Protocol of the Session on July 15, 2014

Feld von „Green Finance“ bieten sich gerade auch für den Finanzplatz Frankfurt Möglichkeiten, neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Auch an dieser Stelle wird deutlich, welche Potenziale und wirtschaftlichen Chancen in der Energiewende in einem umfassenden Sinne stecken. Wie gesagt, das alles wird kommen. Gerade deshalb ist es unser Ziel, diese klugen Köpfe hier zu halten, ihnen ein attraktives Umfeld zu bieten, damit sie eben von hier aus ihre Geschäfte machen und – so viel Egoismus sei erlaubt – damit sie auch hier ihre Steuern zahlen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen, in der Ressourceneinsparung und Steigerung der Energieeffizienz liegen riesengroße Potenziale. Dabei werden wir unser Augenmerk in besonderer Weise auf den Wärmebereich richten müssen. Das betrifft den öffentlichen, den gewerblichen, vor allem aber den privaten Gebäudebestand.

Modernisierungsarbeiten erfordern gerade von privaten Ein- und Zweifamilienhausbesitzern eine große finanzielle Kraftanstrengung. Wir alle wissen, dass sich Investitionen in Energiesparmaßnahmen nicht sofort rechnen. Das Problem ist: Die Finanzierung einer solchen Maßnahme muss in der Regel sofort und auf einen Schlag gezahlt werden. Offensichtlich stellen die vergünstigten Kreditkonditionen und Zuschussangebote der KfW keinen ausreichenden Anreiz für die meisten Hauseigentümer dar. Es ist völlig klar: Wir liegen weiterhin unter 1 % bei der energetischen Sanierung unserer Wohngebäude, und wir müssen diesen Prozentsatz steigern, wenn die Energiewende gelingen soll. 2,5 bis 3 % ist die Zielmarke.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb arbeiten wir in der Koalition derzeit intensiv an einer erneuten Initiative für eine steuerliche Absetzbarkeit von energetischen Modernisierungsmaßnahmen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei spielt für uns eine entscheidende Rolle, dass Einfamilienhausbesitzer ihr Eigenheim ohnehin eher schrittweise energetisch sanieren. Unser Ziel ist es nicht, Menschen mit besonders hohem Einkommen überproportional zu fördern, sondern im Gegenteil, es möglichst vielen Hausbesitzern so attraktiv wie möglich zu machen, ihr Haus zu modernisieren.

Das ist nur realistisch – das gehört zur Wahrheit –, wenn es uns gelingt, eine für Bund und Länder aufkommensneutrale Lösung zu entwickeln. Wie gesagt, wir arbeiten daran. Wir glauben nämlich, dass die steuerliche Absetzbarkeit ein entscheidender Hebel für die dringend notwendige Erhöhung der Sanierungsrate ist. Deswegen werden wir bei diesem Thema nicht lockerlassen. Diese Maßnahme wäre nämlich zugleich ein großes Konjunkturprogramm für das hessische Handwerk.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Vizepräsident Wolf- gang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Das Gleiche gilt natürlich auch für den gewerblichen und den industriellen Bereich. Bei meinen zahlreichen Gesprächen mit Verbänden, Kammern und Unternehmen werbe ich deshalb dafür, Investitionen zur Energieeinsparung und zur Steigerung der Energieeffizienz als Krisenvorsorge zu betrachten, sich beraten zu lassen und Investitionen jetzt durchzuführen.

Auch viele hessische Kommunen haben längst begriffen, dass das Energiesparen ein Gebot ökonomischer Vernunft ist. Daher nutzen sie intensiv die Fördermittel, die wir über den Kommunalen Finanzausgleich für die energetische Sanierung von Schulen, Kindertagesstätten und Sporthallen bereitstellen.

Als Land wollen wir Vorbild sein und setzen das „CO2Minderungs- und Energieeffizienzprogramm“ für die eigenen Gebäude kontinuierlich um. Auch das ist ein Gebot ökonomischer Vernunft, wenn wir über unsere eigenen Gebäude nachdenken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir werden noch in einem anderen Bereich deutlich effizienter werden müssen, der bei der Diskussion um die Energiewende gerne vergessen wird: im Verkehrssektor. Nur wenn es uns gelingt, auch in diesem Bereich deutliche Fortschritte zu erzielen, werden wir unsere energiepolitischen Ziele erreichen können. Ich bin allerdings fest davon überzeugt: Gerade im Verkehrssektor stecken ungeahnte Potenziale, um Energie einzusparen, sowohl bei den Antrieben der Fahrzeuge als auch in der intelligenten Organisation des Verkehrs. Es muss interessant, leicht und vor allen Dingen attraktiv sein, die neuen Antriebe, aber auch die multimodalen Angebote aus unterschiedlichen Verkehrsmitteln zu nutzen. Bei der jungen Generation hat sich hier in der letzten Zeit schon einiges getan. Ich will ausdrücklich sagen: Ich möchte, dass wir auch in Zukunft mit dem Auto fahren können. Dazu muss dieses möglichst effizient, leise und schadstoffarm sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Minister, ich darf Sie daran erinnern, dass die für die Fraktionen vorgesehene Redezeit erreicht ist.

Vielen Dank für den Hinweis, Herr Präsident.

Ein zentraler Baustein einer Effizienzsteigerung im Verkehr ist neben dem Ausbau der Schieneninfrastruktur natürlich die Elektromobilität, mit der Verkehrslärm und Schadstoffe in den Innenstädten gleichzeitig reduziert werden können. Daher werden wir zusammen mit den hessischen Stromversorgern ein Projekt zur Einrichtung eines flächendeckenden Netzes von Stromtankstellen starten.

Natürlich werden wir selbst mit einem klimaneutralen Hessen den weltweiten Klimawandel nicht allein aufhalten. Wir können damit auf den ersten Blick – das ist klar – im globalen Maßstab nur einen sehr geringen Beitrag leisten. Aber wenn wir mit Hessen die Entwicklung Deutschlands nach vorne bringen, leisten wir einen großen Beitrag. Wir können hier in Hessen Lösungsansätze entwickeln, die auch in anderen Ländern gesucht und gebraucht werden. Denn Deutschland als größtes Industrieland Europas mit seinem wirtschaftlichen und technologischen Potenzial wird vielen Ländern ein Vorbild sein.

Eines wird dabei deutlich: Die Energiewende entwickelt sich zunehmend zu einem Exportschlager. Sie mag für

manche am Anfang notgedrungen gewesen sein. Sie stellt uns vor große Herausforderungen, ohne Zweifel. Es geht um nicht weniger als um einen kompletten Umbau unseres Energiesystems – von zentral auf dezentral, von fossil und atomar auf erneuerbar, von der Verschwendung zur Sparsamkeit. Aber das sind keine unlösbaren Probleme.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich sage an dieser Stelle sehr deutlich: Wir müssen der Energiewende ihren Zauber zurückgeben. Dazu gehört, nicht nur über die Probleme, sondern auch über die Chancen zu reden. Probleme sind dafür da, dass sie gelöst werden. Chancen sind dafür da, dass wir sie ergreifen. Die Energiewende ist auch für Hessen eine große Chance, die wir ergreifen müssen – für das Klima, für die Wirtschaft, für uns alle.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Al-Wazir. – Der Minister war gut viereinhalb Minuten über der vereinbarten Redezeit. Damit verlängern sich die Redezeiten für die Oppositionsfraktionen um jeweils eineinhalb Minuten, also auf 31,5 Minuten.

Das Wort hat der Abg. Schäfer-Gümbel für die SPD-Fraktion. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, zunächst ganz herzlichen Dank für diese Regierungserklärung, bietet sie uns doch die Möglichkeit, am heutigen Tage, sechs Monate nach Ihrem Regierungsantritt, endlich über die Grundzüge der Neuauflage der Energiewende in Hessen zu reden.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf mich bei Ihnen, Herr Minister, zweitens recht herzlich für Ihre konstruktive Mitarbeit in Berlin bei dem nötigen Neustart der Energiewende bedanken.

Herr Minister, ich darf mich drittens ganz herzlich für den Titel Ihrer Regierungserklärung bedanken, der lautet: „Neue Energie für Hessen“. Sie wissen ja – frei nach Oscar Wilde zitiert –: Nachahmung ist die höchste Form der Anerkennung. – Deswegen haben wir uns sehr gefreut, den Titel über der Regierungserklärung zu sehen, unter dem Andrea Ypsilanti und Hermann Scheer 2006 ihr Programm vorgestellt haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Lieber Herr Kollege Al-Wazir, ich will mich ganz herzlich bedanken, dass Sie diese Form der Anerkennung gewählt und mir damit auch die Chance gegeben haben, darauf hinzuweisen.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Kollege Wagner, ich bin mir allerdings nicht ganz sicher – das gilt im Übrigen für die Situation auf Bundesebene ähnlich wie für die Situation des Landes –, ob der Autor des Originalprogramms „Neue Energie für Hessen“, Hermann Scheer, Träger des alternativen Nobelpreises,

Präsident von EUROSOLAR und „Solarpapst“, also derjenige, der die energiepolitischen Debatten in den letzten Jahren sehr stark mitgeprägt hat, zufrieden gewesen wäre mit dem, was in Berlin und in Hessen derzeit vorgelegt wird. Dennoch will ich mich ganz herzlich dafür bedanken, Herr Al-Wazir.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Herr Minister, es gibt noch eine Parallelität: Unsere beiden Parteien haben einen Koalitionspartner an ihrer Seite – Sie hier in Hessen und wir als Sozialdemokratische Partei in Berlin –, mit dem im Bereich der Energiewende schlicht nicht mehr zu erreichen war als das, was jetzt vorliegt.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen müssen wir selbstkritisch festhalten, lieber Herr Kollege Al-Wazir: Gemessen an dem, was Sie vorhatten, und gemessen an dem, was wir vorhatten, ist der Politikwechsel ausgefallen. Ich will aber ausdrücklich dazu sagen: Wir werden den Politikwechsel nicht aufgeben. Was Sie vorhaben, ist mir nach Ihrer Regierungserklärung nicht ganz klar.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe vor vier Wochen anlässlich der Regierungserklärung zur Situation der Kommunen hier schon einmal gesagt, dass ich mir angesichts der Sonntagsreden an Dienstagnachmittagen, die mit einem gewissen Hang zur Übertreibung mittlerweile Regierungserklärungen genannt werden,

(Heiterkeit bei der SPD)

nicht ganz sicher bin, was Sie sich bei der Erarbeitung Ihrer Regierungserklärungen vorgenommen haben. Es gibt nämlich eine weitere Parallelität zwischen der Regierungserklärung vor vier Wochen und Ihrer heutigen Regierungserklärung.

Vor vier Wochen hat der Innenminister – damals mit Blick auf die kommunale Situation – in seiner Regierungserklärung einen einzigen konkreten Vorschlag gemacht, nämlich dass er eine neue Stelle schafft, in der die Kommunen beraten werden. Ihr Vorschlag am heutigen Tag ist, dass sich der Staatssekretär Ihres Ministeriums und die Staatssekretärin des Ministeriums Ihrer Kollegin Priska Hinz zukünftig um die Probleme in den Abstimmungen kümmern. Dazu werde ich später noch etwas sagen.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Da Sie ein paar Grundsätze formuliert haben, will ich das unsererseits auch noch einmal machen; denn ich glaube, dass es richtig ist, im Rahmen einer Regierungserklärung eine solche Chance zu nutzen.

Erstens. Wir sind ganz beieinander, wenn es darum geht, die Energiewende als eine große Chance zu beschreiben. Die Energiewende hat nach wie vor die Chance, das größte Konjunktur- und Wirtschaftsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg zu werden, mit unendlich vielen Möglichkeiten für Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Dies gilt auch mit Blick auf die – von Ihnen in der Tat zutreffend beschriebene – Situation beim Klimaschutz. Energiewende und Klimaschutz gehören zwingend zusammen. Die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels, das wir uns in der

Europäischen Union gemeinsam gesetzt haben, ist angesichts der realen Situation nach wie vor ein außerordentlich ambitioniertes Vorhaben.

Dieses Zwei-Grad-Ziel ist nicht irgendein abstraktes Ziel, sondern es geht darum, dass sich die Erde bis Mitte des Jahrtausends um nicht mehr als 2 Grad erwärmt. Das ist ein Ziel, das nicht bedeutet, dass der Klimawandel aufgehalten werden kann, sondern dass er als beherrschbar gilt – beherrschbar zwar für unsere Region, aber für viele andere Regionen auf der Welt schon heute nicht mehr.