Das Bundesverfassungsgericht hat sich am 20. April nach der von ihm aufgegebenen Aufklärung des Sachverhalts durch die kommunale Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium in Gießen, noch einmal zu Wort gemeldet. Der Vorsitzende des Ersten Senats, Prof. Kirchhof, regt an, durch geeignete Maßnahmen die Befolgung gerichtlicher Entscheidungen sicherzustellen. Dem wird man ganz gewiss nachkommen. Wir Christdemokraten haben – das darf ich zum Abschluss sagen – eine klare Haltung zum Thema Extremismus: Wir dulden keine Gewalt, keine Hetze und keine Ausgrenzung, unabhängig davon, mit welchen Argumenten versucht wird, sie zu rechtfertigen, seien es rechte, linke oder religiöse Extremisten. Rechtsextremismus und Rassismus im Speziellen lehnen wir entschieden ab. Rechtsextreme Gewalt hat in Hessen keinen Platz.
Die Hessische Landesregierung verfolgt seit Jahren einen ganzheitlichen Ansatz zur Extremismusbekämpfung – mit Prävention auf der einen Seite und Repression auf der anderen Seite. So stehen für die Themenbereiche des Rechtsextremismus in Hessen natürlich schon seit vielen Jahren konkrete Maßnahmen zur Verfügung. Finanziell investieren wir in die Extremismusprävention in diesem Jahr die Rekordsumme von knapp 6 Millionen €.
Damit wir hier den Schulterschluss der Demokraten aufrechterhalten können, wollen wir Punkt 3 unseres Antrag, Drucks. 19/6332, sprachlich so ändern, dass dem alle zustimmen können, und zwar fordern wir mit dem neuen Wortlaut, dass der Landtag „alle Anstrengungen“ unterstützt, „Rechtsextremismus im Schulterschluss aller Demokraten entschlossen entgegenzutreten“. Genauso un
missverständlich bekennen wir Christdemokraten uns zur Gewaltenteilung in Deutschland und zum Respekt gegenüber unserem höchsten Gericht in Karlsruhe. Die Bindungswirkung von Urteilen deutscher Gerichte ist unbestritten und nicht diskutabel. Diese Auffassung teilen auch das Regierungspräsidium in Gießen und die Stadt Wetzlar. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die NPD versucht, aus der juristischen Auseinandersetzung mit der Stadt Wetzlar politisches Kapital zu schlagen, und das dürfen wir nicht zulassen.
Die NPD geht über ihren bekannten Anwalt und Funktionär Peter Richter gegen den Wetzlarer Oberbürgermeister Wagner, gegen den Landrat des Lahn-Dill-Kreises Schuster und gegen Regierungspräsident Dr. Ullrich mit allen juristischen Mitteln vor. Die NPD betreibt damit ihre aggressive Propaganda. Dieser NPD-Anwalt Richter sagt allen Ernstes, dass der Oberbürgermeister, der Landrat und der Regierungspräsident die wahren Verfassungsfeinde seien. Das müssen wir gemeinsam zurückweisen.
Die Stadt Wetzlar hat bis zum letzten Moment versucht – ich war den ganzen Tag lang vor Ort –, noch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dem Veranstalter die Versammlung zu ermöglichen. Er hat nach wie vor weder eine Versicherung noch einen Sanitätsdienst nachgewiesen; diese müssen alle nachweisen, die die Stadthalle Wetzlar anmieten. Das ist sozusagen der Punkt; und insofern liegt hier kein verfassungsrechtlicher Verstoß vor.
Dass der NPD-Anwalt aber glaubt, sich propagandistisch auf das Recht berufen zu können, liegt doch gerade in der NPD-Verbotsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts begründet. Darüber muss an dieser Stelle auch geredet werden. Sie, die NPD, sei zwar verfassungsfeindlich, sei aber so unbedeutend, dass sie nicht verboten werden müsse. Diese Inkonsequenz in der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung schuf meines Erachtens aber erst die Wetzlarer Situation. Deshalb müssen wir als Landtag immer wieder deutlich machen: Die NPD ist eine verfassungsfeindliche, eine menschenfeindliche und eine faschistische Partei; und der Kampf gegen eine solche Partei ist aller Ehren wert.
Ich bedanke mich deshalb ausdrücklich bei den 2.000 Demonstrantinnen und Demonstranten, bei Herrn Oberbürgermeister Wagner, bei Herrn Landrat Schuster und bei all denen, die den ganzen Tag beim Protest gegen das größte Nazi-Rockkonzert in Hessen auf den Beinen waren.
Mich wundert deshalb umso mehr, wie die FDP hier diese Debatte führt. Die NPD konnte in Hessen jahrelang hetzen und marschieren, wie sie wollte – noch nie hat die FDP das hier zum Thema gemacht.
Herr Hahn, im Gegenteil: Wenn DIE LINKE das früher thematisierte, dann hieß es von der FDP, man dürfe der NPD keine Aufmerksamkeit zukommen lassen. Aber ausgerechnet jetzt, wo die NPD gegen den OB, den Landrat und den RP pöbelt, kritisieren Sie diese Amtspersonen und die Landesregierung; denn das ist doch der Kern Ihrer Aktuellen Stunde.
Herr Dr. Blechschmidt, ist Ihnen sowie den Damen und Herren von der FDP eigentlich klar, was Sie da gerade tun?
Herr Hahn, das war keine Wahlkampfveranstaltung. Die von der NPD nach Wetzlar eingeladenen Bands, z. B. „Flak“, „Kategorie C“ und „Oidoxie“ sind Neonazi-Hooligan-Bands, die Gewalt bejubeln, die zu Hass aufrufen und die wir aus dem NSU-Komplex kennen. Wenn ich deren Texte jetzt zitieren würde, würden Sie mich zu Recht aus dem Landtag werfen.
Aber die NPD soll mit Segnung des Rechtsstaats ihren widerlichen Hass verbreiten dürfen? – Dazu sagen wir als LINKE Nein.
Deshalb habe ich Respekt vor allen, die daran mitwirken, der NPD immer wieder ihr widerliches Geschäft zu verderben. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Selten habe ich zu einem Thema so ungern gesprochen wie zu diesem, nicht im Vorfeld, sondern weil mir diese Debatte gezeigt hat, dass die Art und Weise, wie wir dies hier besprechen, überhaupt nicht zielführend ist und keinen wirklichen Nährwert hat. Es macht eigentlich nur deutlich, dass sich ein Dritter darüber freut, wenn wir uns hier streiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sollte nicht der Fall sein.
Ich selbst habe eine ähnliche Situation in einer Kommune erlebt. Wir haben es damals anders gelöst – Michael Siebel ist gerade nicht da, er wird sich daran erinnern können –; wir haben gemeinsam mit allen Parlamentariern der Stadtverordnetenversammlung eine Demo organisiert. Es war unglaublich viel Arbeit; und im Ergebnis war es dann so, dass die Polizei die NPD-Leute, die dort mit Megafonen aufgetreten sind, vor der Zivilgesellschaft schützen musste. Auch diese Situation fand ich absolut abstrus; und das hat mich immer wieder zum Nachdenken gebracht.
Was wir jetzt hier haben – ich finde, wir sollten die Debatte nicht so hoch hängen –, ist eine Stadt, die versucht hat, etwas zu verhindern, und sich in der Wahl der Mittel total verschätzt hat. Das ist doch das Ergebnis. Man hat einfach gedacht, über Nachrangiges, wie etwa den Versicherungsschutz oder die Sanitäter, etwas abwenden zu können, wovor man einfach Befürchtungen hatte. Diese Befürchtungen müssen wir doch alle teilen.
Ich habe mir die alte Debatte noch einmal angeschaut, bei der mein Kollege Daniel May gesprochen hat. Das ist schwierig. Als Ergebnis müssen wir aus dieser Debatte doch herausziehen, dass wir uns unglaublich darüber freuen müssen, welchen Wert das Bundesverfassungsgericht für unser Land, Deutschland und Hessen, hat.
Ich bin mir ganz sicher, dass diese Äußerungen für uns, oberflächlich gesehen, total schwer sind. Da kommt das Bundesverfassungsgericht her und sagt: Die DKP ist keine rechtsstaatliche Partei. Sie ist nachgewiesen rassistisch und auch noch alles Mögliche. In der Begründung sagt es dann aber – –
Die NPD, Entschuldigung. – In dem Fall muss man doch einfach sagen: Die Begründung, so wertvoll sie ist – das erkennt man, wenn man sie sich im Nachhinein anschaut – und so sehr sie in die Tiefe geht, ist natürlich, oberflächlich betrachtet, ganz schwer nachzuvollziehen. Aber daran wird einmal mehr deutlich, wie sehr wir verpflichtet sind, uns mit manchen Dingen auch in der Tiefe zu befassen.
Ich will in diesem Zusammenhang auch noch einmal den armen Ort Kandel in Rheinland-Pfalz anführen. Dort sieht man einfach, wie schwer das für Kommunalpolitiker ist. Liebe Vertreter der FDP, deswegen teile ich Ihr sozusagen Kommunal-Bashing nicht unbedingt. Vielmehr finde ich schon, dass man da in besonderer Art und Weise – –
(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Was ist los? Eben haben Sie noch vom Rechtsstaat gesprochen, jetzt von Bashing!)
Gut, dann nehme ich den Satz zurück und sage: Liebe Kollegin und liebe Kollegen der FDP-Fraktion, ich teile Ihre Kritik an der Kommunalpolitik in dieser Frage nicht. Denn Kommunalpolitiker und deren Verwaltung sind in einer Art und Weise mit den Dingen konfrontiert, die sehr
kleinförmig daherkommen können. Im Ergebnis können sie sich dann möglicherweise in der Beurteilung vergreifen. Das ist das Ergebnis dieser Debatte.
Ich sage eines: Hängt es nicht so hoch. Wir haben alle daraus gelernt. Wir müssen diese Gratwanderung, was wir vor Ort machen, machen. Natürlich ist das eine Wahlkampfveranstaltung der NPD. Leute, macht euch doch nichts vor.
Aber wir müssen einfach sehen, was da vor Ort eigentlich passiert. Wir müssen uns fragen, was wir dem entgegensetzen können. Da haben wir eine ganze Menge gelernt.
Im Ergebnis ist das doch klar: Wir haben alle gemeinsam ein großes Interesse daran, das Bundesverfassungsgericht zu achten und zu würdigen und dessen Wert hochzuhalten. Noch dazu gilt: Wenn wir in das europäische Ausland blicken, müssen wir doch erkennen, was für einen Wert wir da haben.