Protocol of the Session on April 25, 2018

Aber ich möchte ernsthaft beginnen und zunächst einmal sagen: Herr Degen, eigentlich schätze ich Sie. Das meine ich jetzt nicht als Floskel, sondern ich schätze Sie als kompetenten Debattenredner, weil Sie angesichts Ihrer Vita und Ausbildung in bildungspolitischen Fragen sicherlich sehr viel Expertise haben. Ihre heutige Rede war jedoch ein wenig durchschaubar. Ich lasse jetzt einmal den kleinen Ausreißer weg, dass Sie vom „Landesgroßvater“ sprachen; das sei geschenkt. Das lässt ein bisschen erahnen, welche Wahlkampfstrategie Sie in der SPD besprochen haben.

Ich will sagen, dass heute ein Satz, den ich vom früheren Landesvorsitzenden der CDU kenne, Bestätigung findet, nämlich – ich darf es einmal salopp formulieren; ich hoffe, die Präsidentin ist einverstanden –: „Keiner hat ein Recht auf eine doofe Opposition.“ Das hat Roland Koch einmal gesagt; und ich teile das ausdrücklich. Das soll heißen: Es gibt das legitime Recht der Opposition, Kritik zu üben.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist sehr nett von Ihnen!)

Herr Schäfer-Gümbel, es gibt auch das legitime Recht der Opposition, einen Antrag zu stellen, mit dem man allein dadurch, dass man den Terminus „Unterrichtsausfall“ in den Antrag aufnimmt, erreicht, dass morgen in der Zeitung steht: Landtag diskutiert über Unterrichtsausfall. – Das ist ja das eigentliche Ziel.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So etwas kennen Sie ja gar nicht!)

Herr Schäfer-Gümbel, ich wiederhole, dass dieses Ziel legitim ist. Es stellt sich nur die Frage: Was bewegt denn die Menschen draußen, wenn wir über Schulpolitik reden?

Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen in den letzten viereinhalb Jahren – ich könnte sogar einen länger zurückliegenden Zeitraum ansprechen – kann ich ausdrücklich sagen: Seit wir, die CDU, in diesem Land die Regierungsverantwortung tragen, mal alleine, mal mit der FDP und in dieser Legislaturperiode, wie ich finde, sehr erfolgreich mit den GRÜNEN, ist es ein völlig unstreitiges gemeinsames Ziel, dafür zu sorgen, dass Unterricht zunächst selbstverständlich stattfindet. Wir werden aber auch den vielen anderen Anforderungen, die Schule heute an uns stellt, gerecht.

Wenn wir über die Frage reden – darüber ärgern Sie sich immer, aber ich will es trotzdem noch einmal tun –: „Was war eigentlich 1999, und was ist heute?“, dann können wir über Zahlen reden; denn das ist auch eine Baustelle. Was wir aber vor allen Dingen beachten müssen, ist die Ent

wicklung. Davon losgelöst, wer denn wann regiert hat, hat sich Schule dramatisch verändert in Bezug darauf, welche Anforderungen unsere Gesellschaft heute an Schule stellt. Deswegen sind die Zahlen, die eben genannt worden sind, nicht einfach nur ein Teil der Auseinandersetzung, sondern sie hinterlegen, dass die CDU-geführte Landesregierung und die von CDU und GRÜNEN getragene Landesregierung in dieser Legislaturperiode sehr klare Prioritäten setzt.

Es ist richtig, dass Mathias Wagner und Armin Schwarz – ich hatte ihn auch gar nicht anders verstanden – darüber reden, dass wir in Deutschland ein allgemeines Problem haben, dass wir nämlich eine Veränderung bei den nackten Zahlen der Schülerinnen und Schüler in diesem Lande haben. Diese sind jedenfalls in den letzten fünf, sechs Jahren anders verlaufen, als wir es ursprünglich geplant hatten. Wenn man hin und wieder vor dem Fernseher sitzt und den Rednern in Talkshows zuhört, könnte man sagen: Die Politiker und Kultusminister, egal welcher Couleur, sind alle doof. – Ich sage: Ich kenne keinen, der belegbar erklären könnte, dass er diese Entwicklung vor fünf Jahren vorausgesehen hätte, wenn er heute in Talkshows auch etwas anderes behauptet. Dieses Problem ist vor allem von Mathias Wagner, wie ich finde, völlig zu Recht beschrieben worden.

Wenn wir aber über Schulpolitik reden, müssen wir doch auch darüber sprechen, welche anderen und zusätzlichen Anforderungen es gibt. Das ist wiederum Ausdruck der Zahlen, die Ihnen Armin Schwarz heute vorgetragen hat. Wir haben heute Personal an den Schulen, das es 1999 noch gar nicht gegeben hat, weil es die Aufgaben so noch nicht gab. Die Tatsache, dass wir neben der reinen Unterrichtsversorgung erstens gesagt haben – das unterscheidet uns von dem, was wir 1999 hatten –, wir definieren und kennen die Unterrichtsversorgungsbedarfe und setzen noch einmal 4 oder 5 % drauf, ist völlig unstreitig eine sehr wichtige, glasklare Prioritätensetzung.

Zweitens. Aufgaben, die es schon damals unter SPD-Kultusministern gab, beispielsweise dass man für Ganztagsangebote Personal zur Verfügung gestellt hat, gibt es heute nicht nur ebenfalls, sondern das hat sich in den Zahlen deutlich verändert. Das hat sich verzwei- und verdreifacht. Daher kann man heute doch einmal sagen: Das ist von dem Umstand getragen, dass es höhere Bedarfe gibt. Dass wir heute aber, anders als 1999, sozialpädagogische Fachkräfte in Hundertschaften an die Schulen schicken, dass wir heute einen Sozialindex mit einem Volumen von 800 Stellen eingeführt haben, um in unserer Gesellschaft Unwuchten, wenn ich das so sagen darf, aufzufangen, unter welchen manche Kinder mehr zu leiden haben als andere, die wir daher besonders fördern und betreuen wollen, gehört zu dieser Debatte dazu.

Letzter Punkt. Das wurde eben vom Kultusminister sehr deutlich gesagt. Natürlich werden auch Lehrer krank. Die 126 %, die eben angesprochen wurden, würden nicht reichen, wenn wir das machen würden, was Sie eigentlich vorschlagen.

Kollege Boddenberg, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Wenn man erreichen will, dass ein qualifizierter Lehrer jede mögliche Unterrichtsstunde, die aus Krankheitsgründen auszufallen droht, hält, dann müssten wir anstatt der 38.000 Lehrkräfte für die Grundunterrichtsversorgung doppelt so viele in die Schulen schicken, damit jeweils eine Ersatzkraft im Lehrerzimmer darauf wartet, dass ein Kollege erkrankt. Das ist doch albern.

Frau Präsidentin, ich komme wirklich zu meinem letzten Satz. – Wenn wir uns in den nächsten Monaten in den Debatten darauf verständigen könnten, was zusätzlich auf die Schulen zugekommen ist und was die besten und sinnvollsten Maßnahmen sind, um dem zu begegnen, wäre das sicherlich allen dienlich, am Ende auch dem Wähler, um zu entscheiden, wem er am 28. Oktober 2018 seine Stimme gibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist sehr gut, dass bei dieser Debatte so viele Schülerinnen und Schüler auf der Tribüne anwesend sind. Es sind Mitglieder der Landesschülervertretung da. Fabian Pflume habe ich gesehen. Die Vorsitzende der GEW, Maike Wiedwald, ist hier. Ich freue mich, dass so viele Menschen in diesem Raum sind, die die Ausführungen des Kultusministers einmal direkt mit ihrem Alltag abgleichen können. Herr Kultusminister, sie können direkt den Wahrheitsgehalt überprüfen.

(Beifall der Abg. Marjana Schott und Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE) sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie stellen sich hierhin und sagen, in der Regel würde kein Unterricht ausfallen. Den Unterrichtsausfall zu erheben sei allerdings ein zu großer Aufwand.

Herr Minister, wie man, ohne den Unterrichtsausfall zu erheben, zu der Aussage kommt, dass es keinen gebe, bleibt Ihr Geheimnis. Wenn Sie ihn erheben würden, dann hätten wir endlich einmal Zahlen, Fakten und Daten, mit denen wir uns hier auseinandersetzen könnten. Herr Minister, für Sie gilt aber das, was wir von der Hessen-CDU kennen: Offenheit und Transparenz, das sind und bleiben die natürlichen Feinde der hessischen CDU. Deswegen erheben Sie solche Zahlen erst gar nicht.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Manfred Pentz (CDU): Und Lug und Trug sind die Freunde der LINKEN!)

Vollends lächerlich ist Ihr Versuch, die Verantwortung abzuschieben. Herr Minister, in Hessen regiert die CDU seit fast 20 Jahren.

Herr Kollege Pentz, ich bitte Sie ausdrücklich, eine solche Wortwahl zu vermeiden.

(Günter Rudolph (SPD): Respekt, danke!)

Ich habe es nicht gehört. Vielleicht ist das aber auch ganz gut so.

Es gibt den Versuch, die Verantwortung abzuschieben. In Hessen regiert die CDU seit fast 20 Jahren.

(Zuruf von der CDU: Gott sei Dank!)

Es gibt an hessischen Schulen keinen einzigen Schüler, der noch unter einem SPD-Kultusminister zur Schule gegangen ist.

(Beifall der Abg. Norbert Schmitt und Heinz Lotz (SPD))

So zu tun, als hätten Sie damit nichts zu tun, und die Grundlage hätten andere gelegt, ist doch völlig verkehrt. Herr Wagner, das ist im Übrigen auch der Unterschied zu Thüringen. Da regiert DIE LINKE, übrigens gemeinsam mit den GRÜNEN, gerade einmal seit dreieinhalb Jahren. Das ist ein kleiner Unterschied. Man hat hier 20 Jahre lang das Land regiert. Dann ist ein Lehrermangel da. Dann stellt man sich hierhin und tut so, als hätte man mit alledem nichts zu tun. Das ist doch einfach das Abschieben der Verantwortung.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Minister sagt dann Folgendes: Ja, es gibt Unterrichtsausfall, aber das ist auf die vielen Exkursionen und Ausflüge zurückzuführen. – Das erweckt den Eindruck, als seien die Schulen Reisebüros. Herr Minister, es ist doch eher andersherum. Viele Wandertage und Ausflüge können doch nicht stattfinden, weil es den Lehrermangel gibt. So herum ist es doch.

Frau Kollegin Wissler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schwarz?

Nein. Ich habe keine Zeit. Er kann sich noch einmal zu Wort melden.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Nein, das kann er nicht!)

Ich glaube nicht, dass ich Herrn Kollegen Schwarz mit meiner Antwort überzeugen könnte.

So herum ist es doch. Wir haben einen Lehrermangel.

Die Landesschülervertretung hat jetzt die Vertretungspläne ausgewertet. Herr Schwarz, ich will noch einmal eines deutlich machen: Sie sind hier die Landesschülervertretung in einer bestimmten Art und Weise angegangen. Sie haben ihnen parteipolitische Motive unterstellt. Das geht überhaupt nicht. Nehmen Sie die Landesschülervertretung ernst, und wischen Sie das nicht so weg.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie des Abg. René Rock (FDP))

Die Landesschülervertretung hat dankenswerterweise die Vertretungspläne ausgewertet. Herr Minister, es ist schon fast putzig, dass Sie sich hierhin stellen und sagen, die Vertretungspläne würden schon dem Namen nach besagen, dass der Unterricht nicht ausfallen würde, sondern dass vertreten würde; denn ansonsten würde der Vertretungsplan gar nicht Vertretungsplan heißen.

Ich erinnere mich noch an die Vertretungspläne aus meiner Schulzeit. Da stand erst die Unterrichtsstunde. Dann gab es da eine Spalte, in der stand: „vertreten von“ oder „fällt aus“.

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Nur weil die Vertretungspläne Vertretungspläne heißen, heißt das doch nicht, dass kein Unterricht ausfällt. Herr Minister, das bedeutet schon gar nicht, dass da qualifiziert vertreten wird. Deshalb ist es doch einfach hanebüchen, was Sie hier erzählt haben.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Tobias Eckert (SPD))

104 % Lehrerversorgung auf dem Papier reichen nicht. Wir brauchen 110 %, um das abzudecken.

Herr Wagner hat noch einmal die Debatte hinsichtlich der Frage der demografischen Rendite aufgemacht. Natürlich war doch immer klar, dass, wenn die Schülerzahlen zurückgehen würden, dies niemals gleichmäßig in der Stadt und auf dem Land geschehen würde. Deshalb war völlig klar, dass es in den Städten einen höheren Bedarf gibt.

Noch vor drei Jahren haben Sie von der demografischen Rendite erzählt. Auf einmal stellt man fest, dass es im Jahr 2023 rund 80.000 Schülerinnen und Schüler mehr geben wird, als das Kultusministerium berechnet hat. Dazu würde ich einmal sagen: Das ist schon eine planerische Fehlleistung.

(Beifall des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Ein Letztes. Fast 6.000 Menschen in hessischen Schulen haben weder ein Lehramt noch eine Lehrbefähigung. Herr Wagner, Sie sagen, es sei eine Diskreditierung, darauf hinzuweisen. Das ist doch keine Diskreditierung. Es ist eine Diskreditierung des Lehrerberufs, so zu tun, als bräuchte man keine Ausbildung, um die Schülerinnen und Schüler zu beschulen.