Deswegen muss man die Sachen ordentlich voneinander trennen. Fünf Minuten reichen nicht ganz, um darüber angemessen zu diskutieren. In den letzten 20 Sekunden will ich allerdings noch etwas zur taktischen Aufstellung vor dem 28. Oktober sagen: Sosehr ich auch damit hadere, werbe ich dafür, dieses Gesetz, wenn es denn kommt, auf den Weg zu bringen.
Allerdings habe ich heute Morgen in Rücksprache mit meiner Bundestagsfraktion zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Führung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ausdrücklich darum gebeten hat, dass der Gesetzentwurf nicht vor dem 28. Oktober 2018 in den Deutschen Bundestag eingebracht wird.
Das nehme ich zur Kenntnis. Herr Boddenberg, es ist ein Teil des Problems, wenn wir über Flucht und Migration reden, dass zu viel Taktik die entscheidenden Fragen bestimmt. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage der taktischen Aufstellung könnte man bei der einen oder anderen Aktuellen Stunde, die hier gleich noch zu beraten ist, auch stellen. Herr Kollege Schäfer-Gümbel, das Argument fällt unmittelbar auf Sie zurück.
Aber ich will mich zu den beiden Punkten für die Hessische Landesregierung – zumindest kurz – äußern. Ich bin dafür sehr dankbar, dass die Koalitionsredner schon darauf hingewiesen haben, dass wir die Flüchtlingspolitik im Lande Hessen bisher nicht nur vernünftig, sondern auch der Sache sehr angepasst gemacht haben. Wir sind insgesamt sehr stolz darauf
das haben wir hier auch mehrfach ausgeführt –, dass es uns gelungen ist, so viele Menschen in unserem Land aufzunehmen, ohne dass wir, erstens, trotz der damaligen hohen Zugangszahlen Obdachlosigkeit zu beklagen hatten. Zweitens sind uns die Prozesse der Aufnahme in die Gesellschaft und der Integration mit unseren Maßnahmen immer besser gelungen, und sie gelingen auch weiterhin immer besser.
Lassen Sie mich zu dem Thema Spurwechsel gleichwohl ein paar wenige Ergänzungen machen. Es ist richtig – wie Kollege Wagner und Kollege Boddenberg ausgeführt haben –, dass wir uns davor hüten sollten, das Thema Erwerbsmigration und das Thema „ungesteuerte Zuwanderung, Aufnahme nach Asylrecht“ miteinander zu vermischen.
Kollege Wagner, ich finde, Sie haben das sehr richtig zusammengefasst: Das eine darf nicht vom anderen abhängen und umgekehrt. Das sind unterschiedliche Sachverhalte, die müssen unterschiedlich behandelt werden. Deswegen ist es, glaube ich, richtig, dass wir dort sehr klug miteinander umgehen und die Fragen für die Zukunft auch sehr klug lösen sollten.
Man darf nämlich nicht vergessen, dass wir uns ein bisschen davor hüten müssen, falsche Signale in die Welt zu senden: dass es am Ende egal ist, mit welchem Ticket – Erwerbsmigration oder Asyl – man nach Deutschland gekommen ist; Hauptsache, man ist nach Deutschland gekommen, dann kann man hierbleiben. Ich glaube, das wäre ein Signal, das dazu führen würde, dass wir in unserem Land wieder größere Sorgen hätten. Deswegen, glaube ich, sind wir gut beraten, dass wir das auseinanderhalten.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen sagen, dass wir an einer Stelle schon einen wichtigen Impuls gesetzt haben. Es waren Hessen und Baden-Württemberg – unsere Ministerpräsidenten Bouffier und Kretschmann –, die die 3+2-Regelung förmlich mit auf den Weg gebracht haben. Im Rahmen der 3+2-Regelung haben qualifizierte junge Leute die Möglichkeit, hier eine Ausbildung zu machen und, was sowohl im Interesse der Flüchtlinge als auch der Unternehmen ist, hier zu arbeiten.
Meine Damen und Herren, darüber hinaus ist es klug, wenn wir uns das Fachkräfteeinwanderungsgesetz anschauen. Wir werden uns über die Anerkennung von Abschlüssen auseinandersetzen müssen – um vielleicht noch einmal ein fachliches Argument zum Thema Erwerbsmigration zu bringen. Ich finde, dass wir uns, wenn es um die Erwerbsmigration geht, darüber Gedanken machen sollten, welchen Beitrag eigentlich die Wirtschaft in unserem Lande dafür leistet, dass wir zum einen Erwerbsmigration zulassen und zum anderen, was damit natürlich einhergeht, Integrationsaufwendungen schultern. Ich finde, dass man die Wirtschaft an dieser Stelle durchaus einmal mit ins Boot nehmen müsste. Vielleicht ist es sogar klug, dass wir die Strukturen und Institutionen der Wirtschaft dafür nutzen. Wir haben Auslandshandelskammern usw. Herr Kollege Rock, ich finde, dass darin, wenn man es fachlich wirklich diskutieren wollte, noch eine Menge liegt, was über die Begrifflichkeit des Spurwechsels hinausgeht. Die Erwerbsmigration in unserem Land ist mehr als ein Begriff, den Sie gerade eingeführt haben.
Zum Thema sichere Herkunftsstaaten will ich Ihnen nur sagen, dass sich die Hessische Landesregierung selbstverständlich, wenn sie im Bundesrat dazu gefragt ist, entsprechend positionieren wird.
Sie kennen die unterschiedlichen Gesichtspunkte, die man anlegen kann, um sich dort einzulassen. Wir werden das klug und mit Bedacht machen, wenn es im Bundesrat aufgerufen wird, wie Sie das von uns kennen. – Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Greilich (FDP): Wo steht denn Hessen?)
Ich rufe zunächst Tagesordnungspunkt 28 auf: Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 19/6709. Wer stimmt zu? – Die Fraktion DIE LINKE und Frau Öztürk. Wer stimmt dagegen? – Das ist das übrige Haus. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Dann kommen wir zu Tagesordnungspunkt 60: Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP, Drucks. 19/6780. Wer stimmt zu? – FDP. Wer ist dagegen? – CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, LINKE und Frau Öztürk. Wer enthält sich? – Die SPD. Damit ist dieser Antrag ebenfalls abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 61: Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP, Drucks. 19/6781. Wer stimmt zu? – Die FDP, die SPD, DIE LINKE und Frau Öztürk. Wer ist dagegen? – CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Dann kommt Tagesordnungspunkt 66: Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 19/6786. Wer ist dafür? – CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Das übrige Haus. Damit ist der Antrag beschlossen.
Dann kommt noch Tagesordnungspunkt 67: Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 19/6787. Wer ist dafür? – CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – FDP, DIE LINKE. Wer enthält sich? – Frau Kollegin Öztürk. Damit ist dieser Dringliche Entschließungsantrag beschlossen.
Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Gefahr für die Demokratie: schützende Hand von Maaßen und den Verfassungsschutzbehör- den über AfD und Neonazis. Verfassungsschutzbehör- den auflösen – auch in Hessen) – Drucks. 19/6772 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bilder aus Chemnitz haben viele Menschen schockiert. Eine furchtbare Tat, der gewaltsame Tod eines jungen Mannes, wurde von rechten Gruppierungen, von AfD und Pegida, für sogenannte „Trauermärsche“ instrumentalisiert, zu denen gewaltbereite Neonazis aus mehreren Bundesländern anreis
ten und die in Hetzjagden auf Migranten mündeten. Journalisten, Augenzeugen und der offizielle Polizeibericht schildern Attacken auf Journalisten, Migranten, linke Demonstranten und Polizisten. Ein jüdisches Restaurant wurde von Neonazis angegriffen und der Besitzer verletzt. Angesichts dieser Geschehnisse müssten eigentlich alle Alarmglocken klingen; stattdessen werden die Vorfälle von höchster Stelle verharmlost, relativiert und geleugnet. Deshalb müssen wir heute darüber reden.
Damit widerspricht er den vielen Augenzeugen und dem Polizeibericht. Bundesinnenminister Seehofer erklärt, nachdem er erst tagelang geschwiegen hat, er habe Verständnis dafür, dass sich Menschen „empören“. Meine Damen und Herren, wer durch Chemnitz marschiert und den Hitlergruß zeigt oder sich einer solchen Demonstration anschließt, der hat kein Verständnis zu erwarten, sondern lauten Widerspruch, auch vom Bundesinnenminister.
Aber statt deutliche Worte gegen rechts zu finden, bezeichnet Seehofer die Migration als „Mutter aller Probleme“. Die Ursache von Rassismus ist weder die Anzahl von Flüchtlingen noch deren individuelles Verhalten. So, wie ein Antisemit nie einem Juden begegnet sein muss, um Juden zu hassen. Mit diesen Äußerungen betätigt sich Seehofer einmal mehr als Stichwortgeber für rechts außen. Dieser Innenminister ist untragbar. Deshalb unterstützen wir die Proteste anlässlich seines Besuchs in Frankfurt nächste Woche: „Seebrücke statt Seehofer“.
Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz erklärt, er habe Zweifel an der Darstellung der Geschehnisse in Chemnitz; die Videoaufnahmen könnten eine „gezielte Falschinformation“ sein. Es lägen „keine Belege dafür vor“, dass sie authentisch seien. Bis heute hat Herr Maaßen keinerlei Belege für diese abenteuerliche Aussage geliefert. Ich finde eher, dass derzeit keinerlei Belege vorliegen, dass Herr Maaßen und seine Behörde Sinnvolles zum Erhalt der Demokratie beizutragen haben.
Journalisten konnten innerhalb weniger Stunden belegen, dass das Video echt ist. Aber der Behördenchef mit einem Etat von 350 Millionen € und über 3.000 Mitarbeitern konnte es angeblich nicht. Auch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden kann sich überhaupt nicht erklären, wie Maaßen auf die Idee kommt, das Video könnte nicht echt sein; mittlerweile sind 120 Ermittlungsverfahren anhängig. Wir haben es also mit einem Verfassungsschützer zu tun, der Fake News streut, Medien der Lüge bezichtigt und seine schützende Hand über gewalttätige Neonazis hält. Damit macht er sich zum Kronzeugen der AfD und widerspricht im Übrigen auch den Aussagen der Bundeskanzlerin.
Statt die Übergriffe zu benennen, warnte Maaßen gestern allen Ernstes vor „linker Desinformation“. So jemand ist
an der Spitze einer Bundesbehörde untragbar. Maaßen traf sich zudem mit den AfD-Vorsitzenden zu Vieraugengesprächen und soll Tipps gegeben haben, wie die AfD einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz entgehen könnte. Aber statt ihn zu entlassen, stellen sich die Union und Seehofer hinter ihn. Seehofer, Maaßen und Kretschmer reagieren auf die Geschehnisse in Chemnitz wie die berühmten drei Affen: nichts sehen, nichts hören und schon gar nichts sagen – zumindest nichts Sinnvolles.