Protocol of the Session on April 25, 2018

Wir machen genau das nicht, was Sozialisten und Linke gerne machen, nämlich hingehen und glauben, zu entscheiden, was richtig ist. Nein, das haben wir anders gemacht, und deswegen funktioniert LOEWE so gut.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Frau Wissler, jetzt haben Sie mich aber ein weiteres Mal verführt, nämlich dazu, wieder abzuweichen; und meine Zeit läuft ab.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Glockenzeichen des Präsidenten)

Eigentlich wollte ich heute über beruflich Qualifizierte sprechen. Ich wollte sagen, dass wir eine Situation haben, in der das gewählte Fächerspektrum von Betriebswirtschaft über Maschinenbau bis hin zu Weinbau und Önologie oder auch Landschaftsarchitektur reicht, und dass nach der Auswertung derzeit festgestellt worden ist – das ist jetzt nicht ganz überraschend –, dass die gewählten Studiengänge ganz überwiegend affin zu den Berufsausbildungen sind, die die Bewerber haben. Das heißt, dass es in der Regel

sehr ähnliche Studiengänge sind. Allerdings haben wir auch Fälle, in denen die Automobilkauffrau Architektur studiert oder der Rettungsassistent sich entscheidet, in Darmstadt Bauingenieurwesen und Geodäsie zu studieren.

Ich finde, das zeigt, dass dieser Ansatz exakt der richtige ist; denn die Kombination von Berufs- und Hochschulbildung wird immer mehr zum Normalfall. Insoweit ist der Geselle, der Krankenpfleger oder, wie gesagt, die Automobilkauffrau auf dem Campus kein Exot mehr.

Meine Damen und Herren, trotzdem muss man auch feststellen: Zwischen den Systemen der beruflichen und der akademischen Bildung gibt es heute immer noch zu wenig personellen Austausch. Dabei entspricht die Trennung der Systeme der beruflichen und der akademischen Bildung überhaupt nicht mehr dem aktuellen Qualifikationsbedarf. Wir brauchen mehr Menschen mit einem breiten Spektrum an praktischen und theoretischen Fähigkeiten.

Meine Damen und Herren, wir tun mit dem Modellversuch etwas ganz Wichtiges: Wir stärken damit das Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft. Das ist nach wie vor die duale Ausbildung. Das ist die richtige Zielrichtung dieses Modellversuchs.

Natürlich sind wir, als wir damit angefangen haben – wir führen die Diskussion teilweise auch heute noch mit dem einen oder anderen, der das nicht verstanden hat –, immer wieder gefragt worden: Wollt ihr denn, dass da noch mehr dual Ausgebildete in Scharen in die Hochschulen drängen? – Das Gegenteil ist der Fall: Wir wollen, dass Menschen, die nach einer Schulzeit im Beruf endlich praktische Erfahrungen machen wollen, diese Entscheidung völlig gelassen für sich treffen können, weil sie eben nicht die Sorge haben müssen, dass dann, wenn sie sich mit 16 Jahren für die Praxis entscheiden, für sie der akademische Zug abgefahren ist – wenn ich das so formulieren darf. Wir wollen, dass Berufswahlentscheidungen in einem sehr frühen Lebensalter nicht endgültig sind.

Mit 16 Jahren muss man sich ja nichts vormachen. Mein älterer Sohn ist heute 15; insoweit weiß ich, was in den Köpfen dieser jungen Leute vorgeht. Ob da die Berufswahl an allererster Stelle steht, wage ich zu bezweifeln. In der Jugend sollen solche Entscheidungen entspannt fallen können und nicht so fallen müssen, dass man sagt: Ich entscheide mich – Herr May hat es so schön gesagt – für ein Entweder-oder, und dann gibt es kein Zurück mehr. – Wir wollen, dass diese jungen Menschen wissen: Man kann sich auch auf verschiedenen Wegen eine respektable Karriere aufbauen.

Deshalb bin ich sehr sicher, dass viel mehr Menschen als bisher die Chancen der Praxis nutzen werden, wenn sie – ich betone das, es ist ganz wichtig; Herr Hofmeister hat es gesagt – und natürlich auch ihre Eltern und Lehrer, die sie dabei beraten, keine Angst haben müssen, dass ihnen, ich sage es jetzt einmal betont formal, die höchste Bildungsqualifikation verschlossen bleibt.

(Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)

Umgekehrt hat dieser Modellversuch auch eine andere wichtige Wirkung. Ich bin mir sehr sicher, dass viele potenzielle Studienabbrecher, die aufgrund dieser Sorgen in die Hochschulen gedrängt worden sind, jetzt erst bereit sind, den Weg in die Praxis zu wählen, weil sie wissen: Ich verbaue mir nichts, mir stehen alle Chancen offen.

Wir wollen keine bildungspolitische Einbahnstraße. Wir wollen keine bildungspolitische Sackgasse. Ganz im Gegenteil: Wir wollen dazu beitragen und dafür sorgen, dass die berufliche und die akademische Ausbildung den gleichen Stellenwert haben. Insoweit kann man wirklich feststellen: Das erreichen wir mit diesem Modellversuch. Daher ist dies ein wichtiger Meilenstein für den Bildungsund Berufsstandort Hessen. Frau Habermann, ich glaube, dass es deshalb sehr wohl wert war, dass wir das heute hier diskutiert haben, um in der Öffentlichkeit immer wieder deutlich zu machen, welche Möglichkeiten es in Hessen – ich sage es noch einmal: ausschließlich und nur in Hessen – gibt. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Ich habe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Debatte um den Entschließungsantrag beendet.

Ich rufe zur Abstimmung über den Entschließungsantrag, Drucks. 19/6298, auf. Wer ihm seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Das sind die Fraktionen DIE LINKE und die FDP. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 71 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Landesregierung täuscht die Öffentlichkeit – Unterrichtsausfall nicht weiter leugnen – Drucks. 19/6291 –

Hierzu rufen wir die mündliche Frage 1007 des Abg. Degen und den Tagesordnungspunkt 73 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Unterrichtsausfall ernst nehmen statt verschleiern – Drucks. 19/6295 –

Ich schlage vor, dass zunächst Abg. Degen seine Frage stellt. Dann habe ich auch gleich, wenn die Antwort gegeben ist, die erste Wortmeldung von ihm. Er kann dann nahtlos weitermachen. Bitte, Herr Degen.

Ich frage die Landesregierung:

Wie begründet sie ihre Annahme, es käme aufgrund des Konzepts „Verlässliche Schule“ nicht zu Unterrichtsausfall in Hessen, da doch das Konzept der „Verlässlichen Schule“ lediglich feste Betreuungszeiten von vier bis fünf Stunden sichern soll, aber keinen qualitativ hochwertigen Unterricht, schon gar nicht ganztags?

Herr Abg. Degen, den hessischen Schulen stehen mehr Lehrkräfte zur Verfügung, als sie benötigen, um alle in der Stundentafel enthaltenen Unterrichtsstunden abzudecken.

(Günter Rudolph (SPD): Ach!)

Die Lehrerzuweisung liegt deutlich höher als die für die Grundunterrichtsversorgung erforderlichen 100 %, nämlich für jede Schule bei mindestens 104 %, für selbstständige Schulen bei 105 % und in vielen Fällen aufgrund der zahlreichen Sonderzuweisungen, die wir vornehmen, sogar noch weitaus höher. Deshalb haben wir in Hessen den strukturellen Unterrichtsausfall überwunden. Nichts anderes wurde behauptet.

Wir haben heute in Hessen im Vergleich zu 1998/1999 trotz zurückgegangener Schülerzahlen rund 10.000 Lehrerstellen mehr.

(Michael Boddenberg (CDU): Unglaublich! – Günter Rudolph (SPD): Im Vergleich zu 1970!)

Selbstverständlich werden aber auch heutzutage Lehrkräfte krank. Selbstverständlich wollen wir, dass an den Schulen Klassenfahrten, Theaterbesuche und Exkursionen zu Museen und Gedenkorten stattfinden. Ich nenne hier beispielsweise Schülerfahrten nach Buchenwald oder Bergen-Belsen oder zum Point Alpha. Solche Unternehmungen sind sehr sinnvoll, aber zwangsläufig damit verbunden, dass Lehrkräfte, die diese Fahrten begleiten, in dieser Zeit für den sonst in anderen Klassen zu haltenden Unterricht nicht zur Verfügung stehen. Das Gleiche gilt bei Krankheit.

In diesen Fällen greifen daher Vertretungskonzepte der Schulen, die ein pädagogisch sinnvolles Vertretungsangebot bereitstellen. Dafür stehen andere Lehr- und Vertretungskräfte bereit. Von Ausfall der Unterrichtsstunden des in der Stundentafel ausgewiesenen Pflichtunterrichts kann dabei nicht die Rede sein. Pädagogisch sinnvolle Vertretungen dürfen nicht in einen Topf mit Unterrichtsausfall geworfen werden.

Grundsätzlich gilt es weiter, zwischen lang- und kurzzeitigen Abwesenheiten der nach dem Stundenplan eingeplanten Lehrkraft zu unterscheiden. Bei langfristiger Abwesenheit, also beispielsweise aufgrund von Elternzeiten oder längerfristigen Krankheiten, wird der Unterricht durch eine andere, fest eingesetzte Lehrkraft abgedeckt. Umgesetzt werden kann das beispielsweise durch Umverteilung in der schulischen Lehrerzuordnung, durch unbefristete Neueinstellungen, durch Einsatz der mobilen Vertretungsreserve oder durch befristete Vertretungsverträge im Rahmen des TV-H.

Geplante, kurzzeitige Abwesenheiten, z. B. bei Exkursionen der Lehrkraft mit anderen Klassen, Wettbewerbsteilnahmen, Teilnahmen an Austauschfahrten usw., können in der Regel durch das schulinterne Vertretungskonzept kompensiert werden. Dann können beispielsweise durch die abwesende Lehrkraft Arbeitsaufträge erteilt werden, die die Schülerinnen und Schüler in Abhängigkeit von ihrem Alter mit oder ohne Betreuung durch eine Lehrkraft bearbeiten.

Bei einer ungeplanten, akuten Abwesenheit einer Lehrkraft, z. B. aufgrund einer Erkrankung oder eines Beschäftigungsverbots im Falle einer Schwangerschaft, handelt es sich in der Regel um ein nicht vorhersehbares Ereignis, das sich zunächst störend auf die Organisation auswirkt. Da es aber zu den Erfahrungswerten im Arbeitsleben gehört, diese Fälle einzuplanen, haben Schulen dafür Arbeitsroutinen entwickelt. Zu den Aufgaben der Schulleitungen gehört es, für diesen Fall Vertretungsregelungen sicherzustellen. Diese Regelungen sind nicht allein organisatorischer Art. Sie beschränken sich nicht darauf, die Aufsicht über Lerngruppen sicherzustellen. Zur schulischen Entwicklungsarbeit gehört es, inhaltlich ausgeprägte Vertretungskonzepte zu

entwickeln. So verfügen viele Schulen über hervorragende Vertretungskonzepte, mit denen sichergestellt wird, dass einer Lerngruppe trotz Ausfall der Fachlehrkraft keine Lern-, Übungs- oder Vertiefungszeit verloren geht. Im Gegenteil kann die durch den Ausfall einer Fachlehrkraft zunächst entstehende Lücke im regulären Plan sinnvoll und genau für diese ebenfalls wichtigen Phasen im Lernprozess genutzt werden.

An Grundschulen, die beispielsweise nach dem pädagogischen Konzept der Wochenplanarbeit unterrichten, gelingt dies üblicherweise sehr gut, da ein Wochenplan von der Lehrkraft von vornherein so konzipiert ist, dass die Weiterarbeit der Schülerinnen und Schüler auch in der Betreuungssituation ermöglicht wird. Entsprechend helfen hier die zusätzlichen Betreuungs- und Beaufsichtigungsmöglichkeiten, die den Schulen im Rahmen der verlässlichen Schulzeit zur Verfügung stehen. Ebenso können im Bereich der Schulen der Sekundarstufe I VSS-Kräfte die entsprechenden Übungs- und Vertiefungsphasen absichern.

Bei den Vertretungskonzepten der hessischen Schulen ist zur Erteilung von qualifiziertem Unterricht bei Abwesenheit der regulären Lehrkraft außerdem nach § 9 der Dienstordnung die Möglichkeit zu beachten, dass Lehrkräfte auf Anordnung der Schulleiterin oder des Schulleiters verpflichtet sind, über die jeweils festgesetzte Pflichtstundenzahl hinaus Vertretungsstunden zu übernehmen. Diese Möglichkeit zum Wohle der Schülerinnen und Schüler und zur Sicherstellung des Pflichtunterrichts umzusetzen, liegt ebenfalls im Aufgabenbereich der Schulleiterinnen und Schulleiter und ist über die untere Schulaufsichtsbehörde zu prüfen.

Damit ist sichergestellt, dass in Hessen – anders als in den Neunzigerjahren – kein flächendeckender Unterrichtsausfall vorkommt. Das schließt nicht aus, dass in Einzelfällen, wenn beispielsweise wie in der Grippewelle dieses Winters kurzfristig an einer Schule über zehn Lehrkräfte gleichzeitig ausfallen, auch die besten Vertretungskonzepte an ihre Grenzen stoßen. Ich denke, jeder wird dafür Verständnis haben, dass solche Situationen vorkommen können und schlechterdings unvermeidbar bleiben, weil wir nicht hinter jeder Lehrkraft eine zweite, fachlich gleich qualifizierte Kraft als ständig abrufbaren Ersatz vorhalten können. Das gibt es auch sonst nirgendwo in Deutschland, und das ist mir auch aus dem Ausland nicht bekannt.

(Günter Rudolph (SPD): Ach, das war es schon? – Heiterkeit bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Ich darf anmerken: Wir haben selten eine so ausführliche Antwort auf eine mündliche Frage erhalten.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Das war fast eine Rede! – Gegenruf des Ministers Tarek Al-Wazir: Wollt ihr etwas wissen, oder wollt ihr nichts wissen?)

Zusatzfrage, Herr Abg. Degen.

Vielen Dank, Herr Minister, für diese Abhandlung und den Ausblick auf Ihre spätere Rede. – Ich möchte meine Frage

zuspitzen. Sind Stunden, die im Rahmen der „Verlässlichen Schule“ vertreten werden – als pädagogische Betreuung, wie es in Ihrer eigenen Verordnung steht –, Unterricht, ja oder nein?

(Zuruf von der CDU: Nein!)

Herr Abg. Degen, der Sinn der differenzierten Darstellung, die ich soeben gegeben habe, war, die Komplexität dieser Sachverhalte zu beleuchten.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Also: Sie wollen keine Antwort geben!)

Sie eignen sich nicht für derart plakative Bewertungen.

(Günter Rudolph (SPD): Ja oder nein?)

Wenn der reguläre Unterricht nicht gehalten werden kann, weil die Fachlehrkraft aus den unterschiedlichsten Gründen nicht anwesend ist, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, diese Zeit pädagogisch sinnvoll zu nutzen.