Energiewende kommen wollen, dann wird man den Frankfurter Flughafen – der einen sehr großen Anteil des Energieverbrauchs ausmacht – nicht ausklammern können. Der Flugverkehr ist klimaschädlich. Er ist energieintensiv. Deswegen sind wir der Meinung, am Flughafen muss durchaus überlegt werden, wie man Flüge reduzieren und auf die Bahn verlagern kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Energiewende ist für uns nicht nur eine Umstellung auf die erneuerbaren Energien. Wir wollen einen vollständigen Umbau der Energiewirtschaft, hin zu einer Dezentralisierung, einer Demokratisierung. Wir wollen Stadtwerke stärken, ebenso die Genossenschaften. Die haben einen großen Zulauf. Ich habe gelesen, in Baden-Württemberg ist mittlerweile jeder dritte Bürger auch Genosse, dort erfreuen sich die Genossenschaften einer besonders großen Beliebtheit. Deswegen sind wir der Meinung: Hier muss man grundsätzlich an den Strukturen der Energiewirtschaft ansetzen, damit die großen Energiekonzerne entmachtet werden und nicht in der Lage sind, die Energiewende einfach weiter zu blockieren.

(Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))