Jetzt möchte ich Ihnen einmal aus einer Mail vorlesen, die mir die Bürgerinitiative zur Reaktivierung der Lumdatalund der Horlofftalbahn geschrieben hat:
Ich bin als engagierter Bürger dankbar, dass unsere Ideen, Vorschläge und Forderungen nach 37 Jahren bei der Lumdatalbahn und 17 Jahren bei der Horlofftalbahn nun höchstamtlich seitens des zuständigen hessischen Verkehrsministeriums aufgegriffen und an die nachgeordneten Behörden und Institutionen zur Erfolgsumsetzung, nämlich Reaktivierung beider Bahnstrecken, mit klaren Arbeitsaufträgen und Umsetzungsschritten weitergereicht wurden. Dies erfüllt uns mit Freude, und ich entbiete einen Dankesgruß an Minister Tarek Al-Wazir.
Diese Liste ließe sich noch lange fortführen in Bezug darauf, was DIE LINKE fordert, wir aber bereits machen. Ich will es dabei aber einmal belassen.
Am Ende stellt sich noch die Frage: Warum stellt DIE LINKE einen Antrag, der mit dem ländlichen Raum zu tun hat? – Nun, da lohnt sich ein Blick in die Wahlergebnisse der letzten Landtagswahl; sie schafft es im ländlichen Raum kaum über die 5-%-Hürde.
(Manfred Pentz (CDU): Ah, das hat wahltaktische Gründe! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Echt, Herr Pentz? – Manfred Pentz (CDU): Ich dachte schon, es geht um die Menschen!)
Es ist legitim, dass Sie sagen: „Da müssen wir etwas tun“. Das können Sie machen. Sie haben sogar erkannt, dass es nicht so toll ist, sich über Menschen lustig zu machen, wie in der letzten Plenardebatte bei dem Thema Mitfahrbänke. Dazu haben Sie nämlich gesagt: Aha, die sitzen dort herum, und es kommt eh keiner vorbei. – Nein, Frau Wissler hat gemerkt, ein bisschen Empathie ist im Wahlkampf auch ganz gut. Das ist immerhin schon einmal erfreulich. Aber zusammenfassend würde ich sagen: Konkrete Maßnahmen zur Verbesserung und dazu warme Worte sind doch deutlich besser als die kalte Verachtung der LINKEN für den ländlichen Raum. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mobilität bringt Leben in unsere Gesellschaft. Mobilität darf weder vom Wohnort noch vom Einkommen abhängig sein, und Mobilität heißt auch, unterschiedliche Herausforderungen unterschiedlich zu beantworten. Während wir im Ballungsraum über das Problem reden, wie die Taktung um zehn Minuten ausgebaut werden kann, haben wir im ländlichen Raum eher das Problem, dass manchmal stundenlang gar kein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung steht. Deswegen wird der ländliche Raum gelegentlich nicht ernst genommen oder gar verachtet. Ich könnte auch berichten, wie der Verkehrsminister manchmal zu meinem Schwalm-Eder-Kreis sagt, wie er den Namen etwas umwandelt; aber das mache ich jetzt nicht.
Frau Goldbach, weil Sie eben sagten: „kalte Verachtung“: Ich habe bis jetzt nicht zur Kenntnis genommen, dass die GRÜNEN die Landpartei schlechthin ist. Auch aufgrund der Wahlergebnisse wäre ich damit ein bisschen vorsichtiger – um es eher freundlich zu formulieren.
Herr Minister, den Halbsatz mit der „schlechten Laune“ können Sie aus dem Manuskript streichen. Ich entscheide selbst, wann ich schlechte Laune habe. Das habe ich aber gar nicht. Wissen Sie, möglicherweise würde ich im Wahlkreis auch nicht solche Ergebnisse erzielen. Wenn ich immer nur schlecht gelaunt herumlaufen würde, würden die Leute sagen: „So etwas wählen wir nicht“. Nein, so einfach ist es nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir über Mobilität im ländlichen Raum reden, dann brauchen wir die Mobilitätskette, eine Verzahnung. – Ja, natürlich spielt beispielsweise der Pkw im ländlichen Raum noch eine andere Rolle und hat eine andere Funktion. Wir sind aber Verfechter der Mobilitätskette, dass wir das miteinander verzahnen, d. h. die Bahn, den Bus, den Pkw, das Taxi, das Fahrrad und selbst die eigenen Beine. Dies miteinander in Einklang zu bringen, ist im ländlichen Raum deutlich schwieriger. Natürlich haben wir dort, wo wir eine Schienenverbindung haben, teilweise eine ordentliche Tak
tung, das ist okay – etwa im Schwalm-Eder-Kreis die Main-Weser-Bahn oder die Regiotram. Die Regiotram war damals ein Modell, so eine Art Straßenbahn nach Kassel, und wurde äußerst kritisch gesehen.
Die Reaktivierung von Bahnstrecken ist keine Erfindung der GRÜNEN. Die SPD setzt sich dafür auch ein. Nehmen wir z. B. die Bahnstrecke von Frankenberg nach Korbach – damals war die CDU vor Ort dagegen. Das ist alles keine alleinige Erfindung der GRÜNEN, sondern hier sind wir deckungsgleich. Ja, wir brauchen die Reaktivierung von Bahnstrecken, weil das gerade für den ländlichen Raum wichtig ist, damit die Menschen von A nach B kommen. Was wir aber vor allen Dingen brauchen, ist eine ordentliche Taktung im ländlichen Raum. Auch muss der ÖPNV bezahlbar sein; und das ist doch teilweise ein sehr großes Problem.
Das können Sie gern einmal nachprüfen. Wenn Sie mit der Bahn von Edermünde-Grifte, ein Ortsteil meines Heimatorts, nach Kassel-Wilhelmshöhe fahren, bezahlen Sie für diese Strecke, und zwar hin und zurück, 11,40 €. Das ist zu teuer. Das ist nicht so teuer, weil der NVV die ärgern will, das wissen wir alle, sondern weil das Geld nicht ausreicht. Sie haben als Verkehrsmister positiv zu verantworten – Sie sagen ja immer, dass wir Sie nicht lobten –, dass das Land seit 2017 an beide Verkehrsverbünde knapp 25 Millionen € gibt. Das ist richtig. Aber das reicht nicht aus; denn die Verkehrsverbünde müssen in die Lage versetzt werden, ordentliche Angebote zu machen.
Der Schwalm-Eder-Kreis gibt allein 8 Millionen € für die Schülerbeförderung aus. Dies zu organisieren, ist in einem Flächenkreis deutlich schwieriger. Dort haben Sie das Problem, dass die Busse morgens und nachmittags fahren. Dazwischen sind sie leer, die Vorhaltekosten sind aber trotzdem da. Wir wollen bessere Angebote. Wir haben Orte, wo eine ältere alleinstehende Frau nicht zum nächsten Facharzt kommt, weil auch ihre Kinder in aller Regel nicht mehr vor Ort wohnen. Das ist Aufgabe der Daseinsvorsorge; und deswegen müssen wir die Verkehrsverbünde der Städte, Gemeinden und Landkreise ordentlich ausstatten.
Über den ländlichen Raum darf man nicht nur in Sonntagsreden reden. Natürlich hat dies – vielleicht sind wir alle, die hier im Raum sind, so redlich miteinander – etwas mit dem 28. Oktober zu tun.
Am 31. August wird in dem ehemaligen schönen Kloster Haydau die Akademie für den ländlichen Raum gegründet. Auf die Idee hätte man auch zu Beginn der Wahlperiode kommen und nach drei Jahren sagen können, dass man etwas vorzuweisen hat. So taucht natürlich der ziemlich eindeutige Verdacht auf, dass das mit der Wahl zu tun hat. Man kann sagen: erwischt. – Das wird uns nicht helfen.
Wir brauchen endlich ein Dorferneuerungsprogramm, das aktiv gestalten kann. Von allen Beteiligten höre ich, dass dieses Programm bürokratisch und ein Hemmnis geworden ist. Gerade einmal 2 Millionen € reichen nicht. Da müssen wir richtig ansetzen.
Wir müssen sehen, dass die Menschen im ländlichen Raum möglichst innerhalb von einer Stunde zu einem nächsten
Mittel- oder Oberzentrum gelangen können. Das ist eine Riesenherausforderung, das bekommen wir nicht von heute auf morgen hin. Das ist Teil der Daseinsvorsorge, wenn es um gleichwertige Lebensverhältnisse geht, so, wie es im Grundgesetz steht. Wir müssen die Kommunen und Verkehrsverbünde entsprechend ausstatten.
Wir sehen die Preiserhöhungen der Verkehrsverbünde im ländlichen Raum kritisch. Das verteuert die Situation. Wenn ich an Subventionen im Straßenbau denke: Meine Damen und Herren, Mobilität darf nicht vom Wohnort und vom Einkommen abhängen, auch nicht von Sonntagsreden.
Bürgerbusse sind eine sinnvolle Ergänzung, bedürfen aber viel ehrenamtlichen Engagements. Sie sind nur ein kleiner Mosaikstein. Wir brauchen eine ordentliche Vertaktung, und wir brauchen einen bezahlbaren ÖPNV. Es gibt viel zu tun, wir wollen es anpacken. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Staatsminister Al-Wazir hat in der vorherigen Debatte Frau Kollegin Knell zum Thema Nordhessen und dazu, wie erfolgreich der ÖPNV in Nordhessen funktioniert, angesprochen. Herr Al-Wazir, wenn Sie von Neukirchen, wo Frau Knell zu Hause ist, versuchen nach Tann zu kommen, dann ist das schon ein Abenteuer. Da kann man schon sagen: Das ist eher eine akademische Frage.
Versuchen Sie einmal, mit dem ÖPNV von Neukirchen nach Korbach zu kommen. Das ist nicht mehr ganz so theoretisch, das hat Frau Kollegin Knell beispielsweise während des Hessentags probiert. Dann sind Sie geschlagene viereinhalb Stunden unterwegs, von Neukirchen nach Korbach. Die Entfernung ist nicht so weit, als dass man es nicht lösen könnte. Ich glaube, das macht das Problem deutlich. Es sind viereinhalb Stunden in die eine Richtung, sie wollen aber auch noch zurück.
Meine Damen und Herren, das, was Sie jetzt als eine Ergänzung in Ihrem ÖPNV-Konzept für den ländlichen Raum beschreiben, sind die Bürgerbusse. Herr Al-Wazir hat gesagt, es handele sich nur um eine Ergänzung. Das stimmt, man könnte vieles miteinander vernetzen, aber die Nutzer des ÖPNV, egal ob ländlicher Raum oder Ballungsraum, erwarten, wenn sie einen Weg beschritten haben – sprich: sie haben ihr Fahrrad genommen, sind zum Bahnhof gefahren, sind mit dem ÖPNV zum nächstgrößeren Bahnhof gefahren, ins Oberzentrum –, dass sie diesen Weg auch wieder zurückkommen.
Das Problem im ländlichen Raum ist, dass Sie meistens am Abend nur noch auf halber Strecke zurückkommen und es dann kein Angebot mehr gibt. Da ist die Frage: Wie gehen wir die Lösung an?
Herr Al-Wazir, das Problem, das Frau Knell Ihnen deutlich gemacht hat und bei dem deutlich wird, dass Sie eher eine Großstadtpartei vertreten, ist, dass Sie im ländlichen Raum auf das ehrenamtliche Engagement verweisen. Sie erwarten, dass die Bürgerinnen und Bürger sich vor Ort selbst
engagieren und das organisieren. Gleichzeitig treiben Sie den ÖPNV im Ballungsraum hoch subventioniert voran.
Es sind die Menschen im ländlichen Raum, die das ehrenamtlich machen müssen, die die Subventionen für den ÖPNV im Ballungsraum genauso mitbezahlen müssen. Das machen Sie mit Ihrer Erfolgsstory Schülerticket. Das ist anscheinend das Einzige, was Sie als Leuchtturm Ihrer Amtszeit vor sich hertragen: Das Schülerticket muss es herausreißen.
Meine Damen und Herren, wir werden so nicht weiterkommen, wenn wir den ländlichen Raum nicht modern denken. Die Frage des ÖPNV im ländlichen Raum ist nicht die Frage der Größe des Gefäßes, das dort durch die Gegend fährt. Es lasten erhebliche Kosten auf dem ÖPNV, deswegen lässt er sich im ländlichen Raum kaum noch darstellen. Sie müssen beispielsweise den Mann bezahlen, der dieses Fahrzeug fährt.
Wir schlagen einen Modellversuch für autonomes Fahren im ländlichen Raum vor, um dem etwas entgegenzusetzen.
Ich glaube, dass es klug wäre, bevor Sie viel Geld in ein System wie die Bürgerbusse investieren, einen Modellversuch eines autonom fahrenden Busses im ländlichen Raum auf den Weg zu bringen. Die Technik haben wir. Wir haben an dieser Stelle kein Erkenntnisdefizit, wir haben ein Umsetzungsproblem. Die Fragen des ÖPNV für den ländlichen Raum lassen sich lösen. Die Digitalisierung kann dabei helfen. Sie ist kein Allheilmittel, aber sie kann dabei helfen.
Als Freie Demokraten sind wir nicht ideologisch unterwegs, was die Schiene anbelangt – das haben Sie uns eben wieder unterstellt. Ich kann Ihnen sagen: Die Kurhessenbahn, die jetzt ein großer Erfolg ist, hat die FDP maßgeblich gegen den Widerstand der CDU umgesetzt. Vor Ort mussten wir die Verbünde und die kommunale Familie motivieren, die Sicherung des Unterhalts zuzusagen. Als das klar war, haben wir gebaut. Die Kurhessenbahn ist heute ein Erfolgsmodell, und das waren liberale Minister.
Das werden wir auch weiterhin so betreiben. Jede Bahnstrecke, die sich wirtschaftlich wieder betreiben lässt, jeder Schienenverkehr, jede Schienentrasse, die möglich sind, sollten wir reaktivieren. Dabei sollten wir aber die wirtschaftliche Vernunft nicht aus den Augen lassen.
Meine Damen und Herren, wir können ländlichen Raum und Ballungsraum nur zusammen denken, wenn wir die Verkehrsprobleme und die Wohnungsnot lösen wollen. – Vielen Dank.