Protocol of the Session on September 13, 2018

Wenn Sie jetzt sagen: „Ja, die Kanzlerin hat gesagt, darüber müsste man reden, und da sollte Bewegung in die Sache kommen“, dann entgegne ich: Na ja, das mit der Richtlinienkompetenz, und wie es ist, wenn sie sich mit CSUMinistern streitet, haben wir in den letzten Wochen und Monaten in diesem Land erlebt. Da setzt sie sich in diesem Fall leider nicht durch. Deswegen nehme ich ihr das auch nicht ab, wenn sie sich jetzt da an die Spitze der Bewegung setzen will.

Ich bin auch sehr misstrauisch, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, wenn Sie sagen, Sie wollen die Hardwarenachrüstung auf Kosten der Industrie. Sie machen so viele Pirouetten in Ihrem Wahlprogramm und in Ihren Ansagen, bis hin zur Bundesebene, nämlich bis hin zu denen Ihrer Generalsekretärin, Frau Kramp-Karrenbauer, und vieler anderer, dass ich Ihnen nicht glaube, dass Sie diese Forderung ernst meinen – vor allem deshalb, weil Ihr Hauptargument in Berlin die Landtagswahl in Hessen ist. Eigentlich sollte die Gesundheit der Menschen schon Motivation genug für eine solche Forderung sein.

(Beifall bei der SPD)

Aber es wird doch immer wieder deutlich: Die Menschen fühlen sich alleingelassen, wenn Sie sagen, das müsse auf Kosten der Industrie nachgerüstet werden, aber es Ihre Parteifreunde sind, die genau das verhindern. Die Menschen fühlen sich von Ihnen alleingelassen, wenn Sie hier im Land nicht Ihren Aufgaben nachkommen und Gerichte Ihre Luftreinhaltepläne in der Luft zerreißen.

Politik muss die Kraft und den Willen haben, aktiv zu gestalten und Menschen zu schützen. Wenn sie das nicht schafft, verliert sie das Vertrauen der Menschen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Die Wirksamkeit, Effektivität, die technische Machbarkeit und die Wirtschaftlichkeit von SCR-Systemen sind erwiesen. Ich muss kein Wenn und Aber mehr einbauen. Ich muss klar und deutlich sagen: Hardwarenachrüstungen auf Kosten der Verursacher sind das Gebot der Stunde – ohne Wenn und Aber. Sie sind sinnvoll, sie sind machbar, und sie sind auch schnell machbar, meine Damen und Herren von der Union. Deswegen sind das alles Ausreden, die Sie hier einbauen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren von der Landesregierung, das Heft des Handelns liegt in diesem Fall auch bei Ihnen. Sie haben Ihre Verantwortung zu tragen. Berufen Sie einen Dieselgipfel für gemeinschaftliche Lösungen ein. Erstellen Sie Luftreinhaltepläne, die wirklich greifen und nicht nur weiße Salbe sind. Brechen Sie gemeinsam mit uns den Widerstand von Kanzlerin und Minister gegen die Nachrüstung der Dieselautos.

Zu dem, was Sie als Antrag vorgelegt haben, möchte ich sagen: Dieses Land hat keine Zeit, darauf zu warten, bis Schwarz und Grün sich intern einigen, was sie mit dem Urteil zu Frankfurt eigentlich anfangen sollen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Frau Präsidentin, ein letzter Satz. – Wenn Sie den Willen und die Kraft dazu nicht haben, tatsächlich etwas zu lösen, dann sind Sie da verkehrt, wo Sie jetzt sind. Die Landesregierung hat Verantwortung. Die Landesregierung trägt die

Verantwortung für den Luftreinhalteplan. Er ist in der letzten Woche in Bausch und Bogen zerrissen worden. Fangen Sie deswegen an, zu handeln. Werden Sie tätig. Dann kümmern wir uns auch gemeinsam um den Bund, sodass dort etwas passiert. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Kollege Eckert. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Kollege Rock. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Hessen ist ins Herz getroffen. Hessen ist ins Mobilitätsherz und ins wirtschaftliche Herz getroffen worden. Ich will das hier auch noch einmal mit Zahlen unterlegen. Denn manchmal habe ich den Eindruck, dass noch nicht jedem klar ist, über welche Dimensionen wir hier sprechen.

Das Urteil – das ist eben durch den Wortbeitrag schon deutlich geworden –, das die Hessische Landesregierung erhalten hat und das sich auf den Luftreinhalteplan der Umweltministerin bezieht, ist weitreichend. Ich will Ihnen das noch einmal an einigen Fakten darlegen.

Das Urteil der Kammer in Wiesbaden führt dazu, dass ab dem 1. Februar nächsten Jahres – in gut vier Monaten – in Frankfurt ein zonenbezogenes Fahrverbot – der Richter hat vorgeschlagen, den Autobahnring zu nutzen – für Diesel Euro 1 bis 4 und für die Benziner Klasse 1 und 2 gilt. Zusätzlich gilt es noch ab 1. September für die Diesel-5-Fahrzeuge.

Das bedeutet für die Stadt Frankfurt, dass 98.000 Halter von Fahrzeugen direkt betroffen sind. 98.000 Halter von Fahrzeugen sind in Frankfurt von diesem Urteil betroffen. Man kann sagen, dass das manchmal auch Familien sind, sodass insgesamt deutlich mehr Bürger betroffen sind als Halter. Und wenn es nur ein Vermögensschaden ist, aber in Frankfurt ist man direkt betroffen. Man kann sein Auto ab dem 1. Februar nicht mehr aus der Garage fahren. 98.000 Halter von Fahrzeugen sind betroffen.

Im Ballungsraum Rhein-Main sind es 700.000 Fahrzeuge. 700.000 Fahrzeuge sind betroffen. In ganz Hessen sind es 1,16 Millionen Fahrzeuge. Mindestens jeder dritte Hesse ist von diesem Urteil betroffen. Es kann doch nicht Aufgabe der Stadt Frankfurt sein, diese Probleme zu lösen. Es ist die Aufgabe der Hessischen Landesregierung, diese Probleme zu lösen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wissen Sie: Die Mobilität in der Wirtschaft, im Handwerk, in Industrie und Gewerbe ist stark betroffen. 90 % dieser Fahrzeuge sind Dieselfahrzeuge. Der Schaden für die Wirtschaft, der dadurch entsteht, ist gar nicht abzuschätzen, so groß ist er.

Wenn Sie sich das vor Augen führen und wenn Sie noch den zweiten Bereich, den der Richter deutlich gemacht hat, dazunehmen – er hat nämlich gesagt, dass Ausnahmeregelungen nur zeitlich begrenzt möglich sind und finanziell so gestaltet sein müssen, dass sie einen Anreiz zur schnellstmöglichen Umrüstung geben –, dann heißt das: Auch mit

Ausnahmegenehmigungen werden Sie sich nicht helfen können.

Was heißt denn das? Es gibt ja Leute, die sagen: Ach, komm, wir machen ein Freifahrtticket, und dann ist das Problem gelöst. – Aber zwei Drittel der Busflotte in Frankfurt sind betroffen. 60 % aller Taxis in Frankfurt sind betroffen. Wer soll denn die Leute fahren, die diese Tickets bekommen?

(Beifall bei der FDP)

Wer fährt denn ab 1. Februar in Frankfurt den Müll weg? – Kein einziges Fahrzeug der Müllentsorgung darf mehr fahren. Wer fährt denn ab 1. Februar den Müll in Frankfurt weg? – Tragen den dann die GRÜNEN in Biotüten irgendwohin?

(Zuruf von der CDU: Ach du lieber Himmel! – Zu- ruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was ist das für ein Niveau?)

Nein, das ist doch einmal eine Frage, die man hier stellen muss. – Überlegen Sie einmal, was für ein Gesundheitsstandort Frankfurt ist. Dort gibt es wichtige Kliniken und Ärzte. Wie erreichen wir diese? – Überlegen Sie, dass sich die Messe Frankfurt in diesem Ring befindet. Die Auswirkungen für die Wirtschaft in Hessen und für die Mobilität in Hessen sind so gigantisch und so groß. Ich glaube, das ist durch diese Zahlen auch einmal klar geworden. Die GRÜNEN sagen jetzt wieder: Es gibt ein Gutachten, nach dem das Nachrüsten 1.000 € kostet, und es gibt ein Gutachten, nach dem es 5.000 € kostet. Vielleicht sind es dann im Schnitt in der Mitte 3.000 €. – Bei einer Million Fahrzeugen in Hessen ist das ein Vermögensschaden von mehreren Milliarden Euro für die hessischen Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Da bin ich ganz bei der SPD: Das ist eine kalte Enteignung der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was folgt für Sie daraus?)

Jetzt sage ich Ihnen zwei Dinge: Ich erwarte von dieser Landesregierung, dass sie heute an diesem Punkt erklärt, dass sie auf jeden Fall Rechtsmittel einlegen wird und sich jetzt vorbereiten wird, diese Rechtsmittel einzulegen. Ich erwarte, dass sie sich hier ganz klar äußert und dass sie nicht ewig abwartet und noch in der Koalition berät. Es ist ganz klar: Dieses aus unserer Sicht unverhältnismäßige Urteil muss von einem Obergericht überprüft werden. Dieses Urteil darf nicht Bestand haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt sage ich Ihnen etwas, was mir sehr am Herzen liegt. Was wir hier erleben, ist geradezu absurd. Hier kommen die GRÜNEN vor, deuten mit dem Finger auf die Bundesregierung. Das ist okay.

(Heiterkeit des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Diese Bundesregierung und gerade ihr CDU/CSU-Teil haben uns in den letzten sechs Monaten nur noch den Kopf schütteln lassen. Seehofer, Scheuer – man kann gar nicht mehr sagen, wie viele Problembären diese Bundesregierung hat.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig!)

Richtig ist, dass man sagt: Hier muss etwas passieren, und wir müssen auch auf Bundesebene reagieren. – Aber man kann doch nicht von seinem eigenen Problem ablenken, indem man versucht, auf ein anderes Problem zu zeigen. Sie haben hier die Verantwortung.

(Beifall bei der FDP)

Also, erklären Sie uns sofort und an dieser Stelle: Wird die Landesregierung auf jeden Fall Klage einreichen und dieses Urteil überprüfen lassen?

Zweitens. Werden Sie einen Krisenstab einrichten – dieses Urteil ist vor über einer Woche gefallen und hat riesige Auswirkungen –, oder bekommt die Stadt Frankfurt das alles schon hin? – Frau Dorn hat so getan, als müsse die Stadt nur zwei Straßen sperren, und dann werde das irgendwie.

(Widerspruch der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie streuen den Menschen Sand in die Augen. Am 1. Februar schlägt dieses Urteil zu. Dann wird es einen Stillstand in Frankfurt geben, den sich heute überhaupt niemand vorstellen kann.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Niemand in diesem Saal und kein Mitglied dieser Regierung kann sagen: Das habe ich nicht gewusst. Wie konnte denn das passieren? – Das ist Ihre Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, in dieser Landesregierung: Bitte nehmen Sie den GRÜNEN die Verantwortung für diesen Bereich weg. Nehmen Sie das der Umweltministerin weg.

(Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) winkt ab.)

Der Ministerpräsident muss diese Aufgabe zur Chefsache machen. Das ist eine zentrale Herausforderung für unser Land in einem solchen Ausmaß, dass es der Ministerpräsident an sich ziehen muss. Das ist von solcher Bedeutung; das muss er tun.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Wissen Sie auch, warum?

(Zuruf von der CDU: Nein!)